Wir beginnen beim oberen Kastl in dem kreisförmigen Diagramm. Natürlich könnte man auch bei jedem anderen Kastl im Kreis anfangen.
Eine wissenschaftliche Erkenntnis beginnt normalerweise mit einer Fragestellung.
Zufalls-Ergebnisse gibt es auch, aber das ist eben der häufigste Fall.
Ein Ornithologe wird mit dem Fernglas in den Wald gehen, ein Soziologe wird eine Umfrage machen, und die Physiker machen Experimente.
So oder so kommen wir zu einer Beobachtung.
Da haben wir schon das erste Problem: Der Mensch ist ein schlechter Beobachter.
Er vergisst manches, erinnert sich an Dinge die gar nicht waren, überbewertet Einzel-Ergebnisse, besonders dann, wenn das heraus kommt was heraus kommen soll. Das heißt, wir müssen die Beobachtung möglichst objektiv machen. Aus der Medizin kennt ihr den Doppel-Blind-Versuch, bei dem der Beobachter gar nicht weiß was heraus kommen soll, damit er das Ergebnis nicht (auch nicht unterbewusst) verfälschen kann.
Jetzt haben wir eine Beobachtung, was machen wir als nächstes? Veröffentlichen. Warum? Weil man veröffentlichen muss. Publish or perish. Veröffentlichen oder verrecken. Wenn man sich um eine wissenschaftliche Stelle bewirbt, oder wenn es sich um eine Vertrags-Verlängerung handelt, legt man seine Publikationsliste vor.
Wie veröffentlicht man? Aus der jüngsten Geschichte wissen wir, dass die Tageszeitung "Österreich" ein geeignetes Medium ist ;-)
Nein, es geht anders.
Man reicht sein paper, wie es im Jargon heißt, bei einem wissenschaftlichen Verlag ein. Der prüft es erst einmal formal und schickt es zur Begutachtung an andere Wissenschaftler, die im selben Arbeitsgebiet forschen, sogenannte peer-reviewers. Diese formulieren Anmerkungen und Kritikpunkte, schicken sie an den Verlag und der schickt sie anonym an der Autor. Der arbeitet die Punkte ab, macht Verbesserungen, und reicht es erneut ein. Das Spiel wiederholt sich so lange, bis die Arbeit zur Veröffentlichung angenommen wird.
Andere Wissenschaftler lesen diese Veröffentlichung, bauen darauf auf bzw. überprüfen ihrerseits die Resultate. Sie machen das gleiche Experiment und schauen ob das gleiche heraus kommt. Es kann passieren, dass die Arbeit auf Grund von Mängeln zurück gezogen wird. So z.B. geschehen im vergangenen Herbst, als eine bahnbrechende Arbeit über Supraleitung zwei Jahre nach der Veröffentlichung gegen den Willen des Autors zurück gezogen wurde.
Wir haben jetzt eine gesicherte Beobachtung. Idealerweise wurde nur beobachtet, ohne sich von dem Gedanken leiten zu lassen, was das bedeutet und wie es zu erklären ist. Das kommt im nächsten Schritt, das ist die Hypothese (rechtes Kastl): Es könnte so und so zu erklären sein.
Dann sind die Theoretiker am Werk (unteres Kastl). Sie versuchen eine Formel bzw. ein Formelwerk zu finden, mit der die neue Beobachtung erklärt werden kann.
Die Erklärung für etwas zu finden was man bereits kennt, ist nicht der heilige Gral der Wissenschaft. Eine Theorie muss mehr können, nämlich überprüfbare Voraussagen machen (linkes Kastl). Die Experimentalphysiker denken sich Versuche aus, um die Theorie zu überprüfen. In den meisten Fällen wird das heraus kommen, was man erwartet hat. Wenn etwas anderes heraus kommt, ist entweder etwas falsch, oder man hat eine neue Beobachtung gemacht. Die versucht man wieder mit einer Hypothese erklären usw.
So dreht sich das Radl ständig weiter und erzeugt Erkenntnisse.
Dass ich Originalarbeiten lese, kommt selten vor. Normalerweise genügt mir populärwissenschaftliche Literatur, sozusagen Wissenschaftsnachrichten in einfacher Sprache. Wie wir kürzlich gesehen haben, ist auf diese nicht unbedingt Verlass. Sie sind ja nicht überprüft. Eine gewisse Portion Skepsis und etwas kritische Betrachtung sind durchaus angebracht. Es beginnt dabei, nachzusehen, ob die Originalarbeit, auf die Bezug genommen wird, verlinkt ist. Nachsehen, ob sie in einem wissenschaftlichen Magazin veröffentlicht wurde, man googelt nach den Autoren und sieht im Zweifelsfall nach, ob überhaupt das drinsteht was in der Originalarbeit steht - bzw. umgekehrt.
Das Rad dreht sich also, und natürlich läuft es nicht immer so einfach und so rund wie ich es hier dargestellt habe. Es rumpelt, quietscht und eiert. Es gibt Plagiate, Fälschungen, persönliche Konflikte zwischen Forschenden, usw. Es gibt piracy magazines, die wie ein wissenschaftliches Magazin aussehen und die gegen Geld unüberprüfte Texte veröffentlichen. Einmal hat sich jemand darüber aufgeregt, dass 1% der wissenschaftlichen Arbeiten gefälscht sind. Ein anderer hat eingewendet: Bei dem Veröffentlichungs-Druck, dem die Leute ausgesetzt sind, ist 1% sogar ein sehr guter Wert.
So funktioniert also die wissenschaftliche Methodik. Jetzt sollte auch klar sein, dass nicht überall Wissenschaft drin ist, wo Wissenschaft drauf steht.
Nicht alles, was ein Wissenschaftler von sich gibt, ist Wissenschaft. Das schlimmste Beispiel ist Hans Peter Dürr. Als Leiter der Max Planck Gesellschaft war er der direkte Nachfolger von Werner Heisenberg und somit ein prominenter Wissenschaftler. Er hat die Arbeit, für die er bezahlt wurde, nicht gemacht, sondern populärwissenschaftliche Werke verfasst, in denen ungeheurer Blödsinn steht.
Oder Rupert Sheldrake. Er hat sich (gegen den Rat älterer Kollegen) aus dem Wissenschaftsbetrieb hinaus katapultiert, indem er ein Buch mit dem Titel "A New Science of Life - The Hypothesis of Formative Causation" geschrieben hat, das sich an ein Laien-Publikum gewandt hat und in dem nicht wissenschaftlich überprüfte Behauptungen stehen. Das angesehene Wissenschaftsmagazin Nature urteilte; "a book for burning". Auf deutsch heißt es "Das schöpferische Universum. Die Theorie des morphogenetischen Feldes", da ist die Hypothese auf magische Weise zur Theorie avanciert. Deutschsprachigen Lesern kann man offensichtlich mehr zumuten. Seine Grundidee ist alt und längst überholt, aber er macht weiterhin gute Geschäfte indem er seine Tätigkeit als Wissenschaft verkauft - und weil die Wenigsten wissen, was Wissenschaft ist.
Ihr wisst es jetzt.
Eine wissenschaftliche Erkenntnis beginnt normalerweise mit einer Fragestellung.
Zufalls-Ergebnisse gibt es auch, aber das ist eben der häufigste Fall.
Ein Ornithologe wird mit dem Fernglas in den Wald gehen, ein Soziologe wird eine Umfrage machen, und die Physiker machen Experimente.
So oder so kommen wir zu einer Beobachtung.
Da haben wir schon das erste Problem: Der Mensch ist ein schlechter Beobachter.
Er vergisst manches, erinnert sich an Dinge die gar nicht waren, überbewertet Einzel-Ergebnisse, besonders dann, wenn das heraus kommt was heraus kommen soll. Das heißt, wir müssen die Beobachtung möglichst objektiv machen. Aus der Medizin kennt ihr den Doppel-Blind-Versuch, bei dem der Beobachter gar nicht weiß was heraus kommen soll, damit er das Ergebnis nicht (auch nicht unterbewusst) verfälschen kann.
Jetzt haben wir eine Beobachtung, was machen wir als nächstes? Veröffentlichen. Warum? Weil man veröffentlichen muss. Publish or perish. Veröffentlichen oder verrecken. Wenn man sich um eine wissenschaftliche Stelle bewirbt, oder wenn es sich um eine Vertrags-Verlängerung handelt, legt man seine Publikationsliste vor.
Wie veröffentlicht man? Aus der jüngsten Geschichte wissen wir, dass die Tageszeitung "Österreich" ein geeignetes Medium ist ;-)
Nein, es geht anders.
Man reicht sein paper, wie es im Jargon heißt, bei einem wissenschaftlichen Verlag ein. Der prüft es erst einmal formal und schickt es zur Begutachtung an andere Wissenschaftler, die im selben Arbeitsgebiet forschen, sogenannte peer-reviewers. Diese formulieren Anmerkungen und Kritikpunkte, schicken sie an den Verlag und der schickt sie anonym an der Autor. Der arbeitet die Punkte ab, macht Verbesserungen, und reicht es erneut ein. Das Spiel wiederholt sich so lange, bis die Arbeit zur Veröffentlichung angenommen wird.
Andere Wissenschaftler lesen diese Veröffentlichung, bauen darauf auf bzw. überprüfen ihrerseits die Resultate. Sie machen das gleiche Experiment und schauen ob das gleiche heraus kommt. Es kann passieren, dass die Arbeit auf Grund von Mängeln zurück gezogen wird. So z.B. geschehen im vergangenen Herbst, als eine bahnbrechende Arbeit über Supraleitung zwei Jahre nach der Veröffentlichung gegen den Willen des Autors zurück gezogen wurde.
Wir haben jetzt eine gesicherte Beobachtung. Idealerweise wurde nur beobachtet, ohne sich von dem Gedanken leiten zu lassen, was das bedeutet und wie es zu erklären ist. Das kommt im nächsten Schritt, das ist die Hypothese (rechtes Kastl): Es könnte so und so zu erklären sein.
Dann sind die Theoretiker am Werk (unteres Kastl). Sie versuchen eine Formel bzw. ein Formelwerk zu finden, mit der die neue Beobachtung erklärt werden kann.
Die Erklärung für etwas zu finden was man bereits kennt, ist nicht der heilige Gral der Wissenschaft. Eine Theorie muss mehr können, nämlich überprüfbare Voraussagen machen (linkes Kastl). Die Experimentalphysiker denken sich Versuche aus, um die Theorie zu überprüfen. In den meisten Fällen wird das heraus kommen, was man erwartet hat. Wenn etwas anderes heraus kommt, ist entweder etwas falsch, oder man hat eine neue Beobachtung gemacht. Die versucht man wieder mit einer Hypothese erklären usw.
So dreht sich das Radl ständig weiter und erzeugt Erkenntnisse.
Dass ich Originalarbeiten lese, kommt selten vor. Normalerweise genügt mir populärwissenschaftliche Literatur, sozusagen Wissenschaftsnachrichten in einfacher Sprache. Wie wir kürzlich gesehen haben, ist auf diese nicht unbedingt Verlass. Sie sind ja nicht überprüft. Eine gewisse Portion Skepsis und etwas kritische Betrachtung sind durchaus angebracht. Es beginnt dabei, nachzusehen, ob die Originalarbeit, auf die Bezug genommen wird, verlinkt ist. Nachsehen, ob sie in einem wissenschaftlichen Magazin veröffentlicht wurde, man googelt nach den Autoren und sieht im Zweifelsfall nach, ob überhaupt das drinsteht was in der Originalarbeit steht - bzw. umgekehrt.
Das Rad dreht sich also, und natürlich läuft es nicht immer so einfach und so rund wie ich es hier dargestellt habe. Es rumpelt, quietscht und eiert. Es gibt Plagiate, Fälschungen, persönliche Konflikte zwischen Forschenden, usw. Es gibt piracy magazines, die wie ein wissenschaftliches Magazin aussehen und die gegen Geld unüberprüfte Texte veröffentlichen. Einmal hat sich jemand darüber aufgeregt, dass 1% der wissenschaftlichen Arbeiten gefälscht sind. Ein anderer hat eingewendet: Bei dem Veröffentlichungs-Druck, dem die Leute ausgesetzt sind, ist 1% sogar ein sehr guter Wert.
So funktioniert also die wissenschaftliche Methodik. Jetzt sollte auch klar sein, dass nicht überall Wissenschaft drin ist, wo Wissenschaft drauf steht.
Nicht alles, was ein Wissenschaftler von sich gibt, ist Wissenschaft. Das schlimmste Beispiel ist Hans Peter Dürr. Als Leiter der Max Planck Gesellschaft war er der direkte Nachfolger von Werner Heisenberg und somit ein prominenter Wissenschaftler. Er hat die Arbeit, für die er bezahlt wurde, nicht gemacht, sondern populär
Oder Rupert Sheldrake. Er hat sich (gegen den Rat älterer Kollegen) aus dem Wissenschaftsbetrieb hinaus katapultiert, indem er ein Buch mit dem Titel "A New Science of Life - The Hypothesis of Formative Causation" geschrieben hat, das sich an ein Laien-Publikum gewandt hat und in dem nicht wissenschaftlich überprüfte Behauptungen stehen. Das angesehene Wissenschaftsmagazin Nature urteilte; "a book for burning". Auf deutsch heißt es "Das schöpferische Universum. Die Theorie des morphogenetischen Feldes", da ist die Hypothese auf magische Weise zur Theorie avanciert. Deutschsprachigen Lesern kann man offensichtlich mehr zumuten. Seine Grundidee ist alt und längst überholt, aber er macht weiterhin gute Geschäfte indem er seine Tätigkeit als Wissenschaft verkauft - und weil die Wenigsten wissen, was Wissenschaft ist.
Ihr wisst es jetzt.