Der Frosch wendet sich an mich.
„Du scheinst der Vernünftigere von euch beiden zu sein. Du meinst also, Energie 'gesehen' zu haben, was bedeuten würde, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, was ebenso bedeuten würde, du hast die vermeintlichen Emanationen der nicht existierenden Quelle der Kraft 'gesehen'. Ist das richtig so?“
Ich nicke etwas zweifelnd.
„Warum zweifelnd?“ fragt der Frosch.
„Weil ich an die Quelle der Kraft und ihren Emanationen glaube und sie niemals nicht existierend oder vermeintlich nennen würde.“
„Glauben heißt nichts wissen – besagt eine alte Menschenkindweisheit. Andererseits heißt es auch, wer nichts weiß, muss alles glauben. Aber egal, es geht mir um etwas anderes. Sag mir, was du gesehen hast, als du Energie 'gesehen' hast.“
Die beiden Worte „gesehen“ nehme ich sehr unterschiedlich in mir auf, wobei das erste „gesehen“ ziemlich laut in mir wieder hallt.
„So etwas wie einen hell gleißenden Energiefluss, in dem seltsamen Blasen herum hüpfen. Eigentlich, wenn ich mich recht entsinne, habe ich nur Amar als Blase hüpfen sehen und dich als dunklen Punkt ganz weit vor uns.“
„Einen Energiefluss. Aha“, macht der Frosch und schüttelt seinen wabbeligen Kopf. „Ist ja zum Lachen!“
Amar erhebt sich vom Boden. Er ist tatsächlich wunderschön. Sein tiefschwarzes Fell glänzt und das Horn glitzert und sein gesamter Körper ist muskulös und einfach perfekt. Das faszinierendste sind aber doch die Mähne und der Schweif. Das war in seinem menschlichen Körper auch schon so. Kim hatte eine Mähne, von der man nur träumen kann. Erstaunt bewundere ich wieder seine übernatürliche Schönheit.
„Lass das. Maria hat das zu Genüge getan, mich derart hervor zu heben. Und ich bin froh, sie im Moment nicht bei oder in mir zu haben.“
Dann wendet er sich an den Frosch.
„Hast du schon mal Energie 'gesehen'?“
„Nein, weil das nicht möglich ist. Wir sind, was wir sind.“
„Jetzt fällt mir ein, dass ich gar keine Frösche in der Stadt gesehen habe“, wende ich ein. „Auch keine Einhörner, von denen du, Amar, mir jedoch sagtest, dass sie unsichtbar sind und man nur das eigene Einhorn sieht. Dann fragte ich dich, oder eher mich selbst, welch seltsame Dimension dies hier ist.“
„Der Frosch, der so genannte Springer, war zu weit weg, als dass du ihn sehen hättest können. Aber wenn du Energie 'siehst' – was eine andere Art des Wahrnehmens ist – kannst du einiges erkennen, was du auf gewohnte Art nicht kannst.
Ich weiß schon, worauf der Frosch hinaus will. Viele hier sagen, dass die Quelle der Kraft und ihre Emanationen nie zu sehen sein können, weil sie jenseits aller Wahrnehmungen sind. Das ist absolut richtig. Erinnere dich, als du nur eine weiße, nichts sagende Leinwand erkannt hast und dich gefühlt hast, als wärst du im Nichts.
Ebenso ist es durch gewohnte Lebensweise nicht möglich, Energie zu 'sehen' – was, wie ich schon sagte, eine andere Art des Wahrnehmens ist, jedoch eine Art, die der Wirklichkeit schon sehr nahe kommt, da alles unterschiedslos ist. Du siehst den Energiestrom, an den die Lebewesen als Blasen gebunden sind, egal, um welche es sich handelt. Alle Lebewesen in allen Dimensionen und Welten werden stets als Blasen erscheinen und das, was uns die jeweiligen Welten wahrnehmen lässt, ist der Energiestrom, der in die Tiefe geht.
Und diesem Ding hier, diesem Frosch, ist es durchaus möglich, nicht nur in die Tiefe zu springen, sondern sich über mehrere Dimensionen hinweg zu setzen, was bedeutet, dass er sich seitwärts bewegen kann, was nicht einmal den Ganzheiten des Selbst möglich ist.“
„Wow“,mache ich, im wahrsten Sinne des Wortes. „Sagtest du nicht einst, dass wir alle in bestimmten Blasen enthalten sind und es die Blasen sind, die uns zu bestimmten Wahrnehmungen verdammen?“
„Du hast mich missverstanden oder überhaupt nicht verstanden. Du hast auch das mit der Energie der Anderen Seite und der Energie Dieser Seite stets missverstanden. Die beiden Energien bedingen einander, aber sie können auch ohne einander existieren. Du, Nimrod, bewegst dich in eine andere Richtung als Ysil das tut.“
„Ysil!“ stoße ich hervor, „wie konnte ich sie vergessen? Wo ist sie?“
„Sie ist bei der Wölfin, - bei Maria.“
Wäre dies ein Comic, würde ein riesiges Fragezeichen über meinem grauen Kopf erscheinen.