Impressionen

Thygyrill hat inzwischen sein angeborenes Selbstmitleid etwas gezügelt, obwohl er Arima noch immer vorwurfsvoll ansieht und auch noch immer im weißen, sehr geräumigen, voll geräumten Zimmer vor der weißen Couch und dem kleinen weißen Couchtischchen steht.


„Setz dich doch und beruhige dich“, mahnt ihn Arima und schließlich lässt sich der bunt (!) gekleidete, maskenhafte Jüngling gegenüber auf einen schmalen weißen Hocker nieder.

„Was sind wir, Arima? Was?“ fragt er schwermütig.

„Phantasie, Geschichte, Märchen, Spiel“, meint Arima lächelnd. „Entstanden aus Sternenstaub. Na ja, nicht so, wie du vielleicht mit deinem noch immer engstirnigen Menschengeist denken magst. Denke an die zwei Energien, deren Harmonie wir im Endkampf wieder hergestellt haben. Es gab sie von Anbeginn. Es gab sie eigentlich schon immer. Wir wissen es natürlich nicht sicher. Wir können unser Entstehen nur erahnen. Aber was entstanden ist, muss auch wieder vergehen. So will es das Gesetz, das niemand aufgestellt hat und doch ist es so.

Thygyrill, mein lieber Thygyrill, du nimmst das alles viel zu ernst und stehst deinem Glück ständig im Wege. Genieße die Zeit, in der du bist und denk nicht an das Nichtsein, während du noch das Sein bist. Aber irgendwie bist du der eigentlichen Wahrheit auf der Spur, denn tatsächlich sind wir und gleichzeitig sind wir nicht. Wir sind zwei.“

„Zwei? Du hast uns die Energie genommen, die uns unsterblich gemacht hätte. Du hast uns zu diesem unnötigen Endkampf verführt, ohne uns zuvor aufzuklären, was wir da überhaupt machen. Das hat mir Ysil erzählt. Ysil sagt, du hast alles verbockt.“

„Ich habe euch nicht dazu gezwungen“, verteidigt sich Arima. „Ich ließ euch freie Wahl.“

„Ja, klar, aber vorher hast du uns anständig manipuliert, dass wir uns gar nicht anders entscheiden konnten. Wie war das mit den ehemaligen Menschen? Es steht in den alten Büchern, die Manola einst beiseite schaffen konnte. Ysil kann sich erinnern, denn einer ihrer Aspekte ist Manola. Ihnen hast du vorgemacht, du müsstest gegen die böseste Macht aller Zeiten kämpfen, gegen Luzifer. Und das, obwohl er gar nicht böse ist und es sich gar nicht um das Wesen handelt, von dem die Menschen phantasierten.“

„Ich kann nichts dafür, dass Maria das damals missverstanden hat. Auch ich habe nicht vollkommen verstanden, was das Reich des Bösen, wie ich es damals nannte, wirklich ist. Ich wusste echt nicht, dass es sich dabei um die Andere Seite, eine uns entgegengesetzte und gleichzeitig bedingende Energie handelt.“

„Du konntest dich schon immer leicht herausreden. Aber sagen wir einmal, wir hätten nicht gekämpft und die Wesen der Anderen Seite hätten alles umgepolt. Was wäre gewesen?“

Arima lächelt und flüstert: „Du weißt, was ich von dem Spiel 'Was-wäre-wenn' halte.“


Luzifer, der so viele Namen hat und über den sich so viele Geschichten ranken. Er ist auch mein Freund. Wegen der vielen Geschichten. Wegen seines revolutionären Geistes, der alles verneint. Der erste Nihilist der Philosophie.

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Alles Lügen? Oder gab und gibt es Menschen, die den „Leibhaftigen“ leibhaftig gesehen haben? Oben schrieb ich, er sei gar nicht böse und dass es sich bei ihm gar nicht um das Wesen handelt, von dem die Menschen phantasieren.

Woher weiß ich das? Woher will ich das wissen? Immerhin phantasiere ich genauso und habe ihn einst im Endkampf Kim als Antagonist gegenüber gestellt und ihn in einigen anderen meiner Geschichten mitspielen lassen.


In meinen Geschichten gleicht er Kim bis auf das Muttermal unterm linken Auge. Manola hatte mehrmals das Vergnügen mit Luzifer. Ich nenne ihn liebevoll Luzy. Aber das war vor dem Endkampf. Was passierte mit Luzy nach dem Endkampf? Nichts, da es ihn vor, während und nach dem Endkampf nicht gab, gibt und geben wird, denn Kim und seine „Armee“ kämpften nicht gegen Dämonen, wie man sie meist in Horrorfilmen darstellt, sondern harmonisierten die beiden Energien aus denen das Universum entstanden (oder schon immer war?) ist. So steht es zumindest in den veröffentlichten Büchern und wahrscheinlich auch in den Büchern, die Michael damals trug, als er und die letzten Menschen, nachdem sie je einen Bissen Fleisch des roten Wolfes gegessen hatten, nach Nordern weiter wanderten. Sozusagen die neue Version, die sich bei mir aus den Gesprächen ergab.


In den alten Büchern kämpften Kim und Maria noch mit Dämonen. Zwei Geister halfen ihnen dabei, Xilar und Galdron. Beide waren einst Dämonen, oder zumindest Halbdämonen, sonst wäre es nicht möglich gewesen, mit ihnen Freundschaft zu schließen, wie Kim und Maria das taten. Mir gefällt die alte Version besser, was ich schon mehrmals erwähnt habe. Schon deshalb, weil es vorstellbarer ist, dass die beiden Retter des Universums harte Kämpfe gegen fürchterlich aussehende Dämonen austragen müssen, dabei sogar arge Verletzungen ertragen und ja, auch getötet werden könnten. Kim, der Unsterbliche, hätte durchaus getötet werden können. Es ging stets um den letzten Tropfen Blut. Man verliert unheimlich schnell und vor allem unheimlich viel Blut im Reich des Bösen. Und sehr oft war es wirklich sehr knapp.


Wie sehr liebe ich die Textstelle, als einer der Schwiegersöhne Kims und Marias in Kim bloß einen wunderschönen, verliebten Jungen sehen, der sich Hals über Kopf in ein wunderschönes Mädchen verliebt hat, ohne deren Liebe er nicht leben könnte, als es einmal wirklich knapp war und Maria Kim im Reich des Bösen zurück lassen musste. Aber er kam siegreich wieder zurück und schloss „sein Mädchen“ liebevoll und leidenschaftlich in seine Arme, dass der Schwiegersohn mit rotem Kopf das Zimmer verlassen musste.
 
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„Hast du tatsächlich gegen Luzifer gekämpft?“ fragt Thygyrill und rückt auf dem Hocker nervös hin und her.

„Du solltest Ysil fragen. Sie hat von ganz oben zu gesehen“, erwidert Arima und lächelt geheimnisvoll.

„Ich frage aber dich und du solltest mir, wenn du höflich bist, nicht immer ausweichen.“

Arima lacht schallend auf.

„Du weißt sehr gut, was ich von Höflichkeit halte“, stößt er noch immer lachend hervor.

„Ich meine ja nicht diese geheuchelte und gekünstelte Höflichkeit.“

„Eine andere gibt es nicht. Niemand ist einfach nur höflich aufgrund von Höflichkeit“, sagt Arima mit harter Stimme.

„Sag es mir trotzdem“, bettelt Thygyrill und setzt einen seiner treuherzigen Blicke auf, die etwas dämlich im maskenhaften Gesicht wirken, sodass sich Arima zurück halten muss, um nicht abermals los zu lachen.

„Nein.“

„Nein?“

„Natürlich nicht! Es handelte sich um Energie, - um – genauer gesagt, zwei sich ergänzende Energien, die aus der Quelle der Kraft entstanden sind.“


Der Urknall! Den leeren Raum gab es angeblich oder anscheinend schon immer. Niemand hat ihn je erfunden oder erschaffen. Der leere Raum, die unendliche Ewigkeit – die Quelle der Kraft. Aus ihm/ihr kann alles entstehen – alles und nichts. Und dann waren da zwei winzige, fast unsichtbare Teilchen, zwei sich ergänzende und gleichzeitig gegensätzliche Energien, die aufeinander trafen. Bumm – der Urknall war passiert und von da an nahm alles seinen Lauf.



Natürlich war es nicht Luzifer. Natürlich waren es keine Dämonen. Kim war doch der Retter des Universums. Der Retter des gesamten Universums, in dem es Planeten mit Lebewesen gibt, die der Erde und den Menschen total unähnlich sind. Fragt man einen Außerirdischen, ob er Luzifer kennt, wird er, falls die Kommunikation hinhaut, höchstwahrscheinlich verneinen. Kein Außerirdischer wird Engel kennen, es sei denn, sie selbst sind Engel.


Genau deshalb halten sie Area 51 geheim. Was wäre, wenn heraus käme, dass es tatsächlich noch anderes intelligentes Leben im Universum gibt und dieses intelligente Leben absolut nichts über Gott, den Teufel und all dem Zeug weiß. Na ja, wissen tun wir auch nichts, denn das gehört zum Phänomen Glaube. Wir glauben und es ist doch nicht so unwahrscheinlich, dass auch andere Lebewesen auf anderen Planeten an so etwas wie ein höheres Wesen glauben. Oder sind nur Menschen diesem Wahn verfallen?


Nein, es war nicht Luzifer den Kim im Endkampf niedergerungen hat. Die Menschheit und die Lebewesen des gesamten Universums müssen bereit sein, sonst kann es den Endkampf nicht geben, sagte Kim immer wieder, wenn er aufgefordert wurde, endlich diesen Unsinn zu beenden. Diesen Unsinn, den Menschen immer wieder anrichten. Aber so lange sie Unsinn anrichten, sind sie nicht bereit. Irgendwie eine paradoxe Angelegenheit. Kim wollte nie jemanden beeinflussen und schon gar nicht manipulieren. Die Menschheit musste nun mal bereit sein.

Wird sie das jemals sein? Wird sie einmal ohne Vorurteile und aufrichtig tolerant sein? Wird sie einst erkennen, dass sie mit leeren Händen geboren und mit leeren Händen sterben wird und dass alles Dazwischen nur eine Leihgabe ist? Wird sie einmal erkennen, dass Liebe so viel stärker ist als Hass und Angst? Heute, im Jahr 2018, sieht es nicht so aus.


Aber nehmen wir einmal an, Kim hätte tatsächlich gegen Luzifer gekämpft. Der Ausgang war nie sicher, nicht einmal, als es darum ging, die Harmonie zwischen den beiden Energie wieder herzustellen. Kim und seine Konsorten hätten alle umgepolt werden können und dann wäre das eingetroffen, was schon immer Ysils Wunsch war und noch immer ist: Wesen der Anderen Seite übernehmen die totale Kontrolle. Das bedeutet eine Welt ohne Veränderung. Alles bleibt wie es war, ist und sein wird. Nichts Neues und das Alte bleibt für immer erhalten. Genau das wollte Kim auf alle Fälle verhindern.


Wofür würde ich mich entscheiden, wenn ich die Möglichkeit hätte? Manchmal wünsche ich mir, ein bestimmter Moment möge niemals vergehen. So müsste es für immer bleiben. Wenn es dann aber so weit wäre, dass dieser bestimmte Moment für immer bleibt, wird es dann noch immer mein Wunsch sein?

Es wäre unnatürlich, denn die Natur des (jetzigen) Universums ist Veränderung. Im Geisterreich jedoch bleibt alles erhalten. Jeder Moment, jeder kleinste Bruchteil einer Sekunde wird für immer archiviert und noch viel mehr, denn schon Schopenhauer schien zu wissen (oder doch glauben?), dass dort ein ganzes Buch bereits geschrieben ist, sobald die Idee dafür einen Menschen erreicht.

Das Reich der Gedanken. Das Reich der Ideen. Nichts geht jemals verloren, sagte schon Kim in den Gesprächen, die er nun nicht mehr mit mir führt. Traurig? Nein, es gibt andere Geschenke. Sonst würde ich doch gar nicht mehr schreiben.
 
Ysil hat einen grellen Pfiff ausgestoßen, nachdem sie sich von der Schattenwölfin verabschiedet hat, mit der sie immer wieder höchst interessante Gespräche führt. Es hätte keinen Sinn, diese Gespräche hier wieder zu geben, weil sie auf einer vollkommen anderen Ebene geführt wurden, die wir Menschen nicht verstehen können. Der grelle Pfiff galt Sir Izmir, dem Drachen, der sofort herab stürzte und Ysil auf seinen Hals klettern ließ.


Die beiden landen vor Thygyrills weißen Palast. Ja, nun ist das weiße Haus ein Palast, ähnlich dem wundervollen Bauwerk Wat Rong Khun in Thailand. Selbst die Nachbarsbauten sind zu prachtvollen Tempel, Paläste, Burgen oder Schlösser geworden. Das Areal aus Thygyrills Ideenschatz hat sich nicht nur verdoppelt, sondern eher vervielfacht und reicht in unerkannte Dimensionen, die sich nach außen und gleichzeitig nach innen stülpen.


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Ysil erkennt den weißen Tempel sofort, der tatsächlich starke Ähnlichkeit mit dem oben genannten Tempel hat, und steigt von Sir Izmir, der sich dann wieder erhebt und auf die Drachenwiese zu seinen Kollegen zurück fliegt. Mit langen Schritten, bedingt durch ihre Größe von 1,90, wandert sie durch den weißen Kiesweg, der mit weißblühenden Bäumen, Sträuchern und Blumen gesäumt ist entlang zur langen, nicht sehr hohen weißen Marmortreppe bis zum kunstvoll verzierten Portal. Ihr langes, rotbraunes Haar (diesmal ist es rotbraun, denn Ysil wechselt gerne ihre Haarfarbe) weht seidig im sanften Wind. Diesmal trägt sie es offen zu ihrer schwarzen Lederkleidung, die wie immer mit unzähligen Nieten und Dornen verziert ist. Ihre Arme sind nackt, aber mit bunten Reifen, wie am Hals und Ringe an den Fingern geschmückt, obwohl Ysil, wie sie selbst stets sagt, absolut keinen Schmuck mag.

Im Inneren des Hauses, das zum Tempel wurde, hat sich kaum etwas verändert. Arima und Thygyrill sitzen sich noch immer auf der weißen Couch und dem Hocker im geräumigen, voll geräumten Raum (man könnte auch Halle oder Saal sagen) gegenüber. Nun aber blicken sie erstaunt auf den Gast, der hier ziemlich selten erscheint. Ungeniert und ohne zu grüßen nimmt sich Ysil einen Kelch aus einer der Vitrinen, die rechts an der weißen Mauer stehen und schenkt sich aus einer anderen Vitrine einen weißen (was sonst?) Saft ein, bevor sie sich zu Arima auf die Couch setzt.

Und nun nehmen wir an, Kim hätte tatsächlich gegen Luzifer gekämpft und niemand weiß, wie dieser Kampf ausgegangen ist.


Wie war das? Das Geisterreich? Das Reich der Gedanken und Ideen? Nichts geht darin verloren? Was soll das? Glaube ich denn wirklich daran? Glauben ja, Wissen nein und Erfahrung damit schon gar nicht, außer ich will mir etwas einreden, mich selbst manipulieren. Ja, kann schon sein, dass es ein Wink aus dem Jenseits war, aber es lässt sich auch anders, sozusagen mit dem gesunden Menschenverstand erklären. Als ob der gesunde Menschenverstand alles wäre, das allerhöchste im Universum wäre.

Okay, gut, ich glaube daran, dass da noch etwas ist, etwas ganz großes, eine Art Schicksalsmacht, eine Art Energie, die alles einschließt, aus der alles hervorgeht und sich vielleicht auch wieder in sie zurück zieht. Ich könnte auch noch an zwei unterschiedliche Energien glauben, die gegensätzlich zueinander stehen und sich dennoch einander bedingen. Oder wie auch immer. Aber dazu braucht es keine Götter, keine Engel und auch nicht Luzifer, oder Arima, Ysil und Thygyrill. Die letzten drei schon gar nicht, denn sie sind meiner Phantasie entsprungen.

Und woher kommt sie, die Phantasie? Kann es nicht doch eher so sein, dass sich das, was durch das Gehirn entsteht, dem gewaltigen Strom anschließt? Oder ist es eher die Verstandes gemäße Erklärung, dass Bewusstsein erst im Laufe des ersten bis zweiten Lebensjahres eines Menschen durch das Gehirn entsteht und sich nichts und niemanden anschließt, außer vielleicht dem gesunden Menschenverstand?


Arima, Ysil und Thygyrill sind meiner Vorstellung nach noch immer menschlich. Immerhin habe ich sie auch so beschrieben. Sind sie aber nicht. Sie haben nichts menschliches mehr an sich, was ich bereits über Arima geschrieben habe. Sie haben weder etwas Pflanzliches, Tierisches noch etwas Menschliches an sich. Wer kann sich so eine Wesenheit vorstellen?


Und wie wäre es mit Luzifer, dem gefallenen Engel? Er ist als einziger übrig geblieben von der Religion meiner Jugend, als ich noch mit einer riesigen imaginären Tafel herum ging, wo „I love Jesus“ drauf stand. Ich denke, diese Tafel hat man mir angesehen, nachdem ich das Kino verlassen habe, in dem gerade „Jesus-Christ-Superstar“ lief. Besessen war ich! Und wie! Aber dazu möchte ich mich nicht genauer äußern, denn nach und nach verlor ich den Glauben daran, auch wenn ich Joshua für einen Aspekt Kims gehalten habe. Das war dann der letzte Funke Glaube an die christliche Religion. Was blieb, war Luzifer, obwohl der kaum, wenn überhaupt, in dieser Religion vor kommt. Er war mein wahrer Held, der sich gegen diesen großkotzigen Gott stellte. Na ja, ist halt auch nur eine Geschichte, aber eine, die mir besser gefällt, als die Geschichte mit dem blutig ans Kreuz geschlagenen Märtyrer, selbst wenn Luzifer ebenso ein Märtyrer war, als Gott ihn in die Hölle stieß, in der er für immer brennen muss.


Was will ich mit all dem sagen? Ich wurde manipuliert. Mir wurde etwas eingetrichtert, worüber ich mir gar keine Gedanken machen konnte, weil ich gar keinen Vergleich hatte. Damit meine ich nicht nur Religion, sondern alles, sogar die ganze Welt. Das passiert mit jedem Kind, wie bereits Don Juan in Castanedas Bücher so wahr sagte. Wir haben eine Erklärung, die uns eingeprägt wird und erst dann können wir vergleichen. Aber diese Vergleiche hinken, denn nichts lässt sich je vergleichen, weil in Wahrheit alles unvergleichlich ist. Aber immer hieß es: Das ist so und das ist auch so und so weiter. Das sagt man und das sagt man nicht.


Die gestrengen Eltern, noch vom Krieg traumatisiert, ließen ja gar nichts anderes zu. Wenn die Großen reden, haben die Kleinen zu kuschen. Ja, ja. Angst, mein ständiger Begleiter, die sich irgendwann viel später Raum machte und explodierte. In mir. Aber so wie Bombenentschärfer manchmal ein Kästchen mit haben, in dem es bumm machen kann, ohne dass außerhalb etwas passiert, blieb die Explosion im Inneren und schlängelte sich nicht nach außen. Angst ist nicht immer die Mutter der Gewalt. Weder innen noch außen. Man hatte sich im Griff zu haben. Das Leben ist sowieso stets eine Herausforderung, der man sich zu stellen hat, anstatt sich im Selbstmitleid zu suhlen.

Dieser letzte Satz kam nicht von meinen Eltern, sondern einige Jahre später von Freund Carlos, dem ich immens viel abgewinnen konnte, egal, ob er all das, worüber er schrieb, selbst erlebt hat oder nicht. Irgendwie erlebt man das, worüber man schreibt, aber doch selbst, wenn auch nicht so, dass man sagen könnte, es war wirklich so. Es war in meiner Vorstellung wirklich so. Wo ist also der Unterschied? In der Erinnerung gibt es kaum einen. Vielleicht nur den, dass bloß ich darüber eine Erinnerung habe, es alleine „erlebt“ und sozusagen keine Zeugen für meine Erlebnisse habe.

Habe ich dadurch mein so genanntes reales Leben vernachlässigt, die Menschen in diesem meinem realen Leben vernachlässigt? Manchmal schon, denn ich konnte nicht schnell genug wieder vor dem PC hocken und tippen, tippen, tippen.


Die Programmierung aber blieb und wurde mir viel, viel später bewusst, indem ich erkannte, dass ich nicht wirklich glauben kann, dass ich alles stets rational erklären muss. Muss! Es gibt auch andere Wirklichkeiten, Wahrheiten. Es gibt nicht nur die eine. Aber um das tatsächlich ehrlich so von sich zu geben, müsste man sie erleben, jeder für sich, denn wie sagte Kim so oft: „Es gibt so viele Universen, wie es Lebewesen gibt.“

Schreibtischzauberer nennt Freund Carlos diese Menschen. Jene, welche die letzte Grenze nicht überschreiten. Sie wagen nicht, diese letzte Grenze zu überschreiten. Realitätsverlust, Wahnsinn und viele andere Beschreibungen tun sich dann auf.


Arima hat es gewagt. Ysil und Thygyrill auch. Sie haben die Grenze überschritten und existieren als Energien irgendwo im Nirgendwo. Aber jetzt nehmen wir wirklich an, Kim hätte gegen Luzifer gekämpft und es weiß doch jemand, wie der Kampf ausgegangen ist. Ich weiß es. Natürlich, denn ich schreibe ja darüber.
 
Castanedageschädigt, in der Tat. Wann immer ich eines seiner Bücher oder Bücher über ihn in die Hand nehme, hat es mich gepackt. Bei keinem Buch ist das noch so gewesen. Sie sind magnetisch magisch. Sie sind das, die meinen Glauben anregen, mehr noch, viel mehr noch als Advaita-Vedanta es kann.


Zweimal hatte ich schon das Gefühl zu „träumen“, bewusst zu „träumen“. Ich träumte sozusagen, dass ich träume. Einmal sah ich auf meine Hände (wie Don Juan es vorschlug), die in schwarzen Fingerwollhandschuhen (davon hat Don Juan wohl kaum etwas gesagt) steckten. Im nächsten Moment wachte ich auf. Zu wenig Energie! Ich muss mehr rekapitulieren!

Das zweite und letzte Mal war mir im Traum plötzlich bewusst, dass ich träume. Was tat ich? Ich rief nach Freund Carlos. Er sollte mir beim Träumen helfen. Einige Momente, nachdem nichts geschah und ich nur im Dunkeln stand und auf Carlos zu warten schien, der nicht kam, wachte ich auf.

Nicht aufgeben! Das dritte Mal klappt es und ich kann mir die Umgebung ansehen, ohne dass sie sich verändert. Und vielleicht sehe ich die riesige Kuppel, die, wenn sie auf der Erde wäre, aus dem All zu sehen wäre, so groß ist ihr Ausmaß.

Wahrscheinlich ist sie größer als Österreich, Schweiz und Deutschland zusammen. Ganz Europa ist winzig. Es ist vor allem winzig klein im Gegensatz zu Afrika, das, wenn man es auf einem Globus betrachtet, gleich unterhalb zu sehen ist. Dennoch sind die Begriffe klein und groß stets relativ, aber sie verhelfen uns zu erkennen, wenn auch diese Erkenntnis gar nicht so wichtig ist.


In der benannten Textstelle über die riesige Kuppel sagen die jungen Zauberer, ihr Mitzauberer Eligio sei ebenfalls in der Kuppel, in der sich auch Don Juan und Don Genaro befinden, nachdem sie diese Welt verlassen haben. Carlos meint, diese Kuppel sei doch nur eine Vision. „Dann befindet sich Eligio in einer Vision“, antwortet einer der jungen Zauberer, als wäre es das Normalste, was es gibt.

Wie schon weiter oben erwähnt, es spielt keine Rolle, ob etwas wirklich passiert ist, geträumt oder phantasiert wurde. Auf der Anderen Seite, im Nagual, im Nicht-Ich besteht kein Unterschied. Im Reich der Gedanken, der Ideen, ja, vielleicht sogar im Reich der Wünsche ist alles schon passiert, noch bevor wir den Gedanken dazu haben.


„Ich kann mich ganz dunkel erinnern, an ein altes, weit zurück liegendes Leben, in dem du mir auf eine sehr seltsame Art erklärt hast, dass ich sterben werde, aber mein Nicht-Ich wird ewig leben und was wir tun können, um uns bereits im Leben mit dem Nicht-Ich vertraut zu machen“, fällt Thygyrill plötzlich ein und Arima, wie auch Ysil horchen auf. „Du sagtest, das sei der Grund, warum wir Träume ernster nehmen sollten, warum wir ein bisschen mehr ver-rückt sein und nicht alles so bitterernst nehmen sollen. Du hast einen Song aus der damaligen Zeit erwähnt, in dessen Video die Menschen bei einem Stau auf einer Autobahn ihre Autos einfach verlassen und in den Sonnenuntergang gehen. Du sagtest, das sei der Moment, wo alle bereit sind, alles zu verlieren, sogar sich selbst. In diesem Moment der absoluten Stärke stehen sie vor der Brücke zum Nicht-Ich, die sie nur überqueren müssen, wozu aber bis jetzt alle zu feige sind, weil sie etwas zu verlieren haben. Und es gibt diese Brücke, sagtest du, sie ist erkennbar in allem, was uns nach drüben führen kann, seien es Gebete, Meditationen, Träume und sogar Phantasien, selbst wenn es durch Phantasien schwer sein wird, da die Praxis fehlt. Wenn wir beten, sagtest du, sind wir konzentriert auf etwas gerichtet, das wir nicht sicher kennen. Lassen wir uns in diese Richtung fallen, 'sehen' wir urplötzlich die Brücke und müssen nur den Mut haben, hinüber zu gehen. Wenn wir meditieren passiert das Selbe, vielleicht aber um einen Deut intensiver, denn in der tiefen Meditation vergessen wir unser kleines Ich und wandern fast automatisch zum Nicht-Ich. Und Träume, sagtest du, sind sogar diese Brücke, die uns, das Ich mit dem Nicht-Ich verbinden.“

„Du hast es nicht vergessen“, meint Arima gerührt und ist versucht, sich eine Träne aus dem linken Auge zu wischen. Aber es ist keine Träne, es ist das Muttermal, das auf der Kuppel seines Zeigefingers kleben bleibt.

Ysil und Thygyrill springen auf und flüstern gleichzeitig den Namen Luzifers auf ihre Art: „Luzy...“



Religionen sind Geschenke der Quelle der Kraft, verriet mir Kim einst. Aber es sind nicht die Religionen selbst, sondern die Praktiken, wie etwa das Beten, wenn es besonders innig ist. Man verzehrt sich direkt nach dem Gott, den man anbetet, den man um Hilfe anfleht und vergisst so auf sein Ich, obwohl man für sein Ich betet und bittet. In der Meditation ist es ähnlich, aber noch effektiver sind archaische Methoden, wie etwa monotones Trommeln oder sich in Trance zu Tanzen. Aber, wie Thygyrill, der Bunte, der nur weiß liebt, schon sagte, ist es das Träumen, das eine direkte Brücke zum Nicht-Ich ist.

Jetzt fällt mir aber wieder das Paradoxon ein und Kims Spruch: „Die Quelle der Kraft verabscheut Freiwillige“, den auch schon Don Juan von sich gab und den ich ganz sicher von dort geklaut habe. Don Juan geht sogar noch weiter, indem er sagt, man müsse verrückt sein, wenn man freiwillig ein Zauberer werden will.

Der Weg zurück ins Paradies, der durch die eben vorgestellten Praktiken möglicherweise zu erreichen ist, kann nur dann erreicht werden, wenn man alles aufgibt, sogar sich selbst, wie (wiederum) Thygyrill so treffend erwähnte.

Ich tu es doch meinetwegen. Ich bete, meditiere, trommle, tanze, rekapituliere, versuche die Kunst des Träumens und ab und zu auch auch die des Pirschens, doch nur deshalb, um zu überleben, um das Ich, das kleine, schwächliche Ich-bin, die Flamme, die bald ausgehen wird, über die Brücke zu schleppen. Aber dieses Ich hat dort keinen Zutritt, denn dort regiert das Nicht-Ich, das ich damals die Ganzheit des Selbst genannt habe und damit genauso wenig erklärt habe wie heute mit dem Nicht-Ich.

Ich habe eben das Pirschen erwähnt. Vielleicht wäre genau das die Methode, um sich (sein Ich) zu überlisten. Schamanen wissen, dass sie bereits tot sind, dass es nichts gibt, was von hier aus überleben wird, auch wenn dort drüben alles gespeichert wird und kein Moment verloren geht. Der Durchschnittsmensch jedoch hält sich für unsterblich. Nein, heute nicht, morgen wohl auch nicht – und so weiter wird der Moment des Todes so weit von sich geschoben, dass er gar nicht mehr vorhanden ist.

Das Paradoxon kann nur durch ein weiteres Paradoxon gelöst werden. Darüber gab es so viele Gespräche, in denen ich Kim immer wieder nach Erklärungen über mich (über das Überleben meines Ichs) und die Ganzheit meines Selbst bat. Mein Selbst hat mich in sich, aber ich habe mein Selbst nicht in mir. Oder doch?
 
„Dein Denken war damals so kleinlich“, meint Arima, der sein Muttermal wieder an der rechten Stelle hat. Es war nur ein winziges Aufblitzen, das die beiden, Ysil und Thygyrill erkannt haben wollten, und für einen Bruchteil einer Sekunde einen Namen flüsterten, der ebenso paradox gewesen wäre, wie das mit dem Ich und dem Nicht-Ich. Luzifer hätte sich doch niemals selbst besiegt und er hätte auch keinen Nanometer Energie der Anderen Seite abgegeben. Das steht sogar in den Evangelien um Jesus, der einst meinte, Beelzebub kann man nicht mit Beelzebub austreiben. Luzifer hat tatsächlich viele Namen.

„Es lag wohl an der Gehirnkapazität“, entschuldigt sich Thygyrill und greift nach dem Glas, das Ysil auf dem kleinen Tischchen abgestellt hat, um einen Schluck daraus zu trinken.

„Daran lag es nicht. Es lag an der Denkweise, weil es damals so üblich war, das Kleine ins Große zu stecken, aber es für unmöglich gehalten hat, das Große ins Kleine zu stecken. Jeder sagte, es sei alles relativ, aber ausprobiert hat es niemand.“

Thygyrill blickt nach Arimas Worten aus dem riesigen Fenster. Seine Stadt wird immer prunkvoller. Die Paläste wirken wie von der Natur geformte Bauten und passen sich deshalb der Umgebung perfekt an. Thygyrill strebt die Perfektion an und geht bis ins kleinste Detail. Das ist seine Natur, zu der er nicht immer (noch immer nicht!) vollkommen steht. Er ist auch noch immer ein wenig wankelmütig, tendiert mal da hin und mal dorthin. Dazu steht er bereits, denn sich festlegen bringt nichts in einer Welt der ständigen Veränderungen.

„Was mir steht geholfen hat, war, wenn ich mich auf den Erdboden kniete und meine Hände auf die Erde drückte. Als Vierbeiner konnten wir weiter hinaus denken, darüber hinaus denken“, erinnert sich Ysil. „Als Vierbeiner waren wir noch alle Teil der Natur, Teil des Ganzen. Das Nicht-Ich war ausgeprägter als das Ich, auch wenn das nicht wirklich die wahre Harmonie war. Die gab es ohnehin nie. Entweder war die eine Energie zu groß oder die andere zu klein oder wie auch immer, auf jeden Fall waren sie nie gleich. Genau das hätten wir berücksichtigen müssen, - dieses Nicht-ganz-gleich und uns nicht ständig auf kleiner oder größer versteifen sollen. Ganz waren wir nur sehr selten, vielleicht wirklich nur im Moment der Geburt, - dem Moment, als wir aus dem Paradies vertrieben wurden.“

„Du hältst die Geburt für die Vertreibung aus dem Paradies?“ fragt Thygyrill entsetzt und Arima und Ysil drehen die Augen über.

„Das ist wieder typisch Thygyrill!“ stoßen beide gleichzeitig hervor.


Vielleicht ermöglicht das wahre Denken auch den Weg zurück ins Paradies. Aber ob es sich tatsächlich um das Paradies handelt oder wir uns bloß an den Bauch der Mutter erinnern, wie bereits erwähnt, sei in Frage gestellt. Das kleinliche Denken wird nicht helfen. Und die Frage, woher wir tatsächlich kommen, - wer kann sie wirklich beantworten?


Ich lese wieder über Freund Carlos und vielleicht später auch von Freund Carlos die Bücher, die ich dann bereits zum vierten oder gar fünften Mal lese und immer wieder Neues darin entdecke. Mensch, muss ich dumm sein, wenn ich etwas erst das vierte oder fünfte Mal kapiere. Aber das ist es nicht. Es geht viel mehr um das Umsetzen. Unwichtiges, für mich selbst Unwichtiges, lege ich ab, aber falls es irgendwann einmal für mich wichtig wird, nehme ich es bewusst wahr und integriere es in mein Leben. Das Selbstmitleid ablegen hat mir z.B. in einigen Situationen geholfen, während anderes noch unerledigt (!) abgelegt wurde.

Na ja, egal, ich warne mich nur selbst vor, falls ich einmal in Jahren (wenn ich sie erlebe!) diese Zeilen hier lese, dass von nun an einiges über und von Freund Carlos und seinem Freund Don Juan zu lesen sein wird.

Gestern las ich über die Kunst des Pirschens und die kontrollierte Torheit. Norbert Claßen interpretiert es so, dass jegliche menschliche Handlungen sinnlos sind und dies dem Durchschnittsmenschen nicht oder zumindest nicht immer bewusst ist, sonst würde er nicht auf Teufel komm raus so handeln und vor allem auf alles, was auf ihm zukommt so reagieren.

Dem Zauberer (Seher, Krieger, Wissender) ist die Sinnlosigkeit bewusst und deshalb handelt er in jedem Augenblick makellos, als würde er diese Tat ein allerletztes Mal tun. Widerspruch? Ganz und gar nicht, denn dem Zauberer ist die Sinnlosigkeit dieser seiner allerletzten Tat durchaus bewusst, dennoch genießt er sie mit dem Wissen, dass es wirklich die allerletzte Tat ist.

Alles, was wir tun, egal wo, egal wie, egal mit dem, usw. - es ist alles immer ein allerletztes Mal, selbst wenn es uns so vorkommt, als wäre es stets eine Wiederholung von gestern und vorgestern, usw. Es ist, wenn wir ganz, ganz aufmerksam und ebenso ganz, ganz bewusst alles tun, immer ein klitzekleines Detail anders. Dennoch, wie Freund Carlos rät, sollten wir Gewohnheiten tatsächlich ändern.

Aber, um der Sinnlosigkeit wegen (in hundert Jahren ist alles vorbei!) nicht in Trübsal zu verfallen, könnten wir ja so tun, als hätte alles einen Sinn. Und genau das ist der Unterschied zwischen Zauberer und Durchschnittsmensch. Der Durchschnittsmensch nimmt sich selbst und seine Handlungen wichtig. Aus diesem Grund gibt es auch ständige Streitereien (ich hab recht und du nicht, bäh!) bis hin zu blutigen Kriegen. Der Zauberer hingegen lässt sich zwar auch nicht auf den Schädel scheißen, aber er winkt ab, wenn es ihm zu persönlich wird. Persönlichkeit, das ist nicht seines, denn diese will er ja überwinden.

Und was ich mir nun dachte, da ich mich stets für mein Schreiben bei mir selbst entschuldige und vor allem wegen der ständigen Wiederholungen meckere, sollte ich mein Schreiben einfach so akzeptieren, wie es ist und annehmen, weil es mir trotz aller Sinnlosigkeit Freude und Spaß macht. Da steckt Leidenschaft (man muss Leidenschaft haben, sagt Don Juan!) drinnen, auch wenn es für Außenstehende blöd erscheinen mag. Na und? Es ist mein Schreiben und geht keine Sau was an. Und wenn ich mich täglich wiederhole!

So, nun ist es genug. Was ich sagen will, mein Schreiben sollte zur kontrollierten Torheit umfunktioniert werden. Und nein, ich veröffentliche es nicht. Ich nicht mehr. Ich bin raus. Ein für alle mal. Außerdem nimmt jeder auf seine eigene Art und Weise wahr und missversteht mein Schreiben oder interpretiert auf seine Art, die ganz und gar nicht meine ist. Mein Schreiben wird zur Kunst des Pirschens und ein großer Teil der kontrollierten Torheit.
 

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Thygyrill sieht am Fensterbrett einen dicken Kater von unbestimmter Farbe und gleichzeitig einen kleinen Affen, ein wenig größer als der von Pippi Langstrumpf und ein wenig weißer.

„Oh, ich hab die beiden schon gesucht“, ruft Ysil. „Sie sind aus dem Schattenreich geflohen, weil sie mal ein wenig Farbe genießen wollen. Das sind Trinidad und Tobago, eigentlich eine Einheit – ähnlich wie Arima.“

„Wie bitte?“ fragt Thygyrill erstaunt und Arima lächelt.

„Sie haben sich vereinigt wie Maria und ich“, erklärt er weiterhin lächelnd.

„Das sind doch Tiere!“ meint Thygrill.

„Ach!“ stößt Arima hervor. „Das sagt gerade einer, der stets meinte, es besteht kein Unterschied zwischen Mensch und Tier und nicht einmal zwischen Mensch und einem Staubkorn.“

„Das hast du mir gesagt. Ich habe es nie nachvollziehen können, so gerne ich es auch wollte. Zu stark war die Programmierung.“

„Nun gut, du wirst schon recht haben“, beruhigt Arima. „Aber ja, auch Tiere, wenn ihre Freundschaft oder sogar auch Liebe groß war, vereinigen sich, um sich niemals wieder trennen zu müssen. Natürlich geht das nur in Form einer feinstofflichen Materie, wie bei Maria und mir als Leuchtende Wesen. Es ist wie eine Prüfung, - eine, die wir uns selbst auferlegen, ob wir auch offen für eine derartige Vereinigung sind. Bestehen wir die Prüfung, werden wir zusammen in eine feinstoffliche Welt übergehen oder in sie zusammen hinein geboren.“

„Offen? Was bedeutet es, offen zu sein?“ fragt Thygyrill nach.

„Würdest du denn einem deiner Partner alles von dir offenbaren? Das kleinste Geheimnis, das, wofür du dich wahrscheinlich noch immer schämst und das, wo du meinst, er oder sie wüsste darüber Bescheid und würde dich dann nicht mehr lieben? Würdest du?

Siehst du? Maria und ich hatten nichts vor uns zu verheimlichen. Wir konnten uns, wie man das so sagt, stets offen in die Augen blicken, ohne uns für irgendwas zu schämen. Erst wenn du so weit bist, alles, was du denkst, sagst und tust jederzeit und überall offen vertreten kannst, bist du bereit für eine derartige Vereinigung. Und jetzt bedenke, was dafür nötig ist, eine Vereinigung mit der Unendlichkeit und Ewigkeit einzugehen.“

Ysil und Thygyrill schweigen betroffen und sehen dem Kater, der sich abwechselnd auch als kleiner Affe zeigt, beim Fell putzen zu. Und schließlich blicken sie auf Arima, der sich abwechselnd als Maria und als Kim zeigt und wie beide glückselig lächeln.


Ganz klar, eine absolute Vereinigung verlangt absolutes Vertrauen und absolute Hingabe. Von beiden! So was würde ich bedingungslose Liebe nennen. Man kann nie wieder ohne den Einen oder ohne die Eine leben. Man kann ohne den Einen oder ohne die Eine nicht mehr atmen. Du nimmst mir nicht den Atem, du lässt mich atmen. So ist es richtig. Wenn dir jemand den Atem nimmt, kann das nicht gut ausgehen. Liebe ist Freiheit. Liebe ist tiefes, langsames Atmen.

Sex schwächt, sagt Freund Carlos, weil es sich um die stärkste Energie der Lebewesen handelt, den Trieb. bei den es darum geht, die Art zu erhalten. Aber wir reden hier nicht von Sex (auch wenn Kim und Maria nie die Hände voneinander lassen konnten), sondern von Liebe, die durchaus auch einem imaginären Wesen gelten kann. Gottesliebe, Bhakti-Yoga, die völlige Hingabe an Gott. Freundschaftsliebe kann genauso stark sein. Aber ich glaube, absolute Vereinigung kann es nur entweder mit Gott oder dem Lebenspartner geben.

Wie war das eigentlich mit Maria und Kim? Sie blickte zu ihm ohnehin wie zu einem Gott hoch.


„Maria überschätzte mich ständig. Bis sie nicht bereit war, uns beide in Augenhöhe zu erkennen, war eine Vereinigung unmöglich“, erklärt Arima, als Ysil die Frage stellt, wie eine derartige Vereinigung möglich ist.

„Es braucht also nicht nur absolutes Vertrauen“, sinniert sie und blickt, wie Thygyrill, gebannt auf den dicken Kater Trinidad, der ständig seine Gestalt wechselt und immer wieder zum kleinen Affen Tobago wird.

„Wieso wechselt er so oft?“ fragt Thygyrill.

„Sie sind sich noch nicht einig“, erklärt Ysil. „Sie machten damit das gesamte Schattenland nervös. Ich glaube, man hat sie sehr höflich gebeten, das Schattenland zu verlassen, bis sie sich geeinigt haben, welche Gestalt sie nun beibehalten wollen.“

„Gemischt“, meint Arima und zwinkert dem Wechselwesen zu, das anscheinend verstanden hat und plötzlich die Gestalt des Affen annimmt, was durchaus bequem ist, da er sehr viel mit seinen Händen anfangen und trotzdem schnell auf allen Vieren laufen kann, aber der Kopf bleibt der des Katers, da er ja wirklich prächtig erscheint und noch alle scharfen Zähne im Maul hat.

„Problem gelöst“, lacht Ysil auf. „Aber wie war das bei euch? Warum zeigst du ständig nur Kims Äußeres, während Maria verborgen bleibt? Ach ja, sagtest du schon – sie will es so. Seltsam, dann dürfte sie sich doch noch immer höher stellen als sich selbst.“

„Tut sie nicht“, verteidigt Arima seine andere Hälfte. „Sie ist die Verborgene. Sie nimmt sich der Seite der Verborgenen, der so genannten Anderen Seite, an.“

„Es ist alles da, nicht wahr?“ stellt Thygyrill eine Frage, die gar keine ist. „Ich war damals, als ich all diese Informationen bekam, viel zu blöd und suchte dort, wo nichts zu finden war oder besser gesagt, ich suchte, obwohl alles schon da war.“

„Du warst nicht zu blöd“, unterbricht Arima lächelnd. „Du hast einfach zu realistisch gedacht. In deiner Weltbeschreibungen galt es nun mal, dass zwei Dinge niemals an ein und der selben Stelle sein können. Das Verborgene, die Andere Seite, das Jenseits, die Geisterwelt oder wie auch immer man sie nennen mag, ist genauso hier wie alles andere. Gerade Geist kann mehrfach an ein und der selben Stelle sein. Geist kann nicht verdrängt werden. Das war es, woran du nie gedacht hast.“


Tonal und Nagual sind Eins, - das einzig wahre Paar, wobei es gar kein Paar ist, sondern eine absolut untrennbare Einheit, wie auch die Energie Dieser Seite und die Energie der Anderen Seite eine absolut untrennbare Einheit ist.

Gott (die Quelle der Kraft oder wie immer wir es nennen mögen) ist hier. Hier und jetzt. Nicht da oben oder da unten und auch nicht dort weit draußen. Andererseits ist er (oder es) auch nicht in uns, wie Don Juan meines Erachtens richtig meint, indem er sagt, sie hätten beide unrecht, wenn der eine sagt, das Nagual sei in uns und der andere meint, es sei außerhalb von uns. Es ist weder hier noch dort und auch nicht hier, denn wo ist der Ort, den ich „hier“ nenne? Deshalb wäre auch die Benennung ewig und unendlich nicht richtig, da er (es) zeit- und raumlos ist. „Gott“ ist viel mehr rein und unverwundbar! Das wäre doch eine viel bessere Beschreibung, die auch wiederum nichts erklärt...
 
Absolutes Vertrauen, absolute Hingabe, keine Lügen, keine Geheimnisse und vor allem, was vielleicht das Schwierigste für Menschen ist: gleichgestellt mit allem zu sein. Natürlich weiß ich nicht, ob das auf alle Menschen zutrifft, aber ich treffe nur selten Menschen, denen ich auf Augenhöhe begegne. Entweder sind sie über oder unter mir. Warum? Schon wieder zu wenig rekapituliert, denn dann würde herauskommen, weshalb ich mich entweder über- oder unterschätze. Ich befürchte, es ist eher das Überschätzen und abermals würde herauskommen, welch beschissenes Arschloch ich bin.


„Mit deiner Maske kompensierst du deine Schwächen oder vermeintlichen Stärken. Nimm sie endlich ab und zeig dich, wie du bist, Thygyrill“, schimpft Ysil, während sie aufsteht und im Begriff ist, das Haus (es ist ein riesiger, weißer Palast) zu verlassen.


Ich weiß nicht, ob es inzwischen Streit gab, aber irgendetwas muss vorgefallen sein, nachdem beide von der verborgenen Maria erfahren haben und sie es ist, die sich um die Andere Seite in Arima kümmert. Wir alle haben so eine Seite in (oder außerhalb von) uns. Wie gesagt, es lässt sich nicht wirklich feststellen, ob in oder außerhalb.

Wo ist das Ich, von dem wir ständig sprechen? In uns oder außerhalb von uns. Man könnte wirklich sagen, es sei außerhalb, denn wir scheinen uns durch Vergleiche mit dem Außen nicht nur mit der Welt, sondern auch mit uns selbst vertraut zu machen. Das Ich hält in uns nur den ständigen Dialog, um die Welt um uns aufrecht zu erhalten.

Dennoch ist beides nicht ganz richtig. Wie auch? Wir reden hier von Energie! Und zwar nicht von der Energie des Körpers, der so genannten Materie, die bereits kleiner als in Elementarteilchen erkannt werden könnte, wenn es dementsprechende Geräte geben würde. Ist natürlich nicht bewiesen, aber ich bin mir sicher, dass die neuen Physiker tatsächlich noch tiefer in die Materie gehen und kleineres entdecken werden, als Quarks, Leptonen und Higgs-Teilchen. Aber hier ist nicht die Rede davon, Materie noch mehr zu zerteilen, sondern sie zu vereinigen. Zusammen bringen, was zusammen gehört. Und anscheinend dürfte ein kleiner Streit entfacht worden sein, als die Rede vom Nicht-Ich (Energie der Anderen Seite) in den Lebewesen war.


„Es ist keine Maske, verdammt noch mal“, keift Thygyrill zurück. „Wie könnte ich mit einer Maske lachen oder Grimassen schneiden?“

Sofort zieht er auch eine Grimasse, was der Schönheit seiner altägyptischen Gesichtszügen nichts anhaben kann. Das heißt, es lässt sich zwar eine Grimasse erkennen, aber sie ist dennoch schön, obwohl sie wahrscheinlich bei anderen Gesichtern hässlich erscheinen würde, da das Gesicht bei anderen von Natur aus schon weniger ansehnlich ist.

„Es ist deine blöde Eitelkeit“, schimpft Ysil weiter.

„Du hast es leicht, du als Schönheit in Person. Du hast einen jugendlichen, perfekten Körper, wo alles passt.“

„Waaaas?“ kreischt Ysil auf. „Ich bin zu groß! Viel zu groß! Meine Beine sind zu lang und viel zu dünn.“

Arima erhebt sich langsam und streckt seine Arme abwehrend nach vor.

„Kinder, Kinder“, intoniert er schmunzelnd. „Ruhig Blut und bedenkt, wo ich euch befindet. In dieser Welt und in diesem Zustand solltet ihr über derartige Kleinigkeiten längst hinweg sein.“

„Warum sagt sie dauernd, ich soll meine Maske abnehmen?“ meckert Thygyrill genervt.

„Bist du noch nie auf die Idee gekommen, dass sie damit nicht dein Gesicht meint, das diesem altägyptischen Kindkönig wie ein eineiiger Zwilling gleicht, sondern dich selbst, wie du dich verhältst? Du bist zwar redegewandt, sprichst immens viel, wenn du die Laune dazu hast, aber du sagst nichts mit deinen vielen Worten. Verstehst du? Es kommt bei dir nichts rüber, nichts Echtes, nichts aus dir selbst. Es ist, als würdest du dich deiner Selbst schämen.“

Thygyrill sieht Arima nach dessen Worten, mit großen Augen und offenem Mund erstaunt an.

„Er hat recht“, pflichtet Ysil bei. „Du bist einfach zu blöd, um diese Welt zu begreifen. Mir ist es ein Wunder, wie du es bis hierher geschafft hast. Wahrscheinlich hat Arima dir geholfen. Klar, der ehemalige Sohn. Protektion gibt es also auch hier in dieser so fabelhaften Welt.“

„Hüte deine Zunge, Ysil“, warnt Arima und seine Stimme hört sich an wie das Zischen einer hochgiftigen Schlange.

„Ist doch wahr!“

„Ist es nicht. Thygyrill tut, was er kann. Nicht jeder schwebt auf solchen Höhen, wie du es tust. Und das ist gut, denn es zählt noch immer die Individualität. Bis wir vollkommen in die Ganzheit eingehen, braucht es noch lange und das sollten wir nicht schon wieder in Streit und Krampf, sondern in Freude und Wonne auskosten.“

„Wir, Arima, sind noch nicht so weit. Du könntest schon längst eins mit der Quelle der Kraft sein. Und ich denke, das bist du auch. Ja, du bist gleichzeitig eins mit der Quelle der Kraft und doch bist du auch hier, wie auch anderswo. Du bist überall und nimmst deine Multidimensionalität vollkommen bewusst wahr. Und genau davon sind wir noch meilenweit entfernt, - genau von dieser Wahrnehmung, die eigentlich eine Tatsache ist.“

„Siehst du, Ysil? Er ist nicht blöd,“ meint Arima lächelnd.


Absolutes Vertrauen, absolute Hingabe, keine Lügen, keine Geheimnisse und vor allem, was das wohl Schwierigste für Menschen ist: gleichgestellt mit allen sein, sogar mit dem kleinsten Staubkorn. Genau! Dann dämmert uns vielleicht diese Einheit, die ohnehin nie aufgehoben wurde. „Es kommt nur auf deine Wahrnehmung an“, wie Kim immer sagte.
 
Absolutes Vertrauen, absolute Hingabe, keine Lügen, keine Geheimnisse und vor allem, was vielleicht das Schwierigste für Menschen ist: gleichgestellt mit allem zu sein. Natürlich weiß ich nicht, ob das auf alle Menschen zutrifft, aber ich treffe nur selten Menschen, denen ich auf Augenhöhe begegne. Entweder sind sie über oder unter mir. Warum? Schon wieder zu wenig rekapituliert, denn dann würde herauskommen, weshalb ich mich entweder über- oder unterschätze. Ich befürchte, es ist eher das Überschätzen und abermals würde herauskommen, welch beschissenes Arschloch ich bin.


„Mit deiner Maske kompensierst du deine Schwächen oder vermeintlichen Stärken. Nimm sie endlich ab und zeig dich, wie du bist, Thygyrill“, schimpft Ysil, während sie aufsteht und im Begriff ist, das Haus (es ist ein riesiger, weißer Palast) zu verlassen.


Ich weiß nicht, ob es inzwischen Streit gab, aber irgendetwas muss vorgefallen sein, nachdem beide von der verborgenen Maria erfahren haben und sie es ist, die sich um die Andere Seite in Arima kümmert. Wir alle haben so eine Seite in (oder außerhalb von) uns. Wie gesagt, es lässt sich nicht wirklich feststellen, ob in oder außerhalb.

Wo ist das Ich, von dem wir ständig sprechen? In uns oder außerhalb von uns. Man könnte wirklich sagen, es sei außerhalb, denn wir scheinen uns durch Vergleiche mit dem Außen nicht nur mit der Welt, sondern auch mit uns selbst vertraut zu machen. Das Ich hält in uns nur den ständigen Dialog, um die Welt um uns aufrecht zu erhalten.

Dennoch ist beides nicht ganz richtig. Wie auch? Wir reden hier von Energie! Und zwar nicht von der Energie des Körpers, der so genannten Materie, die bereits kleiner als in Elementarteilchen erkannt werden könnte, wenn es dementsprechende Geräte geben würde. Ist natürlich nicht bewiesen, aber ich bin mir sicher, dass die neuen Physiker tatsächlich noch tiefer in die Materie gehen und kleineres entdecken werden, als Quarks, Leptonen und Higgs-Teilchen. Aber hier ist nicht die Rede davon, Materie noch mehr zu zerteilen, sondern sie zu vereinigen. Zusammen bringen, was zusammen gehört. Und anscheinend dürfte ein kleiner Streit entfacht worden sein, als die Rede vom Nicht-Ich (Energie der Anderen Seite) in den Lebewesen war.


„Es ist keine Maske, verdammt noch mal“, keift Thygyrill zurück. „Wie könnte ich mit einer Maske lachen oder Grimassen schneiden?“

Sofort zieht er auch eine Grimasse, was der Schönheit seiner altägyptischen Gesichtszügen nichts anhaben kann. Das heißt, es lässt sich zwar eine Grimasse erkennen, aber sie ist dennoch schön, obwohl sie wahrscheinlich bei anderen Gesichtern hässlich erscheinen würde, da das Gesicht bei anderen von Natur aus schon weniger ansehnlich ist.

„Es ist deine blöde Eitelkeit“, schimpft Ysil weiter.

„Du hast es leicht, du als Schönheit in Person. Du hast einen jugendlichen, perfekten Körper, wo alles passt.“

„Waaaas?“ kreischt Ysil auf. „Ich bin zu groß! Viel zu groß! Meine Beine sind zu lang und viel zu dünn.“

Arima erhebt sich langsam und streckt seine Arme abwehrend nach vor.

„Kinder, Kinder“, intoniert er schmunzelnd. „Ruhig Blut und bedenkt, wo ich euch befindet. In dieser Welt und in diesem Zustand solltet ihr über derartige Kleinigkeiten längst hinweg sein.“

„Warum sagt sie dauernd, ich soll meine Maske abnehmen?“ meckert Thygyrill genervt.

„Bist du noch nie auf die Idee gekommen, dass sie damit nicht dein Gesicht meint, das diesem altägyptischen Kindkönig wie ein eineiiger Zwilling gleicht, sondern dich selbst, wie du dich verhältst? Du bist zwar redegewandt, sprichst immens viel, wenn du die Laune dazu hast, aber du sagst nichts mit deinen vielen Worten. Verstehst du? Es kommt bei dir nichts rüber, nichts Echtes, nichts aus dir selbst. Es ist, als würdest du dich deiner Selbst schämen.“

Thygyrill sieht Arima nach dessen Worten, mit großen Augen und offenem Mund erstaunt an.

„Er hat recht“, pflichtet Ysil bei. „Du bist einfach zu blöd, um diese Welt zu begreifen. Mir ist es ein Wunder, wie du es bis hierher geschafft hast. Wahrscheinlich hat Arima dir geholfen. Klar, der ehemalige Sohn. Protektion gibt es also auch hier in dieser so fabelhaften Welt.“

„Hüte deine Zunge, Ysil“, warnt Arima und seine Stimme hört sich an wie das Zischen einer hochgiftigen Schlange.

„Ist doch wahr!“

„Ist es nicht. Thygyrill tut, was er kann. Nicht jeder schwebt auf solchen Höhen, wie du es tust. Und das ist gut, denn es zählt noch immer die Individualität. Bis wir vollkommen in die Ganzheit eingehen, braucht es noch lange und das sollten wir nicht schon wieder in Streit und Krampf, sondern in Freude und Wonne auskosten.“

„Wir, Arima, sind noch nicht so weit. Du könntest schon längst eins mit der Quelle der Kraft sein. Und ich denke, das bist du auch. Ja, du bist gleichzeitig eins mit der Quelle der Kraft und doch bist du auch hier, wie auch anderswo. Du bist überall und nimmst deine Multidimensionalität vollkommen bewusst wahr. Und genau davon sind wir noch meilenweit entfernt, - genau von dieser Wahrnehmung, die eigentlich eine Tatsache ist.“

„Siehst du, Ysil? Er ist nicht blöd,“ meint Arima lächelnd.


Absolutes Vertrauen, absolute Hingabe, keine Lügen, keine Geheimnisse und vor allem, was das wohl Schwierigste für Menschen ist: gleichgestellt mit allen sein, sogar mit dem kleinsten Staubkorn. Genau! Dann dämmert uns vielleicht diese Einheit, die ohnehin nie aufgehoben wurde. „Es kommt nur auf deine Wahrnehmung an“, wie Kim immer sagte.

Du bist ja wieder sehr gut am "Fluss" angeschlossen.... gefällt mir sehr gut. :)
 
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Sie spaltet auf dem Acker Köpfe in zwei gleiche Hälften. Manche würden sie 'Kali' nennen, Totengöttin oder vielleicht auch Auferstehungsgöttin, da es doch ein und dasselbe sein könnte. Der Tod nur ein Schritt in eine andere Dimension. Sie spaltet keine Krautköpfe, wie das auf einem Acker üblich sein könnte. Es ist ein Totenacker mit lauter menschlichen Totenschädeln.

Warum nennt man sie so? Weil sie tot sind? Weil sie kein lebendiges Fleisch umhüllt und kein Blut durch ihren Hohlraum saust, in dem einst das Gehirn eingebettet lag?

Auf dem Nachbaracker spaltet eine andere 'Kali' Hüftknochen in zwei gleiche Hälften und eine dritte 'Kali' holt sich je eine Hälfte und klebt sie zusammen. Arschgesichter sollen daraus werden. Wahrscheinlich. Man weiß es noch nicht. Man lässt sich überraschen.


Ysil sieht überrascht zu. Sie hat Thygyrills Palast bereits verlassen und streift einfach so durch die Gegend, um sich überraschen zu lassen. Sie plant nur selten etwas, weil sie die Schicksalsmacht zu gut kennt und sie sich bereits mehr der Kraft ergeben hat als dem stets nörgelndem Ich.

Man muss aufmerksam sein und das weiß Ysil. Der Geist kann aus jeden Winkel überraschend hervor springen. Und was dann? Dann muss sie vorbereitet sein. Manchmal wartet sie sogar auf den Geist, auf den großen Spender des Lebendigen.

Warum sie weibliche Personen auf den beiden Feldern sieht, kann sie nicht sagen. Sie wirken vielleicht nur weiblich auf sie, obwohl sie weder das eine noch das andere sind. Lange dunkle Umhänge mit Kapuzen, die alles verhüllen. Nur weiße Hände lugen hervor, welche die Griffe der Säbel zum spalten der Köpfe und Hüftknochen fest umklammern.

Warum Arschgesichter? Was soll das bringen, wenn man Kopf und Hüfte zusammenbringt?


„Die Energien Dieser Seite und der Anderen Seite waren im goldenen Zeitalter in absoluter Harmonie. Dies soll bald wieder der Fall sein. Man braucht Anhaltspunkte und dies könnten welche sein“, raunt die Kopfspalterin Ysil zu.

„Es war die Zeit der Mythen und Märchen und sie werden wieder kommen“, raunt die Hüftspalterin Ysil zu.


Ysil befindet sich gute 20 Meter weg von den dreien, die mitten im Acker ihre schaurige Arbeit tun. Man sieht unter der Kapuze keine Gesichter, keine Münder. Aber Ysil hört sie sprechen, versteht jedes Wort und saugt es auf wie heilende Säfte.


„Damals war alles in Harmonie. Es gab keinen Tod, keine gravierende Veränderung. Alles lebte in Friede und Freude“, murmelt die Kleberin.

„Dann kam das silberne Zeitalter und die Harmonien verteilten sich bereits ungerecht. So ging es weiter, bis zum eisernen Zeitalter, in dem bei vielen Lebewesen, vor allem bei den Menschen, die dir, Ysil, besonders am Herzen liegen, nur mehr eine Energie vorherrschte und ihre Leben bestimmte. Die andere Energie wurde unsichtbar und nicht mehr wahrnehmbar“, erzählt die Kopfspalterin.

„Und nun sollen sie wieder gerecht aufgeteilt werden“, flüstert die Kleberin nahe an Ysils Ohr, obwohl sie sich mitten im Acker befindet und gerade einen halben Schädel und eine halbe Hüfte zusammenklebt.

„War das nicht der Endkampf, mit Kim und Maria als Anführer einer siegreichen Armee“, fragt Ysil in die Leere und hört die drei Arbeiterinnen auf dem Acker lachen.

„Sie leiteten das goldene Zeitalter ein, aber bis es wirklich beginnt, dauert es schon noch ein Weilchen“, antwortet die Hüftspalterin.

„Und die Quelle der Kraft? Gab es denn nie eine Einheit in ihr?“ fragt Ysil in das Volle.

„Jetzt dämmert es dir, leuchtendes Menschenkind“, raunt die Kleberin und wirft das eben Zusammengeklebte hinter sich, wo sich ein Abgrund befindet, dessen Grund wohl unergründlich erscheint. „Wenn es nie ein Ende gibt, kann es auch keinen Anfang geben. Die Quelle der Kraft ist der Geist, den du immer wieder erwartest. Sie umhüllt alles. Aber geh zurück. Arima weiß mehr, als er dir jemals sagen kann.“


Könnte ja sein, dass das Universum nie begonnen hat und es in Wirklichkeit gar nicht das ist, als was wir Menschen es wahrnehmen. Dieses mögliche Wissen ist uns im täglichen Leben natürlich nicht nützlich. Es könnte uns aber den Ansporn geben, unserem alltäglichen Leben etwas Abwechslung zu schenken, indem wir erkunden, ob uns noch eine oder gar mehrere unterschiedliche Wahrnehmungen möglich sind.

Laut Freund Carlos, bzw. laut Don Juan, besteht die Welt aus Energiefelder, oder aus Fasern, die aus dem Adler kommen. Der Adler, das Bewussteinspendende, aus dem alles hervorgeht. Für mich ist es die Quelle der Kraft, aus der alles hervorgeht, die alles umschließt und alles durchdringt. Aber wie immer ist die Benennung so was von egal.

Wir Menschen werden in eine Wahrnehmung gezwungen. Egal, welche Theorie dies besagt, es bedeutet ein und dasselbe. Wir stecken fest. Die Welt sieht so und so für uns aus und basta. Es gibt aber noch eine Theorie, die besagt, dass wir einen freien Willen haben und uns demnach doch entscheiden könnten, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen wollen.

Ein Wissenschaftler namens Rupert Sheldrake, stellte laut Wikipedia 1981 eine Hypothese auf, nach der sogenannte 1981 stellte er eine Hypothese auf, nach der sogenannte morphische Felder existieren, die die Entwicklung von Strukturen beeinflussen sollen. Leider wird seine Hypothese in den Naturwissenschaften abgelehnt. Klar, es könnte ja etwas herauskommen, das die Welt der Mächtigen auf den Kopf stellt und sie nichts mehr zusagen haben, weil wir sie nicht mehr brauchen und selbst alles (uns mit eingeschlossen) auf die Beine stellen.

Man könnte diese Felder übrigens auch Bewusstseinsfelder (Bewusstseinsblasen?) nennen, da sie auf die jeweiligen Lebewesen einen mächtigen Einfluss haben.
 
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