Die schwarze Wölfin und ich trabten bedächtig durch den dichten Wald. Der Weg war keineswegs beschwerlich, da wir uns auf einem ausgetretenen Pfad befanden und sich rechts und links die hohen Nadelbäume, die kaum Licht durchließen, befanden. Es sah aus, als hätte jemand die Bäume einst Reihe in Reihe gepflanzt. Der Boden unter ihnen war mit Moos oder irgendwelchen Kräutern bewachsen. Nur der ausgetretene Pfad, den wir, die schwarze Wölfin und ich, entlang gingen, bestand aus Erde, auch wenn sie nicht direkt die übliche Erdfarbe, sondern eher eine Art dunkles Moosgrün hatte.
„Du hast dich vorhin an etwas für dich wohl Schreckliches erinnert“, begann sie, wobei ich ihre sanfte Stimme in mir fühlte, „aber glaube mir, es gibt, wenn du dich nicht zusammen reißt, noch viel schrecklichere Erinnerungen. Du musst erkennen, dass all das, was in den Wahrnehmungswelten passiert, dich gar nichts angeht. Außerdem, wer bist du schon, in Anbetracht dieser unermesslichen Weite da draußen?“
Ich wunderte mich nicht einmal über den Sinn ihrer Worte, schwebte mir doch selbst derartiges vor, wenn ich zu den Wipfeln der Bäume hoch blickte und den weiten Himmel dahinter durchblitzen sah, von dem niemand weiß, wie weit er ins Nichts führt. Im Gegensatz dazu bin ich tatsächlich ein lächerliches Nichts.
„Du bist glücklicher, wenn du die Wahrheit erkannt hast, auch wenn sie anfangs etwas oder vielleicht doch sehr weh tut“, sprach die Wölfin weiter und warf ab und zu einen prüfenden Seitenblick nach mir. „Dieses Leben, an das du eben erinnert hast, liegt, wenn man es zeitlich betrachtet, schon sehr, sehr weit zurück. Du kannst das Ganzheitliche noch nicht erfassen, Ysil. Ja, Ysil. Ich nenne dich Ysil, weil dieser Name dich einst in die Unendlichkeit führen wird. Auch dein Bruder, den ich am liebsten Bela nenne, - nicht Thygyrill, - da Bela der Anfang seines wahren Seins war. Bela war der Moment des Erkennens seines Energiekörpers.
Ich weiß, all das, was ich dir mitteile, sagt dir nicht wirklich etwas. Aber das wird es bald. Ich möchte nur, dass du, bevor wir durch das Tor schreiten... Nein, nein, ich meine nicht das Tor des Augenblicks, wovon dein Gebet eben handelte, sondern ein sehr reales Tor. Also, ich möchte, dass du, bevor wir durch das Tor schreiten, all deinen Kummer los wirst. Es gibt nichts, was dir Kummer bereiten könnte. Schmerz ja, körperlicher Schmerz, denn dagegen kannst du nur wenig tun, außer nicht wehleidig zu sein. Ich spreche vom seelischen Schmerz, denn er ist zu überwinden, wenn du genug Energie sammelst.“
„Das ist doch alles ausgemachter Schwachsinn“, entgegnete ich. „Sag mir endlich klipp und klar, was hier passiert, denn ich versteh noch immer nicht, warum ich hier bin und wie ich überhaupt hier her gekommen bin. Okay, ja, ich bin mir Sir Izmir geflogen und vor dem Wald gelandet und deine Stimme erinnert mich an meine einstige Mutter. Aber was soll das alles?“
„Ich bin ein Aspekt deiner Mutter, genauso wie du ein Aspekt Ysils bist. Thygyrill, mit dem du noch vor kurzem in seiner prächtigen Stadt warst, zusammen mit Arima, der Einheit meiner Wenigkeit und Kim, erlebt eben eine ähnliche Phase. Ihr seid hier, klipp und klar gesagt, um das Netz zu formen.“
„Um das Netz zu formen?“
„Das Netz des Universums. Ja! Du wirst es schon noch verstehen, nachdem wir das Tor durchschritten haben. Aber ich warne dich! Dieses Land hinter dem Tor wieder zu verlassen, wird dich noch mehr schmerzen, als damals, als du das Indianerdorf verlassen musstest. Übrigens, war es damals kein Indianerdorf und dieses Leben fand auch nicht auf der alten Erde statt.
Das Land hinter dem Dorf ist das Paradies. Im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb musst du dich erst innerlich reinigen, sonst überstehst du den Schmerz nicht, wenn du wieder gehen musst. Übrigens, auch dieses Leben hier findet zeitlich gesehen in der weiten Vergangenheit statt und ist ein Vorreiter, sozusagen die Vorhut zu Ysil und Bela.“
„Warum muss ich dieses Paradies überhaupt verlassen? Warum kann etwas Schönes nicht für immer sein?“
Die schwarze Wölfin scheint zu lächeln.
„Typisch!“ raunt sie. „Das ist die weibliche Seite in uns. Die weibliche Seite, aus der im Universum fast alles besteht, bis auf einige Lebewesen, die der männlichen Seite angehören. Dies hat jedoch nichts mit Mann und Frau, wie auf der Erde die Geschlechter hießen, zu tun, falls sich nun eine Frau darüber ergötzt, die eben diese Zeilen liest. Manche männliche Lebewesen haben oft mehr weibliche Energie in sich als manche weibliche Lebewesen.“
„Ich erinnere mich daran, dass wir es mal die Energie Dieser und die Energie der Anderen Seite nannten.“
„So kann man es auch nennen. Ja. Die Energie der Anderen Seite oder auch die weibliche Seite steht für Stagnation. Wir beide sind Anwärter dieser Energie, während sich Bela und Kim für die männliche Energie einsetzen, die für ständige Veränderung sorgt. Es kann nichts für immer bleiben, Ysil, auch wenn es noch so schön ist. Und glaube mir, selbst Bela und Kim würden sich manchmal wünschen, Zeit und Raum mögen in einem bestimmten Moment einfrieren. Aber das lässt die Quelle der Kraft nicht zu. Sie braucht uns dazu, ein Netz zu spannen und genau das ist es, was wir hier zu tun haben. Wir hier als weibliche Energie und Bela und Kim als männliche Energie.“