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Wie organiserten die Menschen das zusammenleben in großen Gruppen? Darum dreht sich im Grunde die Geschichte der Menschheit nach der landwirtschaftlichen Revolution.
Erfundene Ordnungen und die Schrift schlossen die Lücke zu dem biologischen Erbe.
Doch war die Massenkooperation kein Segen für alle Menschen. Die Gesellschaften die sich daraus entwickelten waren weder neutral noch gerecht. Sie stellten Hierarchien auf und teilten die Menschen in Gruppen ein, von denen einigen Privilegien und Macht hatten während andere Diskriminiert und unterdrückt wurden.
Hammurabis Freigeobrenen hatten viele Annehmlichkeiten, die Gemeinen bekamen was übrig blieb und die Sklaven bekamen Schläge wenn sie aufmuckten.
Auch die von Gott und Gleichheit der Menschen pochende Verfassung der USA, teilte Menschen in Hierarchien auf. Männer profitierten von der Ordnung wobei Frauen leer ausgingen.
Weiße hatten Rechte, Schwarze und Indianer wurden diskriminiert und unterdrückt. Es kam ihnen nicht wie heuchelei vor, dass die Sklaven gefangene blieben, weil ihrer Ansicht nach Sklaven gar keine Menschen waren, darum auch keine Menschenrechte haben konnten.
Eine Hierarchie zwischen Arm und Reich gab es ebenfalls. Zwar war es ok, dass für Arm und Reich die gleichen Gesetze galten, aber mit Arbeitslosenunterstützung, gleichen Bildungschancen und medizinischer Versorgung hatte es nichts zu tun. Auch Freiheit bedeutete 1776 etwas anderes als heute. Schwarze, Ureinwohner oder Frauen waren an der Macht nicht beteiligt. Der Staat ließ die Finger von den Sachen der Bürger und hielt sich aus ihren Angelegenheiten raus.
Interessant ist auch die Hierarchie zwischen Mann und Frau, dazu aber später was.
Es gleicht einer Regel der Geschichte, dass es sich bloß um eine Erfindung handelt, sich aber als eine natürliche, unvermeidliche Ordnung der Dinge gibt.
Die Befürworter der Sklaverei behaupteten immer sie sei keine menschliche Erfindung. Für Hammurabi war sie natürlich. Aristoteles sogar sagte; Sklaven haben eine Sklavennatur und freie eine freien Natur. Ihre Stellung in der Gesellschaft sei lediglich Ausdruck ihrer wahren Natur.
Rassisten beteuern immer wieder die Überlegenheit der weißen Rasse als biologische Tatsache.
Weiße seien von Natur aus intelligenter, motalischer und fleißiger.
Andere sagen, die Reichen seinen kompetenter als Arme und verdienen die Privilegien der Bildung und des Gesundheitswesens.
Gläubige Hindus glauben, das Kastenwesen sei ein Produkt von kosmischen Kräften.
Die alten Chinesen glaubten die Göttin Nü Wa formte die Aristokraten aus gelber Erde und die Bauern aus braunem Lehm.
Es entspringt alles der menschlichen Phantasie. Wir behaupten gerne dass andere Hierarchien unnatürlich sind und unsere natürlich und gerecht. So wissen wir heute dass keine Rasse einer anderen überlegen ist, und sind geschockt wenn sie ihre Kinder nicht auf die gleichen Schulen oder in die gleichen Krankenhäuser bringen dürfen.
Dass zwischen Arm und Reich die gleiche Hierarchie herrscht ist dabei selten bewusst. Den reichen ist es erlaubt in vornehmen Stadtteilen zu leben, ihre Kinder auf bessere Schulen zuschicken und die besten Krankenhäuser zu besuchen. Das scheint vollkommen normal weil sie es sich leisten können.
Dass die armen nur deshalb arm bleiben weil sie aus einer armen Familie kommen, wird gerne übersehen. Manchmal kommt es einem so vor, als ob Gesellschaften Hierarchien und Diskriminierung brauchen.
Wenn ein Menschen mit einem gewissen Talent zu Welt kommt, bleibt es ungenutzt wenn es sich nicht entwickeln kann. Nicht alle Menschen bekommen diese Chance.
Mal angenommen ein eineiiges Zwillingspaar im China des 17. Jh wird nach der Geburt getrennt. Der eine Bruder kommt in eine reiche Familie, besucht die Schule und lernt alle Gepflogenheiten der Oberschicht, der andere wächst bei armen Bauern auf, in einem abgeschiedenen Dorf und arbeitet auf dem Reisfeld. Obwohl sie die gleichen Gene haben werden sie zwanzig Jahre später wohl kaum die gleichen Fähigkeiten beim Handel oder Reisanbau haben.
Selbst Menschen aus verschiedenen Schichten dieselben Fähigkeiten hätten, haben sie trotzdem nicht dieselbe Aussicht auf Erfolg.
Wenn der Bruder auf dem Reisfeld das gleiche Talent im kaufmännischen hätte, hätte er nicht die gleiche Chance wie sein Bruder aus der reichen Familie. Die Karten währen nicht gleich gemischt.
Das indische Kastensystem wurde erfunden als vor 3000 Jahren arische Stämme nach Nordindien vordrangen und die Bevölkerung unterwarfen. Die Eindringlinge erschufen eine Hierarchie in denen sie selbst als Priester und Krieger ganz oben standen und die Bevölkerung als Diener und Sklaven ganz unten.
In vier Gruppen wurden die einheimischen Inder eingeteilt die jeweils eigene Berufe, Gesetze Privilegien und Pflichten hatten. Eine Vermischung der Kasten wurde verboten.
Die herrschenden erklärten das Kastensystem sei kein Zufallsprodukt sondern eine ewige kosmische Wahrheit. Reinheit und Unreinheit spielte hier eine besondere Rolle. In allen Systemen spielt diese eine besondere Rolle.
Wer eine Gruppe von Frauen, Juden, Homosexuellen oder Schwarzen vom rest der Gruppe Isolieren will, erzielt das beste Ergebnis wenn er behauptet diese Gruppen sein Unrein, alle anderen aber Rein.
Um seine Kaste und die Gesellschaft nicht zu verunreinigen, durfte nicht außerhalb der eigenen Kaste geheiratet werden.
Das Kastensystem verwurzelte sich tief in Indien, selbst nachdem die arische Einwanderung längst in Vergessenheit geraten ist. Und es blieb nicht stehen, denn es spalteten sich große Kasten in immer neue Kasten auf. Es änderte nichts daran, dass jeder in eine Kaste geboren wurde und der Vorstoß in eine andere Verboten war.
Die Unberührbaren allerdings wurden vollkommen ausgeschlossen. Selbst heute, wo Indien die größte Demokratie der Erde ist, versucht die Regierung die Hindus davon zu überzeugen, das es keine Verunreinigung gibt, wenn man das Kastensystem aufbricht.
Ähnlich Nordamerika. Pseudowissenschaftliche Mythen versuchten die Sklaverei zu rechtfertigen, denn der Weiße wollte gut dastehen. Es gab Theologen die sagten dass die Schwarzafrikaner Nachkommen einer biblischen Figur namens Ham sein, der verflucht worden sei, dass seine Kinder Sklaven würden. Wissenschaftler argumentierten schwarze seinen den weißen unterlegen, weil ihre Intelligenz, moralisches Empfinden weniger entwickelt sei und sie Krankheiten verbreiten (Anders gesagt Unrein).
Diese Mythen wirkten weiter als die Sklaverei längst abgeschaft war und darum hatten Schwarze nach der Sklaverei auch nie die gleichen Chancen wie Weiße.
Die Rassentrennung wurde zb von rassistischen Gesetzen weiter beibehalten. Es war ein Teufelskreis. Nach der Sklaverei waren die Schwarzen den Weißen vor dem Gesetz gleichgestellt.
Aber nach 200 Jahren waren die meisten schwarzen Familien viel ärmer und ungebildeter als die weißen Familien. Ein Schwarzer der 1895 auf die Welt kam, nachdem die Sklaverei abgeschaft war, hatte nicht die gleichen Chancen wie ein weißer. Er hatte eine viel schlechtere Ausgangsposition.
Die Menschen hingen in den alten Vorurteilen fest, nach denen Schwarze dümmer, fauler und unmoralischer waren als Weiße, eher zu Gewalt, Verbrechen und Krankheit neigten und Unrein waren.
Hätte es ein Schwarzer aus Alabama im Jahr 1895 geschafft, die gleiche Schulausbildung zu erhalten um sich für eine Stelle als Bankangestellter zu bewerben, wären seine Chancen gegen weiße Bewerber gleicher Qualifikation gleich null gewesen. Schwarze galten schließlich als unzuverlässig, faul und dumm.
Jetzt verstärkte sich aber das Vorurteil nur noch mehr. Da die besten stellen von weißen besetzt waren, war es immer leichter zu glauben, dass die Schwarzen tatsächlich minderwertig waren.
„Sie sind seit Jahren frei und trotzdem keine Anwälte, Ärzte, Professoren oder Buchhalter. Ist das nicht Beweis genug, dass sie weniger intelligent und fleißig sind? Ein Teufelskreis. Und er geht noch weiter.
Es entstanden neue rassistische Gesetze die die Weißen schützen sollten:
Schwarze durften nicht mehr wählen weil sie angeblich dumm waren, sie durften nicht mehr mit weißen Schülern auf eine Schule, nicht in weißen Geschäften einkaufen und nicht in weißen Hotels übernachten, weil sie Krankheiten übertragen könnten und darum wollten weiße auch nicht von den selben Tellern essen. Mit pseudowissenschaftlichen Untersuchungen wurde diese Idiotie noch unterstützt. Dabei übersahen die Wissenschaftler, dass die Tatsachen ein Ergebnis der Rassendiskriminierung waren.
Als sich Clennon King im Jahr 1958 an der Universität in Mississippi einschreiben wollte, wurde er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Der Richter urteilte; ein schwarzer müsse Verrückt sein, wenn er glaube, er könne an dieser Universität studieren.
https://en.wikipedia.org/wiki/Clennon_Washington_King_Jr. (leider nur auf Englisch)
Die rassistischen Vorurteile nahmen immer mehr fahrt auf. Das Schönheitsideal in den Usa kannte nur die Weißen Eigenschaften. (Helle Haut, glattes Haar, eine schmale Nase usw...) Die Wahrnehmungen trugen immer mehr dazu bei, dass sich die erfundene Hierarchie tiefer und tiefer ins Bewusstsein gruben.
Solche Teufelskreise können sich über Jahrhunderte und Jahrtausende halten und verschärfen.
Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Die gebildeten werden gebildeter, die ungebildeten ungebildeter. Man kann der Geschichte quasi in die Zukunft folgen.
Wären die Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen, Priestern und Unberührbaren doch tatsächlich biologischer Natur, reichte es Biologie zu studieren um die Gesellschaft zu verstehen.
Aber da die biologischen Unterschiede der Homo sapiens zu vernachlässigen sind, bietet die Biologie keine Erklärung für das indische Kastensystem oder die Rassendiskriminierung in den USA.
Um dies zu verstehen, muss man sich die Umstände, Ereignisse und Machtverhältnisse der Vergangenheit anschauen und verstehen dass sich Phantasieprodukte in grausame sehr reale Strukturen verwandeln können!
Aus diesem Grund ist es wichtig, sich mit der Geschichte zu beschäftigen!