Ja, das ist durchaus bekannt und kann unter verschiedenen Aspekten verbucht werden, derer die evidenzbasierte Medizin sich selbst häufig genug bedient. Erstens der Placebo-Effekt, mit dem zweitens eine gewisse Schonung des körperlichen einhergeht und ein Anspron entsteht für sich etwas zu tun bzw. in die im Rahmen des Möglichen Eigenverantwortung zu gehen (Wellnessfaktor) und drittens der psychologische Effekt von "ernst genommen werden", das "Gefühl, es wird sich Zeit für einen genommen", die Betrachtung und Einbindung der sonstigen Lebensbedingungen, sowie Berührung und Zuwendung in einer Form, die evidenzbasierte Medizin aus Kostengründen und wegen Zeitmangels häufig genug nicht abdecken kann bzw. in der Regel "nur" anwendet, wenn Patienten an schwersten, unheilbaren oder gar tödlichen Krankheiten leiden.
HomöopathInnen (egal ob ÄrztInnen, HeilpraktikerInnen, ApothekerInnen) bestehen aber gerade explizit darauf, dass die homöopathischen Zubereitungen selber, je nach Ursubstanz, eine spezifische Wirkung haben, also über Placebo, Zuwendung, Wellnes uäm. hinaus - und lustiger weise, je höher die Potenzierung, desto potenter, wirkungsvoller solle die jeweilige Zubereitung sein.
Was mit den ohnehin im Wasser enthalten Substanzen passiert (ultrareines Wasser ist de facto unleistbar!) und warum ausgerechnet die keine Auswirkung haben sollen, geht HomöopathInnen dabei am A... vorbei.
Mit dem Unterschied zwischen Kausalität und Koinzidenz beschäftigen sich diese Anbieter auch nicht so gern. Genauso, wie sie sich vor fundierten Wirknachweisen drücken - sobald z.B. ausreichend verblindet und randomisiert wird, fällt jeder "Mehrwert" über Placebo hinaus sofort weg! Ein Schelm, wer dabei böses denkt.)
Das ist insgesamt magisch-animistisches Denken auf Kleinkind Niveau.
Ich verstehe, dass leidende Menschen nach jedem Strohhalm greifen. Aber dass Anbieter (egal welcher Couleur) diesem unwirksamen Strohhalm den Nimbus einer geschmiedeten Eisenkette geben und den Betroffenen mit diesem Etikett verkaufen ist m.E. zutiefst unlauter.
Ein Punkt der in dieser Diskussion auch immer wieder eingebracht wird, ist die scheinbare Stabilität des Placeboeffektes. Als ob es sich, v.a. hinsichtlich der inhaltlichen Ausprägung, um eine fixe Größe handelte. Das ist ein fundamentaler Irrtum.
Placebo, also eine positive unspezifische, nicht mit der eigentlichen intendierten Handlung / Methode / Substanz verknüpfte Reaktion tritt bei JEDER zwischenmenschlichen Interaktion auf. Die genaue Ausprägung ist dabei nicht berechenbar. Und wenn es blöd läuft tritt ein Noceboeffekt auf.
Das ist auch der Grund, warum man bei guten Studien
a) genügend Probanden braucht (lässt sich mit G-Power einfach berechnen)
b) seriös Randomisieren muss (damit sich diese Effekte ausmitteln)
und
c) Probanden, Behandler und Auswerter verblindet - sollte eine Behandlung die Verblindung der Behandler nicht zulassen, dann ist der Behandler von Be-u. Auswertung ausgeschlossen
Wenn eine Bezugsperson einem weinenden Kind mit aufgeschürften Knien ein Pflaster auf die Wunde klebt (am besten noch ein hübsch bedrucktes!) oder einfach nur ein bisschen draufpustet und es dabei vielleicht auf den Schoß nimmt und tröstet, dann hören die meisten Kinder recht bald zu weinen auf. Dieses Beruhigen und Zuwenden, das bunte Pflaster... diese Dinge sind Placeboträger, sie führen im besten Fall zu einer veränderten Wahrnehmung der Situation (...schau, ist gar nicht so schlimm...), an der Verletzung ändert es nix.
Und hier liegt auch der Hund begraben. Gäbe diese Person dem Kind gleichzeitig irgendwelche Globuli, dann neigen Menschen halt sehr stark dazu, die Handlung mit dem nachfolgenden Ereignis zu verknüpfen und dem spezifische Wirkung zu zuschreiben. Es ist eigentlich diese Form der Fehl-Attribuierung, die Betroffene z.T. mit solcher Inbrunst an Homöopathie glauben lässt. Und dieser Mechanismus ist halt tief in unserem Verhalten verankert.
Das erinnert mich auch ein bisschen an Skinners "
abergläubische Tauben".
In einem Punkt bin ich völlig bei Dir - die Zeit, die Gesundheitspersonal (egal ob ÄrztInnen, KrankenpflegerInnen, TherapeutInnen) mit Patienten im Gespräch verbringen kann sollte länger und besser honoriert sein.
Das würde sowohl den PatientInnen, als auch dem Gesundheitspersonal gut tun (die Burn-Out Raten sind enorm).