Hallo zusammen,
ich bin mir jetzt zwar immer noch nicht ganz sicher, ob meine Frage hier gut aufgehoben ist, aber im Schutze der Anonymität möchte ich euch gerne um Rat bitten.
Es geht um meine Mutter... Ich weiß gar nicht so recht, wie und wo ich anfangen soll. Meine Mutter ist eine sehr impulsive, laute, hektische Person. Sie lässt andere Personen selten aussprechen, fällt ständig ins Wort und wenn sie sich angegriffen fühlt, flippt sie völlig aus. Ja, ich würde sie als cholerisch bezeichnen, auch wenn mir diese Bezeichnung selbst sehr hart vorkommt...
Ich werde wohl ziemlich ausholen müssen, damit ihr euch ein Bild machen könnt:
Sie ist ein gebrandmarktes Kind, hat keine schöne Vergangenheit hinter sich und auch im Erwachsenenalter hatte sie es oft sehr schwer. Als Kind musste sie ein Bett mit ihrem Großvater teilen, wurde geschlagen und von der eigenen Familie gedemütigt, aufgrund einer Behinderung verspottet und in ihrem Drang, dazuzugehören, ausgenutzt. Ihr wurde immer eingetrichtert, dass sie "falsch" sein, an allem die Schuld trägt. Ja, sie war der Sündenbock für alles und jeden.
Auch die Probleme in der Ehe mit meinem Vater - ebenfalls mit schlimmer Kindheit - haben ihr sehr zugesetzt und sie hat sich im Laufe der Jahre zu einem Menschen entwickelt, der zur Ansicht gekommen ist, nur "gehört" zu werden, wenn sie lautstark ihre Meinung äußert. Offensichtlich hat sie ihre Vergangenheit nie loslassen können, bringt heute in aktuellen Diskussionen immer wieder Dinge auf den Tisch, die bereits Jahrzehnte zurück liegen. Vor vielen Jahren trieb sie ihr unaufhörlicher Schmerz auch in die Alkoholabhängigkeit...
Sie hat bereits eine Psychotherapie hinter sich, die über mehrere Jahre ging, in der sie ihre Vergangenheit aufarbeiten sollte. Ausschlaggebend war dabei ihre Sucht, wegen der sie sich in Behandlung begab. Dennoch bin ich der Meinung, dass auch diese Therapie nicht dazu beitragen konnte, ihr "Trauma" zu verarbeiten.
Wie sich das äußert?
Nun, als Beispiel: wenn ich als Jugendliche bitterlich geweint habe, wenn ich von einem Schwarm (den ich in dem Moment natürlich für meine große Liebe hielt ) abserviert wurde, gab sie immer nochmal eines drauf... wie dumm ich doch wäre, mich so verarschen zu lassen... dass ich selbst Schuld sei, so armselig wie ich mich verhalten habe usw...
Da sie darin sich selbst sah... das, was sie früher mit sich machen hat lassen, projiziert sie auf mich und macht es mir dann zum Vorwurf.
Wenn ich mit Problemen komme, mit Krankheiten, die mich belasten und fertig machen, kann ich immer damit rechnen, dass sie beginnt, über ihr eigenes Leid zu klagen, wie schwer SIE es früher hatte und wie viel Unheil SIE ertragen musste. Meine Mutter sieht sich immer in der Opfer-Rolle. IHR ging und geht es ihrer Ansicht nach am allerschlimmsten, die Probleme anderer reichen bei weitem nicht an das heran, was sie erlebt hat.
Und sie fühlt sich bei jeglicher Kritik so angegriffen, dass sie den Personen das Wort im Mund umdreht, ausfallend und beleidigend wird, schreit dass die Wände wackeln und sie sich nicht mehr beruhigen kann, bis sie all ihren Frust rausgelassen hat.
Ich habe im Laufe der Jahre "gelernt", damit umzugehen, dass ich sie nicht ändern kann, nur meine eigene Haltung dazu. Wenn es eskaliert, schließe ich die Türe hinter mir und kehre in meine eigenen 4 Wände, da ich weiß, dass jeglicher weitere Satz an ihr abprallt. In der Vergangenheit kam es aufgrund dessen schon zu Handgreiflichkeiten zwischen uns und um das zu vermeiden, gehe ich dann lieber und spreche mit ihr an einem anderen Tag, wenn sie sich wieder beruhigt hat.
Heute kam es nun im Kreise der Verwandtschaft wieder zu einem eskalierenden Streit, in dem ich die Verwandten irgendwann bat, zu gehen, da es keinen Sinn habe, weiterzudiskutieren.
Auch ich verließ im Anschluss die Wohnung meiner Eltern, sitze nun hier und frage mich, ob wirklich jegliche Hoffnung verloren ist!?
Meine Mutter ist kein von Grund auf böser Mensch, nein. Sie hat sich aufopfernd um uns Kinder gekümmert, während mein Vater Tag und Nacht in der Arbeit war, sie hat uns nie im Stich gelassen, sich immer um alles gekümmert und dafür gesorgt, dass es allen "gut" geht.
Dennoch lebt sie in ihrer eigenen schwarzen Welt, in der jeder versucht, sie kaputt zu machen und ihr für alles die Schuld zuzuschieben. Sie kann nicht verzeihen, was ihr widerfahren ist... Und ich frage mich, ob wir das so akzeptieren und hinnehmen müssen, ob es nicht doch einen Weg gibt, ihr in ihrem fortgeschrittenen Alter noch zu einer inneren Ruhe zu verhelfen!?
Ich weiß, dass das ein schwieriges Thema ist und ich ich habe keine Ahnung, ob euch dazu etwas einfällt, ob und wie diese tiefgehenden Wunden in ihr noch irgendwie zu "heilen" sind. Es tut im Moment auf jeden Fall schon mal gut, mir das gerade vom Herzen geschrieben zu haben und ich würde mich sehr freuen, wenn der ein oder andere vielleicht doch einen Einfall oder Rat hätte.
Vielen Dank erstmal fürs Lesen
Hallo Miranda!
Ich meine, deine Mutter hat so viel Negatives in ihrer Kindheit hinnehmen müssen, dass jetzt ihre Kraft als Mutter vielleicht lediglich dafür ausreicht, halbwegs "über die Runden zu kommen".
Und wer nie Liebe erfahren hat, kann m.E. auch keine weitergeben. Schau dir all die seelisch verletzten Menschen an: Sie werden meistens auch wieder zu Tätern, selbst dann, wenn es das letzte ist, was sie wollen.
Versuche innerlich Abstand von deiner Mutter zu nehmen und lege all ihre verletzenden Worte nicht auf die Waagschale, denn aus ihr können nur die Worte sprechen, die sie wiederum von ihren Eltern hören musste. Und diese Worte waren sicher nicht liebevoll. Hab Mitleid mir ihr. Sie ist eine Gefangene ihrer Kindheit.
Lg
Urajup
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