So wundervoll die Symbole im Märchen "Allerleirauh" auch sein mögen, so zwiegespalten sehe ich die Geschichte wenn es um authentisch gelebte Weiblichkeit geht. Das Märchen birgt viele Schattenseiten und hat (für mich) auch kein Happy End. Allen voran die sterbende Mutter mit dem goldenen Haar, die ihren König anweist keine andere zu heiraten, die nicht genau so schön wie sie sei. Sie verschließt quasi die Augen vor der nahenden Tragödie (denn sie wird wohl gewusst haben, dass nur eine diesen Platz einnehmen wird können) und stirbt (innerlich), was bei innerfamiliären Missbrauch häufig der Fall zu sein scheint.
Dieses goldene Haar ist auch etwas das mich immer sehr nachdenklich stimmt. Gold im Märchen ist ein erstrebenswertes Gut, ein von Gott gegebener Ausgleich für eine vorangegangene Prüfung. Eigentlich etwas gutes. Bei Allerleirauh mischt sich das Gold aber (für mich) im unguten mit weiblichen Attributen, die durch Männer definiert werden. Die Mutter (wie die Tochter) werden in ihrer Weiblichkeit vom König überhöht, das goldene Haar stellt sie auf einen Sockel. Ich hätte beiden natürliches Haar gewünscht. Auf ihrer Flucht nimmt Allerleirauh noch weitere vergoldete Gegenstände mit, darunter eine goldene Spindel, die sie einst von ihrem Vater geschenkt bekam. Sie kannte es nicht anders.
Allerleirauh wächst ohne Mutter oder eine andere weibliche Bezugsperson auf. Jedwege weibliche Bezugsperson (auch die negativen) hätten ihr wohl geholfen sich selbst als Frau definieren zu können. So webten aber Jungfrauen die Kleider (Sonne, Mond, Sterne) und der Mantel aus tausenderlei Pelz und Rauchwerk wurde von den Jägern hergestellt.
Allerleirauh kämpft, ist klug, wiederholt in ihrem Kampf aber ihre eigene Tragödie und schafft es nicht sich daraus zu befreien.
Selbst als sie rußgeschwärzt im Wald den Pelzmantel trägt, bittet sie die Jäger um Hilfe. Und wird, nachdem sie zum Schloss gebracht wird, zwar als Mädchen/Frau erkannt, aber die Sprache ändert sich kurzweilig (als sie in der Küche arbeitet wird sie als "es" bezeichnet). Erst als sie das wiederholt, wodurch sie sich einst Befreiuung von ihrem Vater erhoffte, erobert sie den neuen König und heiratet.
Ein tragisches Märchen finde ich. Vielleicht hätte der lieben Allerleirauh ein König Drosselbart gut getan, vielleicht auch eine Hexe die sie in den Ofen schubsen hätte können oder eine Frau Holle die sie unter ihre Fittiche nimmt. Ich hätte es ihr gewünscht. Aber: Es heißt, dass die lieben Grimms (so wie sie nun mal sind) auch dieses Märchen ein wenig verschandelt haben. Man munkelt nämlich, es hätte sich einst ähnlich zugetragen wie das Märchen
"Die Bärin" ... und das gefiele mir für Allerleirauh auch wesentlich besser.