Erkennen, Erkenntnis
Liest man sich in Foren wie diesem so ein wenig durch die präsentierte Materie, so beschäftigt sich ein nicht unerheblicher Teil der Themen, Bereiche, Beiträge damit, anderen bestimmte Wege, Rezepte anzupreisen, um bestimmte Erfharungen zu machen, machen zu können, die wiederum im angeblichen Idealfall zu einer Art von tieferem Verständnis, einer sozusagen erweiterten Art von Erkenntnis führen sollen.
So ferne jemand auf dem Weg dorthin alles richitg gemacht hat, sprich, das ihm angepreisene, oder angedrehte Rezept penibelst genau befolgt hat.
Bei etwas näherer Betrachtung man jemandem dann aber ebenso auffallen, dass dieses Wunschziel anscheinend doch auf dieser Art von Wegen, mit Hilfe dieser Rezepte eher selten erreicht wird, oder erreicht worden ist.
Woran mag das liegen?
Nehmen wir einmal an, ein "Meister", jemand, der so etwas wie Erkenntnis erlangt hätte, was auch immer man darunter verstehen mag, versucht nun, diese an andere weiterzugeben, andere zu seiner "Erkenntnis"; sprich, seinem Glauben zu missionieren.
Wobei sich mir die Frage stellt, warum er sich überhaupt darum bemüht.
Ist Erkenntnis überhaupt weitergebbar, mitteilbar, kommunizierbar?
Meiner Ansicht nach überhaupt nicht! Geht einfach nicht, funktioniert nicht.
Das, worum es dabi eigentlich geht, ginge, funktioniert unter bestimmten Vorraussetzungen für jemandem im eigenen Kontext. Da aber dieser eigene Kontext zugleich immer ein individueller ist, so wie ein Fingerabdruck individuell ist, die eigene DNA eine individuelle ist, so scheint mir eben auch der Weg zu Erkenntnis ein jeweils individueller zu sein, stimmen bei anderen eben naturgemäß bereits einige Parameter nicht, in den meisten Fällen werden es wohl sogar die meisten Parameter, Voraussetzungen welcher Art auch immer sein, die ganz anders sind, kann klarer Weise auch nicht ein ähnliches Ergebnis herauskommen.
Oder, um es etwas metaphorisch auszudrücken, Malen nach Zahlen mag zwar als Resultat ein mehr oder weniger nettes Bild erzeugen, Kunstwerk ist es deswegen aber noch lange keines.
Menschen wollen so gerne alles organisiert, verwaltet, standardisiert haben, sogar, wie's aussieht, ihre angebliche Spiritualität, dabei mag gerade diese Art von Schubladisierung dem, was sie anscheinend suchen, durchaus hinderlich im Weg stehen.
Ich gehe inzwischen lieber als Arbeitshypothese davon aus, dass jemand, der missioniert, andere zu seinen "Glauben" bekehren will, was hier ja durchaus an der Tagesordnung ist, sich selbst eigentlich verlaufen hat. Wüsste er tatsächlich ein wenig Bescheid, hätte er tatsächlich ein Art von tieferem Verstehen Können, von Erkenntnis erlangt, so müsste er eigentlich die Unsinningkeit seinen Agierens ebenso erkannt haben, wie auch die Problematik dabei, nämlich die, jemandem, indem man ihm sozusagen den eigenen Weg aufdrängt, aufzwingt, damit erst recht in die Irre zu führen, also ihn eigentlich von dem für denjenigen möglicher Weise bestimmten oder zumindest besser geeigneten Weg abzubringen.
Etwas komplizierter wird es aber nun, wenn derjenige sich - aus Sicht des Erkennenden - ohnehin bereits selbst verlaufen zu haben scheint, also auch nicht mehr dem eigenen Weg folgt, sondern sich auf einem andere Irrweg verlaufen hat.
Soll man dann korrigierend eingreifen? Man könnte, aber in den meisten Fällen wird das ganz enfach nicht funktionieren, weil diese Art von Irrwegen, auf denen sich leider viele, viel zu viele zu bewegen scheinen, großteils auch über so etwas wie diverse Arten von Selbstschutzmechanismen verfügen, die Demjenigen suggerieren, dass sie auf dem richtigen Weg unterwegs wären.
Von außen betrachtet mag das durchaus erkennbar sein, nur sind die Möglichkeiten, verändernd eingreifen zu können, außer in die verkehrte Richtung, anscheinend äußerst limitiert.
Ist ein wenig so wie mit Kindern in der Pubertät. Als Eltern kann man das Beste versuchen, und doch wird es nichts bewirken, die Kids wollen nun einmal auf Teufel komm' raus unbedingt selbst in die Scheiße langen, genau diese Art von Erfahrung machen. Zumindest so lange, bis sich dabei genügend weniger angenehme Folgen und Resultate manifestiert haben, an denen man sich dann eventuell durchaus längere Zeit abarbeiten kann und muss, weil man eben glaubte, es besser zu wissen.
Früher oder später kommt die Wirklichkeit und sagt einem dann doch "Du hast Dich geirrt!" und stellt Dir den Irrtum auch noch in Rechnung.
Was nützt als so etwas wie Erkenntnis?
Anderen anscheinend eher wenig. Einem selbst vielleicht dabei, eine etwas weniger hohe Rechnung zu erhalten, sich eventuell etwas weniger oft zu irren, sondern zu lernen, mehr mit der Wirklichkeit, im Einklang mit ihr zu handeln, zu agieren, anstatt, wie meistens üblich, gegen sie.
Und vielleicht ist so etwas wie Erkennen, Erkenntnis eben kein Endziel, sondern der Weg, zumindest einer, der tatsächlich Sinn macht, erfüllen kann, beginnt erst damit, indem man im Kontext eines ein wenig größeren Ganzen - womit ich kein menschliches Kollektiv meine - Verstehen, Erkennen und eigenen Agieren versucht, miteinander synchron zu bringen, nach Möglichkeit in Einklang miteinander, ebenso in Einklang mit einer größeren, weitaus komplexeren Wirklichkeit.
Dann ginge es beispielsweise bei der Interaktion mit Anderen eben wohl auch nicht um eine Art Bekehrung zum eigenen "Glauben", sonderen vielleicht eher darum, zunächst einmal das Gegenüber als solches, als andersartiges Gegenüber wahrzunehmen, zu sehen, zu "erkennen", und zu versuchen, auf das, diese Andersartigkeit zu reagieren, anstatt einfach auf jemanden das Eigenen zu projizieren.
Und möglicher Weise wäre genau dieses etwas andere "Erkennen", nämlich das eines Gegenübers ohnehin das weitaus wichtigere und interessantere. Allerdings bedeutet das "Erkennen" eines Gegenübers, das Licht und die Dunkelheit gleichermaßen zu erkennen, wahrzunehmen, und wer möchte schon auf die Art von jemandem anderen gesehen, erkannt werden?
Wovor verbirgt jemand seine eigene Dunkelheit, seine eigenen Schatten denn tatsächlich? Vor den Anderen, wie derjenige glauben oder hoffen mag, oder viel mehr eigentlich vor sich selbst, und die Anderen sehen trotzdem auch das, was derjenige selbst nicht sehen, nicht wahrhaben, nicht akzeptieren will?
Auch eine Art von Erkennen. Die der Irrtümer über sich selbst.
So viele verschiedene Türen zum Erkennnen. Ganz ohne Rezepte.
Man muss sie nur öffnen...