F
Faydit
Guest
Ich muss jetzt hier was reinstellen, das gerade erst fertiggeworden ist. Auch wenn ich die Geschichte so vor ca. 15 Jahren bereits begonnen habe.
Kindermärchen (in echt)
Kinder haben manchmal recht schlechte Karten, wenn sie hier inkarnieren. Weil die Erwachsenen davon ausgehen, sie wüssten, wie Kinder ticken, was sie wie wahrnehmen, fühlen, was ihnen guttut oder nicht.
Kinder denken, fühlen, sind anders als Erwachsene. Aber Erwachsene tun sich manchmal damit schwer, weil sie auf ihren Weg vergessen haben, wie sie waren, als sie Kinder waren.
Und weil Erwachsene glauben zu wissen, nehmen sie Kinder und ihre Art der Artikulation weder ernst noch haben sie vor der Einzigartigkeit und der durchaus noch wesentlich intensiver als bei Erwachsenen vorhandenen "Göttlichkeit" der Kinder Achtung.
Weiß ein Erwachsener, welche(s) Leben diese als Kind inkarnierte Seele zuvor erlebt hat? Weiß er, welchen Schmerz sie woher und warum mit hierher in dieses Leben bringt? Oder auch, welche Freude? Und warum, was dieses eine Kind einem zu sagen hätte, was ein anderes?
Wie denn, wenn Erwachsene nicht hinsehen, zuhören, das Kind selbst als eigenständiges Wesen nicht wahrnehmen? Weil sie ihr Bild von Kindern, wie sie sind, und wie nicht, wie sie sein sollen, wie nicht, schon fertig haben.
"Es war einmal ein kleines Kind, ein Säugling, erst ein paar Tage alt und noch ganz neu und neugierig auf dieser Welt.
Eines Tages, oder besser gesagt, Abends lag es so da und auf einmal hörte eine ganz leise, weiche, safte Musik, eine ruhige Frauenstimme sang etwas, leise und doch ganz klar und schön, die ihn ganz behutsam umfing, seine Augen und Ohren waren ganz weit offen, es staunte mit allem was ihm zur Verfügung stand bis es schließlich ruhig und friedlich einschlief.
Zumindest glaubte es, dass es so sein sollte, woher es diese Vorstellung hatte war nicht ganz klar, aber es wusste genau, dass das genau so sein sollte, ja unbedingt sein musste.
Langsam aber wurde ihm bewusst dass da etwas fehlte, es hörte in Wahrheit keine Musik, keine schönen Töne, erst recht nicht diese ganz besonderen, es war einfach da und das erste Mal in seinem kleinen Leben wurde ihm bewusst dass es alleine war. Es erlebte seinen ersten Schock, die erste Angst.
Es fing an zu schreien. laut und wütend, ballte seine kleinen Hände, und schrie und schrie seine ganze Wut und Enttäuschung hinaus.
Aber die Stimme und die Musik kamen trotzdem nicht, so laut es auch schrie.
Stattdessen wurde es von zwei harten Händen gepackt und geschüttelt, was das Kind dazu veranlasste, noch lauter zu schreien, ja zu brüllen, und sich mit der ganzen Energie, die ihm zur Verfügung stand, gegen diese neue Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen.
Nach dem ersten Schlag ins winzige Gesicht verstummte das Kind kurz, verdutzt, überrascht ob dieser neuen Erfahrung, um dann erst recht mit aller Kraft seinen Protest dagegen kundzutun.
Irgendwann schließlich verließ es die Kraft, musste aufgeben, und völlig erschöpft schlief es ein.
Als es aufwachte, begann alles wieder von vorne...
__
Die Jahre vergingen, die Jahrzehnte, samt den üblichen Wunden und Narben, un noch einigen noch dramatischeren zusätzlich, irgendwann ging gar nichts mehr, alles schien völlig schiefgelaufen zu sein.
Der Mann stand mehr oder weniger vor dem eigenen Abgrund. Es war nur mehr eine Frage der Zeit, wann der endgültige Sprung unvermeidlich werden würde. Keine Chance mehr, da wieder heil herauszukommen, aus dem eigenen Schlamassel.
Dieser eine Traum war noch da, und noch einige andere, aber sie alle passten so gar nicht hierher, nicht in diese Welt, nicht in dieses Leben.
Und dann, eines Tages, hörte er das erste Mal diese eine Stimme.
Nur, dass sie nicht sang, sondern nur sprach. Aber es war ganz genau diese besondere Stimme, mit einer ganz eigenen, unverwechselbaren Schwingung, diesem ganz besonderen Timbre, die er bis dahin noch nie von jemandem gehört hatte.
Allerdings war es nicht die Stimme alleine, sondern auch die Inhalte. Alles passte so ganz wunderbar zusammen. Es war eigentlich nichts Besonderes, nichts Hochtrabendes, sondern nur etwa ganz Einfaches, Schlichtes, aber das war in sich stimmig, klar, echt, ernst gemeint.
Wie Engelsgesang, ungemein sanft, vorsichtig, aber nicht schwach, sondern von einer anderen Art, einer für den Mann ebenfalls ungewohnten Stärke und Kraft erfüllt.
Nur eine Stimme am Telefon, von einer Frau, der der Mann bis dahin noch gar nie begegnet war.
Sie kannten sich kurz, aus der Ferne, hatten sich über ein paar Dinge unterhalten, ausgetauscht, aber sonst lief da nichts, wie's üblicherweise heißt. Die Welten wären dafür auch viel zu unterschiedlich gewesen. War zumindest zu diesem Zeitpunkt die Sichtweise des Mannes.
Aber irgendwann wollte sie ihn unbedingt anrufen. Eigentlich war ihm das gar nicht recht, aber schließlich willigte er doch ein.
Er verstand sie erst einmal kaum, am Telefon, von so weit weg, mit diesem so ganz anderen, ganz ungewohnten, fremden Dialekt, aber diese Stimme, diese Schwingungen darin, darunter, dahinter machten das mehr als wett.
Liebe auf den ersten Ton? In gewisser Weise, von ihr aus bereits davor, von ihm aus wehrte er sich aus einigen, nicht einmal unberechtigten Gründen noch relativ lange dagegen, obwohl das Band, die Verbindung zwischen beiden zugleich unglaublich stark war, sogar bereits zu diesem Zeitpunkt.
Tat ihm gut, so jemand, ihre ganze Art, ihr Wesen, viel zu gut, und das machte ihm zugleich Angst, erst recht nach all den zwischenmeschlichen Irrtümern, die er bereits erlebt hatte. Er traute dem Ganzen nicht wirklich. Das konnte gar nicht wahr sein, viel zu einfach, zu unkompliziert, zu schön. Irgendwo musste ein Haken sein. Ging gar nicht anders.
Nur eine Stimme am Telefon, und neben hier weniger Wichtigem ein Satz gegen Ende des Gesprächs, beinahe ein Flehen, zugleich äußerst vorsichtig, sich durchaus bewusst, dass sie damit eigentlich eine unsichtbare Grenze etwas zu weit überschritt, und doch nicht anders konnte: "Versprich' mir eines: Gib nicht auf! Gib Dich nicht auf! Bitte!"
Und das sagte dem Mann jemand, der ihn eigentlich noch gar nicht wirklich kannte, und zugleich wohl bereits damals so viel besser kannte als jeder andere Mensch sonst.
Da ging es - das erste Mal in seinem Leben - jemandem anderen tatsächlich um ihn, nur um ihn, um ihn selbst, nicht um irgendetwas anderes, nicht um eigene Interessen oder Vorteile, um das was er wirklich war, samt allen Problemen, Schwächen, ganz am Boden, sozusagen völlig nackt, er bedeutete trotzdem jemand anderen etwas, in der Situation, er war jemandem anderen wichtig, wichtig genug.
"Die spinnt, die hat nen Dachschaden!"
War so in etwa die erste Reaktion. Was will die denn? Und warum? Von mir?
Es gibt anscheinend auch so etwas wie schöne Schocks, oder auch ganz unglaublich schöne Schocks, und auch an die muss man sich erst einmal gewöhnen. Die können dann durchaus auch auf ihre Art erst einmal zu viel sein.
Wie sie beide, abwechselnd miteinander in den darauffolgenden Jahren immer wieder auf alle möglichen Arten erleben durften.
Zwei, die einander, auf ein wenig unterschiedliche Art und Weise, ihre Leben retteten, mit etwas jeweils bis dahin Neuem erfüllten, das davor jeweils völlig gefehlt hatte.
Aus dem einen Antrieb bei allem, was sie taten, der bereits damals der eine war, der es seither auch immer geblieben ist: Eine unglaubliche, tiefe, aufrichtige, gegenseitige Liebe und Verbundenheit, die beide miteinander erleben und teilen durften.
__
Jahre später gab diese Stimme sich selbst auf. Weil ihre Krankheit ihr keine andere Wahl mehr ließ.
Und der Mann ihr in diesem Fall umgekehrt leider auch nicht mehr helfen konnte. Er hätte es liebend gerne getan, aber das überstieg seine Fähigkeiten in jeder Hinsicht bei Weitem. Was ihm noch lange Zeit zu schaffen machte.
Was blieb, war diese eine Stimme, diese eine Schwingung, dieser eine, einzigartige Ton, wie eingebrannt in alles, was er war, was ihn ausmachte. Diese eine passende, richtige Ergänzung.
Ihm war völlig klar, dass das, dass diese Frau etwas Einzigartiges, Einmaliges gewesen war. Ihr letzter Wunsch an ihn war gewesen, dass er auch ohne sie gut weiterleben sollte. Was ihm eher Probleme bereitete.
Wie sollte das nach ihr, ohne sie denn gehen. Nach dem was sie miteinander, aneinander gehabt hatten? Ohne das, was ihn am Leben gehalten hatte, ihn Halt gegeben hatte. Ohne diesen einen, den einzigen wirklichen Grund?
Das Leben ging weiter, etwas von ihr war auf seltsame Weise da geblieben, sie war noch da, nur anders, manchmal mehr, manchmal weniger, aber nie ganz weg. Aber natürlich war auch das nicht ganz einfach, doch zu anders als davor.
Aber es half ihm, zu überleben.
Und irgendwann beschloss er, sich doch noch einmal auf eine Suche zu begeben. Auf die Suche nach diesem einen Ton, dieser einen Schwingung in anderer Form.
Es würde kein anderer Mensch sein, kein anderes Gegenüber, kein Ersatz für jemanden, der in keiner Weise ersetzbar war, es nie sein würde.
Der Platz bleibt besetzt. Diesen Platz auch nur halbwegs ausfüllen zu können, traute er - von einigen andere, mit ihm selbst zusammenhängenden, und ihm durchaus völlig bewussten Hindernisgründen mal ganz abgesehen - keinem anderen Menschen zu.
Normale Menschen waren anders, ganz anders, die hatten genau das einfach nicht drauf, diejenigen, die sich das selbst eventuell sogar einbildeteten, am Allerwenigsten.
Es musste etwas anderes sein, was genau war ihm noch nicht ganz klar. Und wenn schon, dann zumindest etwas noch Größeres. In gewisser Weise.
Wobei - wie er erlebt hatte - manchmal die wirklich ganz großen, wichtigen, wertvollen Dinge scheinbar ganz kleine, unwesentliche, nebensächliche sein können. Zumindest in den Augen vieler anderer.
Er konnte also etwas suchen, das andere übersahen, das ihnen entging, weil sie es für unwichtig hielten. Das gefiel ihm, war so ganz nach seinem Geschmack.
Würde also vielleicht doch noch einmal ein wenig spannend werden können.
Er glaubte selbst nicht daran, das ihm seine Suche tatsächlich gelingen könnte, aber er machte sich auf den Weg.
Ein Mal hatte er, auch wenn es sehr lange gedauert hatte, gefunden, was er gesucht hatte, noch dazu zu einem Zeitpunkt, als er bereits alle Hoffung aufgegeben hatte. In Wahrheit hatte "es" wohl eher ihn gefunden, und vermutlich würde es diesmal auch nicht anders sein.
Es gab nichts Wichtiges mehr zu tun. Verlieren konnte er auch nichts mehr, er hatte schon alles verloren. Außer dem, was ihm trotz allem auf andere Art geblieben war, in ihm selbst. Das, was nicht mehr verloren gehen konnte.
Eigentlich, dachte er, ist das Thema immer noch ein und dasselbe, das es immer war.
Das Licht der Sterne in dieser Welt zu finden. Das, das ihn selbst einmal berührt hatte, ihn beinahe verbrannt hätte, ihn hier in die tiefsten Abgründe hatte stürzen lassen, um ihm dann doch - nach langer Zeit - auch etwas ganz anderes zu schenken.
Das, das es vielleicht doch irgendwie bis hierher geschafft hatte, und sich nicht hier längst, wie meistens üblich, in etwas ganz anderes verwandelt hatte, sondern immer noch das war, was es sein sollte, hier, so wie er selbst, allen Widrigkeiten zum Trotz überlebt hatte. All den menschlichen Unsinn, all den menschlichen Wahnsinn.
Er hatte Zeit.
Und falls es doch nicht klappen sollte, so wusste er, dass zumindest ganz woanders jemand auf ihn wartete.
Nicht hier. Da draußen. Ganz weit draußen. Dort, von wo auch dieser seltsame Gesang stammte, an den er sich erinnert hatte.
Dahinter. Daheim.
__
Und damit hätte dieses Märchen eigentlich enden sollen. Manche Märchen scheinen allerdings nicht wirklich enden zu wollen, entwickeln eine Eigendynamik. Mitunter auch in eher unerwartete Richtungen.
Also gut, dann eben doch noch kein Ende.
Allerdings möchte an dieser Stelle davor für diese Geschichte natürlich einer Person genz besonders danken.
Für den Epilog aber aus tiefstem Herzen zusätzlich auch mein aufrichtiger Dank an zwei andere wunderbare Menschen, die mich hier im Austausch mit ihnen selbst ein wenig mehr als bis dahin haben erkennen und verstehen lassen. Ich denke, sie wissen selbst, wen ich meine.
Genau so, wie es sein sollte, wenn Dinge ins richtige Fahrwaser kommen, tatsächlich fließen können, dürfen, miteinander interagieren und sich mitunter sogar in eine womöglich noch schönere, vielleicht sogar unerwartetet Richtung hin ent-wickeln, ent-falten dürfen.
__
Epilog:
Irgendwann bemerkte der Mann, das eigenartigerweise einige andere so etwas wie ein winziges Licht ancheinend zu erkennen glaubten.
Der Mann war überrascht. "Die spinnen, die haben nen Dachschaden!"
Aber dennoch, etwas war anders, in ihm. Er wirkte anders, zumindest anscheinend auf einige andere. Auf andere gar nicht.
Nach seinen zahlreichen Irrwegen war ihm aber inzwischen bewusst, dass das, was da andere anscheinend in ihm sahen, zu erkennen glaubten, in Wahrheit gar nicht er selber war, sondern etwas, das in ihm, durch in wirkte, weil er es zuließ, dem genügend Raum, Platz ließ, diesem Anderen.
Genau so wie er davor einem etwas realeren Gegenüber den Raum, den Platz gelassen hatte. Damit ihre Liebe sich selbst entfalten konnte.
Er selbst war nur das Werkzeug, und das war gut so. Nicht er selbst, etwas anderes, es durch ihn. Fühlte sich gut an, richtig, stimmig.
Irgendwann, etwas später begannen seltsame Dinge zu passieren, wieder einmal, aber dieses mal doch auch anders.
Er erkannte, dass er in Wahrheit nie weg gewesen war. Zumindest nicht wirklich, es war ihm nur so vorgekommen. Er war zwar immer noch hier, aber zugleich dort, daheim, beides zugleich, und beides stand immer noch in Verbindung miteinander, wenn er sich diese Verbindung nicht selbst kaputtmachte, sie unterbrach, sondern einfach zuließ.
Noch viel schöner, auf einmal vermochte er diesen einen Ton, dieses eigenartige Licht hier wieder zu hören, zu sehen.
Und er erkannte, bemerkte auf einmal, dass er aus ihm selbst kam. Nicht direkt von ihm, aber von dem, das er durch sich wirken ließ.
Allerdings benahm sich dieser Ton etwas eigenartig. Meistens traf er im Außen, bei anderen auf andere Schwingungen, Töne, die ihn auf gewisse Weise anscheinend auslöschten, aber manchmal traf er auf einen anderen, ähnlichen Ton, verband sich mit diesem, und wurde dann, zurückreflektiert, verstärkt auch für den Mann hörbar. Nur dass es eigenartigerweise dann nicht nur ein Ton war, sondern zwei, die sogar zusätzlich einen dritten erzeugen, miteinander, gemeinsam, woraus nach einer Weile auch noch weitere, andere Töne entstehen konnten. Manchmal.
Aber er selbst konnte ihn, sich selbst nur dann hören, wenn sozusagen die Antwort stimmte, den eine Ton auf einen richtigen anderen traf. Der eben nicht sein eigener war. Einer da draußen.
Der Ton suchte selbst etwas, in gewisser Weise sich selbst, aber zugleich genau das eben nicht, er suchte das, was, wenn er erklang, wenn er sich selbst spielte, wenn er gespielt wurde, für ihn selbst unsichtbar war, nicht erkennbar war, die Antwort, die Reaktion, die sowohl aus ihm selbst entstand, und zugleich doch noch weiter ging, weiter reichte.
Passierte nicht oft, dass das funktionierte, aber wenn, dann war das sehr schön.
Als er das langsam nicht nur erlebte, sondern auch zu verstehen begann, überkam den Mann so etwas wie Traurigkeit: "Wenn das anscheinend nur auf diese Art zu funktionieren scheint, warum suchen dann alle ihren Ton, der eben gar nicht ihr eigener ist, in sich selbst? Da werden, können sie ihn doch eigentlich gar nicht finden oder hören. Nicht auf die Art alleine."
Sollte er ihnen zu helfen versuchen? Er wusste, sie würden ihm das nicht glauben. Vielleicht die Wenigen, deren Ton er selbst auch hören konnte. Ihm hatte doch einmal auch nur ein einziger richtiger Ton genügt.
Bauchweh machte es ihm trotzdem: "Hoffentlich richte ich nicht was Schlimmes an, spiele nicht selbst zu falsch, zu verkehrt!"
Er dachte an andere, die Ähnliches versuchten, angeblich, scheinbar, tatsächlich,... Er dachte daran, was dabei meistens herausgekommen war oder herauskam.
Durfte, sollte er das tatsächlich tun? Was würde dabei herauskommen?
Was würde dabei herauskommen, wenn er es nicht täte?
Er hatte selbst erlebt, was ein einzelner Ton, nein, eine einzelne Stimme mitunter auszulösen, zu erschaffen vermochte. Konnte das denn so ganz verkehrt sein? Ein wenig was davon weiterzugeben zu versuchen?
"Nur, wenn Du mir hilfst!" sagte er zu der Stimme, die auf andere Art als früher, aber immer noch irgendwie da war. Inmitten all der ungespielten Töne, die warteten. Und zugleich in jedem einzelnen auch mit darin.
Kurze Zeit später dämmerte ihm etwas ganz Wesentliches: Diese Stimme, die er kannte, erlebt, geliebt hatte und dieser eine Ton waren einander zwar ähnlich, aber nicht miteinander identisch, stammten aus unterschiedlichen Quellen.
Was wäre nun, dachte er, wenn dieser Ton alleine wegen dieser Stimme, die ja auch einmal von außen gekommen war, sich jetzt tatsächlich gleich hören könnte?
Und dann fiel ihm gleich noch etwas auf und ein: Was wäre nun, wenn ich diese Stimme, wenn ich sie mit meiner eigenen verbinde, dann auch gleich und viel besser hören könnte? Dass seine eigene Stimme ja auch noch da war, hatte er nämlich irgendwie ganz vergessen.
Und was wäre, wenn das alles gleichzeitig geschehen würde? Auf einmal, zugleich?
Der Mann wurde ganz still...
Dieses Mal stürzten keine Mauern der Wirklichkeit ein, nichts zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Es war einfach nur ruhig und still und schön.
Zumindest für einen Moment stand alles am richtigen Platz.
Tränen des Verstehens sind anders als Tränen des Leidens, Tränen der Schmerzen. Aber alle hilfreich - mitunter - und auf ihre Art schön, befreiend. Ein weiteres Fenster nach draußen.
Durch das offene Fenster höre er Musik von Sommerfest in der Nähe.
"Falsche Töne!" dachte er.
Er hätte so gerne singen können, aber seine Stimme wollte nicht so wie er, zum Gitarristen hatte es auch nicht gereicht, aber vielleicht sollte er doch diesen einen Song zu Ende schreiben, den er einmal begonnen hatte und der dann doch unvollendet geblieben war.
Der eine Song, der zugleich in ein paar Tönen all das enthielt, das er und jemand andere in den letzten Jahren erlebt hatten, zumindest kam ihm das so vor. Oder sollte er ihn genau deswegen doch lieber unvollendet lassen?
Unvollendet, unvollkommen, so wie vieles, das er kannte, so wie er selbst es war, so wie jemand anderer gewesen war, aber zugleich doch auch irgendwie gerade deshalb vielleicht so unglaublich schön.
Alle Bäume tragen irgendwann Früchte, aus denen irgendwann Samen werden, die den Baum verlassen und irgendwann auf ganz unterschiedliche Böden fallen.
Manche vertrocknen, vergehen, werden gefressen, landen auf unfruchtbarem Boden, und manche finden einen Ort, an dem sie keimen und wachsen können.
Der Baum kann dazu nur seinen Teil beitragen.
Am Anfang war ein Ton...
Still und lautlos, sanft und zart, schneidend und tödlich zugleich. Ein Ton, der zugleich bereits aus zwei Tönen bestand, eigentlich dreien, die alle anderen, alles andere längst enthielten...
..und als er erklang, sich teilte, unvollkommen wurde, erst dadurch, dass er seine eigene Volkommenheit aufgab, konnte so etwas wie Leben überhaupt erst entstehen.
Leben, das sich aus seiner Unvollkommenheit heraus nach dieser Vollkommenheit sehnt, die es einmal gewesen war, und sie doch an den völlig verkehrten Plätzen sucht, in der Perfektion, in der Vergangenheit, im Toten, Erstarrten, in der Hülle, der Form, anstatt auf die eine Art, die zugleich nicht nur die Schönste sondern auch die Einfachste ist:
In der Ergänzung, in der Balance, aus der nicht die ursprüngliche, sondern einen ganz andere, immer wieder neue Vollkommenheit entstehen kann. Jede ein bisschen anders als die andere. Eine, die lebt! Oder sogar viele. Oder eben auch nicht, wenn es sich doch nicht wirklich ergänzt, mehr wird.
Der vermeintliche Fehler im System war in Wahrheit der Motor, der alles am Laufen hielt.
Das große Meisterwerk dieser Schöpfung war genau ihre eigene (scheinbare) Unvollkommenheit!
Der Ton, der einen Ton war immer da, versteckt, und wartete darauf, gespielt, gehört, gesehen zu werden, erkannt zu werden, verstanden, vielleicht auch geliebt zu werden. Von denen, denen es gelang, ihn zum Erklingen zu bringen, damit andere ihn vielleicht auch hören konnten.
Falls das allerdings nicht gelang, konnte einiges hier natürlich auch etwas kompliziert und schwierig werden...
Kindermärchen (in echt)
Kinder haben manchmal recht schlechte Karten, wenn sie hier inkarnieren. Weil die Erwachsenen davon ausgehen, sie wüssten, wie Kinder ticken, was sie wie wahrnehmen, fühlen, was ihnen guttut oder nicht.
Kinder denken, fühlen, sind anders als Erwachsene. Aber Erwachsene tun sich manchmal damit schwer, weil sie auf ihren Weg vergessen haben, wie sie waren, als sie Kinder waren.
Und weil Erwachsene glauben zu wissen, nehmen sie Kinder und ihre Art der Artikulation weder ernst noch haben sie vor der Einzigartigkeit und der durchaus noch wesentlich intensiver als bei Erwachsenen vorhandenen "Göttlichkeit" der Kinder Achtung.
Weiß ein Erwachsener, welche(s) Leben diese als Kind inkarnierte Seele zuvor erlebt hat? Weiß er, welchen Schmerz sie woher und warum mit hierher in dieses Leben bringt? Oder auch, welche Freude? Und warum, was dieses eine Kind einem zu sagen hätte, was ein anderes?
Wie denn, wenn Erwachsene nicht hinsehen, zuhören, das Kind selbst als eigenständiges Wesen nicht wahrnehmen? Weil sie ihr Bild von Kindern, wie sie sind, und wie nicht, wie sie sein sollen, wie nicht, schon fertig haben.
"Es war einmal ein kleines Kind, ein Säugling, erst ein paar Tage alt und noch ganz neu und neugierig auf dieser Welt.
Eines Tages, oder besser gesagt, Abends lag es so da und auf einmal hörte eine ganz leise, weiche, safte Musik, eine ruhige Frauenstimme sang etwas, leise und doch ganz klar und schön, die ihn ganz behutsam umfing, seine Augen und Ohren waren ganz weit offen, es staunte mit allem was ihm zur Verfügung stand bis es schließlich ruhig und friedlich einschlief.
Zumindest glaubte es, dass es so sein sollte, woher es diese Vorstellung hatte war nicht ganz klar, aber es wusste genau, dass das genau so sein sollte, ja unbedingt sein musste.
Langsam aber wurde ihm bewusst dass da etwas fehlte, es hörte in Wahrheit keine Musik, keine schönen Töne, erst recht nicht diese ganz besonderen, es war einfach da und das erste Mal in seinem kleinen Leben wurde ihm bewusst dass es alleine war. Es erlebte seinen ersten Schock, die erste Angst.
Es fing an zu schreien. laut und wütend, ballte seine kleinen Hände, und schrie und schrie seine ganze Wut und Enttäuschung hinaus.
Aber die Stimme und die Musik kamen trotzdem nicht, so laut es auch schrie.
Stattdessen wurde es von zwei harten Händen gepackt und geschüttelt, was das Kind dazu veranlasste, noch lauter zu schreien, ja zu brüllen, und sich mit der ganzen Energie, die ihm zur Verfügung stand, gegen diese neue Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzen.
Nach dem ersten Schlag ins winzige Gesicht verstummte das Kind kurz, verdutzt, überrascht ob dieser neuen Erfahrung, um dann erst recht mit aller Kraft seinen Protest dagegen kundzutun.
Irgendwann schließlich verließ es die Kraft, musste aufgeben, und völlig erschöpft schlief es ein.
Als es aufwachte, begann alles wieder von vorne...
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Die Jahre vergingen, die Jahrzehnte, samt den üblichen Wunden und Narben, un noch einigen noch dramatischeren zusätzlich, irgendwann ging gar nichts mehr, alles schien völlig schiefgelaufen zu sein.
Der Mann stand mehr oder weniger vor dem eigenen Abgrund. Es war nur mehr eine Frage der Zeit, wann der endgültige Sprung unvermeidlich werden würde. Keine Chance mehr, da wieder heil herauszukommen, aus dem eigenen Schlamassel.
Dieser eine Traum war noch da, und noch einige andere, aber sie alle passten so gar nicht hierher, nicht in diese Welt, nicht in dieses Leben.
Und dann, eines Tages, hörte er das erste Mal diese eine Stimme.
Nur, dass sie nicht sang, sondern nur sprach. Aber es war ganz genau diese besondere Stimme, mit einer ganz eigenen, unverwechselbaren Schwingung, diesem ganz besonderen Timbre, die er bis dahin noch nie von jemandem gehört hatte.
Allerdings war es nicht die Stimme alleine, sondern auch die Inhalte. Alles passte so ganz wunderbar zusammen. Es war eigentlich nichts Besonderes, nichts Hochtrabendes, sondern nur etwa ganz Einfaches, Schlichtes, aber das war in sich stimmig, klar, echt, ernst gemeint.
Wie Engelsgesang, ungemein sanft, vorsichtig, aber nicht schwach, sondern von einer anderen Art, einer für den Mann ebenfalls ungewohnten Stärke und Kraft erfüllt.
Nur eine Stimme am Telefon, von einer Frau, der der Mann bis dahin noch gar nie begegnet war.
Sie kannten sich kurz, aus der Ferne, hatten sich über ein paar Dinge unterhalten, ausgetauscht, aber sonst lief da nichts, wie's üblicherweise heißt. Die Welten wären dafür auch viel zu unterschiedlich gewesen. War zumindest zu diesem Zeitpunkt die Sichtweise des Mannes.
Aber irgendwann wollte sie ihn unbedingt anrufen. Eigentlich war ihm das gar nicht recht, aber schließlich willigte er doch ein.
Er verstand sie erst einmal kaum, am Telefon, von so weit weg, mit diesem so ganz anderen, ganz ungewohnten, fremden Dialekt, aber diese Stimme, diese Schwingungen darin, darunter, dahinter machten das mehr als wett.
Liebe auf den ersten Ton? In gewisser Weise, von ihr aus bereits davor, von ihm aus wehrte er sich aus einigen, nicht einmal unberechtigten Gründen noch relativ lange dagegen, obwohl das Band, die Verbindung zwischen beiden zugleich unglaublich stark war, sogar bereits zu diesem Zeitpunkt.
Tat ihm gut, so jemand, ihre ganze Art, ihr Wesen, viel zu gut, und das machte ihm zugleich Angst, erst recht nach all den zwischenmeschlichen Irrtümern, die er bereits erlebt hatte. Er traute dem Ganzen nicht wirklich. Das konnte gar nicht wahr sein, viel zu einfach, zu unkompliziert, zu schön. Irgendwo musste ein Haken sein. Ging gar nicht anders.
Nur eine Stimme am Telefon, und neben hier weniger Wichtigem ein Satz gegen Ende des Gesprächs, beinahe ein Flehen, zugleich äußerst vorsichtig, sich durchaus bewusst, dass sie damit eigentlich eine unsichtbare Grenze etwas zu weit überschritt, und doch nicht anders konnte: "Versprich' mir eines: Gib nicht auf! Gib Dich nicht auf! Bitte!"
Und das sagte dem Mann jemand, der ihn eigentlich noch gar nicht wirklich kannte, und zugleich wohl bereits damals so viel besser kannte als jeder andere Mensch sonst.
Da ging es - das erste Mal in seinem Leben - jemandem anderen tatsächlich um ihn, nur um ihn, um ihn selbst, nicht um irgendetwas anderes, nicht um eigene Interessen oder Vorteile, um das was er wirklich war, samt allen Problemen, Schwächen, ganz am Boden, sozusagen völlig nackt, er bedeutete trotzdem jemand anderen etwas, in der Situation, er war jemandem anderen wichtig, wichtig genug.
"Die spinnt, die hat nen Dachschaden!"
War so in etwa die erste Reaktion. Was will die denn? Und warum? Von mir?
Es gibt anscheinend auch so etwas wie schöne Schocks, oder auch ganz unglaublich schöne Schocks, und auch an die muss man sich erst einmal gewöhnen. Die können dann durchaus auch auf ihre Art erst einmal zu viel sein.
Wie sie beide, abwechselnd miteinander in den darauffolgenden Jahren immer wieder auf alle möglichen Arten erleben durften.
Zwei, die einander, auf ein wenig unterschiedliche Art und Weise, ihre Leben retteten, mit etwas jeweils bis dahin Neuem erfüllten, das davor jeweils völlig gefehlt hatte.
Aus dem einen Antrieb bei allem, was sie taten, der bereits damals der eine war, der es seither auch immer geblieben ist: Eine unglaubliche, tiefe, aufrichtige, gegenseitige Liebe und Verbundenheit, die beide miteinander erleben und teilen durften.
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Jahre später gab diese Stimme sich selbst auf. Weil ihre Krankheit ihr keine andere Wahl mehr ließ.
Und der Mann ihr in diesem Fall umgekehrt leider auch nicht mehr helfen konnte. Er hätte es liebend gerne getan, aber das überstieg seine Fähigkeiten in jeder Hinsicht bei Weitem. Was ihm noch lange Zeit zu schaffen machte.
Was blieb, war diese eine Stimme, diese eine Schwingung, dieser eine, einzigartige Ton, wie eingebrannt in alles, was er war, was ihn ausmachte. Diese eine passende, richtige Ergänzung.
Ihm war völlig klar, dass das, dass diese Frau etwas Einzigartiges, Einmaliges gewesen war. Ihr letzter Wunsch an ihn war gewesen, dass er auch ohne sie gut weiterleben sollte. Was ihm eher Probleme bereitete.
Wie sollte das nach ihr, ohne sie denn gehen. Nach dem was sie miteinander, aneinander gehabt hatten? Ohne das, was ihn am Leben gehalten hatte, ihn Halt gegeben hatte. Ohne diesen einen, den einzigen wirklichen Grund?
Das Leben ging weiter, etwas von ihr war auf seltsame Weise da geblieben, sie war noch da, nur anders, manchmal mehr, manchmal weniger, aber nie ganz weg. Aber natürlich war auch das nicht ganz einfach, doch zu anders als davor.
Aber es half ihm, zu überleben.
Und irgendwann beschloss er, sich doch noch einmal auf eine Suche zu begeben. Auf die Suche nach diesem einen Ton, dieser einen Schwingung in anderer Form.
Es würde kein anderer Mensch sein, kein anderes Gegenüber, kein Ersatz für jemanden, der in keiner Weise ersetzbar war, es nie sein würde.
Der Platz bleibt besetzt. Diesen Platz auch nur halbwegs ausfüllen zu können, traute er - von einigen andere, mit ihm selbst zusammenhängenden, und ihm durchaus völlig bewussten Hindernisgründen mal ganz abgesehen - keinem anderen Menschen zu.
Normale Menschen waren anders, ganz anders, die hatten genau das einfach nicht drauf, diejenigen, die sich das selbst eventuell sogar einbildeteten, am Allerwenigsten.
Es musste etwas anderes sein, was genau war ihm noch nicht ganz klar. Und wenn schon, dann zumindest etwas noch Größeres. In gewisser Weise.
Wobei - wie er erlebt hatte - manchmal die wirklich ganz großen, wichtigen, wertvollen Dinge scheinbar ganz kleine, unwesentliche, nebensächliche sein können. Zumindest in den Augen vieler anderer.
Er konnte also etwas suchen, das andere übersahen, das ihnen entging, weil sie es für unwichtig hielten. Das gefiel ihm, war so ganz nach seinem Geschmack.
Würde also vielleicht doch noch einmal ein wenig spannend werden können.
Er glaubte selbst nicht daran, das ihm seine Suche tatsächlich gelingen könnte, aber er machte sich auf den Weg.
Ein Mal hatte er, auch wenn es sehr lange gedauert hatte, gefunden, was er gesucht hatte, noch dazu zu einem Zeitpunkt, als er bereits alle Hoffung aufgegeben hatte. In Wahrheit hatte "es" wohl eher ihn gefunden, und vermutlich würde es diesmal auch nicht anders sein.
Es gab nichts Wichtiges mehr zu tun. Verlieren konnte er auch nichts mehr, er hatte schon alles verloren. Außer dem, was ihm trotz allem auf andere Art geblieben war, in ihm selbst. Das, was nicht mehr verloren gehen konnte.
Eigentlich, dachte er, ist das Thema immer noch ein und dasselbe, das es immer war.
Das Licht der Sterne in dieser Welt zu finden. Das, das ihn selbst einmal berührt hatte, ihn beinahe verbrannt hätte, ihn hier in die tiefsten Abgründe hatte stürzen lassen, um ihm dann doch - nach langer Zeit - auch etwas ganz anderes zu schenken.
Das, das es vielleicht doch irgendwie bis hierher geschafft hatte, und sich nicht hier längst, wie meistens üblich, in etwas ganz anderes verwandelt hatte, sondern immer noch das war, was es sein sollte, hier, so wie er selbst, allen Widrigkeiten zum Trotz überlebt hatte. All den menschlichen Unsinn, all den menschlichen Wahnsinn.
Er hatte Zeit.
Und falls es doch nicht klappen sollte, so wusste er, dass zumindest ganz woanders jemand auf ihn wartete.
Nicht hier. Da draußen. Ganz weit draußen. Dort, von wo auch dieser seltsame Gesang stammte, an den er sich erinnert hatte.
Dahinter. Daheim.
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Und damit hätte dieses Märchen eigentlich enden sollen. Manche Märchen scheinen allerdings nicht wirklich enden zu wollen, entwickeln eine Eigendynamik. Mitunter auch in eher unerwartete Richtungen.
Also gut, dann eben doch noch kein Ende.
Allerdings möchte an dieser Stelle davor für diese Geschichte natürlich einer Person genz besonders danken.
Für den Epilog aber aus tiefstem Herzen zusätzlich auch mein aufrichtiger Dank an zwei andere wunderbare Menschen, die mich hier im Austausch mit ihnen selbst ein wenig mehr als bis dahin haben erkennen und verstehen lassen. Ich denke, sie wissen selbst, wen ich meine.
Genau so, wie es sein sollte, wenn Dinge ins richtige Fahrwaser kommen, tatsächlich fließen können, dürfen, miteinander interagieren und sich mitunter sogar in eine womöglich noch schönere, vielleicht sogar unerwartetet Richtung hin ent-wickeln, ent-falten dürfen.
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Epilog:
Irgendwann bemerkte der Mann, das eigenartigerweise einige andere so etwas wie ein winziges Licht ancheinend zu erkennen glaubten.
Der Mann war überrascht. "Die spinnen, die haben nen Dachschaden!"
Aber dennoch, etwas war anders, in ihm. Er wirkte anders, zumindest anscheinend auf einige andere. Auf andere gar nicht.
Nach seinen zahlreichen Irrwegen war ihm aber inzwischen bewusst, dass das, was da andere anscheinend in ihm sahen, zu erkennen glaubten, in Wahrheit gar nicht er selber war, sondern etwas, das in ihm, durch in wirkte, weil er es zuließ, dem genügend Raum, Platz ließ, diesem Anderen.
Genau so wie er davor einem etwas realeren Gegenüber den Raum, den Platz gelassen hatte. Damit ihre Liebe sich selbst entfalten konnte.
Er selbst war nur das Werkzeug, und das war gut so. Nicht er selbst, etwas anderes, es durch ihn. Fühlte sich gut an, richtig, stimmig.
Irgendwann, etwas später begannen seltsame Dinge zu passieren, wieder einmal, aber dieses mal doch auch anders.
Er erkannte, dass er in Wahrheit nie weg gewesen war. Zumindest nicht wirklich, es war ihm nur so vorgekommen. Er war zwar immer noch hier, aber zugleich dort, daheim, beides zugleich, und beides stand immer noch in Verbindung miteinander, wenn er sich diese Verbindung nicht selbst kaputtmachte, sie unterbrach, sondern einfach zuließ.
Noch viel schöner, auf einmal vermochte er diesen einen Ton, dieses eigenartige Licht hier wieder zu hören, zu sehen.
Und er erkannte, bemerkte auf einmal, dass er aus ihm selbst kam. Nicht direkt von ihm, aber von dem, das er durch sich wirken ließ.
Allerdings benahm sich dieser Ton etwas eigenartig. Meistens traf er im Außen, bei anderen auf andere Schwingungen, Töne, die ihn auf gewisse Weise anscheinend auslöschten, aber manchmal traf er auf einen anderen, ähnlichen Ton, verband sich mit diesem, und wurde dann, zurückreflektiert, verstärkt auch für den Mann hörbar. Nur dass es eigenartigerweise dann nicht nur ein Ton war, sondern zwei, die sogar zusätzlich einen dritten erzeugen, miteinander, gemeinsam, woraus nach einer Weile auch noch weitere, andere Töne entstehen konnten. Manchmal.
Aber er selbst konnte ihn, sich selbst nur dann hören, wenn sozusagen die Antwort stimmte, den eine Ton auf einen richtigen anderen traf. Der eben nicht sein eigener war. Einer da draußen.
Der Ton suchte selbst etwas, in gewisser Weise sich selbst, aber zugleich genau das eben nicht, er suchte das, was, wenn er erklang, wenn er sich selbst spielte, wenn er gespielt wurde, für ihn selbst unsichtbar war, nicht erkennbar war, die Antwort, die Reaktion, die sowohl aus ihm selbst entstand, und zugleich doch noch weiter ging, weiter reichte.
Passierte nicht oft, dass das funktionierte, aber wenn, dann war das sehr schön.
Als er das langsam nicht nur erlebte, sondern auch zu verstehen begann, überkam den Mann so etwas wie Traurigkeit: "Wenn das anscheinend nur auf diese Art zu funktionieren scheint, warum suchen dann alle ihren Ton, der eben gar nicht ihr eigener ist, in sich selbst? Da werden, können sie ihn doch eigentlich gar nicht finden oder hören. Nicht auf die Art alleine."
Sollte er ihnen zu helfen versuchen? Er wusste, sie würden ihm das nicht glauben. Vielleicht die Wenigen, deren Ton er selbst auch hören konnte. Ihm hatte doch einmal auch nur ein einziger richtiger Ton genügt.
Bauchweh machte es ihm trotzdem: "Hoffentlich richte ich nicht was Schlimmes an, spiele nicht selbst zu falsch, zu verkehrt!"
Er dachte an andere, die Ähnliches versuchten, angeblich, scheinbar, tatsächlich,... Er dachte daran, was dabei meistens herausgekommen war oder herauskam.
Durfte, sollte er das tatsächlich tun? Was würde dabei herauskommen?
Was würde dabei herauskommen, wenn er es nicht täte?
Er hatte selbst erlebt, was ein einzelner Ton, nein, eine einzelne Stimme mitunter auszulösen, zu erschaffen vermochte. Konnte das denn so ganz verkehrt sein? Ein wenig was davon weiterzugeben zu versuchen?
"Nur, wenn Du mir hilfst!" sagte er zu der Stimme, die auf andere Art als früher, aber immer noch irgendwie da war. Inmitten all der ungespielten Töne, die warteten. Und zugleich in jedem einzelnen auch mit darin.
Kurze Zeit später dämmerte ihm etwas ganz Wesentliches: Diese Stimme, die er kannte, erlebt, geliebt hatte und dieser eine Ton waren einander zwar ähnlich, aber nicht miteinander identisch, stammten aus unterschiedlichen Quellen.
Was wäre nun, dachte er, wenn dieser Ton alleine wegen dieser Stimme, die ja auch einmal von außen gekommen war, sich jetzt tatsächlich gleich hören könnte?
Und dann fiel ihm gleich noch etwas auf und ein: Was wäre nun, wenn ich diese Stimme, wenn ich sie mit meiner eigenen verbinde, dann auch gleich und viel besser hören könnte? Dass seine eigene Stimme ja auch noch da war, hatte er nämlich irgendwie ganz vergessen.
Und was wäre, wenn das alles gleichzeitig geschehen würde? Auf einmal, zugleich?
Der Mann wurde ganz still...
Dieses Mal stürzten keine Mauern der Wirklichkeit ein, nichts zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Es war einfach nur ruhig und still und schön.
Zumindest für einen Moment stand alles am richtigen Platz.
Tränen des Verstehens sind anders als Tränen des Leidens, Tränen der Schmerzen. Aber alle hilfreich - mitunter - und auf ihre Art schön, befreiend. Ein weiteres Fenster nach draußen.
Durch das offene Fenster höre er Musik von Sommerfest in der Nähe.
"Falsche Töne!" dachte er.
Er hätte so gerne singen können, aber seine Stimme wollte nicht so wie er, zum Gitarristen hatte es auch nicht gereicht, aber vielleicht sollte er doch diesen einen Song zu Ende schreiben, den er einmal begonnen hatte und der dann doch unvollendet geblieben war.
Der eine Song, der zugleich in ein paar Tönen all das enthielt, das er und jemand andere in den letzten Jahren erlebt hatten, zumindest kam ihm das so vor. Oder sollte er ihn genau deswegen doch lieber unvollendet lassen?
Unvollendet, unvollkommen, so wie vieles, das er kannte, so wie er selbst es war, so wie jemand anderer gewesen war, aber zugleich doch auch irgendwie gerade deshalb vielleicht so unglaublich schön.
Alle Bäume tragen irgendwann Früchte, aus denen irgendwann Samen werden, die den Baum verlassen und irgendwann auf ganz unterschiedliche Böden fallen.
Manche vertrocknen, vergehen, werden gefressen, landen auf unfruchtbarem Boden, und manche finden einen Ort, an dem sie keimen und wachsen können.
Der Baum kann dazu nur seinen Teil beitragen.
Am Anfang war ein Ton...
Still und lautlos, sanft und zart, schneidend und tödlich zugleich. Ein Ton, der zugleich bereits aus zwei Tönen bestand, eigentlich dreien, die alle anderen, alles andere längst enthielten...
..und als er erklang, sich teilte, unvollkommen wurde, erst dadurch, dass er seine eigene Volkommenheit aufgab, konnte so etwas wie Leben überhaupt erst entstehen.
Leben, das sich aus seiner Unvollkommenheit heraus nach dieser Vollkommenheit sehnt, die es einmal gewesen war, und sie doch an den völlig verkehrten Plätzen sucht, in der Perfektion, in der Vergangenheit, im Toten, Erstarrten, in der Hülle, der Form, anstatt auf die eine Art, die zugleich nicht nur die Schönste sondern auch die Einfachste ist:
In der Ergänzung, in der Balance, aus der nicht die ursprüngliche, sondern einen ganz andere, immer wieder neue Vollkommenheit entstehen kann. Jede ein bisschen anders als die andere. Eine, die lebt! Oder sogar viele. Oder eben auch nicht, wenn es sich doch nicht wirklich ergänzt, mehr wird.
Der vermeintliche Fehler im System war in Wahrheit der Motor, der alles am Laufen hielt.
Das große Meisterwerk dieser Schöpfung war genau ihre eigene (scheinbare) Unvollkommenheit!
Der Ton, der einen Ton war immer da, versteckt, und wartete darauf, gespielt, gehört, gesehen zu werden, erkannt zu werden, verstanden, vielleicht auch geliebt zu werden. Von denen, denen es gelang, ihn zum Erklingen zu bringen, damit andere ihn vielleicht auch hören konnten.
Falls das allerdings nicht gelang, konnte einiges hier natürlich auch etwas kompliziert und schwierig werden...