Frisch vom Leuchtturm:
Gierig schlang ich eine Kugel nach der anderen in mich hinein, erinnernd wie sie früher schmeckten, hoffend es würde nochmal so sein und konnte mich nicht stoppen, Gottseidank waren die Läden schon geschlossen, nein, es tat mir nicht gut, ich wußte das schon, eben so wenig wie die Packung Hühnerbrust.
Nein, ich stand zwar auch neben mir, aber der Schmerz, der sich Bahn brach in den üblichen Auswüchsen essender Weise, war mir ein weiteres Mal nicht zu bremsen. Die Krone des Besserwissers, das Mäntelchen des predigenden Missionars haben Löcher und matte Stellen.
Besserwissen ist einfach, besser handeln eine hohe Kunst.
Was mich schmerzt ist eine Geschichte, die mir mein Bewußtsein präsentiert hat und die mich an die Punkte führt, die noch nicht geheilt sind, damit sie geheilt werden können.
Es ist ein 15-Jähriger Junge in einem England. Er ist in einer Schule/Kloster/Militär mit Gleichaltrigen, allerdings ist er anders: ich bin vom Schiff. Ich kann die Spiele nicht die die spielen. Ich kann die Sprache nicht wirklich so, wie die die sprechen. Ich bin von denen, aber eben vom Schiff.
Es dauert eine Weile, bis ich kapiert habe, dass sich meine neuen Kameraden vor mir fürchten, weil ich so einen Blick habe. Dieser Blick hat viel gesehen und obwohl mein physischer Körper wieder geheilt ist, habe ich furchtbares, furchterregendes erlebt und noch nicht verdaut. Ich war auf einem Schiff und ich sah mit an, wie meine Eltern erhängt wurden und ich wurde in der folgenden Zeit von der ganzen Mannschaft durchgefickt, bis mein Arsch so am Arsch war, dass da keiner mehr seinen Schwanz reinstecken wollte. Ich war lange schon vor Schmerz in eine Art Delirium gefallen und nun warf man mich nicht etwa über Bord, sondern sperrte mich in einen Käfig und gab mir gerade so viel Wasser, dass ich überlebte. Ich genas körperlich tatsächlich und wurde im nächsten Hafen einfach auf Land abgestellt. Irgendwer nahm sich meiner an. Ich kam auf ein Schiff meiner Heimat, kam in meine Heimat und wurde auch wieder kräftig genug, um zur Schule zu gehen.
Doch heil war ich in keiner Weise. Ich vermutete Böswilligkeit in allem. Ich wußte nicht wohin mit meinem Beleidigtsein hinter dem ich meine Rache versteckte. Ich wußte nicht, wieso ich als einziger überlebte. Ich wäre lieber tot gewesen. Ich wußte nichts was mir guttat. Ich wollte nur das verteilen, was ich im Übermaß in mir hatte: Hass, Rache, Vergewaltigung, Mord, Leid.
Ich wußte nicht wohin mit mir. Und ich wußte nicht, dass es gut sein würde, mit meiner Hilflosigkeit angesichts dieses Monsters in mir, mit ebendiesem spazieren zu gehen.
Ich hatte keinen Freund, weil ich immer gleich beleidigt war, wenn niemand liebevoll auf meine Wunden eingehen konnte, die ich selbst kaum kannte. Ich wollte meine Freude niemandem mehr zeigen. Ich war in den verstrickten Doppelbindungen des Ich will nur noch sterben. und Wenn ich hier heil rauskomme, lebe ich ein bescheidenes, mickriges Leben, alleine, zurückgezogen. gefangen, ohne es damals zu ahnen. Heute zerschlug ich diese Knoten und löste meine alten Selbstversprechen auf und bin nun gesapnnt, was kommt.
Meine Kumpels sind freundlicher geworden. Ich werde mal einen fragen, ob er mir das Spiel beibringt, das sie da spielen. Eigentlich bin ich lebensfroh. Eigentlich habe ich eine Whistle, auf der ich für mein Leben gern spiele, aber ich will es niemandem zeigen. Noch nicht. Ich schäme mich ob der Freude die ich daran habe, weil sie das Leid, das ungerächte Leid wegspielt, auflöst. Ich verstehe das nicht.
Ich wehre mich gegen meine Heilung - natürlich nicht so bewußt wie es hier steht.
Und doch. Ich geh jetzt heilen, mich selbst.
Licht an!