terek schrieb:
Gibt es hier Männer, die hiermit eigene Erfahrungen gemacht haben - schlechte und vor allem gute? Haben mir versierte Familienaufsteller ein paar Tipps?
Mit ganz liebem Dank zum Voraus
Lieber terek,
du hast nach Statements von "versierten Familienstellern" und von Vizevätern gefragt und insofern fühle ich mich angesprochen und herausgefordert, etwas zu schreiben.
Ich muss vorweg schicken, dass ich damals, als ich das erste Mal in die Rolle des "Vizevaters" gekommen bin, noch gar nichts von systemsichen Wirkungen gewusst habe und daher vieles falsch gemacht habe. Beim zweiten Mal wusste ich um die bedinungen und es war dennoch schwer.
Ich musste vor zehn Jahren miterelben, wie "meine" kleine Familie, die ich über einige Jahre zu haben glaubte, auseinander brach und damit mein gesamtes Leben. Das war eine furchtbare wie lehrreiche Erfahrung, die schlimme Folgen für mich hatte und noch hat. Ich habe mich spätergefragt, was ich denn falsch gemacht hätte, dass diese Frau mich verließ und mir mein Leben in Trümmer haute und nur Müll und Schulden bei mir ließ, wo ich mich doch für sie und ihren Sohn aus früherer Beziehung bis über die erträglichen Maße eingesetzt und ihnen ein wirklich luxuriöses Leben geboten hatte. Bei oberflächlicher Betrachtung waren Gut und Böse klar verteilt damals.
Später, als ich begann mich für Systemsiches zu interessieren, wurde mir gewahr, was denn mein Verhaltens-Anteil gewesen war (neben meinen Verstrickungen im Herkunftssystem, die zu dieser Beziehung geführt hatten), der diese Katastrofe unausweichlich und das Verlassen unabdingbar fürmeine Partnerin machte. Gerade in den letzten Tagen fielen mir die Familien-Videos aus dieser Beziehung in die Hände und ich wurde an die große Liebe erinnert, die mich mit diesen beiden verband - zu viel des Guten!
Meine damaligen Hauptfehler (hier kannst du lernen, was man richtig falsch machen kann und wie man es so richtig in die Grütze haut):
- Ich habe die Partnerin kennen gelernt, als sie noch in einer Ehe mit dem Vater des Kindes war und sie wechselte von ihm zu mir. Das bedeutete für das Kind, dass seine Familie zerstört wurde. (=>Schuldigkeit ggü. dem Kind und dessen Vater; das Nehmen war schwer um diesen Preis)
- Ich habe die Verantwortung für ein gutes Leben für beide übernommen und dazu noch versucht, als vermeintlicher "Vizevater" (obwohl der Vater noch lebt! Die Bezeichnung Vizevater ist nach meiner heutigen Einsicht nur gemäß, wenn der Vater des Kindes verstorben ist und man ihn zu Recht vertritt. Einen lebenden Vater kann keiner vertreten!), besonders "gut" und fürsorglich zu sein. Dies tat ich sowohl im Alltag als auch im Finanziellen über meine Möglichkeiten hinaus. Die Familie war immer wichtiger als ich selbst und meine v.a. finanziellen Verhältnisse. Teure Wohnung und gehobener Lebensstandard waren allein meine Sache, selbst als ich das nicht mehr leisten konnte. Dabei blendete ich völlig aus, dass die Mutter des Kindes vielleicht wegen des guten Lebens im Westen zu mir kam und nicht, weil sie mich liebte.
- Ich habe mich als studierter Pädagoge für die Erziehung des Kindes verantwortlich gefühlt (ja, ich war begeistert und glücklich darin!) und wollte ihm eine möglichst gute Bildung und Erzeihung bieten. dazu gehörte nicht nur der tägliche verantwortungs- und liebevolle Umgang mit dem Jungen sondern zudem die Einmischung in Angelegenheiten wie den unvermeidlichen Jugendamtsbesuch (wegen des Sorgerechtes), Besuch der Elternversammlungen (gemeinsam oder n Vertretung der Mutter des Kindes) und Engagement in der Elternvertretung, Verhandlungen mit Behörden und Schule, Besuch des Unterrichtes als der Junge dort verhaltensauffällig wurde, Chauffieren des Jungen zu Veransteltungen (Fussball, Segeln usw), Ermöglichung von gemeinsamen Urlauben (Yachtsegeln, Campingurlaub mit Surfkursen, Schisport u.ä.), Einbindung in meine Herkunftsfamilie mit deren Patchwork-Elementen, die gleichaltrige Kontakte aus den verschiedenen Generationen ermöglichten usw.
- Ich habe ständig, wenn ich nicht für Trainings unterwegs war, die Sorge für den Jungen übernommen, damit dessen Mutter ihren vielfältigen gesellschaftlichen Aktivitäten und Vergnügungen (die ich natürlich auch bezahlte) nachgehen konnte. Immerhin war sie oft allein, wenn ich für diesen Lebensstandard keulen ging und konnte erst wenn ich da war wirklich weg gehen.
- Ich habe zugelassen, das sich zwischen dem Jungen und mir ein besonderes Vertrauensverhältnis ergab und der Junge mich wirklich lieb hatte (und ich ihn auch - eben als wäre er mein Kind, was er nicht war).
- Überhaupt: meine Frau zu unterstützen, juristisch das Sorgerecht gegen den Vater des Kindes durchzusetzen warein Kardinalfehler!
- Das Schlimmste: ich hielt mich insgeheim für den besseren Vater! Dabei hatte der Junge schn einen Vater. und ich habe viel zu spät erkannt, das dieser Vater für ihn viel besser ist als ich es je sein konnte! Heute weiß ich: ich hätte nie zulassen dürfen, dass der Junge bei uns lebt. Bei seinem Vater wäre er sicher gewesen.
- Ich habe mich für all das hoch verschuldet.
So entstand eine große unausgleichbare Schuldigkeit (eine Schieflage der Balance von Geben und Nehmen) der Mutter des Kindes mir gegenüber. Sie konnte nur noch gehen und sich einen suchen, dem sie wieder ebenbürtig war. Und das ist dann auch nicht gut gegangen, weil sie noch an mich gebunden ist und das nicht achtete.
Das war das Persönliche zu dem ich heute stehen kann und wo ich sage: blöd war ich! Und ich bin selbst schuld, dass ich noch heute daran zu tragen habe, was das für Folgen hat.
Nun ein paar Aspekte aus systemischer Sicht:
Wenn zwei zusammen kommen und nicht beide schon Kinder aus früheren Beziehungen haben, dann ergeben sich besondere Konfliktfelder aus der Balance von Geben und Nehmen und den systemischen Bedingungen. Hättet ihr beide schon Kinder, so wäret ihr gewissermaßen einander ebenbürtig. So aber besteht schon durch die Tatsache, dass deine Frau ein Kind mitbringt, ein Gefälle in der Beziehung.
In einer Aufstellung wäre das Lösungsbild wahrscheinlich: die Frau steht rechts, neben sich auf der rechten Seite der frühere Mann und dazwischen das Kind. Und du mit einigem Abstand auf ihrer linken Seite. Du wirst immer der Dritte im Bunde sein. das bedingt von deiner Seite einen großen Verzicht, denn die Frau kann nie deine Faru sien, wie es eine ohne Kind wäre. Sie ist systemisch nicht unbelastet und belibt durch das Kind an den anderen Mann unauflöslich gebunden.
Als neuer Partner der Mutter des Kindes gehörst du nicht zu seinem System. Zwar geht die Beziehung der Mutter zu dir vor der früheren Liebes-Beziehung (gemäß der Gesetzmäßigkeit, dass zwar die Personen eines Systems in der Reihenfolge der zugehörigkeit hierarchisch geordnet sind, die Reihenfolge der Systeme untereinander aber umgekehrt ist: also das neueste System hat die meisten Rechte) aber du bist als Person als Letzter ins System gekommen und hast somit weniger Rechte als das Kind gegenüber der Mutter. Dies bedingt, dass du im Zusammenleben immer erst nach dem Kind kommst! Dies bringt manchmal einen Konflikt der Systeme und Interessen mit sich.
Im Alltag heißt das z.B. in Bezug auf regelung des gemeinsamen Lebens, dass du die anderen fragen musst, wie es gemacht werden soll. Insbesondere gilt das, wenn es um gemeinsame Unternehmungen usw, geht. Da haben die Interessen des Kindes und seine Fürsorge den Vorrang vor deinen Interessen.
Dem Kind gegenüber bist du zu gar nichts verpflichtet und es hat keinerlei Ansprüche gegen dich außer dem, dass du dich ins Verhältnis zu seinen beiden Eltern in keinster Weise einmischen darfst, wenn es gut gehen soll.
Erziehungs- oder Versorgungsaufgaben fallen dir keine zu und du musst dich derer sogar enthalten (s.o.). Alles was du für dieses Kind tust, spielt eine Rolle in der empfindlichen Balance von Geben und Nehmen zwischen dir und deiner Frau! Allein auf das Kind einmal aufzupassen, wenn die Frau außer Hause ist oder es von Schule oder Kindergarten abzuholen oder hinzufahren, erzeugt bei dessen Mutter eine Schuldigkeit dir gegenüber, die ausgeglichen werden muss, soll die Beziehung gut gehen. Wenn die neue Beziehung gelingen soll, ist es absolut unabdingbar in dieser Hinsicht sehr aufmerksam für den fälligen Ausgleich zu sein.
Unter diesem Aspekt verbietet sich dann selbstverständlich auch, für die Familie (insbesondere das Kind) materiell zu sorgen, wenn du willst, dass die Frau bleibt. Dies ändert sich, solltet ihr gemeinsame Kinder bekommen. Aber die kommen dann bei der Mutter immer erst nach dem Kind aus der früheren Beziehung - bei dir kommen sie an zweiter Stelle nach der Frau.
Ein Urteil über den Vater des Mädchens und seine erzieherische Haltung, wie "Tendenz zum Überbehüten" steht dir als Nichtbeteiligtem und Nachfolgendem absolut nicht zu! Hier zeigt sich schon die Tendenz, sich für den geeigneteren Vater zu halten. Enthalte dich ihrer!
Patchwork-Familien gelingen eben wegen dieser systemischen Gesetzmäßigkeiten (welche auch dann existieren, wenn wir sie nicht anerkennen wollen) oft nicht. Sie sind daher ein schwieriges Feld.
Definitv zeigen, wo dein guter Platz ist, wird dir eine Famlienaufstellung.
Hier kann ich nur aus der Erfahrung und Generelles schreiben. Letzteres nur mit der Einschränkung, das man den Einzelfall prüfen muss, wie es sich dort verhält.
Alles Gute euch!
herzlich
Christoph