Hallo Fist!
Schön, dass wir wieder bei Inhalten gelandet sind...
da kommt ein Mensch, den man nicht kennt in der Hoffnung dass ich ihm helfen kann... was mach ich? klar, ich bitt die Person sich kurz vorzustellen, mir genau zu sagen, wo ihr schuh drückt, was sie für Erwartungen an mich hat usw...
Das ist in den allermeisten Settings von Aufstellungsarbeit, die ich kenne (und das sind mehr, als an beiden Händen abzuzählen ist), auch der Fall. Der von mir als Beispiel genannte SFT-Kreator (kein Aufsteller) de Shazer bittet zum Beispiel schon am Telefon die Leute, sich für die erste Sitzung dadurch vorzubereiten, dass sie sich überlegen, was sie gut können. Vor Aufstellungen erlebe ich das einleitende Gespräch als Fokussierung auf das eigentliche Anliegen (das ja auch nicht immer so klar ist), auf das Hier & Jetzt der Situation und auf Vertrauensbildung ("In diesem Kreis bist du gut aufgehoben"). Ich hab Bert Hellinger bei einem Aufstellungwochenende in der Synagoge von Graz erlebt, wo er auf Einladung der Jüdischen Gemeinde gearbeitet hat, und es gab - wenn auch sehr kurze - solche Initiationsgespräche. Aber sie sind wirklich minimalisiert, und das begründet mit der These, dass ein "Erzählen des Problems" oder der vermuteten Ursachen etc. schon ein vorgeformtes inneres Bild verstärken würde, das vorher auch schon da war - wo es doch darum geht, eben gerade das noch nicht Gesehene erscheinen zu lassen. Das ist radikales Vertrauen in die Kraft des "wissenden Feldes", und das wird de facto ja auch (und bei den Konstruktivisten ebenso wie bei B.H.) zum allergrößten Teil empirisch bestätigt. Im übrigen sind die anderen Aufsteller, die ich kenne, zwar "netter", unterbinden im Vorgespräch aber auch allesamt konsequent eine Hypothesenbildung noch vor der Aufstellung.
Was man an Hellinger wohl am meisten Kritisieren kann ist, dass er Vorgefertigte Soll Muster anbietet - so soll eine Familie aussehen, so soll die Struktur in ihr sein, so soll die Stellung von Mann, Frau Kind sein usw.. das Problem aber ist, dass gerade viele Psychische Probleme aus diesem Soll heraus entstehen, man soll einem Rollenbild entsprecen, soll seine Postition einnehmen, auch wenn das für die Betreffenden Peronen gar nicht stimmt...
Das kann man kritisieren, bis man von der Sekundärliteratur zu B.H. selber vorgedrungen ist und mal nachliest (oder sich sogar anschaut), wie das wirklich läuft bzw. dargestellt ist. Ein guter Einstieg ist da m.E. "Annehmen, was ist", ein ausführliches Interview in Buchform, in dem B.H. sich zu vielen solcher Fragen und Vorhaltungen äußert. De facto findet das Gegenteil des Überstülpens vorgefertigter Muster statt. Es geht im jeder einzelnen Aufstellung darum, das ins Bild zu bringen, was individuell da ist, und die Dynamik aufzuzeigen, in der sich das bewegt. Durch Umstellungen solcher Bilder und Befragen der Repräsentanten nach ihren Empfindungen zeigt sich, welche Interventionen zu gelösteren Formen finden und welche nicht. Da wird getestet, und da kommt das Feedback unmittelbar aus der Aufstellung, die Ordnung des jeweiligen konkreten Systems wird dort erarbeitet, von innen heraus, auch bei B.H., der allerdings in den Mitteilungen dessen, was er sieht, interpretationsfreudiger agiert als z.B. Vertreter der SySt-Richtung, die mehr zurückspiegeln, was von den Repräsentanten kommt.
Wenn sich dann zeigt, dass bestimmte aus dem Stellen entstandene Ordnungen in vielen ähnlichen Fällen zu ganz ähnlichen Ordnungen führen, ist es dann dem Boten vorzuwerfen, dass er die Botschaft von der vorwiegend anzutreffenden inneren Ordnung überbringt? Und nochmals - wenn sich in einer Aufstellung zeigt, dass in einem System eine andere innere Ordnung die gemäße ist, dann ist das okay und "in Ordnung" ... nicht meine Meinung, sondern so von B.H. im Interview mit tenHövel formuliert.
darum kann man auch kein Allgemeingültiges System der Psychologischen Behandlung erarbeiten, sondern mus bei jedem einzelnen Fall ganz individuell ein neues System finden, eine Neue Sprache, einen neuen Zugang usw...
Genau das macht m.E. (u.a.) den Erfolg der systemischen Aufstellungsarbeit aus, weil ich meine, dass exakt das dort passiert: In der Aufstellung findet der Klient SEIN System, SEINE Verstrickungen und SEINE Ordnung, und er darf es in SEINER Sprache wahrnehmen und äußern ... es ist der Kern nehezu jeder Aufstellungserfahrung, dass der Klient das SEINE nimmt und das, was nicht zu ihm gehört und auf ihm lastet, dorthin ab- oder zurückgeben kann, wo es hingehört. Lösende Rituale...
sie wird heute so propagiert, als währe sie die nonplultra alles Lösende Psychologische Erfindunge (jedenfalls von der Profraktion)
Ist das so? Ist das nicht eher die Fixierung der Contra-Fraktion auf das Thema? Von den vielen, die ich kenne und die mit Aufstellungen arbeiten, ist niemand dabei, der nur mit Aufstellungen arbeitet. Die allermeisten sind Psychotherapeuten und arbeiten selbstverständlich auch mit den Verfahren, die sie sonst noch gelernt haben, und greifen dann zur Aufstellung, wenn eine Aufstellung indiziert erscheint, keineswegs als Allheilmittel. Es ist bei keinem von denen, die ich kenne, die Rede davon, dass Aufstellen alles lösen könne - ein Anspruch, der ja sowieso jedes Verfahren heillos (im engeren Wortsinn) überfordert. Ich sehe auch nicht, wo Aufstellen "propagiert" würde ... ich sehe, dass es seit knapp zwei Jahrzehnten von weiten Kreisen therapeutisch arbeitender Menschen als wertvolle Ergänzung und Bereicherung ihrer Arbeit rezipiert worden ist und dass es von vermutlich ebenso vielen therapeutisch arbeitenden Menschen aus verschiedenen Gründen vehement abgelehnt wird. Das ist normal bei neuen Dingen ... siehe Freud, siehe Skinner, siehe viele andere Innovatoren. Und dann zeigt sich auch, dass es nie beim dem bleibt, was der Innovator einbringt.
denn es ist ein Grundsätzlicher Fehler das die Psychologie annimmt, das der Patient keine Ahnung hat, der Patient weis meistens, was im helfen kann und er braucht oft nur etwas angestossen zu werden den Mut zu haben zu seinen Vorstellungen zus stehen) zusammen ein Lösungskonzept zu erarbeiten (dazu vieleicht noch hie und da eine Nachitzung um Vortschritte und rückschritte richtig zu beurteilen und nötigenfalls das Lösungskonzept etwas zu modifizeren)
Ich kann Dir da wirklich nur noch einmal den de Shazer ans Herz legen (findest bei Amazon), dessen Credo lautet: "Der Klient hat alles, was er für seine Lösung braucht. Aufgabe des Therapeuten ist es lediglich, durch gute Interviewtechnik diese Ressourcen im Klienten ins Wirken zu bringen". De Shazer geht dabei so weit, dass er jegliche Diagnosenerstellung ablehnt. Und er kommt tatsächlich mit sehr wenigen Sitzungen aus... wie die Aufsteller auch, ob sie nun nach Hellinger oder anders aufstellen. Bloß wird Ihnen dann das wieder zum Vorwurf gemacht: "Das kann/darf doch nicht so schnell gehen!" (für mich oft mit dem Hintergedanken: "Was verliere ich denn an Gewicht, wenn ich mein Problem loslassen müsste!?"). Da treffen sich dann Interessen von Klienten, für die das Festhalten am Problem paradoxerweise eine Art Problemlösung darstellt, mit den Interessen von Therapeuten, die eine große Zahl von Sitzungen verrechnen möchten. Klar, dass da eine erkleckliche Portion der therapeutischen Couch-Potatoes auf die Barrikaden steigt, wenn Alternativen auftauchen, die zeigen, wie es anders auch gehen kann. So wie es schließlich auch kein Pharma-Unternehmen kampflos hinnehmen kann, dass ein paar Milchzuckerkügelchen, potenziert mit einer homöopathischen Arznei, Heilung bringen können.
Alles Liebe,
Jake