Gibt es Leute aus dem Gesundheitswesen hier im Forum?

N

Nahatkami

Guest
Hallo an alle, die in Kliniken etc. arbeiten oder an die, die dennoch was darüber wissen:

War heute jemanden in einer Klinik besuchen (Neurologie-Abteilung), was so alle sechs Wochen mal wieder passiert, da jene Person sozusagen ab und an ein bestimmtes Medikament braucht. Doch darum geht es nicht. Es geht um folgendes:

In dieser Klinik hat man seit neuesten eine "Schmerzkontrolle" eingeführt. D.h. die Patienten sollen DREI MAL AM TAG!!!!, angeben, ob sie Schmerzen haben und falls ja, diesen in einer Skala von 1-10 einordnen. 1 = kein Schmerz , 10 = "ich springe gleich aus dem Fenster vor Schmerzen". Je nach Skalenwert wird den Leuten dann ein SCHMERZMITTEL verabreicht! Denn: sie sollen ja nicht unter Schmerzen im Bett liegen müssen.

Ich frage mich: was soll das? Wenn ich dreimal am Tag gefragt werden würde, ob ich irgendwo Schmerzen habe, kann ich doch an gar nichts anderes mehr denken, als an Schmerzen, die vielleicht irgendwo im Körper versteckt sein könnten. Finde ich dann einen kleinen Schmerz, ordne ich diesen in die untere Skala und beim nächsten Befragen, überprüfe ich, ob er denn nicht schon stärker geworden ist... Irgendwann wird aus einem Nicht-Schmerz ein "Todes-Schmerz". - Ist das jetzt eine neue Masche der Forscher, die Menschheit zu testen, ob man ihnen Schmerzen einreden kann? Oder braucht die Pharma-Industrie Geld? Oder bekommen die Krankenhäuser Gelder von der Pharmaindustrie, wenn sie in Massen Schmerzmittel verabreichen?

Mich entsetzt das ein wenig. Zumal in Krankenhäusern an sich schon genügend Medikamente usw. verabreicht werden.

Hat evtl. jemand von euch ähnliches beobachten können? Oder arbeitet vielleicht jemand in einer Einrichtung, wo das ähnlich gehandhabt wird? Mich würden nämlich die Gründe interessieren, was das soll.

Viele Grüße,
Kami
 
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Ist das nicht besser als die Medies einfach grundsätzlich und sowieso zu verabreichen? Zuerst zu fragen? Wo und wie stark die Schmerzen sind? Anstatt einfach Standart-Medikation?
 
Hallo :)

Ich hab mal eine Zeit lang im Gesundheits-Bereich gearbeitet und konnte beobachten, wie leichtfertig und vor allem wie oft manche Ärzte Analgetika und auch andere Sachen (wie Antidepressivum etc.) verschreiben.

Es ist ja nicht überall so und nicht jeder Arzt macht das.
Aber ich kann mich an einige Ärzte erinnern, die so handelten.

Schmerzmittel sollten immer nach Bedarf verabreicht werden.
Es gibt allerdings auch Situationen, z.b. bei schweren Erkrankungen mit durchgehenden Schmerzen Analgetika genau nach Plan einzunehmen, also regelmäßig, um einen optimalen Wirkstoffspiegel zu erreichen.

LG
:)
 
finde die befragung auch nicht schlecht.

allerdings sind deine zweifel berechtigt, da labilere menschen dann sehr leicht abdriften.
 
Elli schrieb:
Ist das nicht besser als die Medies einfach grundsätzlich und sowieso zu verabreichen? Zuerst zu fragen? Wo und wie stark die Schmerzen sind? Anstatt einfach Standart-Medikation?

Standartmedikation? Gehören Schmerztabletten etwa zur Standartmedikation einer Klink? Und das sie die Patienten jetzt fragen ist ein FORTSCHRITT?

Natürlich ist es besser, vorher zu fragen. Doch ansonsten kommt doch jemand der Schmerzen hat sowie so zum Arzt. Warum muß der Arzt da dreimal am Tag fragen? Und noch mit großen Plakaten im Aufenthaltsraum, wo viel zum Thema Schmerz geschrieben steht. Sollten sie nicht lieber Infos zum Thema Heilung an die Wände heften? Wie kann da ein Mensch gesund werden, der nur über Schmerzen nachdenken muß???

Viele Grüße,
Kami
 
Nahatkami schrieb:
Standartmedikation? Gehören Schmerztabletten etwa zur Standartmedikation einer Klink? Und das sie die Patienten jetzt fragen ist ein FORTSCHRITT?
Medikation allgemein. In vielen Kliniken (und Altersheimen) leider ja. Also ist das als Fortschritt zu werten.
 
Es gibt das Recht des Patienten auf Schmerzfreiheit (ich beziehe mich wie immer auf Ö - aber im Medizinrecht sind Ö und Dtld vergleichbar, für CH weiss ich nix).

Zu den Gründen: der Patient hat auch das Recht auf Aufklärung. Das bedeutet: eigentlich hätte es der Arzt erklären müssen. Wenn nicht: nachfragen.

Ganz grob: Aufklärung bezieht sich auf Information über Diagnose, Therapie und mögliche Alternativen. Der Patient, nicht der Arzt, entscheidet, was wie geschieht.
Leider hat sich der Paradigmenwechsel von der paternalistischen zur partnerschaftlichen Arzt-Patient-Beziehung zwar schon in der Literatur vollzogen, die Praxis hinkt noch ein bisschen hinterher.
 
Nahatkami schrieb:
In dieser Klinik hat man seit neuesten eine "Schmerzkontrolle" eingeführt. D.h. die Patienten sollen DREI MAL AM TAG!!!!, angeben, ob sie Schmerzen haben und falls ja, diesen in einer Skala von 1-10 einordnen. 1 = kein Schmerz , 10 = "ich springe gleich aus dem Fenster vor Schmerzen". Je nach Skalenwert wird den Leuten dann ein SCHMERZMITTEL verabreicht! Denn: sie sollen ja nicht unter Schmerzen im Bett liegen müssen.
Ich frage mich: was soll das? Wenn ich dreimal am Tag gefragt werden würde, ob ich irgendwo Schmerzen habe, kann ich doch an gar nichts anderes mehr denken, als an Schmerzen, die vielleicht irgendwo im Körper versteckt sein könnten. Kami
Hallo Nahatkami,

Die "Schmerzkontrolle" wird an sich nur bei Menschen angewandt, die unter starken Dauerschmerzen leiden. Die Schmerzbehandlung wurde früher in der Medizin stark vernachlässigt und wird erst in den letzten Jahren ernst genommen.

Das Problem bei der Schmerzbehandlung ist, dass Schmerzen ja nicht objektiv messbar sind - und auch die Wirkung von Schmerzmitteln bei verschiedenen Personen völlig unterschiedlich ist. Auch haben Schmerzen eine Verlaufskurve. Sie bauen sich langsam unter der Wahrnehmungsgrenze auf und brauchen nach der Medikamentengabe auch wieder längere Zeit, bis sie verschwinden. Deswegen ist es bei grundsätzlich starken Schmerzen wichtig, die Schmerzmedikamente zu geben, bevor der Schmerz wahrnehmbar wird - um im optimalen Fall durchgehende Schmerzfreiheit zu erreichen.

Sinn der Schmerzbehandlung ist (abgesehen von der unmittelbaren Erleichterung für den Betroffenen selbst) weiters, das Entstehen eines "Schmerzgedächtnisses" zu verhindern. "Schmerzgedächtnis" bedeutet, dass der Schmerz auch dann bleibt, wenn die schmerzauslösende Ursache beseitigt ist.

Der Sinn des "Schmerzprotokolls" besteht darin, die optimale Medikation für den Betroffenen zu finden - mit größtmöglicher Schmerzfreiheit und möglichst geringer Medikation (die ja auch Nebenwirkungen haben).

Den Sinn der Schmerzbehandlung kann der ermessen, der Dauerschmerz kennt. Es gibt Menschen, die Selbstmord begangen haben, um Dauerschmerzen zu entgehen.

LG, Reinhard
 
Nahatkami schrieb:
Ich frage mich: was soll das? Wenn ich dreimal am Tag gefragt werden würde, ob ich irgendwo Schmerzen habe, kann ich doch an gar nichts anderes mehr denken, als an Schmerzen, die vielleicht irgendwo im Körper versteckt sein könnten. Finde ich dann einen kleinen Schmerz, ordne ich diesen in die untere Skala und beim nächsten Befragen, überprüfe ich, ob er denn nicht schon stärker geworden ist... Irgendwann wird aus einem Nicht-Schmerz ein "Todes-Schmerz". - Ist das jetzt eine neue Masche der Forscher, die Menschheit zu testen, ob man ihnen Schmerzen einreden kann? Oder braucht die Pharma-Industrie Geld? Oder bekommen die Krankenhäuser Gelder von der Pharmaindustrie, wenn sie in Massen Schmerzmittel verabreichen?

Mich entsetzt das ein wenig. Zumal in Krankenhäusern an sich schon genügend Medikamente usw. verabreicht werden.


Viele Grüße,
Kami

Hallo Kami,

Ich bin zwar nicht aus dem medizinischen Bereich aber wenn ich so was lese bin ich auch entsetzt.

Da hat wieder mal jemand eine Idee gehabt irgendetwas zu testen,zu welchem Zweg auch immer....

An den Menschen selber wurde da 100 % nicht gedacht.
Und es bietet sich ja an,dass ganze in einem Krankenhaus zu testen...da wo kranke Menschen sind,die Hilfe von den Ärzten brauchen.

Und was der Arzt sagt,wird gemacht,kann uns ja nur helfen.....!

Die Hilflosigkeit der Menschen wird richtig ausgenutzt.

Das ist meine persöhnliche Meinung zu diesem Thema.
 
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waldfee2 schrieb:
Hallo Kami, Ich bin zwar nicht aus dem medizinischen Bereich aber wenn ich so was lese bin ich auch entsetzt. Da hat wieder mal jemand eine Idee gehabt irgendetwas zu testen,zu welchem Zweck auch immer ....
Hallo Waldfee,

es ist die Gefahr, statt einer gesunden kritischen Haltung der Medizin gegenüber einfach alles in Bausch und Bogen zu verdammen.

Warum waren die Patienten wohl auf der Neurologie ?

Das "Schmerzprotokoll" hat auch nichts mit "Tests von irgendwas" zu tun, sondern dient ausschließlich dazu, das Befinden des Patienten so gut wie möglich festzustellen. Das Protokoll wurde deswegen entwickelt, weil die normalen Beschreibungen von Schmerzen viel zu unverläßlich sind, um auf ihrer Grundlage eine zielführende Schmerzbehandlung aufzubauen.

Es gibt kaum etwas Schlimmeres als starken Dauerschmerz. Es ist schon sinnvoll, von einer Sache, die man kritisiert auch etwas zu verstehen.
Rede bitte einmal mit einem Schmerzpatienten, der manchmal nach Jahren von dauerndem Schmerz endlich einmal keinen oder geringen Schmerz hat. (Am Dauerschmerz können Leute völlig unfähig zu Kontakten und zur Berufsausübung werden und daran zerbrechen.)

Schmerzbehandlungen in dieser Form werden übrigens nicht zwangsweise eingesetzt - es gibt auch andere Behandlungsformen (zB. Akupunktur, Schmerzhypnose). Wenn diese nicht helfen, kann die beschriebene Behandlungsform ein wahrer Segen sein.

LG, Reinhard
 
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