@mindanao:
Es ist halt eben so, dass die Astronomen lange Zeit davon ausgingen, dass die Planeten exakte Bewegungen (z.B. Kreise) im Raum vollführen würden. Sie glaubten fest daran, dass es eine höhere göttliche Ordnung gäbe, und dass die Umlaufbahnen dieser Planeten Ausdruck dieser göttlichen Ordnung seien.
Zuerst ging man vermutlich noch von vollkommenen Kreisen der Planeten um die Erde aus. Man nennt das heute das geozentrische oder terrazentrische Weltbild (Terra = Erde).
Irgendwann bemerkte man, dass manche Planeten aber auch rückläufig sein konnten. Das störte die Vorstellung der exakten Kreisbewegungen lange Zeit. Dieses Problem konnte "gelöst" werden, indem die Planeten nicht mehr eine einfache Kreisbewegung um die Erde ausführten, sondern überlagert zusätzlich kleinere Kreise in einem grösseren Kreis ausführten, also eine "epizyklische Bahn" der Planeten. Das ptolemäische Weltbild war geboren.
Siehe hier. Die mathematische Berechnung war um einiges komplizierter als beim einfachen terrazentrischen Weltbild.
Aber irgendwann wurden die Mängel dieses Weltbildes ebenfalls offensichtlich. Je besser die Mathematik und die Beobachtungsinstrumente wurden, desto deutlicher wurde, dass auch dieses Weltbild noch nicht so richtig stimmen konnte. Der schwedische Astronom
Tycho Brahe schlug einen Kompromiss vor. Nach seiner Auffassung bewegten sich zwar weiterhin Sonne und Mond um die Erde, die anderen Planeten (Venus, Merkur, Mars, Jupiter, Saturn) aber um die Sonne. Wie wir erkennen, weichen wir von der "schönen" vollständigen Geometrie mit der Erde im Zentrum und den einfachen Kreisbahnen immer weiter ab, und die benötigten Erklärungen werden tendentiell komplizierter. Wir haben hier quasi bereits zwei Zentren: Erde und Sonne.
Ungefähr zur gleichen Zeit entwickelte Kopernikus die Idee, dass sämtliche Planeten um einen Punkt in Sonnennähe kreisen würden. (Interessanterweise hatte offenbar bereits der griechische Philosoph Archimedes tausende Jahre früher ein heliozentrisches Weltbild propagiert, was aber Kopernikus vermutlich nicht bekannt war.) Kepler verfeinerte die Ideen des Kopernikus weiter, und ging nicht mehr von Kreisbewegungen sondern von elliptischen Bewegungen aus. Man muss sich das mal vorstellen: Die ursprüngliche wundervolle Geometrie mit der Erde im Zentrum ist bereits arg gestört. Nicht nur ist die Erde (der Beobachter oder der Mensch, sozusagen) nicht im Zentrum der Welt, sondern, es handelt sich bei den Umlaufbewegungen noch nicht einmal um konzentrische Kreise, sondern "nur" Ellipsen.
Bisher hatte war allerdings unbekannt geblieben, dass es sich bei den Sternen ebenfalls um nichts anderes als andere Sonnen handelte. Galileo Galilei brachte diese Idee auf, und störte erneut die Vorstellung einer göttlichen Ordnung. Unsere Sonne war nämlich beileibe nicht die einzige ihrer Art im Universum, sondern da draussen gab es nun plötzlich unzählige Sonnen ähnlicher oder gleicher Art. Und wenn es solche Sonnen gibt, dann ist es auch nicht mehr weit zur Vorstellung, dass es womöglich andere Erden, andere Planeten und andere menschenähnliche Lebewesen da draussen geben könnte. Eine ungeheure Vorstellung.
Basierend auf Gelileos Ideen, und natürlich auch bedingt durch weiter verbesserte Beobachtungs- und Messinstrumente, erkannte man, dass es tatsächlich unzählige Galaxien, Sterne und letztlich auch Planetensysteme im Universum gibt. Es wurde erkannt, dass auch die Sonne nicht "fix" ist, sondern sich selbst wiederum um das Zentrum unserer Galaxie bewegt. Noch später erkannte man, dass sich auch die Galaxie im Raum bewegt.
Bewegung in alle Richtungen, wo auch immer man hinschaut. Die ursprünglich gedachte göttliche Ordnung war empfindlich gestört. Der Mensch ganz offensichtlich nicht im Zentrum des Universums, sondern einfach "irgendwo". Die scheinbar göttliche Geometrie ist einfach nur "irgendeine" Geometrie, und zwar eine mathematisch unglaublich komplizierte, will man alle Wechselwirkungen zwischen Umlaufbahnen aller Sterne berücksichtigen.
Das ist aber noch immer nicht das Ende. Mit Newton war die moderne Körperphysik geboren worden. Körper verhielten sich gewissen physikalischen Gesetzen gemäss, diese konnte man messen und deshalb konnte man die Bewegungen mit annähernder Genauigkeit und unter Weglassung vieler komplizierter unnötiger Details vorhersagen. Gemäss Newton ziehen sich zwei Körper gegenseitig an, das nennt man Gravitation. Zusammen mit den Gesetzen der Fliehkraft und einigen mehr kann man mit dieser Mathematik bereits verblüffend genau die Planetenumlaufbahnen bestimmen.
Aber eben nur "verblüffend genau". Einsteins Relativitätstheorie bedeutete einen weiteren Schock, und eine weitere Dezentrierung des Menschen in seiner Rolle als Herrscher im Zentrum der Welt. Während Galileo Galileis Idee noch immer das Schlupfloch offenliess, dass sich letztlich alle Galaxien um ein unbekanntes Zentrum irgendwo im Universum drehen könnten, räumte spätestens Einstein mit dieser Idee endgültig auf. So weit ich die Relativitätstheorie verstehe (und das ist sehr oberflächlich), sind noch nicht einmal die Konzepte von Raum und Zeit verlässliche Konstanten. Newton musste noch davon ausgehen, dass es einen allgemeinen Raum und eine allgemeine Zeit gäbe, innerhalb derer all die Sterne, Planeten usw. ihre Bewegungen vollführen würden. Einstein "bewies" aber, dass Raum und Zeit tatsächlich durch Gravitation "gedehnt, gestaucht, gestreckt" würden. Mit anderen Worten, der Bezugsrahmen oder Kontext, den wir vorher benutzt hatten, um Berechnungen anzustellen, unterliegt selbst wiederum einer "Bewegung", er ist selbst nur relativ statt absolut. In der Umgebung extrem schwerer Körper (z.B. schwarzer Löcher) ist der Raum und die Zeit "gebogen". Das ist ungefähr, als würde die Zeit immer langsamer (oder schneller) werden, wenn man sich einem solchen Körper nähert.
Diese Einsicht ist so ungeheuerlich und schwer vorstellbar, dass sie für die Mehrheit der Menschen praktisch keine Rolle im Leben spielt. In unserer Vorstellung kreist noch immer die Sonne um die Erde, was wir ja auch ganz praktisch bei Sonnenaufgang und -Untergang erfahren. Gebogener Raum und Zeit, das entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen im allgemeinen.
Heisenberg, ein anderer Physiker, leistete ebenfalls einen vergleichbar wichtigen Beitrag zu unserem modernen Verständnis der Welt. Er zeigte auf, dass in extrem kleinen Masstäben, also in der Quantenphysik, ebenfalls grosse Probleme bei der Anwendung der Newtonschen Physik existieren. Nach Heisenberg ist es auf quantenphysikalischer Ebene unmöglich, den Ort und den Impuls eines Teilchens gleichzeitig zu bestimmen. Das heisst, man kann entweder wissen,
wo sich ein Teilchen befindet,
oder man kann wissen, was für einen
Impuls es hat, aber man kann nicht beides gleichzeitig. Das hat nichts damit zu tun, dass das irgendwie schwierig zu messen sei, sondern das ist ein prinzipielles, grundlegendes Problem.
Mit anderen Worten zeigten sowohl Einstein als auch Heisenberg auf, dass sowohl in den allergrössten als auch den allerkleinsten Masstäben ebenfalls keine göttliche Ordnung und Symmetrie mehr erkennbar ist. Jedenfalls nicht im Sinne einfacher Geometrie, sondern allerhöchstens unter Herbeiziehen komplizierter Mathematik. Heute diskutieren Physiker, ob es Teilchen gibt, die rückwärts durch die Zeit laufen; sie sprechen über Teilchen mit mehr (oder weniger) als 3 bzw. 4 Dimensionen; sie fragen sich, ob man durch ein schwarzes Loch vielleicht in eine andere Zeit reisen kann; ob das Universum überhaupt eine Grenze hat oder nicht und so weiter.
Es gibt auch gute Gründe, anzunehmen, dass es nicht ein einziges sondern viele Universen gibt. Erneut ein Bruch mit der Idee einer göttlichen Symmetrie. Und es gibt ebenso gute Gründe anzunehmen, dass es nicht nur viele, sondern "ineinander verquickte" Universen gibt.