Lotusz
Sehr aktives Mitglied
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- 10. Oktober 2002
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Hallo
Ein Thema vermisse ich bei unserer Religionsdiskussion vollkommen. Nämlich die Frage, warum die Kirche eigentlich so mächtig werden konnte. Hat sie sich wirklich nur um das Seelenheil ihrer Schäfchen gekümmert? Oder hatte sie neben der Missionsarbeit noch eigene Interessen vertreten? Wie entwickelte sich eigentlich das Verhältnis zwischen Staat und Kirche?
Hier ein kurzer Artikel zum Nachdenken:
Paulus war, daran gibt es keinen Zweifel, einer der ganz großen Neuentwerfer der Geschichte. Nicht Jesus, sondern er war der eigentliche Religionsstifter, an Bedeutung Mohammed gleich.
Für das Leben, die Worte und die Taten seines Herrn Jesus hat er sich wenig interessiert, dessen Lebensthema vom nahen "Reich Gottes" war ihm in seinen zwischen 50 und 61 nach Christus verfaßten Briefen nur ein paar Sätze wert. Über die Zukunft irrte sich, dessen sind sich bibelkritische Exegeten sicher, erst Jesus, der das Hereinbrechen des "Reiches Gottes" noch zu seinen Lebzeiten erwartet hatte; über die Zukunft irrte dann auch der Apostel. Nur glaubte er, daß der auferstandene Christus alsbald mit Macht und Herrlichkeit wiederkommen würde.
Wenn also einer, dann hat Paulus die Kirche geprägt und nicht die Lichtgestalt Jesus Christus.
Konstantin erkannte, welch integrierende Kräfte dem Christenglauben innewohnten, der auf der jüdischen Gehorsamsethik aufbaute.
Max Horkheimer nennt Konstantin einen "Skrupellosen", der "unter den vorhandenen Götterlehren das Christentum als Kitt für die gefährdete Weltmacht ausersah". Damals hat sich die Kirche grundsatzloser neu orientiert als irgendeine andere Gemeinschaft zuvor oder danach. Und Ernst Bloch befand: "Indem das Christentum unter und durch Konstantin des römischen Staates sich bediente, bediente sich der Staat des Christentums, und das Christentum ward verfehlt."
Kirche und Staat, Altar und Thron gaben so ihren Bund bekannt. In Deutschland hat ihn niemand je wieder auflösen können - kein Napoleon, kein Demokrat 1918, kein Hitler, kein Honecker.
Schon auf dem Konzil von Arles im Jahre 314 belegte die Kirche jeden Deserteur des kaiserlichen Heeres mit dem Bann. Vorbei war's mit dem Pazifismus, mit der Verachtung der Dinge dieser Welt, mit der freiwilligen Armut der frühen Christen. Und 40 Jahre nach Konstantins Tod nannte die Kirche ein Zehntel vom Grund und Boden im römischen Westreich ihr eigen; im Mittelalter brachte sie es in Westeuropa sogar auf ein Drittel.
Die Kirche machte sich im Gegengeschäft nützlich und diente seither jedem Staat dazu, um "die Mühseligen und Beladenen bei der Stange zu halten", wie Ernst Bloch schreibt. Im Namen jenes Mannes, dem in den Mund gelegt wurde, sein Reich sei nicht von dieser Welt, errichtete die Kirche ihre durchaus weltliche Zwangsherrschaft.
Alles Liebe. Gerrit
Ein Thema vermisse ich bei unserer Religionsdiskussion vollkommen. Nämlich die Frage, warum die Kirche eigentlich so mächtig werden konnte. Hat sie sich wirklich nur um das Seelenheil ihrer Schäfchen gekümmert? Oder hatte sie neben der Missionsarbeit noch eigene Interessen vertreten? Wie entwickelte sich eigentlich das Verhältnis zwischen Staat und Kirche?
Hier ein kurzer Artikel zum Nachdenken:
Paulus war, daran gibt es keinen Zweifel, einer der ganz großen Neuentwerfer der Geschichte. Nicht Jesus, sondern er war der eigentliche Religionsstifter, an Bedeutung Mohammed gleich.
Für das Leben, die Worte und die Taten seines Herrn Jesus hat er sich wenig interessiert, dessen Lebensthema vom nahen "Reich Gottes" war ihm in seinen zwischen 50 und 61 nach Christus verfaßten Briefen nur ein paar Sätze wert. Über die Zukunft irrte sich, dessen sind sich bibelkritische Exegeten sicher, erst Jesus, der das Hereinbrechen des "Reiches Gottes" noch zu seinen Lebzeiten erwartet hatte; über die Zukunft irrte dann auch der Apostel. Nur glaubte er, daß der auferstandene Christus alsbald mit Macht und Herrlichkeit wiederkommen würde.
Wenn also einer, dann hat Paulus die Kirche geprägt und nicht die Lichtgestalt Jesus Christus.
Konstantin erkannte, welch integrierende Kräfte dem Christenglauben innewohnten, der auf der jüdischen Gehorsamsethik aufbaute.
Max Horkheimer nennt Konstantin einen "Skrupellosen", der "unter den vorhandenen Götterlehren das Christentum als Kitt für die gefährdete Weltmacht ausersah". Damals hat sich die Kirche grundsatzloser neu orientiert als irgendeine andere Gemeinschaft zuvor oder danach. Und Ernst Bloch befand: "Indem das Christentum unter und durch Konstantin des römischen Staates sich bediente, bediente sich der Staat des Christentums, und das Christentum ward verfehlt."
Kirche und Staat, Altar und Thron gaben so ihren Bund bekannt. In Deutschland hat ihn niemand je wieder auflösen können - kein Napoleon, kein Demokrat 1918, kein Hitler, kein Honecker.
Schon auf dem Konzil von Arles im Jahre 314 belegte die Kirche jeden Deserteur des kaiserlichen Heeres mit dem Bann. Vorbei war's mit dem Pazifismus, mit der Verachtung der Dinge dieser Welt, mit der freiwilligen Armut der frühen Christen. Und 40 Jahre nach Konstantins Tod nannte die Kirche ein Zehntel vom Grund und Boden im römischen Westreich ihr eigen; im Mittelalter brachte sie es in Westeuropa sogar auf ein Drittel.
Die Kirche machte sich im Gegengeschäft nützlich und diente seither jedem Staat dazu, um "die Mühseligen und Beladenen bei der Stange zu halten", wie Ernst Bloch schreibt. Im Namen jenes Mannes, dem in den Mund gelegt wurde, sein Reich sei nicht von dieser Welt, errichtete die Kirche ihre durchaus weltliche Zwangsherrschaft.
Alles Liebe. Gerrit