So ein plakativer Satz wird sich natürlich nicht bis ins Detail als wahr herausstellen lassen. Er ist auch mehr als Denkanregung zu verstehen, als Arbeitshypothese, bestenfalls als paradigmenbildend.
Die meisten historischen Fakten aus dem frühen Christentum sind natürlich verloren. Das gilt genauso für die Religionsausübung der Kelten. Also kann die Entscheidung, so einen Satz anzunehmen, nicht logische Schlussfolgerung, sondern nur gefühlsmäßige Grundannahme sein. Also ein Paradigma, das in die weiteren Gedanken, wenn auch nur versuchsweise, einfließen kann.
Dieses Paradigma könnte uns helfen, die Religion der vorchristlichen Kelten zu verstehen. Ein Beispiel: das christliche Kreuz. Es ist bei den Juden nicht zu finden. War es nur ein Todes-Folterinstrument der römischen Besatzer Judäas? Die Nutzung des Kreuzes als zentrales mythisches Symbol der Christen lässt das aber eher unwahrscheinlich erscheinen. Ansonsten ist tritt das Kreuz bei den Römern nicht auf (obwohl es alte griechische Funde von Kreuzsymbolen gibt). Jetzt mit dem Paradigma: Also wird es von den Kelten stammen. Und in der Tat, es gibt viele Hinweise auf das Kreuzsymbol bei den vorchristlichen Kelten, wenn es auch anders geformt ist.
Bei diesem Beispiel geht es um äußere Symbole, die auch archäologisch nachzuprüfen sind. Aber bei den meisten religiösen Elemente: Gebräuche, Sprüche, Weltbild, Gottbegriff, Todesbild, Einbettung ins Uinversum etc. geht das mit den Kelten nicht. So kann dieses Paradigma dazu dienen, indirekte Hinweise über die Religion der Kelten zu bekommen.
Ich habe den Verdacht, dass Jean Markale ("Die Druiden") dieses Paradigma schon benutzt, obwohl es nicht in dieser Form erwähnt ist. Ich meine z.B. Passagen wie IV.2. Monismus.
Für mich ist der Übergang zum Christentum in Irland ein (interessantes) Rätsel. Das Bild der Missionierung ohne militärische Intervention, dass meist gezeichnet wird, ist für mich nicht stimmig, genauer gesagt, absurd, zumal ein "friedlicher" Übergang behauptet wird. Absurd deswegen, weil die enge Verflechtung der Druiden-Klasse mit der Königsmacht eine religiöse Einflussnahme irgendwelcher Zuwanderer sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt. Auch die "Überlegenheit der christlichen Botschaft" und "Christus als Vollendung der Druidischen Religion", die in desem Zusammenhang ins Feld geführt werden, kann ich nicht akzeptieren.