Kameltreiber Ali beim Psychiater

Seal144

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Paradise a State of Mind
Ja Leute...
hier nochmals der Kameltreiber
fuer die, die ihn noch nicht kennen.
Ich bat damals (2010) Walter den thread zu loeschen, da ich das fertige Manuskript Verlagen angeboten habe. Aber ohne Erfolg, das Thema auch sehr brisannt was die Gotteskrieger anging.




Kameltreiber Ali beim Psychiater

Frau mit viel Phantasie aus einem kleinen Fischerdorf in Süd Portugal, glaubt ein Kameltreiber zu sein. Die Handlung beginnt in der Praxis eines Psychiaters und springt plötzlich mitten in die Wüste Saudi Arabiens hinein, wo kämpfende, liebeshungrige Kamele und die hitzigen Debatten der beiden Helden über Platons Höhlengleichnis und Kants Kritik der Reinen Vernunft, erst einmal jäh durch Mohammed und seine Wüstenkrieger ein Ende finden.

Mohammed, der gefährlichste und meist gesuchte Terrorist auf Erden, ist beeindruckt von den Beiden, er sieht in ihnen fromme Gläubige und potenzielle Dschihadis und ladet sie auf eine Pilgerreise nach Mekka ein.

Auf der halsbrecherischen Flucht vor Mohammed, geschehen am laufenden Band Verwechslungen, die beiden Helden können es nicht lassen, weiterhin über ihre Lieblingsthemen, die Psychoanalyse von Freud und die Philosophie zu streiten, während die Schauplätze Dschidda des modernen Saudi Arabien mit seinen Märchenpalästen und Einkaufszentren, zu den heiligen Städten Mekka und Medina wechseln, bis in das Innere eines Gefängnis und sie immer tiefer in die Welt des Islam verstricken.

Der saudische Supertanker Ramlah, bringt die beiden Helden und ihre Kamele nach Rotterdam. An Bord eines Luxusliners mit 1800 Passagieren geht es von Rotterdam nach Lissabon, nur nicht wie geplant in drei Tagen, sondern in drei Wochen.

Völlig überrascht erblicken die Beiden die Küste von Island und erfahren, dass die Fahrt weiter nach New York gehen soll und von dort über die Karibik nach Portugal.

Am Ende führt Allah auf wundersame Weise die Wege von Ali, dem Shrenk und Mohammed, erneut zusammen… Die wahren Helden am Ende dieser Geschichte sind Alis Kamele.

Endlich kehren beide heim, aber ihr Tatendrang ruft zu neuen Abenteuern: Eine Einladung von Dschingis Kahn wartet auf sie.

Herausforderungen, Gefahren, Verwechslungen und glückliche Umstände, sie sind wie der Weg des Lebens und das eigentliche Glück und nicht wie erwartet das Ziel.

Die Geschichte spielt bewusst im „Hier und Jetzt“ und ist vom Tempo her atemlos. Aber auch inmitten dieser Atemlosigkeit entstehen Augenblicke zwischen Ali und dem Shrenk, die so dicht sind dass sich plötzlich ein Tor öffnet, eine innere Sicht, und man einen Blick erhaschen darf, in den unendlichen Raum. Und das wird Leere genannt.




Ich bin Ali, ein einfacher Kameltreiber aus dem Maghreb und stolzer Besitzer von vier Kamelen. Eigentlich sollte ich glücklich sein, wenn nicht immer mal diese Zweifel auftauchen, wer bin ich wirklich? Auch Akhbar, mein Lieblingskamel war nicht mehr rundum zufrieden mit seinem Leben. So beschlossen wir beide einen Psychiater aufzusuchen. Mein Kamel Akhbar und ich, wollten der Sache auf den Grund gehen. Oder sagt man besser der Sache auf den Grund zu reiten? Ich gestehe, so verwirrt wie heute, war ich schon lange nicht mehr und darum war es an der Zeit etwas dagegen zu unternehmen. Bei uns in der Wüste sagt man: „Groβes Übel, groβe Medizin.“

So begab ich mich noch gestern Abend zum Doktor Shrenk. Dank Allah war noch ein Termin frei. Ich wohne in einem Fischerdorf in Südportugal, wo alle sich kennen, und musste so unauffällig wie möglich, Akhbar mein Kamel, zum Psychiater einschmuggeln. Der gute Doktor hat seine Praxis im zweiten Stock. Akhbar und ich stiegen die Stufen eines für ihn ein wenig engen Flures hinauf, aber was macht man nicht alles um Heilung zu erfahren?

1.
"Oh gnädige Frau, welche Ehre", begrüβte der Doktor, Ali.

Doktor Shrenk war ein eher schmächtiger Mann und erinnerte Ali an Woody Allen. Ali lächelte dem Doktor freundlich zu und schüttelte seine Hand.

"Und ein Kamel?“, fragte Doktor Shrenk. „Beiβt es auch nicht?" "Nein Herr Doktor, es keift eher - und darum bin ich zu ihnen gekommen." “Wegen dem Kamel?" Doktor Shrenk beäugte Ali argwöhnisch. "Ich verstehe. Aber erst einmal zu ihnen." Doktor Shrenk blätterte in seinen Papieren und las aufmerksam die Krankengeschichte von ihr.

"Hm."

"Sie waren ja einmal bei mir im März und da sprachen sie von ihren Selbstmordgedanken wegen der unglücklichen Liebe zu einem Mann." "Das war sehr schnell vorbei, sie sollten wissen dass ich impulsiv bin." "Und? - Wie geht es ihnen jetzt?" "Eigentlich besser." "Was genau haben sie unternommen dass es ihnen besser geht?" "Akhbar! Sitz!", sprach Ali zu dem Kamel, welches gerade die Papiere mit der Krankengeschichte von ihr auffressen wollte. "Nun ja, ich war im Keller und habe Persephone gespielt." "Aha." Doktor Shrenk nickte gelangweilt und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. "Ich halte nicht viel von Carl Gustaf Jung aber – und weiter?"

„Ich bin genauso Ali der Kameltreiber geblieben und besitze vier Kamele!“

„Kameltreiberin Ali?“

„Ich empfinde mich als ausgesprochen männlich.“

„Gnädigste, ich versichere ihnen, dass sie eine Frau sind!“ Der Doktor seufzte. „Ihre weibliche Ausstrahlung ist unübersehbar. Das kleine Näschen, ihre Augen und obendrein blondes Haar. So sieht kein Kameltreiber aus Marokko aus!“

„Doktor!“

„Nein, nein Gnädigste. Es handelt sich bei ihnen um eine Persönlichkeitskrise, das ist nichts Ungewöhnliches in der Mitte des Lebens. Obendrein besitzen sie viel Phantasie.“

"Ja", erwiderte Ali kleinlaut.

„Warum versuchen sie es nicht mal mit Kreuzworträtsellösen? Oder dieses Tamagotschi?" "Karmagotschi?" "Nein, nein. Bloβ kein Karma! Ich meine dieses japanische Spielzeug." Er sah auf die Uhr. "Die Zeit ist abgelaufen. Haben sie alles verstanden? " Ali nickte.

Doktor Shrenk packte seine Papiere zusammen und gab sie in eine Schublade, die er mit so lautem Knall zuschob, dass Akhbar aufsprang und drohend zu ihm blickte.

"Muss ich wiederkommen Doktor?" "Vielleicht, das kommt auf sie an.“ Doktor Shrenk drückte Ali die Hand.

„Mein Akhbar braucht einfach Weite, darum keift er. Nomaden akzeptieren keine Begrenzungen, denn sie selbst sind grenzenlos wie die Wüste."
 
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2.
Der Grund, dass Ali nochmals den Doktor Shrenk aufsuchen wollte, war ein mysteriöser Traum, der sie in der Walpurgisnacht heimsuchte.

Diesmal besorgte sie sich einen Termin für spätabends. Das ist die Zeit, wo die Touristen in ihrem Dorf bereits die Restaurants mit vollem Bauch und ein wenig betrunken vom Wein, verlassen. Der ideale Zeitpunkt, folgerte Ali. Wenn so ein paar alkoholisierte Engländer zwei Kamele sehen und ausrufen: “What the hell, are four camels doing here?“ Nimmt das niemand ernst.

Und die Einheimischen? Die haben noch nie Kamele gesehen, und werden nur müde über die seltsame Frage der Engländer lächeln, denn betrunkene Engländer ist man in Alis Fischerdorf gewohnt.

Ali war sich sicher, dass Akhbar und seine Miriam, wiederum für die Portugiesen unsichtbar bleiben. Und warum? Als die Spanier nach Amerika segelten, sahen die Indios erst keine Schiffe, da sie vorher noch nie Schiffe sahen.

Ali war sich sicher, woher sollten die Portugiesen jemals Kamele gesehen haben? Und tatsächlich: Ali war mit Akhbar und Miriam gerade auf dem Weg zum Shrenk. Sie überquerte mit ihnen völlig unbemerkt die Hauptstraβe auf dem Zebrastreifen!

Der Aufstieg im Treppenhaus zur Praxis, verlief reibungslos. Akhbar vorne weg, er kannte inzwischen den Weg in den zweiten Stock. Dann Miriam, und Ali bildete die Nachhut.

Ali machte sich durch ein leises Pochen an der Tür bemerkbar. Heute war sie ein wenig aufgeregt, und hätte gerne einen Rückzieher gemacht, falls ihr Pochen ungehört bliebe. Aber der Doktor machte sofort die Tür auf.

„Frau Ali!“, rief er hocherfreut und reichte ihr die Hand.

Der Doktor ging voraus und bedeutete Ali auf dem Sofa Platz zu nehmen.

„Sie haben ihr Kamel wieder dabei?“, fragte er vorsichtig, während er ihre Krankengeschichte studierte.

„Ja natürlich, Herr Doktor Shrenk! Akhbar kommt gerne zu ihnen.“

„Und? Beiβt er?“

„Ich sagte bereits beim vorigen Mal, dass Akhbar eher keift!“

„Und sie glauben, weiterhin ein Kameltreiber zu sein und mit vier Kamelen durch die Wüste zu ziehen?“

„Ja sicher Doktor Shrenk.“

„Hm. Werte Frau Ali!“

Akhbar war aufgesprungen, biss Doktor Shrenk ins Knie und sah Ali dann provozierend an.

Ali schüttelte unwillig den Kopf. „Nicht jetzt und nicht hier, Akhbar.“ Worauf sie sich erneut dem Doktor zuwandte: „Akhbar hat heute Miriam mitgebracht.“

Doktor Shrenk rieb sich zerstreut sein Knie. „Sie wollen damit sagen, dass sie zwei Kamele mitgebracht haben, statt einem?“, fragte er ohne von seinen Notizen aufzublicken

Ali nickte nervös, denn Akhbar und Miriam hatten sich in den Nebenraum geschlichen. Die Tür war angelehnt.

Doktor Shrenk horchte plötzlich auf und stutzte. Im Nebenraum war ein unmissverständliches Spektakel ausgebrochen. Akhbar war einmal wieder dabei, Miriam zu begatten. In der freien Wüste geht das gut von der Bühne, da ist Platz und die Kamele können sich austoben. Aber nicht in einem kleinen Raum, mit Möbeln.

„Doktor Shrenk, ich hatte heute Nacht einen seltsamen Traum“, erzählte Ali, um von dem Krach im Nebenzimmer abzulenken.

„Die machen aber heute ein Gepolter!“, meinte Doktor Shrenk und blickte argwöhnisch hoch zur Decke.

„Wer macht Gepolter?“, fragte Ali unschuldig. „Ich höre überhaupt nichts.“

„Sie hören nichts? Wir haben über uns eine Massagepraxis und heute übertreiben sie es, hm, beziehungsweise treiben sie es da.“

„Akhbar“, rief Ali leise. „Hört sofort auf zu poppen!“

„Wie bitte?“ Der Doktor sah sie forschend an.

„Ach, ich sagte nur, ich lasse mich nicht so leicht foppen.“

„So, so. Und nun schildern sie mir erst einmal ihren Traum.“

Das Gepolter nebenan hatte aufgehört und wurde nun von lang gezogenen Kamellustschreien abgelöst.

„Ich träumte heute Nacht von einer Nonne!“, rief Ali, mit erhobener Stimme um so das Bähen von Miriam im Nebenraum zu übertönen.

Ich gebe zu, dachte Ali, eine peinliche Situation. Akhbar ist zu Miriam entflammt und erlebt gerade seinen zweiten Frühling, da spielen die Hormone verrückt.

Und siehe, die Tür wurde vorsichtig aufgezogen, Akhbar trabte herein, stellte sich hinter Doktor Shrenk und begann sein rechtes Ohr zu lecken.

„Von einer Nonne? Ja. Das täte ins Bild passen. Letztes Jahr hatten wir ja bei ihnen das Stockholm Syndrom, und jetzt…“

„Stockholm Syndrom? Das geht nicht! Ich war noch nie in Stockholm. Wie sollte ich da ein Stockholm Syndrom haben?“ Ali sprang auf, im Begriff zu gehen.

Akhbar leckte Doktor Shrenk linkes Ohr, während Miriam munter zu Akhbar herüber trabte. „Na? Habt ihr genug gepoppt?“, zischte Ali ihren Kamelen mit missbilligender Miene zu. „Wir gehen!“

„Sie werden nicht von mir gefoppt, Frau Ali! Und ich gähne auch nicht“, versuchte der Doktor beruhigend auf sie einzuwirken. „Sie haben nur besonders hartnäckige Verdrängungsmechanismen.“

„Jedenfalls war ich noch nie in Stockholm! Das nördlichste war die Insel Sylt.“ Der Doktor maβ Ali mit prüfendem Blick und sagte nichts. Darauf wischte er sich abwesend das linke und dann wieder das rechte Ohr mit einem Taschentuch.

„Das Musqat Syndrom, das könnte ich haben, durch meine letzte Reise in den Oman, oder meinetwegen den Sultans Komplex!“

„Schauen sie mal, Frau Ali. Erst das Syndrom.“ Er lächelte. „Nennen wir es doch einfach das Syndrom!“

„Meinen sie vielleicht die Kopenhagener Schule, und haben was verwechselt?“

„Bitte schweigen sie doch, wir landen sonst noch beim Abkommen von Helsinki!“ Der Doktor stöhnte auf. „Sie bringen mich noch ganz durcheinander. Sie hatten das Stockholmer, ähm, Syndrom. Aber nun zum Traum mit der Nonne, wie viel Nonnen waren es?“

Doktor Shrenk ging auf Alis Traum nicht weiter ein. Anscheinend litt er unter dem Überflutungssyndrom und das konnte nur aus Goetheburg sein, folgerte Ali. Oder Rijkjawick?

„Eine einzige Nonne“, antwortete Ali. Sie war erleichtert, dass Akhbar ruhig war. Seine Liebespiele mit Miriam hatten ihn verausgabt und nun blickte er träge zum Fenster hinaus.

„Nun, die Eins bedeutet Einsamkeit und Eins sein.“, fuhr der Doktor fort.

„Wie geht das? Ich bin stolzer Besitzer von vier Kamelen.“

„Frau Ali, über die Kamele sprechen wir das nächste Mal. Erst ihr Traum, bitte immer der Reihe nach, sie machen mich heute ganz konfus! - Die Nonne steht für Moralität einerseits, aber die Sexualität verdrängen sie ganz gewaltig. Eine klare Ambivalenz. Die Geräusche aus der Massagepraxis vorhin, die wollten sie nicht gehört haben? Das Gestöhne der Frau und das Wackeln der Massagepritsche waren unüberhörbar.“

„Nein!“ Entfuhr es Ali. Das waren Akhbar und Miriam und nicht eine Frau, oder eine quietschende Massagepritsche.“

„Frau Ali, wir müssen ihre frühe Kindheit aufarbeiten. So kommen wir nicht weiter. Die Nonne zeigt ganz klar etwas auf.“

Ali schwieg. Auf einmal kam ihr ein furchtbarer Verdacht. Was wäre, wenn Doktor Shrenk inzwischen auch schon beginnt, Kamele wahrzunehmen? Sie wusste sehr wohl, dass ein Shrenk einen begleiten soll in den Psychosen und Neurosen, aber eben nicht vollständig. Ein wenig beunruhigt fragte sie sich, was sie tun sollte, wenn ihr Psychiater verrückt würde?

„Ja, gerne.“ Ali lächelte ihn freundlich an. „Das werden wir.“

„Und das Tamagotschi? Ich höre gar nichts mehr.“

„Das ist doch in Stockholm“, antwortete Ali gelassen. „Oder war das in Kopenhagen?“

„Für heute genug.“ Doktor Shrenk war blass geworden. Mit einem gequälten Lächeln begleitete er sie zur Tür.

„Danke Doktor Shrenk, ich komme wieder und dann werden wir den Sultan Komplex und meine frühe Kindheit zusammen aufarbeiten!“

Akhbar und Miriam waren bereits zur Tür raus und galoppierten das Treppenhaus hinunter. Akhbar hätte den Doktor ruhig mal beiβen können, dachte Ali. Seitdem er aber mit Miriam zusammen ist empfindet er nur noch Liebe. Mich aber knurrt er an und benimmt sich störrisch. Das muss ich auch noch mit dem Shrenk aufarbeiten. Das wird Jahre dauern!

Vor allem bringe ich diese ganzen Syndrome und Komplexe durcheinander.
 
Ja Leute...
hier nochmals der Kameltreiber
fuer die, die ihn noch nicht kennen.
Ich bat damals (2010) Walter den thread zu loeschen, da ich das fertige Manuskript Verlagen angeboten habe. Aber ohne Erfolg, das Thema auch sehr brisannt was die Gotteskrieger anging.




Kameltreiber Ali beim Psychiater

Frau mit viel Phantasie aus einem kleinen Fischerdorf in Süd Portugal, glaubt ein Kameltreiber zu sein. Die Handlung beginnt in der Praxis eines Psychiaters und springt plötzlich mitten in die Wüste Saudi Arabiens hinein, wo kämpfende, liebeshungrige Kamele und die hitzigen Debatten der beiden Helden über Platons Höhlengleichnis und Kants Kritik der Reinen Vernunft, erst einmal jäh durch Mohammed und seine Wüstenkrieger ein Ende finden.

Mohammed, der gefährlichste und meist gesuchte Terrorist auf Erden, ist beeindruckt von den Beiden, er sieht in ihnen fromme Gläubige und potenzielle Dschihadis und ladet sie auf eine Pilgerreise nach Mekka ein.

Auf der halsbrecherischen Flucht vor Mohammed, geschehen am laufenden Band Verwechslungen, die beiden Helden können es nicht lassen, weiterhin über ihre Lieblingsthemen, die Psychoanalyse von Freud und die Philosophie zu streiten, während die Schauplätze Dschidda des modernen Saudi Arabien mit seinen Märchenpalästen und Einkaufszentren, zu den heiligen Städten Mekka und Medina wechseln, bis in das Innere eines Gefängnis und sie immer tiefer in die Welt des Islam verstricken.

Der saudische Supertanker Ramlah, bringt die beiden Helden und ihre Kamele nach Rotterdam. An Bord eines Luxusliners mit 1800 Passagieren geht es von Rotterdam nach Lissabon, nur nicht wie geplant in drei Tagen, sondern in drei Wochen.

Völlig überrascht erblicken die Beiden die Küste von Island und erfahren, dass die Fahrt weiter nach New York gehen soll und von dort über die Karibik nach Portugal.

Am Ende führt Allah auf wundersame Weise die Wege von Ali, dem Shrenk und Mohammed, erneut zusammen… Die wahren Helden am Ende dieser Geschichte sind Alis Kamele.

Endlich kehren beide heim, aber ihr Tatendrang ruft zu neuen Abenteuern: Eine Einladung von Dschingis Kahn wartet auf sie.

Herausforderungen, Gefahren, Verwechslungen und glückliche Umstände, sie sind wie der Weg des Lebens und das eigentliche Glück und nicht wie erwartet das Ziel.

Die Geschichte spielt bewusst im „Hier und Jetzt“ und ist vom Tempo her atemlos. Aber auch inmitten dieser Atemlosigkeit entstehen Augenblicke zwischen Ali und dem Shrenk, die so dicht sind dass sich plötzlich ein Tor öffnet, eine innere Sicht, und man einen Blick erhaschen darf, in den unendlichen Raum. Und das wird Leere genannt.




Ich bin Ali, ein einfacher Kameltreiber aus dem Maghreb und stolzer Besitzer von vier Kamelen. Eigentlich sollte ich glücklich sein, wenn nicht immer mal diese Zweifel auftauchen, wer bin ich wirklich? Auch Akhbar, mein Lieblingskamel war nicht mehr rundum zufrieden mit seinem Leben. So beschlossen wir beide einen Psychiater aufzusuchen. Mein Kamel Akhbar und ich, wollten der Sache auf den Grund gehen. Oder sagt man besser der Sache auf den Grund zu reiten? Ich gestehe, so verwirrt wie heute, war ich schon lange nicht mehr und darum war es an der Zeit etwas dagegen zu unternehmen. Bei uns in der Wüste sagt man: „Groβes Übel, groβe Medizin.“

So begab ich mich noch gestern Abend zum Doktor Shrenk. Dank Allah war noch ein Termin frei. Ich wohne in einem Fischerdorf in Südportugal, wo alle sich kennen, und musste so unauffällig wie möglich, Akhbar mein Kamel, zum Psychiater einschmuggeln. Der gute Doktor hat seine Praxis im zweiten Stock. Akhbar und ich stiegen die Stufen eines für ihn ein wenig engen Flures hinauf, aber was macht man nicht alles um Heilung zu erfahren?

1.
"Oh gnädige Frau, welche Ehre", begrüβte der Doktor, Ali.

Doktor Shrenk war ein eher schmächtiger Mann und erinnerte Ali an Woody Allen. Ali lächelte dem Doktor freundlich zu und schüttelte seine Hand.

"Und ein Kamel?“, fragte Doktor Shrenk. „Beiβt es auch nicht?" "Nein Herr Doktor, es keift eher - und darum bin ich zu ihnen gekommen." “Wegen dem Kamel?" Doktor Shrenk beäugte Ali argwöhnisch. "Ich verstehe. Aber erst einmal zu ihnen." Doktor Shrenk blätterte in seinen Papieren und las aufmerksam die Krankengeschichte von ihr.

"Hm."

"Sie waren ja einmal bei mir im März und da sprachen sie von ihren Selbstmordgedanken wegen der unglücklichen Liebe zu einem Mann." "Das war sehr schnell vorbei, sie sollten wissen dass ich impulsiv bin." "Und? - Wie geht es ihnen jetzt?" "Eigentlich besser." "Was genau haben sie unternommen dass es ihnen besser geht?" "Akhbar! Sitz!", sprach Ali zu dem Kamel, welches gerade die Papiere mit der Krankengeschichte von ihr auffressen wollte. "Nun ja, ich war im Keller und habe Persephone gespielt." "Aha." Doktor Shrenk nickte gelangweilt und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. "Ich halte nicht viel von Carl Gustaf Jung aber – und weiter?"

„Ich bin genauso Ali der Kameltreiber geblieben und besitze vier Kamele!“

„Kameltreiberin Ali?“

„Ich empfinde mich als ausgesprochen männlich.“

„Gnädigste, ich versichere ihnen, dass sie eine Frau sind!“ Der Doktor seufzte. „Ihre weibliche Ausstrahlung ist unübersehbar. Das kleine Näschen, ihre Augen und obendrein blondes Haar. So sieht kein Kameltreiber aus Marokko aus!“

„Doktor!“

„Nein, nein Gnädigste. Es handelt sich bei ihnen um eine Persönlichkeitskrise, das ist nichts Ungewöhnliches in der Mitte des Lebens. Obendrein besitzen sie viel Phantasie.“

"Ja", erwiderte Ali kleinlaut.

„Warum versuchen sie es nicht mal mit Kreuzworträtsellösen? Oder dieses Tamagotschi?" "Karmagotschi?" "Nein, nein. Bloβ kein Karma! Ich meine dieses japanische Spielzeug." Er sah auf die Uhr. "Die Zeit ist abgelaufen. Haben sie alles verstanden? " Ali nickte.

Doktor Shrenk packte seine Papiere zusammen und gab sie in eine Schublade, die er mit so lautem Knall zuschob, dass Akhbar aufsprang und drohend zu ihm blickte.

"Muss ich wiederkommen Doktor?" "Vielleicht, das kommt auf sie an.“ Doktor Shrenk drückte Ali die Hand.

„Mein Akhbar braucht einfach Weite, darum keift er. Nomaden akzeptieren keine Begrenzungen, denn sie selbst sind grenzenlos wie die Wüste."



„Warum versuchen sie es nicht mal mit Kreuzworträtsellösen? Oder dieses Tamagotschi?" "Karmagotschi?" "Nein, nein. Bloβ kein Karma! Ich meine dieses japanische Spielzeug." Er sah auf die Uhr. "Die Zeit ist abgelaufen. Haben sie alles verstanden? " Ali nickte.

:lachen:du schreibst genial (y)
 
3

So ein Besuch beim Shrenk, ist immer ein Ereignis. Liegt es an Akhbar? Ali schüttelte den Kopf. Nein, es liegt an dieser merkwürdigen Stimmung, die einen dann überkommt. Nachdenklich stieg sie hinter Akhbar die Stufen in den zweiten Stock hinauf.

„Akhbar!“, rief sie. „Nicht so schnell! Die Zeit vergeht schon schnell genug, und du rast hier das Treppenhaus hinauf, was soll das?“ Akhbar benahm sich heute merkwürdig ohne seine Miriam, aber Ali hatte sich geschworen, nach dem letzten Fiasko beim Doktor, Miriam nicht nochmals mitzunehmen. Noch ganz auβer Atem drückte sie entschlossen auf die Klingel der Praxis.

„Oh! Sehr erfreut, Gnädigste!“, begrüβte sie der Doktor. „Kommen sie, kommen sie meine liebe Frau Ali.“ Doktor Shrenk nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und blickte sie erwartungsvoll an. Diesmal war sie fest entschlossen, ihr Vorhaben mit dem Doktor, durchzuziehen.

„Ihr Akhbar schaut prächtig aus. Ein stattliches Kamel“, begann er gut gelaunt das Gespräch.

Heftiges Gehupe unten auf der Straβe und darauf ein lauter Knall, unterbrachen des Doktors Worte. Man vernahm wütende Schreie, die Diskussion zweier Männer, die erhitzt darüber zu streiten begannen, wer an dem Autozusammenstoβ Schuld war. Das konnte lange dauern, erst die Polizei, würde dem Streit ein Ende bereiten.

„Wie fühlen sie sich, gnädige Frau?“

„Ich mache mir groβe Sorgen. Die letzte Nacht habe ich kaum ein Auge zugedrückt, wegen ihnen, Herr Doktor Shrenk.“

„Wegen mir?“ Er sah sie verblüfft an.

„Genau so ist es. Wegen ihnen, darum wollte ich sie unbedingt noch vor dem neuen Jahr aufsuchen, denn ein Psychiater, der meine Kamele sieht, muss dringend in Behandlung!“

„Heute ist ja nur Akhbar mitgekommen. Ich sehe nur ein Kamel, und ich gestehe, letztes Mal sah ich ihre Kamele nicht, aber ich hörte seltsame Geräusche aus dem oberen Stock, sie erinnern sich gewiss oder etwa nicht?“

„Hm. Verstehen sie nicht, Doktor Shrenk? Es gab keine Geräusche im oberen Stockwerk, und es gibt auch keine Kamele. Ich bin Künstlerin und habe Phantasie, im Gegensatz zu ihnen.“

„Es gab nie Kamele?“

„Oh nein, Doktor Shrenk! Sie projizieren ihre eigenen Komplexe auf mich. Hören sie auf mit ihren Komplexen. Ich kann‟s schon nicht mehr hören, sämtliche Hauptstädte aus Skandinavien!“

Kurz entschlossen nahm Ali ein Heft aus ihrer Tasche und begann sich Notizen zu machen.

„Herr Doktor, wie steht es mit ihrer Verdauung? Es ist wichtig zu erfahren, ob es sich bei ihnen um neurotische Belastungs- und somatoforme Störungen, oder womöglich um Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen und Faktoren handelt!“

Ali war gespannt, was er darauf antworten würde und wartete. Einige Sekunden lang geschah nichts. Dann aber verfärbte sich das Gesicht des Doktors Rot, und erblasste darauf zusehends.

„Herr Doktor, es könnte auch an der Niere liegen, wenn diese nicht richtig entgiftet. Sie sollten die Farbe ihres Urins unbedingt einer strengen Beobachtung unterziehen.“

„Frau Ali! So schweigen sie augenblicklich!“

„Ist es ihnen peinlich über ihren Stuhlgang und ihren Urin zu sprechen? Verdrängen wir da nicht etwas sehr bewusst und sehr massiv?“

Worauf Ali, chronische Verstopfung in ihrem Heft eintrug, und frühkindliches, schamhaftes Verhalten. Sie blickte zufrieden auf.

„Bei Verstopfung kommt es zu Vergiftungserscheinungen, die wiederum Visionen auslösen können. Sie sollten sich einem guten Laxans anvertrauen, damit der Spuck ein Ende hat.“

Akhbar, hatte das Fenster geöffnet und bäte laut vernehmlich zur Straße raus. Irgendwas an der Diskussion der beiden Männer dort unten auf der Straβe schien ihn wütend gemacht zu haben. Akhbar wusste, welche Strafe ihn von Ali darauf erwartete. Mehr als einmal kam es durch Akhbar, bei ihr zu Hause zu Störungen mit den Nachbarn. Akhbar ist da nicht zimperlich und bät laut und mit kraftvoller Stimme, vom Balkon herunter. Worauf die Hunde in der Umgebung sich aufgefordert fühlen zu bellen. Dazu die Rufe der Nachbarn, die vergeblich versuchen, ihre Hunde zu besänftigen.

Zu spät! Unten auf der Straße begann wütendes Hundegebell, untermalt von den inzwischen noch lauter werdenden Stimmen der beiden streitenden Männer.

Der Doktor sprang auf und wollte das Fenster schlieβen. Akhbar aber versetzte dem Shrenk einen Tritt und bäte erneut aus dem Fenster.

Akhbar ist da ähnlich wie ich und duldet keine Ungerechtigkeiten, dachte Ali amüsiert. Da Akhbar Partei von dem Mann des grünen Toyotas ergriffen hatte, verteidigte er diesen.

Vielleicht lag es an dem grünen Auto? Wegen der Wüste, liebt Akhbar die Farbe Grün, aber das tat nichts mehr zur Sache. Der Lärm der Hunde und der Männer sprach für sich!

Doktor Shrenk rieb sich das Schienbein und wagte einen nochmaligen Versuch mit dem Fenster, worauf Akhbar ihn sogleich in den rechten Oberarm biss und bespuckte. Darauf bäte Akhbar erneut zur Straβe hinunter, um sich Gehör in einer für ihn so dringenden Sache zu verschaffen.

Die heiseren Stimmen der beiden streitenden Männer, wurden endlich durch die Sirene eines sich nähernden Polizeiautos abgelöst.

„Akhbar!“ zischte Ali. „Du kommst sofort her und Platz!“ Ali wurde es Angst und Bange, Polizeisirenen machen Akhbar nervös und dann passieren Dinge, die auβer Kontrolle geraten könnten. Sie stand auf und zerrte Akhbar zu ihrem Sessel. „Platz“ beruhigte sie ihn und kraulte seinen Kopf.

„Du hast ja so Recht, lieber Akhbar“, murmelte sie. „Der Fahrer vom grünen Toyota ist ganz klar im Recht. Grün hat immer Vorfahrt!“

Doktor Shrenk schloss das Fenster und hinkte zu seinem Schreibtisch zurück.

„Wann starten sie erneut in die Lybische Wüste, Frau Ali?“

„Ich dachte an Februar. Vielleicht entscheide ich mich aber für die Rub-Al Khali.“

„Rub-Al-Khali?“

„Die groβe Wüste in Saudi Arabien. Meine Kamele können es kaum erwarten, immer in unserem kleinen Wohnzimmer.“ Ali sah ihn argwöhnisch an. „Aber warum fragen sie?“

„Ich möchte sie dorthin begleiten, wenn sie nichts dagegen haben.“

„Wie bitte?“

„Warum nicht?“

„Warum nur, Doktor Shrenk, möchten sie mich in die Wüste begleiten? In ihrem Alter wäre das nur eine Strapaze.“

„Mit Fünfzig bin ich noch rüstig und dafür wie geschaffen, Gnädigste.“

Ali überlegte. „Und was wird ihre Frau dazu sagen?“

„Meine Frau ist vor zehn Jahren von mir gegangen, sie starb nach langer Krankheit. Wir lebten damals in London, wegen der schmerzhaften Erinnerungen, entschloss ich mich nach Portugal zu übersiedeln.“

„Oh, wie traurig.“ Der Doktor nickte.

„ Trotzdem Doktor: welches ist ihr wahrer Beweggrund, mich in die Wüste begleiten zu wollen?“

„Wegen der verschiedenen Komplexe, die ja dort ihren Ursprung nahmen.“

„Komplexe oder Syndrome?“

„Beides, Ali.“

„Verstehe.“

„Die Zeit ist abgelaufen“, sagte der Doktor ein wenig ungehalten und erhob sich. Dann reichte er Ali die Hand zum Abschied.
 
4.


„Halt! Um Himmels Willen, Frau Ali, so reiten sie doch nicht so schnell!“, rief Doktor Shrenk. Ali war mit ihrem Kamel Akhbar bereits auf der Kuppe der nächsten Sanddüne angelangt. Doktor Shrenk hatte alle Mühe, da noch mit zu kommen.

Ali stoppte Akhbar und drehte sich kopfschüttelnd nach ihrem Psychiater um. Was für ein Experiment, dachte sie. Ich hätte den Shrenk nicht mitnehmen sollen. Was wir hier machen, grenzt ja schon an Wahnsinn, aber der Doktor wollte unbedingt mit mir durch die Rub-Al-Khali reiten, und jetzt haben wir den Schlamassel!

Akhbar war das inzwischen schon gewohnt. Es war heute nicht das erste, und auch nicht das zweite Mal, dass der seltsame Doktor Shrenk zurückblieb und dann in diesem jämmerlichen Tonfall bat, anzuhalten, also Akhbar schnaubte nur verächtlich.

„Doktor Shrenk, jetzt reiβen sie sich zusammen. Noch eine Stunde und wir haben die Oase Al-Taif erreicht. So kommen sie schon!“

„An mir soll es nicht liegen, rief der Doktor mit schwacher Stimme. Es liegt an dem Kamel, dieses Kamel will einfach nicht weiter reiten!“

Doktor Shrenk gab Miriam mit seinen Füssen Zeichen damit sie weiter reite, aber vergeblich. Miriam wollte nicht zu Akhbar. Ja, Miriam hatte davon genug, hinter Akhbar herzu reiten. Und so machte Miriam einfach kehrt und ritt in die entgegengesetzte Richtung, worauf Doktor Shrenk erst in wildes Fluchen verfiel, als das aber nichts half, nun versuchte, Miriam mit lieben Worten zu beruhigen:

„Werte Miriam, sie sind eine so wunderbare Kameldame, wie ich sie selten zu Gesicht bisher bekam. Ihre Augen haben so einen wunderschönen Glanz und ihre Öhrchen sind einfach lieblich und zart.“

Miriam legte die Ohren an und überlegte angestrengt, ob das, was der Doktor ihr da erzählte, auch wahr sei. Von Akhbar hatte sie so etwas noch nie zu hören bekommen. So grunzte sie und blieb erst einmal zögernd stehen.

„Oh, Doktor Shrenk, so werden wir heute Al- Taif nicht mehr zu Gesicht bekommen.“ Ali ritt kurzerhand zum Shrenk. Der Doktor hatte sich längst an die saudische Kleidung gewöhnt, aber Ali hoch zu Kamel, war für ihn immer noch ein Ereignis. In einen Sohn der Wüste hatte sie sich verwandelt, in dem weiβen langen Kittel und sonnengebräunter Haut. Ihren Haaren hatte Ali einen Igelschnitt verpasst und unter dem Rotkarierten Kopftuch verborgen. Das machte es unmöglich, in ihr eine Frau zu erkennen.

„Doktor! Was starrt ihr mich so an? Ihr solltet mir lieber helfen Miriam an meinem Akhbar festzubinden“, rief sie dem Doktor zu und warf ihm das Seilende zu.

Kaum waren aber beide Kamele mit dem Seil verbunden, gab es einen Aufstand. Miriam begann zu wiehern und um sich zu spucken. Akhbar knurrte und versuchte, Miriam in den Hals zu beiβen

Ali hieb auf Akhbar ein, der darauf begann, widerwillig zu folgen. Miriam aber hatte den Doktor abgeworfen, wälzte sich am Boden, stieβ alle vier Beine von sich und wirbelte den Sand auf.

„Ich sehe da ein psychisches Problem, bei ihren beiden Kamelen“, verkündete Doktor Shrenk und rieb sich die linke Hüfte. „Miriam will mit Akbar nichts zu tun haben. Das ist offensichtlich!“

Ali sah den Shrenk verdutzt an. Sein Anblick, konnte in ihr nur tiefstes Mitgefühl auslösen: völlig verschwitzt hockte er im Sand, der Turban saβ ihm schief auf dem Kopf, seine Brille hatte er wohl wieder aufgesetzt, aber sie war ganz vorne auf die Nasenspitze gerutscht, und er selbst nachdenklich seinen Bart zwirbelnd.

„Akhbar ist rücksichtslos zu Miriam!“, rief Doktor Shrenk aus. „Er bewundert Miriam nicht! Miriam fühlt sich vernachlässigt in ihren Grundbedürfnissen als Frau. Ähm. Ja, als Kamelfrau, Hm. Stute.“

Akhbar stampfte unruhig mit den Hufen auf und bäte.

„Sehen sie, Frau Ali.“

„Können sie mich nicht einfach Ali nennen? Wir sind hier mitten in der Rub-Al-Khali, da können wir auf solche Höflichkeitsfloskeln grundsätzlich verzichten, meinen sie nicht Doktor?“

„In Ordnung, liebe Ali.“ Der Doktor versuchte sich ein wenig Luft zu zufächeln. „Das ist ja eine mörderische Hitze, wie halten sie das nur aus, Gnädigste?“

„Die Rub-Al-Kahli ist die heiβeste Wüste der Welt.“

„Wirklich?“

„Sie ist furchtbarer als die Sahara, das habe ich ihnen bereits erzählt.“

„Sie übertreiben mal wieder, Ali!“

„Nein. Hier kann man sich nur um diese Jahreszeit hineinwagen, im Sommer steigen die Temperaturen auf sechzig Grad und da ist kein Leben mehr möglich. Deshalb nennen wir sie, die Rub-Al-Khali, das leere Viertel.“

„Bei Allah, dem Allmächtigen! Leer ist es hier in der Tat.“ Der Doktor strich Miriam über das Fell. „So ein entzückendes Tier!“ rief er. „Akhbar, wie kannst du nur so gleichgültig gegenüber Miriam, in dieser leeren Wüste sein?“

„Ach Shrenk, Akhbar ist ein komischer Kauz und braucht immer mal solche Phasen, wo er mit sich alleine ist.“

„Ich sehe da eher einen Machtkomplex.“

Ali nahm ihren ledernen Wasserbehälter und trank einen kräftigen Schluck. „Machen sie sich nicht so viele Gedanken um die Kamele. Sie müssen wissen, dass Miriam intensiv meditiert und nicht etwa unglücklich ist.

„Ein meditierendes Kamel?“

„Sie programmiert sozusagen ihr Gehirn um.“

„Ach wirklich?“ Doktor Shrenk richtete seinen Turban und begann erneut seinen Bart zu zwirbeln.

„Meine Kamele leben schon eine lange Zeit mit mir zusammen und da ich meditiere, haben sie das ganz von selbst übernommen.“

„Ach ja?“

„Oh ja, Shrenk.“

Ali half dem Doktor, auf Miriam aufzusitzen, Miriam, die sich inzwischen beruhigt hatte, da der Doktor sie so liebevoll ansah und bewunderte.

„Und sie glauben tatsächlich, dass man sich mit Meditation neu programmieren kann?“

„Die Frage ist eher, ob unser Ich unabhängig, einzigartig und dauerhaft ist. Durch buddhistische Meditation stellt man fest, dass dies ist eine Illusion ist. Buddhisten kultivieren nicht das Ego, sondern Achtsamkeit und Weisheit.“

Die beiden Kamele schritten nun gemächlich nebeneinander her, es war bereits später Nachmittag. Die Sonne stand weit unten im Westen und die Dünnen bekamen lange Schatten. Endlich begann es abzukühlen. Da tauchten in der Ferne die Palmenwipfel der Oase Al-Taif auf.

„Dieser Anblick ist ungemein beruhigend“ seufzte der Doktor.

„Wolf Singer, ein Neurophysiologe…“

„Neurophysiologe?“

„Ein Hirnforscher, werte Ali. Dieser Wolf Singer hat sich lange mit dem buddhistischen Mönch Matthieu Ricard, über Meditation unterhalten.“

„Und?“

Inzwischen meditiert Rolf Singer auch!“

Sie hatten die ersten Dattelpalmen der Oase erreicht und wurden von einem Schwarm neugieriger Kinder umringt.

„Ja, Ali“, seufzte der Doktor. „Was glauben sie wohl, warum ich mit ihnen in die Wüste mitzog?“

„Weil sie dringend einen Urlaub brauchten und völlig überarbeitet waren.“

„Auch, aber die Meditation und Stille der Wüste, von der sie mir so viel erzählten. Das hat mich neugierig gemacht.“

Ali bedeutete Akhbar anzuhalten. „Wir sind da.“ Sie deutete nach rechts, dort war ein gröβeres Zelt aufgebaut. Zwei Kamele weideten friedlich daneben.

„Morgen werden sie auf Suleika reiten, um so nicht unter den ewigen Querelen von Akhbar und Miriam zu leiden.“ Ali lachte. „Und jetzt werden wir etwas essen und uns erst einmal ausruhen.“
 
5.

Die Sonne war unbemerkt untergegangen und die ersten Sterne blitzten auf.

Ali hatte Beduinenkaffee gekocht. Es duftete nach Zimt, Ingwer und Kardamon, als sie die Becher mit dem Kaffee füllte. Beide schauten ins Feuer und aßen ein paar Datteln.

„Nun Doktor Shrenk, wollen wir es wagen zu meditieren?“

Der Doktor nickte stumm, überwältigt von den neuen Gefühlen der Wüste. In der Ferne erklang die raue Stimme eines Mannes, der zum Gebet aufrief. Akhbar lag zu Füssen von Ali und schlief. Er schien zu träumen, manchmal bewegte er seine Beine. Ali kraulte ihn dann beruhigend hinter dem Ohr. Miriam hatte sich zu den zwei Kamelen dazugesellt und war in irgendein Gespräch vertieft. Man vernahm immer wieder ein leichtes Wiehern, so als lachten die Kamele. Doktor Shrenk war sich sicher, dass Miriam über Akhbar berichtete und darüber, dass sie es ihm heimgezahlt habe. Ach, wer kenne sich schon mit Kamelen aus, dachte er und seufzte.

„Doktor Shrenk?“

„Ja, Ali?“ Der Doktor zuckte zusammen. „Hm, ja. Ich bin bereit. Was genau habe ich zu tun?“

„Anfangs beschränken wir uns nur auf die Atmung. Rücken grade und in den Bauch einatmen und wieder ausatmen. Das langt erst einmal fürs erste.“

Der Doktor schloss die Augen und begann seine Meditation.

Wie gebannt schaute Ali über die Endlosigkeit der Sanddünen und begann sich im Geiste auszudehnen. Sie wurde zum Sand, sie wurde zum Wind, spielte sein ewiges Spiel, formte den Sand, wirbelte ihn durch die Luft und lies seine Musik ertönen, leise, fast unhörbar, wie aus weit entfernten Sphären kommend.

Dann ließ sie die Gedanken hinter sich, ließ die Töne hinter sich und tauchte ein in die große Stille.

Nach einer Weile hörte Ali lautes Schnarchen. Es war Doktor Shrenk, aber auch Akhbar gab schnarchähnliche Laute von sich. Sie rüttelte den Doktor sanft am Arm. Der Shrenk schreckte hoch und rieb sich die Augen. „Oh, Werteste! Ich muss wohl eingeschlafen sein.“

Ali reichte dem Doktor einen Becher Kaffee und nahm sich auch. Der Doktor hatte ein sehr entspanntes Gesicht und lächelte schüchtern.

„Das war beeindruckend! - Ich war einfach müde von allem.“

„Es war heute ein anstrengender Tag.“

„Nein, Ali! Ich beziehe mich auf mein Leben, ich war müde. Die Patienten kommen zu mir und sie sind meist wohlhabend und könnten ein wunderschönes Leben führen, aber sie kommen zu mir und brauchen Hilfe, denn sie sind unglücklich. Ich habe festgestellt, desto wohlhabender die Patienten sind, umso unglücklicher sind sie.“ Er seufzte. „Eine wahre Ironie des Lebens. Viele Jahre habe ich ihnen versucht zu helfen. Da sind einige, die kamen nicht mehr, vielleicht konnte ich ihnen helfen. Andere aber, kommen und kommen, und ich kann sie nicht glücklich machen, denn ich bin es auch nicht. Ich war nur noch müde. Und nun bin ich mit ihnen inmitten der Rub-Al-Khali um das Glück, oder wenigstens Frieden zu finden.“ Er schwieg. „Und tatsächlich, es geht mir besser“, fuhr er leise fort.

Der Doktor trank seinen Kaffee aus und stellte den Becher neben den Kessel.

„Meditation wäre eine Brücke, liebe Ali. Wie kommt es, dass unser ursprüngliches, erleuchtetes Bewusstsein immer weiter eingeengt wurde, sodass wir in einer Welt voller Illusionen leben? Was ist mit uns geschehen? Wir nehmen die Welt verzerrt wahr.“

Schweigend blickten beide hinauf in den Nachthimmel, die Sterne zum greifen nah. Ali nahm eine Decke und reichte sie dem Shrenk. „Damit sie nicht frieren. Gute Nacht“, sagte sie gähnend und erhob sich.

„Gute Nacht, Ali“

Ali ging ins Zelt und legte sich schlafen. In dieser Nacht träumte sie von den Karawanen der Seidenstraße. Sie erblickte in der Ferne die blaue Kuppel der Moschee von Samarkand, die Blau und Golden, in der untergehenden Sonne aufleuchtete. Endlich bin ich da, endlich erreiche ich Samarkand, dachte sie und trieb ihr Kamel an, schneller zu reiten, schneller und immer schneller. Sie flogen geradezu dahin. Akhbar witterte die Brunnen voller Wasser und Ali dachte an die Moschee. Dort, im inneren der Moschee, wollte sie sich niederwerfen und zu Allah dem allmächtigen Gott beten.
 
6.

Der Shrenk wischte sich den Schweiβ von der Stirn, die Temperaturen stiegen heute wieder ins unerträgliche. Ali ritt wie immer voraus, und in der flimmernden Hitze kam sie ihm fast unwirklich vor. Er seufzte und versuchte vergeblich sein Kamel anzuspornen. Aber Suleika hatte die Ruhe weg und wurde noch langsamer. „Was mache ich hier nur?“, murmelte der Shrenk vor sich hin. „Diese Frage stelle ich mir heute nicht zum ersten Mal.“ Ganz in seine Gedanken vertieft, wurde er etwas lauter:

„Gewiss ist es nicht jedem Menschen vorbestimmt, durch die Wüsten mit Ali zu reiten und sich mit Kamelen zu unterhalten.“

Suleika gab ein leises Wiehern von sich. Es schien, als habe sie den Shrenk verstanden.

„Suleika?“, rief der Shrenk freudig aus. Suleika wieherte erneut und fiel darauf in einen leichten Galopp.

„Suleika. - Glaubst du auch, dass Psychologie einem allenfalls helfen kann, sich etwas besser an sich selbst anzupassen und an seine Umgebung?“

Der Shrenk schüttelte den Kopf und trank aus seiner Wasserflasche. Dann aber wandte er sich erneut mit lauter Stimme seiner Kamelstute zu: “Suleika! Angeblich hilft dir Psychologie nicht, dich zu individualisieren. Ein individueller Mensch sein heißt, auf sich selbst gestellt gehen. Ähm. Reiten.“

Ali drehte sich erstaunt nach dem Shrenk um, der laut vor sich hin deklamierend, im leichten Galopp näher rückte. Seitdem wir in der Rub-Al-Khali sind, hat sich das Verhalten des Doktors, auf eine geradezu dramatische Weise verändert. Er spricht seitdem mit den Kamelen und glaubt wohl, er müsse sie therapieren. Ali zuckte mit den Schultern, diese Shrenks sind ja bekanntlich alle ein wenig verrückt.

„Na, Doktor? Was erzählen sie alles der guten Suleika?“

„Ach, meine liebe Ali, ich dachte nur laut.“

„Doktor Shrenk, wir sind hier um das Denken sein zu lassen. Darum suchen wir die Stille auf. Verstehen sie das, Doktor Shrenk? Philosophie ist wunderbar, wenn sie ein bisschen vor sich hin spinnen wollen. Dafür ist Philosophie groβartig!“

„Ich sprach aber gerade über Psychologie, werte Ali.“

Ali sah zum Doktor herüber und hörte ihm einmal wieder nicht zu.

„Müsst ihr denn ständig an eurem Bart herumfummeln und nachdenken?“

Der Doktor hatte sich in der Wüste diesen Bart wachsen lassen und zwirbelte ihn ständig, wenn er nachdachte, was Ali auf die Palme brachte. Auch wenn gar keine Palmen da waren.

„Es gibt so vieles zu denken und bedenken.“

„Seit mindestens fünftausend Jahren philosophieren die Menschen über alles und jedes und nicht eine einzige Frage wurde gelöst.“

„Ali! Was ist mit den Werten unser Gesellschaft?“

„Werte, Doktor? Meine Werte sind die Stille, der Sand und die endlosen Dünen der Wüste. Der flüsternde Wind und wir auf unseren Kamelen.“

In diesen Augenblick geschah etwas auβergewöhnliches. Akhbar rannte wie ein wild gewordener los. Akhbar stürmte die nächste Sanddüne hinauf und erneut hinunter. Das ging so weiter und so fort. Ali versuchte Akhbar zu zügeln, aber das konnte sie vergessen, denn Akhbar hatte seinen Kopf!

Und Suleika, angesteckt von Akhbars Eifer, stürmte hinterher. Der Doktor musste wohl oder übel, mit seiner Suleika, auf diesem halsbrecherischen Ritt folgen und umklammerte krampfhaft ihren Hals. Der frenetische Ritt wollte kein Ende nehmen. „Was hat Akhbar?“, erkundigte sich der Shrenk ganz auβer Atem bei Suleika.

„Das ist wegen Miriam“, antwortete sie. „Miriam wartet drei Dünen weiter vorne und Akhbar will sie schnellstens wieder sehen. Er hat Sehnsucht nach ihr.“

„Oh, meine liebe Suleika.“, begann der Doktor erneut laut nachzudenken. „Dieser, na wie heiβt er, der amerikanische Hirnforscher? Hm. Andrew Newberg, der versuchte das Numinose im Kernspintomografen festzuhalten. - Auflösung des normalen Zeitgefühls, zentrale Erfahrung mystischer Ekstasen. Das lässt sich kaum auf das räumliche Orientierungsareal zurückführen.“ Doktor Shrenk hielt sich mit der linken Hand an Suleikas Hals fest, während er versuchte, sich mit der rechten Hand hinter seinem Ohr zu kratzen. „Suleika!“

Die Kamelstute war wieder etwas langsamer geworden und wieherte, sie hörte dem Shrenk gerne zu.

„Die Frage Suleika, ist warum die verringerte Aktivität im Gehirn zu jenem allumfassenden Glücksgefühl führen soll, das in der Unio mystica erfahren wird, diese Frage bleibt völlig ungeklärt.“

Der Doktor dachte weiter nach, es gab vieles zu bedenken. - Beispielsweise, dass der Zustand der Erleuchtung auf einen Verlust des egozentrierten Selbstbildes zurückführt, der Ich-Perspektive, wie Austin dies nennt. Doch zugleich zeigt er, dass für diese Selbstaufgabe eben nicht ein einziges Hirnareal verantwortlich gemacht werden kann, sondern dass daran mindestens drei Hirnbereiche beteiligt sind. Er begann mit Hilfe seiner Finger aufzuzählen: die Amygdala, der Hypothalamus und das Mittelhirn. Die Worte Amygdala, Hypothalamus und Mittelhirn, sprach er betont laut aus, dass Suleika interessiert ihre Ohren spitzte.

„Leider, meine liebe Suleika, gibt es keinen Rosetta-Stein, der die subtil verschlüsselte Sprache des Gehirns in die direkte persönliche Erfahrung außergewöhnlicher Bewusstseinszustände übersetzen könnte, sage ich völlig desillusioniert!“
 
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7.

Es war noch dunkel, als Ali erwachte. Sie weckte den Shrenk, der verschlafen gähnte. Ali kroch steif aus dem Zelt, eisiger Wind zerrte an ihrer Thobe.

Langsam begann es heller zu werden, erst schemenhaft, dann immer deutlicher zeichnete sich die Landschaft in der Dämmerung ab.

„Oh, die Sonne!“, rief der Doktor aus. Er putzte die Gläser seiner Brille und blinzelte fasziniert über die endlosen Sanddünen.

Ali trank Kaffee und reichte dem Doktor einen Becher.

Der Doktor verschluckte sich und begann zu husten, worauf Ali ihm energisch auf den Rücken klopfte. Als er sich endlich beruhigt hatte krächzte er: „Ich sehe groβe Widersprüche in eurer Gedankenwelt, Ali!“

Widersprüche?“ Der Doktor nickte.

„Müssen wir um sechs Uhr morgens über Philosophie streiten?“

„Ich habe diese Nacht schlecht geschlafen, weil ihr die Werte unserer Gesellschaft in Frage stellt und kategorisch das Denken und damit nämlich auch Aristoteles ablehnt. “

„Ich bezog mich nur auf zu viel des Nachdenkens.“

„Ihr beklagt euch über das Denken und den Unsinn der Philosophie. Was ist mit euren Gefühlen? – Darüber schweigt ihr ganz und gar.“

„Wenn ich eines verabscheue, so ist es Gefühlsschwelgerei.“

„Ich sprach eure Gefühle an und bezog mich nicht auf extremes Schwelgen, werte Ali.“

„Auch wenn ich durch und durch eine Frau bin, liegt das an meiner mehr männlichen Seele. Warum soll ich pausenlos darüber Zeugnis ablegen, was ich gerade fühle? Ich bin sehr wohl zu groβen Gefühlen fähig, aber banale Gefühle interessieren mich nicht.“

„Hm.“

„Gefühle, und Leidenschaft, sind oft viel zu intensiv, um sie in Worte zu fassen.“

„Hm.“

„Mich beschäftigt viel mehr, was vor dem Gedanken ist!“

„Vor dem Gedanken, Gnädigste?“ Ali nickte.

„Dank Aristoteles und seinem logischen Denken, hat sich die Menschheit endgültig vom Mystizismus verabschiedet. Und jetzt kommt Ali und möchte das erneut abschaffen? Ich bin damit nicht einverstanden!“

Ärgerlich war der Shrenk aufgestanden, suchte seine Sachen zusammen und murmelte unverständliches Zeug vor sich hin.

„Jetzt beruhigt euch, Shrenk. Ich will Aristoteles nicht demontieren. Aber…“

„Aber was?“ machte der Shrenk sich nun laut Luft. „Ich kann sagen was ich will, ihr seid grundsätzlich dagegen. Ich habe genug von unserer Reise.“

Ali ging zum Shrenk und legte ihren Arm um ihn. „Kommen sie, Doktor. Wir haben heute noch ein gutes Stück zu reiten. Unsere beiden Kamele Miriam und Omar, sind längst aufgebrochen auf der Suche nach einem guten Futterplatz.“ Der Shrenk pustete unmutig die Luft aus und bestieg Suleika.

„Kant hat die Tür zugeschmissen. Dieser vernünftige mit seiner Kritik!“

„Sie beziehen sich auf Kants Kritik der reinen Vernunft“? Ali nickte.

„Kant sieht in Kritik nicht Herabwürdigung, Gnädigste.“

„Oh ja, das ist mir bekannt, sondern?“

„Kant zieht die Grenze zwischen dem, was wir zu wissen vermögen, und was nicht.“

„Diese Grenze müssen wir aber überqueren.“

„Überqueren?“

„Kants verschlossene Tür.“

„Sollten wir nicht besser durchqueren sagen?“ Der Doktor stockte. „Bei einer Tür plädiere ich eher, ähm, für durchschreiten, Gnädigste.“

„Doktor! Um erneut aufsteigen zu können zu den Urbildern und dem imaginativen Denken, müssen wir durch die Tür. Ob das jetzt überqueren, durchqueren oder durchschreiten genannt wird ist nebensächlich. – Denken sie erst einmal darüber nach, sie denken ja so gerne.“

Sie lachte und rief Akhbar herbei, der sofort angetrabt kam. Akhbar freute sich endlich weiter zu reiten und die Bilder auf sich wirken zu lassen. Die Bilder der Weite der Wüste. Die Urbilder und nicht Gedanken so wie Leichen, tot und ohne Geistinhalt. So etwas war Akhbar zu stupide. Aber die Philosophie eines Kamels ist eine andere, als die eines Shrenk oder Immanuel Kant.

Sie gab Akhbar die Sporen und stürmte davon.

„Ich bin damit ganz und gar nicht einverstanden, Gnädigste!“, rief der Shrenk Ali hinterher. Seufzend versuchte er ihr so gut er es vermochte auf seiner Suleika zu folgen.
 
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