Ihr Lieben, die Ihr Euch Zeit genommen habt, bis hierher zu lesen. Ganz vielen Dank an regentropf, die so direkt erkannt hat, was hinter meinen Worten steht, was es bedeutet, sich zu verstehen, auch ohne Worte, einfach weil zwei Wesenheiten im Einklang schwingen.
Und Schafhirte: Ich bin ja noch gar nicht da, wo es um die Seelenbeziehung zu Misra geht. Das kommt erst noch. Deswegen ist bisher auch noch nichts davon zu sehen.
Die Vermutung Flowerstorms, ich wäre Schriftsteller ist ein sehr großes Kompliment für mich. Und nein, bin ich nicht, aber ich liebe es, Worte niederzuschreiben, um von Dingen und Ereignissen zu erzählen, so dass andere Menschen und Existenzen sie verstehen und nacherleben können.
Meine Geschichte endete gestern damit, dass ich Misra in meiner Lieblingskneipe getroffen habe und sie beinahe überfallen habe mit Dingen und Erkenntnissen über sie. Ich hatte nicht nur einen, sondern ganz viele wunde Punkte bei ihr berührt. Vollkommen ungewollt, ungeplant, für mich selbst absolut überraschend. Als wir uns an diesem Abend voneinander verabschiedeten, war uns beiden klar, dass wir in Kontakt bleiben mussten.
In den nächsten Tagen gingen Mails hin und her, und als ich vorhin in einige aus dieser Zeit hineingeschaut habe, da habe ich gestaunt, wie schnell einiges geschehen ist, und wie viel Zeit dennoch verging, bis andere Dinge an der Tagesordnung waren.
Innerhalb von zwei Wochen hatten wir im Gespräch eine Ebene erreicht, die wir beide zuvor noch nie so erlebt hatten. Und das bei uns, die wir beide tiefgründige Menschen sind, die wir beide viele, viele Freunde haben, mit denen wir ganz intensive Gespräche führen konnten und können. Aber das, das war beinahe unbegreiflich viel mehr an Intensität, Tiefe und vor allem an Vertrauen: Die Dinge, über die wir miteinander gesprochen haben, die wusste bis dahin niemand von uns. Keinem anderen Menschen zuvor (und danach) habe ich jemals das "gebeichtet", was ich Misra in dieser Zeit erzählte. Aber wisst Ihr, was das wirklich beeindruckende daran war? Sie wusste es schon, bevor ich es ihr erzählte. Und umgekehrt ebenso. Wie oft haben wir miteinander gestaunt, dass selbst ganz, ganz peinliche Dinge, die wir uns berichteten, dem anderen schon bekannt waren und er dann nur wieder einmal sagen konnte: "He, keine Angst, aber das war mir schon klar."
Und dieses "Keine Angst", das war das Allerbestimmendeste in dieser Beziehung (und ist es bis heute). Ich bin nämlich ein zutiefst ängstlicher Mensch. Und zwar und ganz besonders, wenn es um Frauen geht. Nach außen hin bin ich nicht gerade schüchtern, es fällt mir überhaupt nicht schwer, mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Aber sehr schnell gerate ich an einen Punkt, wo ich gelähmt bin, wo Zunge, Lippen, Hände, Körper wie eingeschweißt sind, wo ich spüre, dass ich etwas tun sollte und mich einfach nicht traue. Ich glaube, das kennen andere ebenfalls. Es ist wie ein Käfig, ein Gefängnis, es gibt kein Entrinnen, denn man ist im eigenen Ich eingesperrt und es gibt keinen Schlüssel.
Bei Misra geschah nach etwa einer Woche etwas, was ich noch nie zuvor auch nur ansatzweise gewagt hatte: Wir befanden uns an einem Ort, von wo aus man eine tolle Aussicht hat. Wir hatten wieder über alles mögliche geredet, hatten gemerkt, wie teilweise wortlos wir uns verstanden, sie saß auf einem Steinsockel, ich stand neben ihr, die untergehende Sonne lag auf ihrem Gesicht und da gab ich ihr einen Kuss!
Das hört sich jetzt garantiert total spannungslos an. "Ja und? Ein Kuss? Was ist dabei?" höre ich Euch fragen. Aber wenn Ihr einmal in mich hineinschauen könntet, wie gehemmt ich sein kann in manchen Situationen, dann würdet Ihr verstehen, was dieser Moment bedeutet hat. Auf diese Art hatte ich noch nie zuvor in meinem Leben jemanden geküsst. Das soll nun nicht heißen, dass ich noch nie jemanden prinzipiell geküsst habe. Oh ja, das schon, also so ist es nicht. Es war nur diese Art, diese Freiheit. Ich war auf einmal aus meinem Gefängnis draußen, der Käfig war offen. Und ich hatte überhaupt keine Angst gehabt.
Ich glaube, das war der Moment in dem ich gemerkt habe, dass die Beziehung zu Misra etwas Neuartiges war in meinem Leben. Und zwar vor allem überhaupt nicht in Bezug auf diesen Kuss oder die körperliche Annäherung. Es ging um die Freiheit, die ich erlebte. Diese Frau hatte durch ihr Da-sein meinen Käfig geöffnet. Oder sagen wir es lieber anders: Weil ich bei ihr niemals auch nur die geringste Spur von Angst hatte, da konnte ich meinen Käfig öffnen und verlassen.
Bei diesem Kuss blieb es eine ganze Zeit. Nicht, weil ich plötzlich doch wieder in meine alte Angst zurückgefallen wäre und vor allem überhaupt nicht, weil sie sich gewehrt hätte. Aber es waren andere Dinge tausendmal wichtiger. Misra stand am Ende einer Beziehung, und Körperlichkeit war einfach nicht dran. Wir erreichten eine Ebene, bei der wir uns gegenseitig im Arm halten konnten und uns gegenseitig viel, viel Kraft zukommen lassen konnten. Doch ohne dass Körperlichkeit, Erotik, Verliebtheit dazugekommen wären.
Bis heute weiß ich, dass es ganz wichtig war, dass wir uns in dieser Situation ihrer bevorstehenden Trennung kennengelernt haben. Sie hat ihren damaligen Partner nicht wegen mir verlassen. Das hätte sie in jedem Fall getan, egal, ob ich dagewesen wäre oder nicht. Aber so war es ihr möglich, mit mir darüber zu sprechen, über ihre damit verbundenen Ängste und Befürchtugngen, über die Art der Liebe, die sie noch immer für ihren Partner empfand, und die aber so gewandelt war, dass ein Zusammenleben überhaupt nicht mehr möglich war. Ich konnte sie begleiten und ihr an meiner Schulter halt geben in dieser Zeit. Ich war da, als sie durch die tiefen Täler ging, ich hielt sie fest, wenn sie weinte.
Wir wuchsen zusammen. Wurden vertraut miteinander, kamen uns näher und näher. Doch das ist eine neue Episode, die ich ein andermal berichte.
Habt einen wundervollen Tag,
Magus.
Und regentropf: Darf ich Deine Geschichte erfahren? Ich würde mich über Dein Vertrauen freuen.