Bereits vor Diagnosestellung lässt sich bei Krebs-Erkrankten eine erhöhte Depressionsrate nachweisen: Aragona et al. (J. Exp. Clin. Cancer 16:111,1997) unterzogen 149 Patientinnen vor Abklärung eines unklaren Brustbefundes einer psychologischen Diagnostik. Während Frauen, bei denen die anschließende Biopsie einen bösartigen Befund ergab, vor Diagnosestellung zu 55 % an einer signifikanten depressiven Störung litten, lag dieser Anteil bei Frauen mit gutartigem Befund bei "nur" 18 %. Auch belastende Lebensereignisse in den Jahren vor Auftreten der Erkrankung finden sich bei Frauen mit einer bösartigen Erkrankung in dieser Studie signifikant gehäuft. Wie Prigerson et al. beschreiben (Am. J. Psychiatry 154: 616, 1997), wird das erhöhte Tumorrisiko jedoch nicht durch belastende Ereignisse per se erzeugt, sondern durch die depressive Verarbeitung der Ereignisse seitens des Betroffenen.
Eine jahrelange, unbehandelte Depressionen kann das Krebsrisiko steigern. Gegen Untersuchungen, die bei Krebspatienten unmittelbar vor Diagnosestellung einer erhöhte Rate psychischer Besonderheiten fanden, wurde - zum Teil mit Recht - eingewandt, die Patienten hätten - wenn auch ohne Wissen der Diagnose - bereits unter dem Eindruck der schon bestehenden Tumorerkrankung gestanden. Dass die Depression dessen ungeachtet ein eigenständiger, schwerwiegender Risikofaktor für die Tumorentstehung ist, belegte eine Studie von Knekt et al (Am. J. Epidemiol 144:1096, 1996: Körperlich gesunde Probanden wurden zum Ausgangszeitpunkt einer psychologischen Diagnostik und daraufhin einem 14 Jahre dauernden follow- up unterzogen. Probanden, die zum Ausgangszeitpunkt eine Depression hatten, hatten - im Vergleich zu Nichtdepressiven - in den darauffolgenden 14 Jahren ein 3,3-fach erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken (Krebserkrankungen in den ersten 5 Beobachtungsjahren wurden nicht mit einbezogen)! Bei Rauchern lag die Risikoerhöhung - im Vergleich zu Nichtrauchern - übrigens bei 3,4-fach. Bei Personen, die zum Ausgangszeitpunkt rauchten und depressiv waren, hatte sich das Lungenkrebs-Risiko auf das19,6-fache potenziert.