Nein, das machen eben nicht alle - vor allem nicht ständig und im selben Ausmaß. Ich denke, dir wird bekannt sein, dass es so etwas wie eine Hierarchie der Abwehrmechanismen gibt, und dass unterschiedliche Persönlichkeitstypen - je nach persönlicher Reife -sich unterschiedlicher Abwehrmechanismen bedienen. Der gesunde Durchschnittsneurotier verdrängt, Säufer verleugnen, hochentwickelte Persönlichkeiten sublimieren ihre unliebsamen Gefühle. Das sind die Abwehrmechanismen, die höher stehen in der Hierarchie. Hingegen sind es Menschen mit Persönlichkeitsstörungen (allen voran Narzissten und Borderliner) und Psychotiker, die in erster Linie auf primitive Abwehrmechanismen wie Projektion und Projektive Identifizierung zurückgreifen.
Jetzt hast du dein eigenes Argument ausgetauscht. Du hattest von "Betroffenen" gesprochen. Aus dem Zusammenhang ergab sich mir den Eindruck, du würdest behaupten, dass nicht alle Menschen die projektiven Identifikationen anderer in sich aufnehmen, sondern dass manche Menschen das mehr als andere tun würden.
Ich hatte dann aufgezeigt, dass erstens alle Menschen projektive Identifikation einsetzen, und zweitens auch alle Menschen das Ziel von projektiver Identifikation werden können. Es gibt also niemanden, der "betroffen" sein könnte im Gegensatz zu anderen, welche "nicht betroffen" wären.
Von Narzissmus, Borderline oder Psychosen war überhaupt nicht die Rede. Selbstverständlich setzen Menschen mit schweren psychischen Störungen projektive Identifikation weitaus häufiger ein und vermutlich auch in weitaus grösserem Ausmass als "gesunde" Menschen. Das ist es ja genau, was die Objekttheorie von Melanie Klein zu erklären versuchen.
Und das sind in der Regel nicht gerade die Typen von Persönlichkeiten, mit denen man sich konstruktiv über diese Art von Thematik austauschen kann, weshalb es für derart veranlagte Menschen immer wieder zu massiven, und sehr belastenden Verstrickungen kommen kann. Es sei denn, sie sie verfolgen ernsthaft und sind weit fortgeschritten auf einem Weg der Heilung.
Und jetzt hast du noch ein weiteres Argument mit hineinverwoben, was nichts mit der Diskussion zuvor zu tun hat. Warum zum Geier sollen wir uns ausgerechnet mit Narzissten, Borderlinern oder Psychotikern über projektive Identifikation austauschen wollen, wenn man nicht grad ein Therapeut ist? Ich war davon ausgegangen, dass du über "normal gesunde" Menschen und deren Umgang miteinander sprichst und gerne wissen wolltest, wie es denn bei denen mit der projektiven Identifikation ausschaut.
Ich empfinde es als sehr unangenehm, wie du versuchst, die Problematik zu rationalisieren (auch ein Abwehrmechanismus) und klein zu reden. Deswegen kann ich mit deinen Beiträgen, auch wenn du viel Aufwand investierst, leider auch nur wenig anfangen.
Damit kann ich durchaus leben. Ich unterlasse es jetzt mal, dir deine Abwehrstrategien aus der Ferne erklären zu wollen.
Aber da wir nun mal über das Thema sprechen: Zwischen "rationaler Herangehensweise" und "Rationalisierung" besteht durchaus ein Unterschied. Und wenn du dich mit projektiven Identifikationen auseinandersetzt, dann solltest du schon sehr sattelfest darin sein, die beiden auseinanderhalten zu können. Ob deine Intervention, mir eine Abwehrstragegie vor Augen zu halten, nun eher aus der Motivation persönlicher Betupftheit herrührt, weil ich nicht auf deine Bedürfnisse nach Anerkennung des "Betroffenseins" eingegangen bin, oder aus einer genuinen Aufschlüsselung meiner eigenen Abwehrmechanismen herrührt, das wäre es eben, was es
vor einer Intervention erstmal zu klären gälte. Damit deine Intervention positive Wirkung zeigen könnte, müsste als Voraussetzung deine Analyse der Situation erst einmal korrekt sein, und zweitens zwischen uns ein Vertrauensverhältnis etabliert sein, welches es uns beiden erlaubt, solche Themen überhaupt anzusprechen. Du sagst aber selbst, dass dieses Vertrauensverhältnis nicht etabliert ist: "
Deswegen kann ich mit deinen Beiträgen, auch wenn du viel Aufwand investierst, leider auch nur wenig anfangen." Daraus lässt sich ableiten, dass du dich für eine Intervention entschieden hattest, obschon mindestens auf deiner (wenn nicht auch auf meiner) Seite kein etabliertes Vertrauensverhältnis zu mir (und von mir zu dir) existiert. Und daraus lässt sich schliessen, dass deine Intervention offensichtlich nicht sehr weise gewählt war, weil die für einen Erfolg der Intervention notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben waren, was du wusstest, und trotzdem interveniert hast. Es ist dieses "trotzdem", welches ich interessant finde.