An dich, der du alles daran setzt, "Satori" zu bekommen
Wir praktizieren nicht, um "Satori" zu bekommen. Es ist Satori, das unsere Praxis zieht. Wir praktizieren, herumgewirbelt von Satori.
Wir suchen nicht nach dem Weg. Der Buddhaweg sucht nach uns.
Du lernst und treibst Sport, es geht dir um "Satori" und "Illusion"- so wird selbst Zazen noch zu einem Marathon für dich, mit dem Ziel "Satori". Doch weil du versuchst, danach zu greifen, greifst du daneben. Nur wenn du aufhörst zu versuchen, daran herumzufummeln, wird sich deine ursprüngliche, kosmische Natur verwirklichen.
Du redest von der Suche nach dem Weg, doch was bedeutet das schon, wenn du nach dem Weg suchst, nur um dich selbst zu befriedigen?
Dem Satori hinterher zu laufen und der Illusion davonzulaufen kommt mir so vor wie einer, der versucht, die Aktien ein und derselben Firma zu kaufen und gleichzeitig zu verkaufen.
Durch Zazen zu "Buddha werden" oder "Satori erfahren" zu wollen, bedeutet einer Sache hinterher zu laufen. Zazen bedeutet, damit aufzuhören, "Buddha werden" oder "Satori erfahren" zu wollen.
Undenken bedeutet, nicht nach Befriedigung zu suchen. Es bedeutet, mit beiden Füßen fest verankert an diesem Ort zu stehen.
Wir können uns den Buddhadharma nicht durch eine Kraftanstrengung "zu eigen machen".
Zu sagen, dass wir "Gott erblicken müssen", ist, außerhalb einer speziellen Clique, genauso seltsam wie zu sagen, dass wir "Satori haben müssen".
Buddhadharma bedeutet nicht persönliche Zufriedenheit. Deshalb sagt ja auch Shakyamuni: "Ich und alles Lebendige auf der Erde erlangen gemeinsam den Weg. Berge Flüsse, Gräser und Bäume sind alle Buddha." Buddhadharma heißt nicht, zu versuchen, ein persönliches "Satori" zu bekommen.
Die Menschen wollen selbst Satori noch ganz für sich persönlich haben.
Buddhadharma bedeutet "kein Ich". Jeder hat sein individuelles "Ich". Doch wie verkehrt ist es, selbst beim Zazen noch zu versuchen, ein individuelles "Satori" zu bekommen. "Kein Ich" ist nichts Individuelles.
Du willst dein individuelles "Satori", Zufriedenheit nur für dich selbst. Glaubst du denn wirklich, dass es den Buddhadharma nur für dich alleine gibt?
Wenn wir nicht gut aufpassen, glauben wir noch, dass unsere Individualität das Allerwichtigste sei. Und darüber vergessen wir das ganze Universum.
Wenn ich "Satori" sage, glaubst du, dass ich ein privates "Satori" meine. Lass mich deshalb korrigieren: Satori ist das, was man nicht einmal "Satori" nennen kann.
Du willst zum Buddha werden? Was für eine unnütze Anstrengung! Sei einfach du selbst in jedem Augenblick. Was glaubst du erreichen zu können, wenn du diesen Ort aufgibst?
Durch Zazen zum Buddha werden zu wollen, das ist so wie mit einem, der mit dem Zug nach Hause fährt: Weil er noch schneller nach Hause will, fängt er an, im Zug loszurennen.
Durch Praxis zum "Satori" zu gelangen - so stellt man es sich gern in der Welt vor. Doch welches Sutra du auch lesen magst, so etwas steht da nicht: Kein Buddha ist durch Praxis zum Buddha geworden. Buddhas waren von Anfang an Buddhas.
Wir fangen nicht jetzt mit der Praxis an, um später "Satori" zu bekommen. Jeder von uns Menschen ist schon seit ewigen Zeiten ein Buddha, dem es an nichts fehlt. Wir haben das bloß irgendwann einmal vergessen, sind in die Irre geraten und jetzt veranstalten wir ein großes Theater. Unsere Praxis bedeutet nichts anderes, als den Buddha zu praktizieren, der wir in Wirklichkeit seit ewigen Zeiten sind.
In der Tradition der Buddhas und Patriarchen bedeutet einfach zu sitzen nicht, danach zu trachten ein Buddha zu werden. Wenn du glaubst, dass es Buddha oder Satori außerhalb von Zazen gibt, und du danach greifst, dann machst du einen Kult daraus. Buddhistische Praxis bedeutet Buddha in die Praxis umzusetzen. Wenn du Buddha irgendwo anders als in der Praxis selbst suchst, dann läufst du einem Götzen nach.
"Was bedeutet der Buddhaweg? Er bedeutet, Buddha zu werden!"
Das ist eine Lüge. Der Buddhaweg bedeutet einfach, den Buddhaweg zu praktizieren.
Zazen bedeutet einfach zu sitzen, ohne auch nur daran zu denken, ein Buddha zu werden.
Wenn du Zazen übst, erlangst du den Weg, auch wenn es dir überhaupt nicht so vorkommt, als ob du den Weg erlangt hättest.
Der Titel des Lotussutras ist eigentlich: "Sutra der Lotusblume des wunderbaren Dharmas". Im wunderbaren Dharma sind Ursache und Wirkung eins. Praxis und Satori sind eins. Dies wird mit der Metapher der Lotusblume erklärt: Die Lotusblume enthält Samen. Wenn du einen der Samen öffnest, sind da bereits die nächsten Blätter. Und ein Stängel ohne Zweige. Das ist das Prinzip des Zazen im Buddhadharma. Wir nähern uns durch Praxis nicht allmählich dem "Satori". Praxis ist Satori. Wir praktizieren Satori. Wir sitzen das Zazen der Buddhas und Patriarchen.
Wir kommen nicht durch Praxis zum Satori: Praxis IST Satori. Jeder einzelne Schritt ist das Ziel.
Ewiges Satori erscheint nur in der Praxis dieses Augenblicks. Deshalb heißt es im Lotussutra: "Ein junger Vater (die frische Übung dieses Augenblicks) zeugt ein altes Kind (das ewige Erwachen)."
Wir müssen mit unserer Praxis aufs Ganze gehen. Wen interessiert da schon, ob da noch ein "Satori" als Belohnung auf uns wartet oder nicht.
Den meisten Menschen ist die Seele abhanden gekommen. Sie bewegen sich nur, wenn sie ihren Tagelohn dafür bekommen. Sie tun nichts, solange sie nicht dafür gelobt werden. Wenn man ihnen kein "Satori" als Belohnung vor die Nase hält, wollen sie nicht praktizieren. Solchen Menschen ist die Seele abhandengekommen. Das gilt nicht nur für die Geschichte von der Frau, deren Seele sich gespalten hatte (Mumonkan, Kôan 35).
Seigen Gyôshi fragt den sechsten Patriarchen: "Welche Praxis geht über Ränge und Stufen hinaus?" In der Welt gibt es stets Ränge und Stufen: Arme und Reiche, Wichtige und Unwichtige. Das, was darüber hinausgeht, ist der Buddhadharma. Der sechste Patriarch erwidert: "Was hast du denn die ganze Zeit über getan?!" Seigen antwortet: "Ich praktiziere noch nicht einmal die noblen Wahrheiten." Das heißt also, er hat noch nicht einmal Satori! Der sechste Patriarch drückt sein tiefes Einverständnis aus: "Wenn du noch nicht einmal die noblen Wahrheiten praktizierst, welche Ränge und Stufen könnte es da noch geben?" (Keitoku Dentôroku, 5. Kapitel)
Im Zazen gibt es keine Besseren und Schlechteren. Keine Ränge und Stufen. Nur bei dem "Zazen", bei dem es darum geht, "Satori" zu bekommen, gibt es Ränge und Stufen.
Dass ein Mensch "Satori" bekommt, ist das, was Menschen sich erzählen.
Das, was sich Menschen nicht erzählen, ist Zazen.
Das Abfallen von Körper und Geist bedeutet, dass die "individuelle Praxis" und das "individuelle Satori" verschwinden.
Es scheint Leute zu geben, die versuchen, den Buddhadharma in den Dienst des Menschen zu stellen. So wie sich alle Welt versucht weiterzubilden, so versuchen auch sie sich mit ihrer Praxis noch selbst zu verbessern und "Satori" zu bekommen. Dabei ist es doch klar, dass es kein Abfallen von Körper und Geist geben kann, solange wir nicht diese Kraftanstrengung aufgeben.
Wenn du versuchst, aus eigener Kraft in das Paradies zu kommen, musst du 24 Stunden täglich Amithaba Buddhas Namen anrufen. Doch was tust du, wenn du schläfst? Wenn dir da die Puste ausgeht, fällst du dann in die Hölle? Nein, Buddhas Namen anzurufen bedeutet, ihn in der Gewissheit anzurufen, vom Licht des Tathagata, das das ganze Universum durchdringt, umfangen zu sein, ohne dass es je möglich wäre, daraus hinauszufallen. Wenn du Buddhas Namen anrufst oder Zazen praktizierst so wie einer, der eine Ware am Fließband produzieren will, dann ist das nichts wert.
Buddhadharma ist ungreifbar. Du darfst nicht danach greifen, du musst loslassen. Wenn du daran festhältst, fällst du in die Hölle. Wonach greifst du da überhaupt? Alles, was sich greifen lässt, ist Pferdescheiße. Weil du versuchst, dir die Dinge zu eigen zu machen, verlierst du dich im Treiben der vergänglichen Welt.
Der Buddhadharma ist stets ungreifbar, da gibt es nichts zu gewinnen. Doch weil du immer nach etwas mehr suchst, gehst du plötzlich ganz falsch.
Dass es "Illusion" oder "Satori" gibt, ist das Gerede der Welt - das, was sich greifen lässt. Buddhadharma ist das, was sich nicht greifen lässt - Buddhadharma "existiert" nicht.
Bei der Praxis des Buddhaweges gibt es weder Illusion noch Satori. "Illusion" und "Satori" sind Gesprächsstoff für Menschen. Zwischen Illusion und Satori zu unterscheiden, ist Menschenwerk. Doch sinnliche Wahrnehmung ist nicht mehr als sinnliche Wahrnehmung, unterscheidendes Urteilen ist nicht mehr als unterscheidendes Urteilen - es ist nicht der Buddhadharma. Buddhadharma bedeutet nicht, die "Illusion" zu vernichten um "Satori" zu bekommen. Zazen bedeutet, den Dingen weder nach- noch davonzulaufen.
Buddhadharma ist grenzenlos. Wenn du diese Grenzenlosigkeit nicht verstehst, wirst du den Buddhismus nicht verstehen. Apropos: Dieses "Verstehen" oder "nicht Verstehen" selbst ist weit entfernt vom Grenzenlosen. Deshalb gibt es keine "Illusion" außerhalb des Satori, und kein "Satori" außerhalb der Illusion.