Versuch ich gern. Es ist klar, dass es zwischen den drei Konzepten Überschneidungen gibt - es haben ja auch alle Menschen Arme und Beine und eine Nase. Und doch haben Frauen etwas, das Männer nicht haben - und umgekehrt. Auf die kleinen Unterschiede kommt es also auch an, wenn in Summe etwas Fruchtbares dabei rauskommen soll.1. Das ist mir neu und interessiert mich. Ich hätte "wissendes Feld" und "morphogentisches Feld" eher synonym verwendet. Soweit es möglich ist, das zu beschreiben - wie siehst Du die Unterschiede ?
Sheldrakes These des morphogenetischen Feldes scheint ja zunächst einmal für sich zu sprechen - kaum hat er sie vorgestellt, liefert sie schon rund um die Welt Vielen ein Schlagwort, mit dem sie Phänomene kategorisieren können, für die vorher ein Instrument fehlte. Wenn ich das ein bisserl weiter fasse, sehe wir ähnliche (mit wichtigen Unterschieden behaftete) Denkmodelle ringsum im Bereich der sog. "Komplexitätswissenschaften". Mein Eindruck ist, dass mittlerweile der Begriff "morphogenetisches Feld" einfach als nicht weiter hinterfragter Sammelbegriff für alles verwendet wird, was nach überpersönlicher Ordnung in einem beliebigen Bezugsrahmen aussieht. Dabei ist ja leicht nachzulesen, was Sheldrake selbst unter seinem morphogenetischen Feld versteht.
Wenn ich das durchlese, finde ich nirgendwo einen Ansatz, der mir die individuellen Charakteristiken von Systemen und Systembestandteilen erhellt. Eher allgemeine Form- und Gestaltbildungen mögen dort wurzeln - die These der morphogenetischen Felder gibt Spannendes für die Evolution her, aber nicht so sehr viel für die individuelle Entwicklung und Einbettung in ein System.
Das "wissende Feld" ist begrifflich ja nur eine Notlösung, eine Umschreibung eines beobachtbaren Raumes, in dem sich Wirkungen an ihren Erscheinungsformen beobachten lassen. In diesem Feld spielt nicht das übers Individuum Hinausragende die größere Rolle, sondern die Vernetzung individueller Entwicklungen horizontal und vertikal, durch die Generationen und in die Breite der aktuellen Systemausprägung. Solche Vernetzungen/Verstrickungen von Individuen ("Seelen") sind m.E. mit dem nicht vereinbar, was das Wesen des morphogenetischen Feldes ausmacht (und vor allem bietet das m. F. auch keinen Ansatz zur Therapie... wenn ich das, was aus seinen Prägungen heraus Gestalt geworden ist, wieder ändern könnte, stünde es sich ja sozusagen selbst im Weg). Im Übrigen sehe ich auch keine Notwendigkeit, nur deshalb, weil ich über das "wissende Feld" noch keine schlüssige Theorie etablieren kann, es durch eine andere Theorie zu ersetzen, die in Wirklichkeit etwas Anderes meint.
Jung schließlich noch, viel älter als Sheldrake oder die Systemiker, das "kollektive Unbewusste"... Der beschreibt ja selber die Verschiedenheit der Bereiche, etwa des persönlichen und des kollektiven Unbewussten. Die "Archetypen", die ja sowas wie die Vermittlungsinstanzen des kollektiven Unbewussten sind, treten in kollektiver Gestalt auf - der Ball, die Sonne, die Scheibe, das Mandala als archetypisches Symbol des Selbst zum Beispiel. Und auch da sind die archetypischen Erscheinungsformen des Kollektivs etwas Anderes als die Verfolgung individueller Leit- und Vernetzungslinien in systemischen Betrachtungen. Wobei auch hier Schnittmengen auftreten können, etwa wenn in manchen Aufstellungsformen ergänzend zu den individuellen systemischen Aspekten auch "höhere Ordnungen" mit archetypischem Charakter dazugestellt werden.
Wie gesagt, die kleinen Unterschiede... jenseits von denen sind wir alle Menschen . Und ich erinnere mich immer wieder gern an eine Aussage v. Kibeds, der die kurze Zeit, in der mit Aufstellungen experimentiert und gearbeitet wird, ins Auge fasste und meinte: "Im Vergleich mit anderen geistes- und naturwissenschaftlichen Modelle befinden wir uns da gerade erst mal im Kindergarten und manche vielleicht in der Volksschule...".
Alles Liebe,
Jake