der Seele vertrauen

Enai

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10. Dezember 2005
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Hallo,

ich habe in den letzten 4 Jahren mehrere Aufstellungen gemacht. Mein Leben und ich haben sich seitdem sehr positiv verändert. Ich konnte viele Probleme lösen und habe viel begriffen und geändert in meinem Leben.

Allerdings gibt es eines, womit ich einfach nicht zurecht komme.

Ich neige ständig dazu, alles durch den Kopf regeln zu wollen, alles kontrollieren zu wollen. Dadurch verhinder ich wohl Dinge, die sich ohne meine Kontrolle entwickeln würden. Meine Aufstellerin sagt mir immer, "Deine Seele will und Du lässt es nicht zu".

Mich macht das ganz verrückt, ich kann einfach nicht aufhören damit.

Ein anderer Aufsteller, mit dem ich mich nur unterhalten habe, meinte: "was muss noch alles passieren, damit Du Deiner Seele vertraust". Bei ihm hab ich nie eine Aufstellung gemacht, trotzdem sagte er mir im Prinzip das gleiche wie meine Aufstellerin, die mich gut kennt.

Dieses Thema hab ich jetzt schon seit etwa 1 1/2 Jahren und inzwischen habe ich Angst, dass ich es nie schaffen werde, einfach zu vertrauen. Manchmal geht es für eine ganz kurze Zeit, dann kann ich entspannen und ich bin mit dem Gefühl, in allem gut aufgehoben zu sein, in Kontakt. Doch dann kommt so ein Gefühl der Unsicherheit, als ob mir mein Gerüst, meine Schutzmauer fehlt und irgendwann, völlig unbemerkt, schaltet sich mein Kopf wieder ein und schon geht es wieder los und ich bin in der alten Lebensweise, kontrolliere alles und fühle mich schlecht wenn die Dinge nicht so laufen wie ich sie will.

Versteht Ihr, was ich meine? Kann mir einer von Euch etwas dazu sagen, das mir vielleicht hilft?

Ich wollte schon mal eine Aufstellung dazu machen, warum mein Kopf immer so stark alles kontrollieren will. Meine Aufstellerin meinte aber, ich sei im Widerstand, da könne man keine Aufstellung machen, das würde nichts bringen.

weiß jemand einen Rat?:confused:
Gruß Enai
 
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Meine Aufstellerin meinte aber, ich sei im Widerstand, da könne man keine Aufstellung machen, das würde nichts bringen.
Liebe Enai,

Diese Aussage verwundert mich insoferne, als ja "Widerstand" in der Psychotherapie als sinnvoller Selbstschutz verstanden wird, den man beibehält, bis man eine bessere Alternative gefunden hat. Der "Widerstand" ist meist ein kunstvolles Arrangement, das hilft, mit einem ungelösten Problem zu leben. Die Auflösung des Widerstands ist üblicherweise Teil psychotherapeutischer Arbeit - und nicht ein Ausschließungsgrund.

Da ich Dich ja nicht kenne, muss ich allgemein bleiben. Im Grunde klingt es nach der Entscheidung zwischen Macht (wozu Angst gehört) und Liebe (da gehört Vertrauen dazu). Es gibt die Möglichkeit, dass man nicht auf die Lust an der Macht verzichten will, der Lust daran, sich und andere zu kontrollieren und zu beherrschen. Oder die Kontrolle dient dazu, tiefer sitzende Ängste abzuwehren (bei Dir klingt es mehr danach).

Wenn der Kopf so dominiert, kann es auch sein, dass man sich in den Kopf zurückzieht. Da ist die Frage, von welchem Körperbereich man sich distanziert. Das könnte der Hüftbereich sein - der Bereich der Sexualität (in dem es ja um Öffnung, Vertrauen, Aufgeben der Kontrolle geht). Wie geht es Dir mit Männern und Partnerschaft ?

Erlebst Du eine bestimmte Angst (wovor ?) - oder eine diffuse Angst ?

Eine Aufstellung kann dort helfen, wo eine an sich gefestigte Person durch eine Verstrickung behindert ist. Sie ist dort nicht zielführend, wo aufgrund der Kindheitssitituation die Ausbildung einer gefestigten Persönlichkeit nicht möglich war. Diese Entwicklung der Persönlickeit wäre eher in einem kontinuierlichen therapeutischen Kontakt nachzuholen.

Unterscheiden kann man es daran, ob der "Widerstand" eher die Qualität von Trotz hat (sich und seinen Willen durchsetzen wollen) - oder ob er dort einsetzt, wo man das Gefühl hat : man löst sich auf, verliert sich, spürt sich nicht mehr.

Was mich weiters wundert ist die Aussage : "Die Seele will - Du aber nicht." Wenn die Seele will - wer ist dann dieses "Du", das nicht will? Das gibt es allerdings, dass die Seele nicht gut mit dem Körper verbunden ist. Dann ginge es darum, dass die Seele sich ganz in dieses Leben hineinbegibt - und sich ganz mit dem Körper verbindet.

Liebe Grüße, Reinhard
 
Hallo Enai,

es gab ein Thema in meinem Leben, da habe ich auch sowas erlebt, wie du beschreibst. Wie oft habe ich versucht das Thema in Aufstellungsseminaren zu lösen. Fehlanzeige. Es wurde immer nur solange aufgestellt, bis ich selbst in meiner eigenen Position stand und alles was ich sagte wurde auch als Widerstand gedeutet. Als ob ich absichtlich bestimmte Bewegungen nicht hätte ausführen wollen. Meine Bedenken wurden nicht gehört.

Durch Beobachtungen bei anderen Teilnehmern ist mir aufgefallen, dass es bei dem einen oder anderen ebenso verlief. Diese Beobachtung half mir jedoch konkret nicht weiter.

Erst in einer Einzelaufstellung bei einer Aufstellerin alleine in ihrer Praxis wurde mir geholften und das ganze Ausmaß sichtbar, wofür ich vorher jede Menge Geld investiert hatte. Endlich war der Knoten gelöst.

Entweder liegt´s daran, dass die Aufsteller in großen Seminaren in Zeitdruck sind oder es liegen andere Gründe vor, auf jeden Fall hat mich die Einzelarbeit mehr überzeugt.

Liebe Grüße pluto
 
Lieber Reinhard,

zuerst mal danke, dass Du Dir so viel Zeit genommen hast um mir ausführlich zu antworten.

Diese Aussage verwundert mich insoferne, als ja "Widerstand" in der Psychotherapie als sinnvoller Selbstschutz verstanden wird, den man beibehält, bis man eine bessere Alternative gefunden hat. Der "Widerstand" ist meist ein kunstvolles Arrangement, das hilft, mit einem ungelösten Problem zu leben. Die Auflösung des Widerstands ist üblicherweise Teil psychotherapeutischer Arbeit - und nicht ein Ausschließungsgrund.
Kann es sein, dass mit Widerstand in der Psychotherapie anders umgegangen wird als bei der Arbeit mit Aufstellungen? Für mich sind das zwei ganz verschiedene Dinge. Ich habe jahrelang alle möglichen Therapien gemacht, vieles davon hat mir gar nichts gebracht, anderes habe ich zwar mit dem Verstand kapiert konnte es aber nicht ins Leben integrieren, bzw. konnte es nicht leben. Erst mit der Aufstellung ist bei mir alles in Gang gekommen.
Was Du über Widerstand in der Therapie schreibst, erscheint mir einleuchtend, ja löst bei mir sogar ein Gefühl des Aufatmens aus. Es ist wohl eine Art Selbstschutz aus Angst bei mir. Doch die Gründe dafür liegen weit weit zurück in meinem Leben.
Mein Kontrollbedürfnis hat nichts mit der Lust an Macht zu tun, nein es ist einfach die Angst, die Dinge laufen zu lassen. Ich muss alles unter Kontrolle haben, ansonsten fühle ich mich unerträglich unsicher. Genau das ist es ja, worauf ich mich einlassen soll, aber es auf Dauer nicht schaffe.

Wenn Du schreibst, dass ich mich in den Kopf zurückziehe, dann liegst Du damit ziemlich richtig. Ich habe aber keine Probleme mit Sexualität, ich kann keine Partnerschaft, keine Beziehung zulassen. Und damit meine ich nicht nur zu einem Partner, auch enge Freundschaften mag ich nicht.
Ich habe dazu schon eine Aufstellung gemacht, letztendlich ging es da dann um meine Mutter und mich und darum, dass sie mich ursprünglich nicht wollte, also mit dem Gedanken der Abtreibung gespielt hat.

Unterscheiden kann man es daran, ob der "Widerstand" eher die Qualität von Trotz hat (sich und seinen Willen durchsetzen wollen) - oder ob er dort einsetzt, wo man das Gefühl hat : man löst sich auf, verliert sich, spürt sich nicht mehr.
Genau das, ganz genau dieses schreckliche Gefühl hab ich immer, wenn ich versuche meinen Kopf beiseite zu lassen.

Was mich weiters wundert ist die Aussage : "Die Seele will - Du aber nicht." Wenn die Seele will - wer ist dann dieses "Du", das nicht will?
Damit meint sie, dass ich, mein Ego, mein Kopf, einfach nicht meiner Seele, meiner inneren Stimme, meinem Instinkt, meinem Bauch oder wie auch immer man das nennen will, folgen kann. Ich spüre einen Impuls etwas zu tun und schwupps, transportiere ich ihn ins Gehirn und analysiere ihn um zum dem Schluss zu kommen, es ist unsinnig, nutzlos, dumm so etwas zu tun. Und tu es nicht.

Meine Aufstellerin meint, ich soll ENDLICH die Kontrolle aufgeben und das ist der Widerstand, ich weigere mich ihrer Meinung nach, die Kontrolle aufzugeben. Aber ich KANN nicht!! Zumindest nicht dauerhaft. Weil eben dann dieses Gefühl kommt, dass ich mich völlig verliere, auflöse.

es tut gut, das was Du schreibst gibt mir das Gefühl, dass Du verstehst wovon ich rede.

eine kontinuierliche Therapie mach ich mehr oder weniger bei meiner Aufstellerin. Ich hatte und habe bei ihr auch Einzelsitzungen. Doch jetzt ist irgendwie ein Punkt, an dem wir hängen. Ich kann nicht weiter und sie sagt du musst weiter.

Liebe Pluto,
wie ich oben schon geschrieben habe, hatte ich Einzelsitzungen. Daran kann es nicht liegen. Mein Knoten ist scheinbar einfach zu fest geknüpft.


Liebe Grüße
Enai
 
Liebe Enai,

Das freut mich, wenn Du Dich erleichtert fühlst !

Ich möchte auf Deinen Beitrag gerne in Ruhe antworten - das ist wahrscheinlich erst nach den Feiertagen möglich. (Nur damit Du weißt, warum es länger dauert).

Alles Liebe,

Reinhard
 
Hallo Enai,

Erstmal möchte ich dir sagen, dass ich es beachtlich finde, mit welcher Beharrlichkeit du an dem Thema dranbleibst. Das ist für mich ein untrügliches Zeichen dafür, dass es zumindest einen Teil gibt, der darauf vertraut, dass es dir gelingen wird, den Knoten zu lösen. Vielleicht gelingt es dir ja mit diesem Teil in Kontakt zu kommen bzw. den Kontakt auszubauen und diesem Teil Schritt für Schritt mehr Raum zu geben.

Ich möchte dir eine kleine Episode mitgeben, die meiner Meinung nach sehr weise ist. Ich sah einen kleinen Film, den mir eine Freundin geschickt hat. Da gingen zwei alte Männer über eine Brücke. Nichts besonderes, wirst du vielleicht denken. Es war aber eine sehr spezielle Brücke die über einen sehr tiefen Abgrund zu einer Lichtquelle führte. Das besondere war aber weder der Abgrund, noch die Lichtquelle, sondern die Beschaffenheit. Die Brücke entstand nämlich erst in dem Augeblick, als sie gingen und zwar nur so viel, als sie benötigten um den Fuß daraufzustellen.
Ich denke im Leben ist es nicht anders!
Es gibt keine Sicherheit und das Leben ist und bleibt lebensgefährlich.
ALLERDINGS bekommen wir immer was wir brauchen, solange wir wissen wohin wir wollen und solange wir gehen.
Fähigkeiten, Umstände, (Brückenpfeile) entstehen erst durch unseren Fortschritt.
Du willst vertrauen? Dann vertraue ein ganz klein wenig, irgendjemand, in einer fast belanglosen Sache. Dann gehst du einen kleinen Schritt hin zu deiner Lichtquelle (Vertrauen). Und dann machst die Erfahrung dass du es kannst. Du hast dir einen ersten (weiteren) kleinen Teil deiner Brücke gebaut. Dann kommt der nächste und dann wieder einer.

Meiner Meinung nach hast du dir ein großes Gedankenkonstrukt gebaut, das dir immer wieder bestätigt, dass Lösung schwer oder in der Vergangenheit zu suchen ist.
Verstehen kann man die Vergangenheit, auch ändern womöglich - aber Fortschritt gibt es nur in der Gegenwart.
Ich erlebe immer wieder, dass Lösungen ganz leicht gehen können und dass sie oft zu einfach oder zu unspektakulär sind, als dass sie erkannt werden.

lg
spirit
 
Hallo Spirit,

die Gründe warum ich das Thema nicht einfach abhaken kann, ist
1. trotzdem ich gerne allein bin, fühl ich mich manchmal ziemlich verloren hier auf der Welt. Nicht einsam, aber so verloren
2. ich verletze durch mein Verhalten oft andere Menschen, und das ist so übel. Ich will es nicht und tu es trotzdem immer wieder

Als ich Deine Geschichte gelesen habe, dachte ich erst Ojeojeojeoje! Schock! Ein wahrer Alptraum über eine solche Brücke zu gehen.
Doch dann dachte ich, okay, wenn man weiß dass der Boden da sein wird wenn man einen Schritt macht, dann heißt das ja, dass man überall hin gehen kann. Man muss keine Angst haben, abzustürzen, egal wohin man geht. Das ist ein guter Gedanke.
Ich danke Dir für diese kleine Geschichte, ich denke, ich verstehe.

Es mag sein, dass ich mir viele unnötige Gedanken mache und dass ein großes Gedankengebilde mich hindert vorwärts zu gehen , aber das ist ja gerade das Problem. Mein Kopf und meine Gedanken.

Ich suche keine Lösungen in der Vergangenheit, nein, das was war, ist heute alles okay.
Ich mach auch niemand für meine Probleme verantwortlich.
Eigentlich ist alles okay.
Ich stehe nur -um mit Deiner Geschichte zu antworten- seit langer Zeit auf der Brücke zum Licht und kann nicht glauben, dass sich auch wirklich ein Boden bildet, wenn ich einen Schritt mache. Ich warte quasi auf Zementsäulen, einen stabilen Boden, ein Geländer, einen Sicherheitsgurt, Fallnetze unter der Brücke .......

Ich hatte aber auch schon Momente, in denen ich einen Schritt gewagt habe, mir ist dabei auch nichts passiert. Aber dann kommt dieses Gefühl der Unsicherheit, das Gefühl, dass ich kein Gefühl mehr habe. Ohje ich weiß nicht wie ich das ausdrücken soll. Ich verliere mich dann total, es ist als ob ich keine Konturen mehr habe. Und dann geh ich zurück, halt mich fest, geh auf festen Boden, kontrolliere ob alles an Ort und Stelle ist, ich gehe auf sichern Boden zurück und dann spür ich mich wieder.

Aber was Du schreibst, ich soll in belanglosen Dingen vertrauen, ist eine gute Idee. Ich werde das versuchen.

Ich weiß, dass Lösungen oft viel leichter sind, als man vorher meint. Ich habe diese Erfahrung schon öfter gemacht.

Trotz alledem hast Du mir jetzt eine neue Sichtweise gezeigt, mit Deiner kleinen Geschichte und dem was Du geschrieben hast. Danke.

Schöne Weihnachtsgrüße
Enai
 
Hallo Enai :)

es kommt mir sehr vertraut vor, was du beschreibst. Wie du habe ich ständig gedacht und bin alles über den Kopf angegangen. Das war so schlimm, dieses Gedankenkreisen, dass ich schon in sehr jungen Jahren versucht habe, diese Gedanken auszuknipsen. Das war der Beginn einer Suchtkarriere.

Ich habe das dann mühsam aufgedröselt, allerdings zunächst über eine mehr verhaltensorientierte Therapie. Es hat einige Jahre gebraucht, ehe ich Widerstände abbauen konnte. Bei mir machte es "klick", als mir meine Therapeutin nahebrachte, dass es für diese Denkerei einen Grund gab.

Wie du sollte ich abgetrieben werden. Das Denken half mir, mich als seiend zu erleben. Ganz verkürzt ausgedrückt: "Ich denke, also bin ich". Gleichzeitig aber war es eben auch zermürbend. Oft lag ich schon als Kind wach im Bett und konnte nicht schlafen, überlegte, ob ich alles "recht" gemacht habe. Innerlich glaubte ich, dass ich nicht sein darf. Also versuchte ich, wenigstens alles recht zu machen und ja nicht unangenehm aufzufallen. Ich hatte gar kein Gespür für mich - daher das Denken. Es war für mich wichtig, diese Überlebensstrategie zu würdigen.

Danach kam ich wie von selbst auf die Abtreibungsgeschichte und mein "Lebensgrundgefühl". Die Lösung brachte eine körperorientierte Therapiestunde. Eine einzige Stunde - und danach war alles anders. Ich kann nicht erklären, weshalb diese Stunde reichte, ich schätze, es war einfach so, dass ich die Widerstände abgebaut hatte. Mir scheint, dass ist das, was am längsten dauert. Denn der Rest ging wirklich schnell.

Ich habe Nähe auch oft nicht ausgehalten, habe mich aber gleichzeitig danach gesehnt und mich oft sehr, sehr einsam gefühlt. Auch das ist seither anders.

Alles Liebe
Rita
 
Liebe Enai,

Nochmal zum "Widerstand" - der in der Tiefenpsychologie auch "Abwehrmechanismus" genannt wird. Er ist ein Selbstschutz der Psyche, um überlebensfähig zu bleiben. Der "Widerstand" verhindert, dass bedrohliche Erfahrungen und Gefühle ins Bewusstsein kommen. Dadurch dass er sozusagen vollautomatisch funktioniert, hat er natürlich auch Nachteile - weil er Situationen verhindert, die die Erinnerung an bedrohliche Erfahrungen wecken könnten.

ZB. bei der Abtreibungsgefahr : es kann sein, dass Nähe zu einem Menschen die Todesängste wieder beleben würden, die der Embryo erlebt hat. Deswegen weicht man menschlicher Nähe aus. Der Vorteil beim Alleinsein : es ist niemand da, der mein Leben gefährden könnte.

Bei traumatischen Erlebnissen speichern wir in der Regel den Schock als Erinnerung - und nicht den guten Ausgang. Du bist ja nicht abgetrieben worden, es ist für Dich gut gegangen. Eine Frage ist : wie kannst Du das verinnerlichen (dass die Bedrohung vorbei ist, dass Du Nähe überlebst). das ist wie beim Kind, das sich an der Herdplatte verbrannt hat - wie kann es sich überwinden und wieder zum Herd gehen (um die Erfahrung zu machen, dass es sich diesmal nicht verbrennt).

Der Vorgang bei Dir dürfte in etwa sein : es entsteht ein Impuls, etwas zu tun. Da wird Energie aufgebaut. Der "Widerstand" blockiert (weil der Impuls zu etwas führen würde, was mit Bedrohung verbunden wird. Die Energie ist aber schon da. Die wird jetzt im Denken abgebaut - man denkt und denkt, bis die Energie verbraucht ist. Wie wenn man beim Auto aufs Gas steigt - und gleichzeitig auskuppelt). Der Motor heult auf - und der Wagen rührt sich nicht von der Stelle.
 
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(Fortsetzung)

Anscheinend bist Du mit Deiner Therapeutin in eine "Mini-Aufstellung" hineingeraten. Die beiden Teile in Dir kennst Du ja - der eine will etwas tun, der andere bremst. Deine Therapeutin hat anscheinend den Teil übernommen "Jetzt mach schon, tu was". Und Du lebst den Teil "Geht nicht, ich habe Angst, ich bremse". Je mehr Druck - umso größer die Angst - umso stärker der Tritt auf die Bremse.

Zur Angst : Angst ist dazu da, Energien für Höchstleistungen zu mobilisieren, um Lebensgefahren zu entkommen. Es gibt 3 Arten : Angriff, Flucht und Sich-Totstellen. Wenn ein Embryo fühlt, dass er bedroht ist, kann er weder angreifen noch flüchten. Es bleibt nur der Totstellreflex : ich löse mich auf; ich tu so, wie wenn ich gar nicht da wäre. Wenn er nicht abgetrieben wird, prägt sich ein : das Totstellen und Ruhighalten hat mir das Leben gerettet (und behält es als Überlebensstrategie bei). Damit verinnerlicht er aber einen Irrtum : in Wirklichkeit hat nicht das Totstellen ihn gerettet, sondern die Mutter hat die Abtreibung nicht durchgeführt.

Insoferne sind die Vorschläge von Green Tara und Spirit so sinnvoll : Du kannst langsam und in kleinen Schritten verinnerlichen, dass die Bedrohung vorbei ist, dass Lebendigkeit und Nähe zu Menschen nicht mehr Lebensgefahr bedeutet. Wie eine Maus, die zitternd in ihrem Loch sitzt : sich langsam und vorsichtig herauswagen und vergewissern, dass die Katze schon längst weg ist.

Wenn ein Impuls kommt, nicht gleich ganz auskuppeln - sondern den Wagen ein paar Schritte rollen lassen.

Dazu gehört auch : Deine Angst nicht als Feind bekämpfen, sondern ihr wie einem hilfreichen Freund danken. "Du hast mich gut beschützt - und jetzt brauche ich Deinen Schutz nicht mehr. Jetzt lerne ich, auf mich selbst aufzupassen."

Liebe Grüße, Reinhard
 
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