Christoph
Neues Mitglied
Liebe Leser,
ich als Profi in diesem Gebiet habe Anfang der Woche noch mal eine Aufstellung gemacht bei einer Kollegin.
Es war wohl meine bewegendste Aufstellung, die ich bisher erlebt habe. Der Schlüssel lag bei meiner großen Liebe. Die, welche ich seit langem immer gesucht und nie gefunden habe....
Ich möchte hier einen kleinen Text schreiben an sie, die nicht mehr lebt, die nicht leben durfte. Vielleicht liest sie es durch jemand anderen?
ich als Profi in diesem Gebiet habe Anfang der Woche noch mal eine Aufstellung gemacht bei einer Kollegin.
Es war wohl meine bewegendste Aufstellung, die ich bisher erlebt habe. Der Schlüssel lag bei meiner großen Liebe. Die, welche ich seit langem immer gesucht und nie gefunden habe....
Ich möchte hier einen kleinen Text schreiben an sie, die nicht mehr lebt, die nicht leben durfte. Vielleicht liest sie es durch jemand anderen?
Meine liebe kleine Tochter... die Tochter, die nicht leben durfte,
du bist tot und ich lebe. Und ich habe so viele Jahre gewünscht, es könnte anders sein. So wie das Väter nun mal wünschen, wenn die Kinder vor ihnen sterben. Eltern wollen den Kindern Platz machen, damit die das Leben weitertragen können. Ein natürlicher Vorgang. Auch wenn die Eltern noch jung sind.
Ich habe mich lange Jahre schuldig gefühlt an deinem Tod, den ich nicht verhindern konnte. Ich habe von mir verlangt, die Macht gehabt zu haben, das verhindern zu können, damit du bei mir sein kannst und leben. Es ist mir nicht gelungen. Und ich habe zu viel verlangt von mir.
Bei mir wärest du sicher gewesen und geborgen. Du gehörst zu mir, deinem Papa. Ich wäre so gerne für dich da gewesen. Ganz als dein Papa.
Und ich fand: mich trifft keine Schuld an deinem Tod. Schwer einzusehen, dass ich machtlos war und dich nicht retten konnte, dein kleines Leben nicht in meine Hände nehmen und beschützen.
Deine Mama hab ich sehr geliebt, als du entstanden bist. Und sie mich wohl auch. Und dann wurde sie erfasst von etwas Größerem und Mächtigen. Und ich konnte nichts tun. Auch sie habe ich verloren.
Nun bin ich traurig. Aber anders als die ganzen Jahre. Du warst ein wundervolles Kind. Und du wärest jetzt eine wunderschone, 25-jährige junge Frau. Meine Tochter, die ich so lange vermisst habe. Meine Tochter, auf die ich stolz sein könnte. Meine Tochter, die vielleicht schon jetzt selbst Kinder hätte - meine Enkelkinder.
Mensch, was hab ich geheult. Wie lange nicht mehr. Und in diese wunderschönen Kinder-Augen schauen, war wie zerfließen vor Vaterliebe.
Ich hatte und habe so viel Vaterliebe für dich, mein liebes Kind.
Und ich habe nach deinem schlimmen Tod keiner Frau mehr wirklich trauen können. Keiner. Sie haben so viel Macht. Macht über Leben und Tod. Und ich hatte Angst, große Angst, dass so etwas wieder einem Kind von mir geschehen könnte. Angst, dass ich wieder nicht das Leben beschützen kann.
Aber auch jene, die töten, sind eingebunden in etwas Größeres.
Bei mir hättest du leben können, Kleines. Du hast einen großen Platz in meinem Herzen, als mein Kind. Und wenn ich fertig bin mit Leben... dann komm ich auch.
Du durftest nicht leben, weil meine Familie jemandem nicht gut genug war, weil ich vom angeblich "falschen" Vater war. Und du auch. Auch du warst in den Augen jener vom "falschen" Vater. Wie ich. Nicht gut genug für sie, dass du leben durftest. Ich muss das nehmen, so wie du deinen Tod genommen hast. Aus Liebe.
Ich habe zwanzig Jahre und mehr meine Liebe und meine Trauer und meinen Schmerz tief innen fest gehalten. Ich trauere jetzt noch eine Weile. Und dann werde ich dich endlich irgendwie bestatten und dir einen Stein setzen. Mit deinem Namen drauf. Einen, wo ich dich besuchen kommen kann und traurig sein um dich. Und wo ich dann wieder weg gehen kann und dich lassen, damit du ruhig schlafen kannst.
Und dann lasse ich dich ziehen. Zu den Toten... und wende mich dem Leben zu - dir zur Ehre.
Und dann finde ich vielleicht wieder eine Frau, der ich vertrauen kann. Eine, bei der das Leben eine Chance hat.
Und dann wirst du vielleicht noch Geschwister haben, auf die du freundlich schauen kannst.
Und weil du tot bist, bin ich meinen Eltern mehr verbunden. Auch sie hatten den gleichen Schmerz. Auch sie haben ein totes Kind.
Meine liebe kleine Tochter.
Auch wenn du tot bist: in meinem Herzen bist du da.
Dein Papa