An meine kleine große Liebe...

Christoph

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15. Januar 2004
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Kiel, Schleswig-Holstein (D)
Liebe Leser,

ich als Profi in diesem Gebiet habe Anfang der Woche noch mal eine Aufstellung gemacht bei einer Kollegin.

Es war wohl meine bewegendste Aufstellung, die ich bisher erlebt habe. Der Schlüssel lag bei meiner großen Liebe. Die, welche ich seit langem immer gesucht und nie gefunden habe....

Ich möchte hier einen kleinen Text schreiben an sie, die nicht mehr lebt, die nicht leben durfte. Vielleicht liest sie es durch jemand anderen?

Meine liebe kleine Tochter... die Tochter, die nicht leben durfte,

du bist tot und ich lebe. Und ich habe so viele Jahre gewünscht, es könnte anders sein. So wie das Väter nun mal wünschen, wenn die Kinder vor ihnen sterben. Eltern wollen den Kindern Platz machen, damit die das Leben weitertragen können. Ein natürlicher Vorgang. Auch wenn die Eltern noch jung sind.

Ich habe mich lange Jahre schuldig gefühlt an deinem Tod, den ich nicht verhindern konnte. Ich habe von mir verlangt, die Macht gehabt zu haben, das verhindern zu können, damit du bei mir sein kannst und leben. Es ist mir nicht gelungen. Und ich habe zu viel verlangt von mir.

Bei mir wärest du sicher gewesen und geborgen. Du gehörst zu mir, deinem Papa. Ich wäre so gerne für dich da gewesen. Ganz als dein Papa.

Und ich fand: mich trifft keine Schuld an deinem Tod. Schwer einzusehen, dass ich machtlos war und dich nicht retten konnte, dein kleines Leben nicht in meine Hände nehmen und beschützen.

Deine Mama hab ich sehr geliebt, als du entstanden bist. Und sie mich wohl auch. Und dann wurde sie erfasst von etwas Größerem und Mächtigen. Und ich konnte nichts tun. Auch sie habe ich verloren.

Nun bin ich traurig. Aber anders als die ganzen Jahre. Du warst ein wundervolles Kind. Und du wärest jetzt eine wunderschone, 25-jährige junge Frau. Meine Tochter, die ich so lange vermisst habe. Meine Tochter, auf die ich stolz sein könnte. Meine Tochter, die vielleicht schon jetzt selbst Kinder hätte - meine Enkelkinder.

Mensch, was hab ich geheult. Wie lange nicht mehr. Und in diese wunderschönen Kinder-Augen schauen, war wie zerfließen vor Vaterliebe.

Ich hatte und habe so viel Vaterliebe für dich, mein liebes Kind.

Und ich habe nach deinem schlimmen Tod keiner Frau mehr wirklich trauen können. Keiner. Sie haben so viel Macht. Macht über Leben und Tod. Und ich hatte Angst, große Angst, dass so etwas wieder einem Kind von mir geschehen könnte. Angst, dass ich wieder nicht das Leben beschützen kann.

Aber auch jene, die töten, sind eingebunden in etwas Größeres.

Bei mir hättest du leben können, Kleines. Du hast einen großen Platz in meinem Herzen, als mein Kind. Und wenn ich fertig bin mit Leben... dann komm ich auch.

Du durftest nicht leben, weil meine Familie jemandem nicht gut genug war, weil ich vom angeblich "falschen" Vater war. Und du auch. Auch du warst in den Augen jener vom "falschen" Vater. Wie ich. Nicht gut genug für sie, dass du leben durftest. Ich muss das nehmen, so wie du deinen Tod genommen hast. Aus Liebe.

Ich habe zwanzig Jahre und mehr meine Liebe und meine Trauer und meinen Schmerz tief innen fest gehalten. Ich trauere jetzt noch eine Weile. Und dann werde ich dich endlich irgendwie bestatten und dir einen Stein setzen. Mit deinem Namen drauf. Einen, wo ich dich besuchen kommen kann und traurig sein um dich. Und wo ich dann wieder weg gehen kann und dich lassen, damit du ruhig schlafen kannst.

Und dann lasse ich dich ziehen. Zu den Toten... und wende mich dem Leben zu - dir zur Ehre.

Und dann finde ich vielleicht wieder eine Frau, der ich vertrauen kann. Eine, bei der das Leben eine Chance hat.

Und dann wirst du vielleicht noch Geschwister haben, auf die du freundlich schauen kannst.

Und weil du tot bist, bin ich meinen Eltern mehr verbunden. Auch sie hatten den gleichen Schmerz. Auch sie haben ein totes Kind.

Meine liebe kleine Tochter.

Auch wenn du tot bist: in meinem Herzen bist du da.
Dein Papa
 
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Gutenachtgeschichte an mein liebes Kind:

Es hatte eine Mutter ein Büblein von sieben Jahren, das war so schön und lieblich, daß es niemand ansehen konnte, ohne mit ihm gut zu sein, und sie hatte es auch lieber als alles auf der Welt. Nun geschah es, daß es plötzlich krank ward, und der liebe Gott es zu sich nahm; darüber konnte sich die Mutter nicht trösten und weinte Tag und Nacht. Bald darauf aber, nachdem es begraben war, zeigte sich das Kind nachts an den Plätzen, wo es sonst im Leben gesessen und gespielt hatte; weinte die Mutter, so weinte es auch, und wenn der Morgen kam, war es verschwunden. Als aber die Mutter gar nicht aufhören wollte zu weinen, kam es in einer Nacht mit seinem weißen Totenhemdchen, in welchem es in den Sarg gelegt war, und mit dem Kränzchen auf dem Kopf, setzte sich zu ihren Füßen auf das Bett und sprach 'ach Mutter, höre doch auf zu weinen, sonst kann ich in meinem Sarge nicht einschlafen, denn mein Totenhemdchen wird nicht trocken von deinen Tränen, die alle darauf fallen.' Da erschrak die Mutter, als sie das hörte, und weinte nicht mehr. Und in der andern Nacht kam das Kindchen wieder, hielt in der Hand ein Lichtchen und sagte 'siehst du, nun ist mein Hemdchen bald trocken, und ich habe Ruhe in meinem Grab.' Da befahl die Mutter dem lieben Gott ihr Leid und ertrug es still und geduldig, und das Kind kam nicht wieder, sondern schlief in seinem unterirdischen Bettchen.
 
Lieber Christoph,

völlig ergriffen und zu Tränen gerührt habe ich soeben deine Beiträge zu Ende gelesen.

Voller Hochachtung möchte ich dich wissen lassen, das ist ein großes Geschenk an all die Menschen, die diesen Beitrag lesen werden. Nicht nur an diejenigen, die die gleiche schmerzhafte Erfahrung machen mussten. Auch an jene, denen es bevorstehen könnte.

Ich bin zwar Mutter, kann mir jedoch nicht anmassen, in der Lage zu sein, deinen erlebten Schmerz auch nur annähernd nachzuempfinden.

Ich freue mich für dich, dass du Frieden mit deinem Leid geschlossen hast und deine Tochter in deiner unvergleichlich reinen Liebe zu ihr ehrst.

Danke!

Teamo
 
Du schreibst an Deine liebe kleine Tochter: „Auch wenn du tot bist: in meinem Herzen bist du da.“

Wertfreies Andenken sollte es sein, keine persönliche Fessel.

Zitat: „Ich möchte hier einen kleinen Text schreiben an sie, die nicht mehr lebt, die nicht leben durfte. Vielleicht liest sie es durch jemand anderen?“

Möglicherweise wird sie das, falls sie schon wieder inkarniert ist, nur wird sie Dich dann nicht als ihren Vater erkennen, denn dann hat sie den Weg wieder aufgenommen um fortzusetzen was vor 25 Jahren nicht möglich war, unter welchen Umständen auch immer.


Zitat: „Ich habe zwanzig Jahre und mehr meine Liebe und meine Trauer und meinen Schmerz tief innen fest gehalten. Ich trauere jetzt noch eine Weile. Und dann werde ich dich endlich irgendwie bestatten und dir einen Stein setzen. Mit deinem Namen drauf. Einen, wo ich dich besuchen kommen kann und traurig sein um dich. Und wo ich dann wieder weg gehen kann und dich lassen, damit du ruhig schlafen kannst.“


Wenn jemand stirbt, der uns nahe stand oder wie ich bei Dir herausgelesen habe, hätte nahe stehen können, erleiden wir einen persönlichen Verlust und der persönliche Verlust ist die Ursache unserer Trauer.
Es ist m.E. sinnlos alle möglichen Umstände heranzuziehen und Vorwürfe zu konstruieren.
So lange wir Verstorbene nicht in Frieden ruhen lassen, geben oder gönnen wir ihnen keine Ruhe, aus einem gewissen Egoismus heraus, weil wir selbst keine Ruhe finden.

Empfinde dies bitte nicht als persönlichen Angriff, denn es ist nur meine Einstellung zu unserem Totenkult, der sich in unserer Gesellschaft herausgebildet hat, bedingt durch den modernen Unglauben, dass wir angeblich nur jetzt und hier leben.
Gehen wir aber davon aus - und das tue ich - dass mein Leben hier nur eine Episode in der Ewigkeit ist, werde ich so lange im Rad des materiellen Lebens gefangen sein, bis es mir vergönnt ist nicht mehr in die Materie eintauchen zu müssen, es sei denn, ich übernehme freiwillig einen Auftrag, der anderen Geistern, die mir eventuell zu anderer Zeit nahe gestanden haben, weiter zu helfen.

Es ist zwar reine Spekulation, ob dies in Deinem Falle mit Deiner Tochter so war, aber es ist eben meine Sichtweise.
Zumal Du dies zur Diskussion stellst nehme ich an, dass Du auch andere Sichtweisen erfahren möchtest.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Amos
 
@ Jan Amos

Zumal Du dies zur Diskussion stellst

Nein. Ich habe um keine Diskussion gebeten und empfinde deine Worte als Besserwisserei. Sie achten weder meine Tochter noch mich. Du willst meinen Thread und meine Trauer, meinen hier mitgeteilten tiefen Prozess, benutzen um dein fantasiertes Glaubenssystem zu promoten. Ich spüre weder Berührtheit noch Mitgefühl. Solch ein Verhalten kann ich nur emotionalen Vampirismus nennen.

Ich fürchte hier war der falsche Platz für meinen Beitrag.

Wertfreies Andenken sollte es sein, keine persönliche Fessel.

... zeigt neben anderen Bemerkungen, dass du nichts verstanden hast. Gar nichts.

Und ich verbitte mir solches klugschnackendes Moralin an dieser Stelle. Mich interessiert nicht was sein "sollte" (nach wessen Maßstab?). Und ich brauche jetzt keine Belehrung von einem selbsternannten Weisen.

Mich interessiert die Wirkung in der Seele, dieTrauer und die Achtung gegenüber meiner Tochter, die so früh gestorben ist. Und die wollte ich - neben meiner Vaterliebe - mal irgendwo mitteilen. So wie eine Todesanzeige. Denn die hat es nie gegeben.

Ich hatte dir eine längere Antwort geschrieben und bin auf deine Vorwürfe eingegangen. Ich habe meinen Beitrag geändert. Denn dann hätte ich mich zu einer von dir so sehr ersehnten Diskussion nötigen lassen.

Ich empfinde deinen Beitrag als unangemessen.
Er zerstört, was ich wollte. Schade.


@ teamo

Liebe Teamo,

es scheint angekommen und gesehen worden zu sein. Danke.

Liebe Grüße
Christoph
 
Lieber Christoph,
ich bin ganz gerührt über deinen Beitrag und wünsche dir von Herzen, dass sich dein Wunsch nach einer neuen Liebe erfüllt.
Danke dafür, dass du uns deine Erfahrungen hier mitteilst.
Ganz liebe Grüße
Angeline
 
Wenn dem so ist, dann nehme ich meinen Beitrag zurück, aber:

Christoph schrieb:
Nein. Ich habe um keine Diskussion gebeten und empfinde deine Worte als Besserwisserei. Sie achten weder meine Tochter noch mich. Du willst meinen Thread und meine Trauer, meinen hier mitgeteilten tiefen Prozess, benutzen um dein fantasiertes Glaubenssystem zu promoten. Ich spüre weder Berührtheit noch Mitgefühl. Solch ein Verhalten kann ich nur emotionalen Vampirismus nennen.

Ich fürchte hier war der falsche Platz für meinen Beitrag.

Christoph

Nenn es wie Du willst, jedenfalls wollte ich Dir keinesfalls zu nahe treten!

Aber eines möchte ich zu Deiner Antwort doch noch bemerken.
Wer sein Haus an der Straße baut muß damit rechnen, dass der Eine dieses gelungen findet, während der Andere es völlig anders bauen würde.

Und wer ins www geht, dem geht es ebenso!
MfG
J.A.
 
@ Jan Amos

Ich achte, dass du Meinungen hast und behalten willst.

Wenn einer ein Haus an die Straße baut, dann muss er damit rechnen, dass einer etwas meint. Und auch damit habe ich kein Problem, dass du etwas meinst, statt zu erkennen. Es gibt Menschen, die finden Meinen wichtiger als Erkennen.

Wenn ich hier in anderen Zusammenhängen Grundsätzliches zum Familienstellen und Ähnlichem schreibe - dann habe ich kein Problem mit deiner Meinung. Du sollst sie haben und äussern. Jeder soll seine Meinung frei äussern, zumal in einem Forum. Ich kenne welche, da darf man nicht seine Meinung frei äussern. ich achte deine Meinung. Sie ist keine erfahrung.

Und solltest du Recht haben - woher auch immer du das weißt - dann ist es erst recht in Ordnung für mich.

Und wenn einer ein Haus an die Straße baut, muss er damit rechnen, dass ein anderer glaubt, dies sei einzig gebaut als eine Fläche für seine Graffity. Und der wird dann seine Graffity anbringen. Er meint, erst durch seine Graffity, würde das Haus erst sehenswert. Er er hält sein Graffito für unabdingbar. So mancher glaubt, sogar Gott ins Handwerk pfuschen zu müssen und besser zu wissen, wie die Existenz zu sein hat. Wer nicht im Einklang ist mit dem was ist, der meint, er müsse und könne die Welt besser machen als Gott, als sei er bvesser als Gott (was auch immer "Gott" sei).

Aber das austoben an einem frischen Gedenkstein für ein totes Kind? Oder auf dessen nachgeholter Totenfeier?

Mir war es ein Bedürfnis, quasi einen virtuellen Gedenkstein öffentlich aufzustellen. Zum besonderen Angedenken und damit jeder, der vorbei kommt, auf ihm lesen kann.

Aber wer weiß, vielleicht wäre sie so geworden, wie du - eine Sprayerin. Man kann es nicht wissen. Auch Sprayer gehören dazu. Vor etwas Größerem, sind wir alle gleich.

Du hast aber vielleicht meine Signatur gelesen?

Ich danke dir. Ich kann an dir lernen. Auch du hast einen Platz in meinem Herzen.

Ich hatte zuerst daran gedacht, den Admin zu bitten, meinen Thread wieder zu löschen. Ich lasse ihn. Mit Graffity. Meinem Kind zu Ehre.

Christoph



@ Angeline
Liebe Angeline,

Danke dir für deine Worte. Die Suche nach einer neuen Liebe ist momentan nicht im Vordergrund. Mag sein, es gibt noch mal eine Frau für mich. Vielleicht sogar noch ein Kind. Ich kann es nicht wissen.

Liebe Grüße
Christoph
 
Lieber Christoph,

Du bist ein wundervoller liebenswerter Vater und ich kann nicht anders: Ich möchte Dich liebevollst umarmen, denn ich kenne diesen entsetzlichen Schmerz - ich habe meinen Sohn vor 27 Jahren verloren . . . . .

Diese Trauerfeier ist ein wunderschönes Ritual , dem SEIN höchste Ehre und Achtung zu erweisen . . . ein wunderschönes Ritual sich auf Zeit zu verabschieden . . . . . in zeitloser Verbundenheit.

. . . .und ich weine . . . . . .und ich lache . . . . . dies Alles darf SEIN.

Alles Liebe für Dich

in göttlicher Hochachtung

und tiefster Verbeugung

Diana
 
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Hallo Christoph,
vielen Dank für deinen wunderschönen Thead. Ich habe beim lesen ganz leise und friedlich geweint; auch ich bin ein vergessenes Kind, nur leider nicht deines und trotzdem berühren mich deine Worte sehr tief.

Wie Teamo schon geschrieben hat, vielen wird dein Betrag helfen also lasse ihn bitte nicht löschen!!

In Liebe und Dankbarkeit
Chris
 
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