Hi PArs Fortuna!
da Du im Plural von Hardcore-Materialisten sprichst, vermute ich, dass ich auch gemeint bin. Deshalb muss ich Dir widersprechen, denn ich zähle mich nicht zu den Materialisten.
Wie kommst Du darauf, dass ich Dich gemeint habe? Es mag sein, dass Du Dich angesprochen fühlst - okay. Dann freut's mich, dass wir nicht aneinander vorbei reden
. Und um das Risiko zu verringern, hab ich gleich zu Anfang des Threads meine momentane Definition von Prognose formuliert und später dann den polemischen Begriff der Hardcore-Materialisten verwendet und auch erklärt - als semantische Klasse ("Menschen, die die Welt prinzipiell für berechenbar halten"). Das schließt, wie ich dann zusätzlich noch überflüssigerweise ausgeführt habe, weil's offenbar rhetorisch gezielt missverstanden wurde, selbstverständlich nicht aus, dass sehr vieles sinnvoll berechenbar ist.
Andererseits ist es aber so, dass wenn Dir (wer auch immer Du bist) 5 Kilo Materie (was auch immer das ist) aus 2 Metern Höhe (was auch immer das ist) auf Deinen Fuß (was auch immer das ist) fallen (warum auch immer sie fällt), es weh tut (was auch immer Schmerz ist). Solche "Gesetzmäßigkeiten" sind einigermaßen verlässlich, wenn nicht gerade jemand "zufällig" vorbei kommt und meinen Fuß aus der Flugbahn bewegt oder das Gewicht aufhält.
Schönes Beispiel. Wobei die "wenn nicht"-Einschränkung an der "Gesetzmäßigkeit" nichts ändert ... wäre so ein "Zufall" im Spiel, dann wäre der Fall der 5 Kilo Materie im wahrsten Sinn des Wortes ja nicht der Fall, und das Gesetz käme nicht zur Anwendung. In Summe ist es einfach die Beschreibung eines kurzen Gliedes innerhalb einer langen Kette von Ursachen und Wirkungen. Und was willst Du nun damit sagen? Dass die Prognose möglich ist, dass dieses Gesetz zu Tragen käme, wenn die Materie auf meinen Fuß fiele? No na...
Interessanter wird es schon, wenn ich die Zeitspanne zwischen dem Loslassen des 5-Kilo-Brockens in den freien Fall und dem Auftreffen auf meinen Fuß betrachte. Das ist keine "wenn nicht..."-Einschränkung, wie Du sie oben formuliert hast, sondern eine andere Sicht auf das Problem. Dein Gesetz gilt nämlich nur dann, wenn die Materie
tatsächlich auf den Fuß fällt... und dass sie das tut, ist im Moment des Fall-Beginns nicht ausgemacht und nicht prognostizierbar. Es ist allenfalls wahrscheinlich. Ich muss nicht ausführen, was alles dazu führen kann, dass das Gewicht den Fuss nicht trifft. Genau hier erhebt die Ereignisprognose (die ich den Hardcore-Materialisten untergejubelt habe) aber den Anspruch, Vorhersagen machen zu können, die über Wahrscheinlichkeiten hinausgehen.
Du benutzt im Alltag doch auch bestimmte Begriffe für bestimmte Dinge. Wenn man von einem Tisch spricht, hat jeder Mensch eine andere Vorstellung vom genauen Aussehen. Aber jeder, der diesen Begriff gelernt hat, wird sich eine Platte mit drei oder vier Beinen darunter vorstellen. Wenn man dann einen Tisch mit der Beinlänge=0 immer noch als Tisch bezeichnet, werden sich die anderen wundern, warum man das nicht als "Platte, die auf dem Boden liegt" bezeichnet.
Okay, klar. Was willst Du damit sagen im Kontext dieser Diskusssion?
Visionen mögen ja ganz nett oder auch persönlich hilfreich sein, wenn man sie aber nicht in Worte fassen kann, wird es ziemlich schwierig, sie jemandem mitzuteilen. Wenn man sie dagegen begrifflich fassen kann, sind sie auch mitteilbar und überprüfbar. Dichter versuchen z.B. die unsagbaren Einsichten auszudrücken, Astrologen sollten schon etwas konkreter sein.
Inwiefern ist eine Vision überprüfbar? Setzt Du hier Vision mit der Prognose faktischen Geschehens gleich? Eine Vision ist für mich ein geschautes Bild, das einfach seine Eigenberechtigung hat, die sehr vielschichtig sein kann. Und die als Vision gültig ist, unabhängig davon, ob irgendwann mal irgendwas diesem Bild gleicht. Eine Vision ist eine Vision ist eine Vision... und vor allem: Ich würde Astrologie in keinerlei Hinsicht mit einer Vision identifizieren. An dieser Stelle bin ich auch Berechner: Wo Astrologie künftige Zeiträume betrifft, tut sie das auf der Basis errechneter astrologischer Kontexte und auf der Basis derselben Deutungsvariablen, die auch für die Betrachtung vergangener und gegenwärtiger astrologischer Bilder gelten.
Pragmatischer, zum Beispiel Wetterbericht: Der ist anhand des eintretenden Wetters überprüfbar. Und Menschen, die an Wetterprognosen interessiert sind, wollen sicherlich nicht Visionen, sondern klare Orientierungshilfen. Für den Sonntagsausflug oder für die Entscheidung, wieviele Gallonen Sprit der Flieger tanken soll. Bei stabilen Wetterlagen sind klare Wetterprognosen zuverlässig. Bei labilen Wettersituationen sind sie, je lokaler sie angelegt sind, umso unzuverlässiger. Dennoch bieten sie, wenn sie in ihrem Kontext richtig eingeschätzt werden, gute Entscheidungshilfen. Genau das erwarte ich mir von der Astrologie - dass sie die Rahmenbedingungen ihrer Prognosen mitformuliert, ihre Verlässlichkeit selbstkritisch bewertet. Und da scheiden sich nun offenbar die Geister - hier jene, die wackelige Prognosen praktisch ausschließlich auf Rechen- und Interpretationsfehler oder sonstige methodische Unzulänglichkeiten zurückführen und hier jene, die Ereignisprognosen auf dem Boden des deterministischen Chaos allenfalls als Bandbreiten von Ereignishorizonten denken mögen. Und ja, es ist ja überprüfbar ... der Zahl von begeistert kolportierten Treffern astrologischer Prognosen steht die verschämt undokumentierte Zahl der danebengegangenen Vorhersagen gegenüber. Was, ums nochmal deutlich zu sagen, für mich keine Argument gegen Astrologie ist, sondern nur eines gegen den Anspruch, die Qualität astrologischer Arbeit am Eintreffen von prognostiziertem Geschehen zu überprüfen.
Man braucht in der Astrologie ein definiertes Vokabular, das nach einer bestimmten Grammatik benutzt wird, damit man zu brauchbaren Ergebnissen kommt. Das hat nichts mit Materialismus zu tun.
Einverstanden. Wobei es nicht ein einziges Vokabular sein muss. Und keine bestimmte Grammatik, sondern eine funktionierende, eine viable in der Nomenklatur der Konstruktivisten. Und da sind dann durchaus auch Systeme möglich, die dem philosophischen Materialismus nahestehen und andere, die anders fundiert sind. Über die Brauchbarkeit der Ergebnisse bestimmen dann die, die die Ergebnisse brauchen. Wenn ein Klient harte Fakten vorhergesagt haben möchte, wird er sich einen Astrologen suchen, der ihm das bietet, und dann zeigt sich's ja. Wenn ein Klient jemand konsultiert, der ihm Abschnitte seiner persönlichen Entwicklung im Licht astrologischer Kontexte vermittelt und auf dieser Basis Handlungsoptionen vermehrt, wird seine weitere Entwicklung zeigen, ob das brauchbar war oder nicht.
Ich hab schon oft und oft die Berechnungsfraktion eingeladen, mich hinsichtlich ihrer Deutungskompetenz und meiner Skepsis bezüglich konkreter Ereignisdeutungen eines Besseren zu belehren, und ich tu's hier wieder: Meine Geburtsdaten stehen im Profil. Wer sagt mir, von welchem Ereignis ich am 16. August 2009 um 0:15 Uhr in Graz/Innenstadt betroffen war?
Jake