Sternengeburt

Alyson

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Sternengeburt

Ein Märchen über die Geburt eines Sternes auf der Erde. Aus der Tiefe der Seele geschrieben von Christinane Mehrer.
Wenn du nachts schon einmal den Sternenhimmel betrachtet hast, kennst du sicher den "Großen Wagen". Mitten drin saß einst ein kleiner Stern, von dem ich dir erzählen will.
Dieser kleine Stern leuchtete wunderschön. Er war schon weit gereist durch´s große All und hatte viele Planeten in den verschiedensten Farben besucht, aber nirgends gefiel es ihm so recht, dass er immer weiter zog, bis er irgendwann , vielleicht war´s erst gestern, den "Großen Wagen" traf.
"Oh", so etwas Wunderschönes hatte er noch nie gesehen, ein Sternenwagen, der am Himmel seine Bahnen zog. Er fragte ihn, ob er ein Stück mitfahren dürfe. Der "Große Wagen" hatte nichts dagegen, denn es kam selten ein Stern vorbei, der noch frei und ungebunden umherreisen konnte.
So setzte sich der kleine Stern in die Mitte des "Großen Wagens". Die beiden hatten viel Spaß, gemeinsam über den Himmel zu ziehen. Sie erzählten sich ihre Erlebnisse und der kleine Stern hörte aufmerksam zu, als der "Große Wagen", von seinen Fahrten, seit unendlichen Zeiten, um die Erde berichtete. Der kleine Stern wurde immer neugieriger und bat den "Großen Wagen" ihm noch mehr über diese kleine blaue Kugel zu erzählen. Worauf der "Große Wagen" zu ihm sagte, er solle sich gut festhalten und ruhig sitzen bleiben. Er werde ihm alles zeigen.
Vorsichtig beugte sich der kleine Stern über den Rand des "Großen Wagens" und blickte zur Erde hinab. Jetzt erst, nach näherem Betrachten erkannte er, duch das leuchtende Blau, die großen Meere, riesige Gebirge mit schneebedeckten Gipfeln und einem Regenbogen in den leuchtendsten Farben, die du dir denken kannst.
Der Kleine Stern war wie verzaubert und dachte bei sich, dort muß ich hin. Er überlegte, wie er es wohl anstellen könne, um auf diese Erde, vielleicht einen dieser schneebedeckten Gipfel , zu gelangen und setzte sich schon zum Sprung in die Tiefe an.
"Halt!" schrie der "Große Wagen", "wenn du springst, wirst du verglühen."
Er hatte nämlich bemerkt, was der kleine Stern sich wünschte. Er sprach zu ihm: "Wenn du auf dieser Erde leben möchtest, dann schlaf ein. Du wirst in deinem Traum verschiedene Klänge hören, folge dem, der dir am besten gefällt. Er wird dich über en Regenbogen sicher auf die Erde geleiten."
Der Kleine Stern bedankte sich bei seinem Freund, dem "Großen Wagen", legte sich in ihm nieder und schlief ein. Es geschah , wie der "Große Wagen" ihm sagte. Er hörte die verschiedene Klänge. er lauschtem, in deren Schönheit vertieft und gespannt, welcher von allen wohl sein Klang sei, als er plötzlich aus weiter Ferne ganz zart und leise einen, in unbeschreiblicher weise, lieblicher Klang vernahm. Da wußte er sofort, das war sein Klang.
Er stand auf, ging in die Richtung, aus der er den Klang vernahm. folgte ihm und wurde durch und durch erfüllt von dem Klang, bis er Eins war mit ihm und über den in all seinen Farben leuchtenden Regenbogen auf die Erde glitt. Ganz benommen von diesem Klang- und Farbenrausch fing er an, langsam zu erwachen. Was war geschehen? Wo befand es sich? Ein warmes Gefühl von Geborgenheit machte sich um ihn herum breit. Explosionsartig verspürte er Wachstum, weiche runde Formen wahrzunehmend. Er war nun kein Himmelkörper mehr, sondern ein kleines zartes, weiches Wesen , in einer von gedämpften Licht durchfluteten, es mit warmen Wasser einhüllenden Höhle. In glückseliger Stille schlief es ein.
In den folgenden Tagen und Wochen nahm es zunehmend menschliche Gestalt an. Es fühlte sich sehr wohl, in diesem mit weichen, warmen Wänden ausgestatteten Wasserhöhle. die es sanft hin und her bewegte.
Es entsann sich der schneebedeckten Gipfeln und tiefen Meeren. Wo waren sie geblieben? Wie konnte es aus der Höhle heraus, zu ihnen gelangen? Es wußte, es müssen Monate vergehen. In diese Träumereien versunken und im Wasser schwebend wurde es plötzlich durch erregtes Stimmengewirr aufgeschreckt, beängstigende Gefühle des nicht Willkommenseins durchdrangen den Raum. Die Wände der Höhle zogen sich zusammen, wurden eng, es bekam kaum noch Luft, ein stechender Schmerz schoß duch seinen winzigen Körper. "HILFE". Seine Lippen gehorchten ihm nicht, einen Laut zu formen. Er wäre wohl auch nicht zu hören gewesen, in der Tiefe dieser mit warmen Wasser gefüllten Höhle.
Aufgeregt schnappte es nach Luft, schubweise kam sie bei ihm an. Plötzlich Stille, es konnte wieder atmen, doch nun machte sich ein Gefühl von unendlicher Traurigkeit breit.
Es spitze die Ohren, vernahm leise, verzweifelte Stimmen. Es ging um ihn! Es hieß, es sollte nicht auf Erden bleiben, man wollte es los werden, wieder zurückschicken. "NEIN!" Entsetzt packte es. "Das geht doch nicht, ich muß doch noch alles erkunden, auf die schneebedeckten Gipfel gehen, ins tiefe Meer eintauchen! NEIN!, ich will bleiben!"
Erschöpft schlief es ein. So hatte es sich das Leben nicht vorgestellt. Wo waren die leuchtenden Farben, die zarten Klängen das freudige Lachen? Ungewißheit schlich sich ein. Konnte es in der Höhle bleiben?
Tage des Bangen verstrichen, manchmal vernahm es leises Weinen. Es durfte nun doch bleiben.
Monate vergingen, das kleine Wesen wuchs, wurde immer größer, bis es die Höhle mit seinem Körper ausfüllte und kein Platz mehr war, Arme und Beine auszustrecken. Nun war es Zeit, diesen Ort zu verlassen. Aber wie diese Höhle öffnen? Vielleicht kam wieder ein Klang, der ihm den Weg wies? Und so schlief es ein, um den Weg nach außen zu finden.
Unsanft von bebenden Wänden umgeben, erwachte es. Die es umgebende, mit Wasser gefüllte Hülle zerplatzte und das Wasser floß duch ein kleines Licht in der Wand davon. Der Sog des Wassers zog es in die Öffnung, die sich langsam, duch den Druck des Gewichtes vergrößerte. Mühevoll zwang es sich durch einen engen Tunnel hinaus ins Licht, Zwei große Hände nahmen es am Ende des Tunnels in Empfang und hielten es in der Luft. "Ein Mädchen!" hörte es eine freundliche Stimme rufen.
Es war plötzlich so kalt um sie herum, gleißendes Licht schimmerte duch ihre geschlossenen Lider. Die sie haltenden Hände ergriffen ihre winzigen Füße, hoben sie daran hoch, ihr Körper baumelte in der Luft, nun verspürte sie einen Schlag auf dem Po, ihr Mund öffnete sich, Luft drang brennend in ihre Lungen, sie hörte sich schreien. Scharfe Gerüche drangen in ihre Nase.
Die Menschen um sie herum machten zufriedene Gesichter. Zitternd vor Kälte, dieses ungehörigen Empfangen, legten die , sie nun wieder haltenden Hände, sie sanft, endlich, auf ihrer Mutter Bauch. Warme Hände umfaßten ihren kleinen bebenden Körper, strahlende Augen trafen ihren ersten Blick. Erschöpft und verschreckt war sie nun angekommen mitten ins Leben dieser Welt.
Das kleine Mädchen wuchs heran und begann die Welt zu entdecken. Sie fand ihre Freunde draußen in der Natur. Da war der nahe Fluß, der das schwere Mühlrad mit., oft fürchterlichen, Getöse drehte und wegen seiner vielen Arbeit oft nur wenige Zeit für sei hatte; die riesige Weide, die ihre Traurigkeit verstand und eine uralte Eiche, die immer einen Rat wußte.
Sie erinnerte sich noch oft ihres Daseins als kleiner Stern , ihrer Reisen in ferne Galaxien, ihrer Begegnung mit dem "Großen Wagen", ihrer Reise auf die Erde und der Traurigkeit, die sie schon so früh kennengelernt hatte. Als sie den großen Menschen von ihren Erlebnissen erzählte, wurde sie der Lüge beschimpft, man schenkte ihr keinen Glauben.
In welcher Welt war sei geboren???
Sie hörte oft Worte, wie "glückliche Kindheit".
War es Glück, was sie erlebte?
Keiner der Menschen wollte etwas davon wissen . So verschloß sie ihr Glück tief in ihrem Herzen und die Traurigkeit wuchs. Nur manchmal, wenn sie auf ihrer Schaukel saß, kraftvoll die Beine ausstreckend, den Oberkörper weit nach hinten gebeugt mit im Winde wehenden Haar, auf der Schaukel empor schwang und bis in den Himmel flog, war die Traurigkeit kein Thema mehr.

Alyson
 
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