Ja, meine Lieben - meine aufrichtige Anteilnahme!
Auch ich mußte von Menschen, die ich sehr geliebt hatte, Abschied nehmen. Meine beiden Großmütter und 1 meiner beiden Großväter sind praktisch "neben mir", im Bett, das im selben Zimmer stand "eingschlafen". Bei uns war es damals noch üblich, daß der/die Sterbende auch nachts nicht allein gelassen wird. Ich war erst 8 Jahre alt und war halt auch "eingeteilt" dazu, die eine und andere Nacht im selben Zimmer (auch schlafend) "zu wachen". Jede der beiden Großmütter war nachts gestorben, während meines Nacht-Wachdienstes. Im Wachzustand haben wir übers Leben und übers Sterben gesprochen. Meine Großeltern mochten mich ja sehr. Wenn ich mich recht zurückerinnere, war das Sterben NICHT traurig. sie sagten mir immer, daß es wohl bald soweit sein wird, ...in den nächsten Stunden. Jede Großmutter gab mir sehr viel Lebensmut mit, sie freuten sich, daß der kleine Bub bei ihnen wacht. Sie waren (unabhängig voneinander) mir gegenüber recht humorvoll (relativ) und wünschten mir oft und oft alles Gute für mein Leben dann, auch als "Erwachsener"! Eine der beiden Omas wünschte mir GANZ GANZ VIEL Glück und "alle Segnungen" dafür, weil ich doch sosehr auf sie "aufpasste". Sie hielten mich immer GANZ fest an der Hand, sie hatten soooo viel Kraft in ihren Händen, obwohl sie im Sterben lagen. Ich erinnere mich daran ganz genau.
Mein Großvater (99 Jahre + 10 Monate) war tagsüber, auch neben mir, verstorben, da war ich 25, auch er ist friedlich hinüber geschlafen, plötzlich merkte ich, daß er nicht mehr atmet...! Da war ich bereits "geübter", es war sehr berührend und traurig, aber die Verabschiedung zog sich in allen Fällen immer über mehrere Wochen hin, ich könnte sagen, daß wir ALLES (bzw. viel) "gesagt" (ausgesprochen) hatten, ...was "drüben" sein wird ...und daß ich mein Leben halt noch VOR mir habe...!
Eine weitere Frau hohen Alters, die damals bei uns wohnte (sie pflegte ihrerseits meinen Urgroßvater, den ich nicht mehr kannte), starb ebenfalls während meiner Anwesenheit. Ich habe sie als GANZ liebes, zartes, gepflegtes, altes Fräulein in Erinnerung, die mich (nicht nur aufm Sterbebett) mit Glückwünschen für mein Leben überhäufte. Auch an ihre Kraft in den Händen erinnere ich mich sehr genau.
Auch der Abschied von meinem Vater, dessen ganzer Stolz ich war, war nicht abrupt, ...aber auch nicht wochenlang. Nach einem Gehirnschlag mit über 80 Jahren verstarb er im Krankenhaus. Wir hatten aber bereits im Leben über Leben, Krankheit, Sterben und Tod geredet. Die Stimmung dabei war nie traurig, wenn auch sehr berührend. Das tat aber der Tatsache keinen Abbruch, daß dann der Tod doch GANZ schmerzhaft ist und diese Trauer auch sehr lange anhielt. Meine Mutter starb in meinen Händen. Sie liebte mich übers ganze Leben, sie war überaus und über Gebühr streng und wollte mich halt vor allen Gefahren warnen und schützen, damit mir ja nix passiert. Das Sterben meiner Mutter in meinen Armen/auf meinem Arm war für mich ein außergewöhnliches Erlebnis, Mutter hatte sich verabschiedet und mir zu erkennen gegeben, daß es nun soweit sei! Dann reagierte sie nicht merh auf meine Worte, sie hielt mit großer Kraft meine Hand als wolle sie sich abstoßen um über eine Tür-Schwelle ins ewige Paradies zu gelangen. Das dauerte einige Minuten (Stunde?), vormittags halt. Mutter hatte ein schönes, natürliches Gesicht und eine glatte Haut, ich küsste sie hinüber...!
Obwohl es ganz natürliche Abschiede waren, ist der Moment des Abschiednehmens sehr traurig und die Erinnerung auch heute noch überaus berührend. Ich schäme mich nicht, zu weinen - im Gegenteil, manchmal fördere ich das sogar, denn es ist auch SEHR gesundheitsfördernd.
Ich habe noch sehr viele Sachen von meinen Eltern, habe auch sehr viel entsorgt, aber die Sachen, die ich noch habe, geb' ich NICHT mehr her! Vaters Fahrrad, Mutters Kredenz (zB.), ...und vieles mehr, alles trägt sooo viel Kindheits- u. Lebensgeschichte/-erinnerung in sich. Ja, heute ist mir sogar um viele Sachen leid, die ich damals mangels Wertschätzung entsorgt hatte. Weil meine Wertschätzung massiv zugenommen hat. Alleine, wenn ich denke, was mein Vater alles für das Haus seines Buben getan und geleistet hat -obwohl er sich sehr schwer getan hat- fließen mir heute noch die Tränen ganz massiv. Damals hatte ich nicht die gleiche Wertschätzung wie "heute", früher hatte ich eher das Gefühl, daß alles eigentlich "weit mehr" sein könnte, Dankbarkeit, Demut usw. haben heute eine ganz andere Intensität als in "jungen Jahren". Für die heutigen "Jungen" wird/kann es nicht viel anders sein - man ist ins Leben eingespannt, will halt "moderne" Sachen, ...bis einen die Wertschätzung "einholt"...!
Das Sterben, der Tod, sind für mich keine Angstthemen, habe sehr viel gelesen, studiert, und "live" richtig erlebt - aber ich zähle Sterben und Tod zu den einzig intensivsten Erlebnissen, nach Geburt, Heirat, Kinder kriegen... auf der Erdenwanderung des Menschen. Je tiefer, intensiver die Trauer, desto gestärkter geht man daraus hervor.
Ich denke, Sterbende wollen KEINE traurigen Angehörige, ich denke, Sterbenden geht es besser und sind beruhigter, wenn der (noch) lebende Mensch an ihrer Seite VOLLER Zuversicht und Leben ist - sodaß er/sie sich verlassen kann, daß dieser Mensch neben ihr/ihm auch OHNE ihn/ihr weiterleben kann, das Leben VOLL meistert.
Mit dem Sterben: Gott bereitet JEDEM Menschen ein einmaliges, individuelles und UNWIEDERHOLBAR persönliches Ereignis!
Ich lebe SEHR GERNE und wünsche mir ein GANZ HOHES Alter und bin mir bewußt, daß ich (trotzdem) JEDERZEIT bereit zu sein habe, ...wenn mich Gott "an den Tisch des Herrn lädt".
Ich wünsche ALLEN viel Kraft, Vagabondo