Meine Vorfahren waren (keine) Nazis

Ich möchte da nicht allzuweit in Einzelheiten reingehen, ich hatte es ja auch schon mal erzählt hier.
Ich hatte das aufgedeckt durch eine Familienaufstellung, bei der das herauskam. Hinterher wurde dies dann durch Recherche mit Fakten bestätigt.
Die Folgen für unsere Familie waren sehr traumatisch, diese existentiellen Traumatisierungen waren auch der Grund, warum ich die Aufstellung gemacht hatte.
Von plötzlichem Tod in jungen Jahren in der Elterngeneration (also den Kindern meines Großvaters, mein Vater und seine Geschwister) bis PTBS, Drogensucht und Arbeitsunfähigkeit auf der Enkelseite bei uns.
Die ganze Familie väterlicherseits, ist einfach kaputt, unheilbar zerstritten, es ist viel Gewalt und Verzweiflung da.

Es ist wenig erforscht, aber wo es erforscht wurde, zeigte sich, dass die Nachkommen der Täter, auch wenn sie nichts davon wussten, ebensolche PTBS Symptome haben (können) wie die Nachkommen der Opfer und auch genauso schlimm.
Bei uns war das so. Da NICHTS Verschwiegenes wirklich geheim bleiben kann in einer Familie und alles, was jemand nicht aufgearbeitet hat für die nächste Generation Folgen hat, versuchen KInder von Tätern oft unbewusst, die Eltern zu retten, in dem sie die Schuld übernehmen und sie tragen, das Geschehene tragen.
Das nennt sich transgenerationale Weitergabe von Traumata, weil dieser Vorgang der unbewussten Übernahme sie selbst traumatisiert.
Das richtet unglaublich viel Chaos und Belastung in ihnen an, und in unserer Familie war es mein Vater, der das übernommen hat. Dafür wiederum, weil auch das sich unbewusst dem Täter mitteilt, hat mein Großvater meinen Vater auch noch schwer misshandelt, die andern Geschwister nicht, weil das seine Abwehr war.
Mein Vater hat z.B. während seines Medizinstudiums ziemlich schlimme Flashbacks gehabt mit vielen Toten, Panik, und wusste nicht woher das kam.
Das ist also alles recht kompliziert, die Lehre ist für mich aber, niemand entkommt den Folgen solcher Taten, auf beiden Seiten.
Ich diskutiere das auch nicht, falls jetzt einer mit Kritik an Familienaufstellungen kommt.

Insofern, ich hatte im Kopf ziemlich schnell klar, dass ich es nicht war, aber fühlte mich dennoch schon vor der Aufdeckung immer belastet (zusätzlich) mit Schuldgefühlen, Negativität und dem Gefühl, irgendwie kein Recht auf Leben und Glück zu haben. Und erst recht, wenn man anfängt, über die Opfer nachzudenken, aber auch ohne.
Ich weiß nicht, ob es verarbeitet ist.

Du kannst dafür gar nichts, Du hast jedes Recht auf Glück und Leben. Du hast überhaupt keine Schuld an all dem.

Aber ich weiß, wie schwer es ist, diese Dinge bei denjenigen zu lassen, zu denen sie eigentlich gehören.
 
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Manchmal glaube ich, daß ich die Sorge um den Bruder geerbt habe. Daß ich deswegen so viel für meinen psychisch kranken Bruder tue und mich kümmere und auf keinen Fall sterben lassen will.
Meine Oma musste ihren Bruder zurücklassen, sie war 14, sie waren beide schon auf der Rampe Richtung Auschwitz, wohin sie von ihrem KZ, wo sie waren, transportiert werden sollten. Ihrem Bruder haben die SS Leute in die Füße gestochen, er konnte kaum gehen und hat sich auch nicht getraut, von der Rampe zu springen und wegzulaufen. So ist nur ihr die Flucht gelungen, auf der Rampe hat sie ihn das letzte Mal gesehen. Sie hat sich lange nicht getraut, es ihrer Mutter, die versteckt war, zu erzählen.
 
Ich denke halt, wenn ich jetzt Enkeln von Holocaust-Opfern gegenüber säße, dann würden wir, was dieses Thema angeht, sehen, ich leide wie du leidest oder zumindest ähnlich.
Und dann wäre das Aussteigen aus der Täter-Opfer-Kausalkette möglich. Dann geht es nicht mal mehr um Verzeihen, sondern nur noch um gemeinsame Trauer, als Menschen.
Es ist aber so, es muss eine Art Zusammenbruch auf Täterseite geben, ohne das geht es wahrscheinlich nicht, und das greift natürlich auch nicht in derselben Generation, sondern erst ein bis eher 2 Generationen später.
Ich habe allerdings keine Zweifel, dass es oft so läuft, dass dieser Zusammenbruch leider nicht kommt, oder zumindest die bewusste Einsicht und Reue. Sondern dass Härte von Generation zu Generation weitergegeben wird.

:(
 
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Es ist aber so, es muss eine Art Zusammenbruch auf Täterseite geben, ohne das geht es wahrscheinlich nicht, und das greift natürlich auch nicht in derselben Generation, sondern erst ein bis eher 2 Generationen später.
Ich habe allerdings keine Zweifel, dass es oft so läuft, dass dieser Zusammenbruch leider nicht kommt, oder zumindest die bewusste Einsicht und Reue. Sondern dass Härte von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Du kannst nicht dafür! Lass die Töter ( und auch Die Täter) im deinem Inneren begraben werden, auf immer. Das kann man selbst bestimmen. Alles Gute!
Ach, ansonsten es könnte so passieren:

Eine selbsterfüllende Prophezeiung (engl. self-fulfilling prophecy) ist eine Vorhersage, die ihre Erfüllung selbst bewirkt. Eine Prognose über eine mögliche Zukunft hat also einen entscheidenden Einfluss und ist die wesentliche Ursache dafür, dass diese Zukunft auch eintritt.

Ein wesentlicher Mechanismus ist: Menschen (oder allgemeiner Akteure) glauben an die Vorhersage. Deswegen agieren sie so, dass sie sich erfüllt. Es kommt zu einer positiven Rückkopplung zwischen Erwartung und Verhalten.

Lass es los, das ist möglich!
 
Meine Vorfahren waren keine Nazis. Der Vater meiner Mutter hatte einen Taxibetrieb in einer Kleinstadt in NRW.
Die Autos wurden ihm abgenommen, er und zwei Angestellte mußten kleinere Militärobere im Krieg chauffieren.
War zwar auch Scheiße, aber wenigstens mußten sie dadurch nicht mit der Waffe kämpfen und Menschen töten.

Der Vater meines Vaters hatte den größten Bauernhof eines Dorfes in NRW und mußte/durfte zur Versorgung der
Bevölkerung dableiben. Von den drei Söhnen waren zwei im Krieg und in Gefangenschaft, mein Vater war zu jung.
Meine Vorfahren waren katholisch. Das steht dem Nazisein und diktatorischem Großfressentum generell entgegen.

Es gibt Erzählungen dramatischer Szenen, etwa wo einer aus dem Dorf meinen Opa erschießen wollte, weil er
Feinden Essen gegeben hatte und von Bombeneinschlägen im Wasserschloß, wohin die Leute sich geflüchtet
hatten, weil es dort massive Keller zum Schutz gab und einige Stories mehr von praktischer Hilfsbereitschaft.
Und als im Oktober 43 Kassel brannte, haben sie den roten Himmel bis dorthin gesehen, 50 Kilometer entfernt.
 
Meine Vorfahren waren keine Nazis.
Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Nach dem Krieg aber war sicher alles anders.
Damals ist meine Mutter in die Volksschule gegangen, überall hingen Hitlerbilder, das Hören von Feindsendern und das Erzählen von Hitlerwitzen war bei Todesstrafe verboten. Was macht das mit einem kleinen Kind?
Es haben alle (meine Vorfahren) sehr unter dem Hitlerregime und dem Zweiten Weltkrieg gelitten. Meine Großeltern wurden aus ihrer Heimat vertrieben, sie hatten Glück, dass sie nicht den Brünner Todesmarsch mitmachen mussten. Nicht nur dass sie nichts Wertvolles mitnehmen durften, auch ein geschmuggeltes Sparbuch durfte in Österreich nicht eingelöst werden.
Meine Großeltern haben das eher lapidar hingenommen, da mein Großvater noch eine passable Rente bekam, die auch in Österreich ausgezahlt wurde.
Meine Mutter hat das nie verwunden und immer noch, auch lange nach der Pensionierung, vom Leben früher am Bauernhof erzählt.
Mein Vater hat sich anfangs gefreut, als er zum Militär eingezogen wurde (sicherer Job etc.), das hat sich aber bald geändert.
Anfangs ist er noch gemütlich mit dem Pferdewagen spazierengefahren und hat Lebensmittel und ähnliches transportiert.
Kurz nach der Einberufung gings allerdings gleich nach Russland (da wurden Leute benötigt) und seine Einheit wurde gleich nach einer Flussüberquerung von den Russen gefangengenommen.
Und da war er lange Zeit, er gehörte zu den Spätheimkehrern.
War also länger als 10 Jahre in Kriegsgefangenschaft als Zwangsarbeiter.
Sicher nicht lustig....
 
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Ich kann nicht wirklich 100% sagen, wie sie jeweils gedacht haben.

Habe nur meine Großtante aus Deutschland wirklich kennen gelernt, die allerdings die "Oma" war, teilweise weil die wirkliche Großmutter tot war, und teilweise weil sie zuvor auch meine Mutter aufgezogen hatte. Ich bin mir nahezu sicher, dass sie kein Nazi war, eine überzeugte durchgängige CDU-Wählerin und engagiert katholisch (passt sehr klar zur Zentrumspartei zuvor). Kann mir aber vorstellen, dass sie bei der Saarabstimmung für Deutschland abstimmte, weiß es aber nicht wirklich, aber weil sie sicher nicht die SPD gewählt hat :p, ist das ziemlich wahrscheinlich... War Lehrerin und wurde dazu genötigt etwas für die Nazis zu tun, da sie freiwillig nicht auf die Idee kam das zu tun. Hat dann wohl irgendwas mit jungen Mädchen gemacht. Weiß nicht ob das mit "Bund deutscher Mädel" zu tun hatte oder nicht. Sagte mir mal, dass sie nicht wussten, dass da wirklich Juden ermordet werden. Kann nicht beurteilen ob das wirklich subjektiv so der Fall war (aber waren jedenfalls nicht so viele Juden im Saargebiet wohnhaft). Auch keine Widerstandskämpferin sicherlich. Versucht da normal zu existieren, sich herauszuhalten, würde ich sagen.

Von meiner eigentlichen Großmutter, die ich nie kennengelernt habe ist mir politisch überhaupt nichts bekannt.
Verlor ihren Mann noch im Krieg (verschollen) und gab das Baby (= meine Mutter) ihrer Schwester. Meine Mutter hatte aber schon noch mit ihr zu tun. Politische Position unbekannt, und vermutlich ziemlich unpolitisch.

Dem Großvater wurde glaube ich durch die 2 Schwestern (unter anderem) oben empfohlen in die SA einzutreten, um einen Job zu bekommen, was klappte (Eisenbahn). War dann Funker im Krieg gegen die Sowjetunion an der Ostfront. Schrieb in Briefen, dass die Leute (Zivilisten wohl) dort nicht so schlimm wären, wie behauptet, wenn ich das nennen kann, was ihn vielleicht entlastet. Sah meine Mutter nur einmal, und irgendwo in Rumänien, wenn ich mich korrekt erinnere, verliert sich dann die Spur. Schwer zu beurteilen was da alles konkret an der Front passierte, und was er von Hitler usw. hielt. Selbst meine Mutter kannte ihn ja nicht. Und meine eigentliche Großmutter erlebte ich ja ebenfalls nicht. Eigentliche politische Position unbekannt, was konkret an der Front passierte auch unbekannt... De facto aber in der SA (nachdem Hitler schon an der Macht war) natürlich.

Die dritte Schwester (der beiden oben) war Krankenschwester auf dem Russlandfeldzug, wurde von den Sowjets gefangen genommen, vergewaltigt, hat aber einem Kommandeur was vorgespielt und konnte das zur Flucht nutzen. Soweit gehört, wurde bei der Flucht einem Soldaten in die Eier getreten... Die hatte noch gelebt, aber habe sie nur als kleines Kind gesehen, und sonst keinen Kontakt gehabt. Das ist jedenfalls die verrückteste Story, die ich kenne.

Von den Verwandten des Großvaters weiß ich nichts. Meine Mutter hatte mit denen noch leichten Kontakt. Ich kenne da nicht einmal die Namen. Kenne daher sozusagen niemanden außer meiner Mutter und meinem Bruder, die meinen Nachnamen tragen. Habe nicht den meines Vaters, weil die nie verheiratet waren. Daher auch unklar, inwieweit die nun Nazis waren, oder nicht.

Großeltern in Pantelleria waren nicht als Soldaten im Krieg für Italien. Uropa war ein aktiver Kommunist, die anderen wohl nicht politisch genug, dass ich jemals von deren Positionen durch meinen Vater gehört hätte. Alle nicht kennen gelernt, weil bereits verstorben.
 
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