Lance Armstrong - Ein Nachruf

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Aber es ist ein System.
Armstrong war nur Teil eines Systems.
Das System ist krank, nicht der Einzelne.

Und genau das ist das Erschreckende. Ich habe bis jetzt naiver Weise immer angenommen, dass jeder einzelne Sportler für sich die Entscheidung trifft ob er dopt oder nicht. Die Doku hat mich umgehauen, hätte niemals gedacht dass es solche Ausmaße hat.

Jetzt interessiert es mich, wer hat das System erschaffen? Wer trägt die meiste Schuld - das sportbegeisterte Publikum, Rennstall, Manager, Sponsor, Arzt, Pharmakonzern? Kann man das überhaupt definieren?
 
Und genau das ist das Erschreckende. Ich habe bis jetzt naiver Weise immer angenommen, dass jeder einzelne Sportler für sich die Entscheidung trifft ob er dopt oder nicht. Die Doku hat mich umgehauen, hätte niemals gedacht dass es solche Ausmaße hat.

Jetzt interessiert es mich, wer hat das System erschaffen? Wer trägt die meiste Schuld - das sportbegeisterte Publikum, Rennstall, Manager, Sponsor, Arzt, Pharmakonzern? Kann man das überhaupt definieren?

Ich denke nein. Wozu auch? Es ist so etwas wie eine Massendynamik.

Ich habe vor langer Zeit mal ein Buch gelesen von Elias Canetti: "Masse und Macht".
Canetti untersucht darin die Dynamik und die Gesetzmäßigkeiten der Masse, der Masse von Menschen.

Es ist ein erschreckendes Buch, ein entlarvendes Buch, ein gnadenloses Buch.

Ich glaub ich schau mal gelegentlich wieder rein.
Damals war es mir zu brutal-nüchtern.

Wäre es wohl immer noch.

Aber vielleicht könnte ich es heute besser in den Lebenszusammenhang einordnen.

Es ist auch aus einer ganz primären Betroffenheit geschrieben. Eine Stimme, die für mich, trotz der gnadenlosen Beobachtungshaltung, immens wichtig ist.
 
Bedeutet das, dass es eine Endlosschleife ist? Dass man nirgendwo ansetzten kann, um dieses - tja, mir fällt kein treffendes Wort für diese Unmenschlichkeit ein - bei der Wurzel zu packen?
 
Bedeutet das, dass es eine Endlosschleife ist? Dass man nirgendwo ansetzten kann, um dieses - tja, mir fällt kein treffendes Wort für diese Unmenschlichkeit ein - bei der Wurzel zu packen?

Nein, natürlich ist das im Prinzip keine Endlosschleife. Ich persönlich als Hobby-Radsportler, auch wenn mich die verlorene (oder vielmehr früher schon fragwürdige) Würde und Integrität der Tour de France und des internationalen Wettkampf-Radsports überhaupt, schmerzt), versuche einfach den Sport, den ich liebe, so auszuüben, wie ich ihn liebe, so wie ich ihn immer schon liebte.

Das wird nicht vergehen. Das nimmt mir gar nichts. Und dem Ideal des Sports auch nicht. Auch wenn noch Tausende von Dopingfällen auffliegen. Im Gegenteil: Mir soll es recht sein, wenn sie auffliegen, vorausgesetzt, es trifft keine Unschuldigen. Das kam ja auch schon vor, leider, wenn ich mich recht erinnere.

Die Hoffnung auf einen ehrlichen Sport gebe ich nicht auf.
 
Abend,

ab diesem Diskussionspunkt hake ich ein. Eine ähnliche Entwicklung findet man heute zwischen kommerzieller Musik und Untergrundmusik. Die Musikszene wird von den Großen Konzernen regiert und manipuliert.

Die ganz großen Künstler werden gedoped (Sound- und Bildmanipulation). Es geht heute kaum noch ohne, weil wir es gewohnt sind diese musikalische Leistung zu sehen. Und doch gibt es Künstler, die sich für den Untergrund entscheiden und dank der Entwicklung im Internet mittlerweile sogar sehr erfolgreich sein können. Übertragen auf Lance Armstrong dürfte das ähnlich sein.

Es ist ein wenig wie die Frage: Willst Du ein großer Popstar werden oder gibst Du dich mit dem Einfachen zufrieden? Ein Mann, der sich ein solch großes Ego durch gezielte Körpermanipulation erworben hat, wird an einer solchen Aberkennung fast zugrunde gehen. Immerhin ist es sein Lebenswerk.

Doch der Mann hat sicher Persönlichkeit. Mit einem solchen Ego wirst Du als kluger Mann dir neue große Ziele setzen und zu erreichen versuchen. Da werfe ich gerne einen Blick auf Arnold Schwarzenegger. Er ist doch eigentlich ein sehr gutes und ähnliches Beispiel.

MfG

Andreas

Der Vergleich passt aber m.A.n. nicht so wirklich. Denn während ein Musiker je nach Talent im Internet tatsächlich sehr viele erreichen kann, sogar Geld damit verdienen kann, ist das bei Sportlern natürlich anders. Erstens haben die keinen virtuellen Raum... zweitens lebt Sport vom Wettkampf. Künstler machen ihre Kunst. Ein Sportler mit viel Talent, der gegen andere antritt die dopen, fährt dann im Mittelfeld mit und spielt keine Rolle. Und da der Zuschauer nicht erkennen kann, wer nun dopt und wer nicht wird dann eben sagen: "Armstrong... nie von dem gehört. Ah, der fährt bei der Tour mit... okay, er wurde 34ter.. tjo"

Die Entscheidung ist nicht so komplett unverständlich finde ich. Dazu kommt, dass ich sage: Es ist im Grunde kein Betrug, weils eh fast alle machen und es schadet ja niemandem außer dem Sportler selbst. Plus, und das ist der wichtigste Punkt: Die Zuschauer verlangen ja im Grunde danach... sie wollen das immer höher weiter schneller. Und das wird auch nicht enden. Das nächste ist dann genetische Manipulation usw.

Die Sportwelt ist voller Rekorde die vermutlich kein Mensch mehr brechen wird, wenn er sauber bleibt.
 
Mein Nachruf steht unter Selbstgeschriebenes.
Hier: https://www.esoterikforum.at/forum/showpost.php?p=3875544&postcount=2

Ich liebte Radfahren und daher auch Tour de France.
Heute sehe ich es so: zu Doping wird niemand gezwungen.
Wir machen alle mit. Wir schauen zu wie sich die ganze
Welt spritzt. Mit was auch immer. Mal regen wir uns auf
(bei Junkies) mal klatschen wir Beifall (wie früher bei
Armstrong) und mal sind wir beleidigt (wie heute über
Armstrong oder Guttenberg). Aber wir haben alle die
Chemiekonzerne erschaffen und gefeiert,die die Chemie
für Armstrong liefern und sie stehen sehr wahrscheinlich
in Deutschland,dem wahren Land der unbegrenzten
Machbarkeiten. Gedopte Manager sind an der Tagesordnung.

Wir haben was zu tun, ruft uns Armstrong zu.
Hören wir es?
 
Und genau das ist das Erschreckende. Ich habe bis jetzt naiver Weise immer angenommen, dass jeder einzelne Sportler für sich die Entscheidung trifft ob er dopt oder nicht. Die Doku hat mich umgehauen, hätte niemals gedacht dass es solche Ausmaße hat.

Jetzt interessiert es mich, wer hat das System erschaffen? Wer trägt die meiste Schuld - das sportbegeisterte Publikum, Rennstall, Manager, Sponsor, Arzt, Pharmakonzern? Kann man das überhaupt definieren?

Das ist eine Gesamtdynamik. Das Interessante an dem System ist: Es ist ja niemand dagegen. Alle verdienen daran. Und als es erst mal soweit war, das ein Sportler ohne Doping vorne gar nicht mehr mitmischen konnte... ist auch der Einstieg für viele leicht. Jan Ullrich gab z.B. extrem lange nicht zu gedoped zu haben, aber er stritt es nie direkt ab. Er benutzte immer denselben Satz: "Ich habe nie betrogen." Das ist insofern doppeldeutig als das er sagen konnte: Es haben ja alle gemacht, zumindest haben es alle gewusst, selbst wenn es einzelne Sportler gegeben haben mag, die sich dagegen entschieden... Wen soll er also betrogen haben? Keiner davon hat das Doping erfunden. Sie alle haben das System vorgefunden und hatten die Wahl vorne mitzufahren oder es zu lassen.

Hier... Beispiel:

Bereits 1924 veröffentlichte der Journalist Albert Londres in seinem bekannten Artikel Les Forçats de la Route (Die Zwangsarbeiter der Straße), was ihm Henri Pélissier und andere Fahrer über das Doping bei der Tour berichtet hatten. Sie leerten damals ihre Trikottaschen und präsentierten Londres Chloroform, Kokain und eine Pille namens Dynamit.[10][11]
http://de.wikipedia.org/wiki/Tour_de_France#Doping

Doping ist so alt wie der Sport selbst. Nicht nur der Radsport.
 
Sie alle haben das System vorgefunden und hatten die Wahl vorne mitzufahren oder es zu lassen.

Ich verstehe das schon, habe aber Schwierigkeiten damit zu glauben, dass dieses System nicht irgendwie bekämpft werden kann. Dass „immer weiter, immer schneller“ kein Limit hat – und du hast es ja bereits in einem vorherigen Beitrag erwähnt, bis man anfängt an den Genen der Sportler zu manipulieren. In der Doku erwähnt der Forscher des Gendopings, ja, das macht man einmal und braucht nie wieder zu dopen. Was züchten wir, das jubelnde Publikum, uns hier also und wollen wir das wirklich?

Nach der Doku bin ich auf einen Spiegel Artikel gestoßen, in dem ein Absatz erwähnenswert ist:

Sorgen bereitet Medizinern, dass Leistungssportler offenbar nur wenig Sicherheitsbedenken haben, wie regelmäßig wiederholte Befragungen von Athleten zeigen. Der US-Arzt Bob Goldman fragte die Sportler, ob sie eine Droge, die ihnen einen sportlichen Erfolg sichert, auch dann nehmen würden, wenn sie innerhalb von fünf Jahren sterben müssten. Etwa die Hälfte der Athleten entschied sich regelmäßig für das Doping. Das als Goldman-Dilemma bekannte Phänomen gibt keinen Grund zur Hoffnung, dass Gendoping am Leistungssport vorübergehen wird.

Quelle: Spiegel Online, 09.08.2012


Nachvollziehen könnte ich das ja noch irgendwie, wenn unsere Spitzensportler ein Durchschnittsalter von 60 Jahren hätten.
 
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Der Vergleich passt aber m.A.n. nicht so wirklich. Denn während ein Musiker je nach Talent im Internet tatsächlich sehr viele erreichen kann, sogar Geld damit verdienen kann, ist das bei Sportlern natürlich anders. Erstens haben die keinen virtuellen Raum... zweitens lebt Sport vom Wettkampf. Künstler machen ihre Kunst. Ein Sportler mit viel Talent, der gegen andere antritt die dopen, fährt dann im Mittelfeld mit und spielt keine Rolle. Und da der Zuschauer nicht erkennen kann, wer nun dopt und wer nicht wird dann eben sagen: "Armstrong... nie von dem gehört. Ah, der fährt bei der Tour mit... okay, er wurde 34ter.. tjo"

Die Entscheidung ist nicht so komplett unverständlich finde ich. Dazu kommt, dass ich sage: Es ist im Grunde kein Betrug, weils eh fast alle machen und es schadet ja niemandem außer dem Sportler selbst. Plus, und das ist der wichtigste Punkt: Die Zuschauer verlangen ja im Grunde danach... sie wollen das immer höher weiter schneller. Und das wird auch nicht enden. Das nächste ist dann genetische Manipulation usw.

Die Sportwelt ist voller Rekorde die vermutlich kein Mensch mehr brechen wird, wenn er sauber bleibt.

Guten Morgen,

der Vergleich kann natürlich nicht 1:1 passen, weil es ein völlig anderes Gebiet ist. Trotzdem findest Du auch im Netz unter Musikern einen riesigen Wettbewerb. Wie viele Künstler sind vielleicht nicht mehr als Strassenmusiker? Die Musik kannst Du heute für die Ohren modifizieren. Musik aus dem Radio ist für den Mainstream zugeschnitten.

Im Sport besteht vielleicht auch eine winzig kleine Chance, dass man sich über saubere Veranstaltungen selbst vermarkten könnte. Leider sprichst Du im Sport aber ein Problem an, dass Ihn für mich aus meiner Sicht mittlerweile auch nicht mehr attraktiv macht. Es geht ständig um die Steigerung und der menschliche Körper hat nun einmal Grenzen.

Deshalb geht es nur noch über Modifikation. Das Problem ist eigentlich nur die Transparenz. Ich hätte kein Problem damit, wenn die Leute Ihre Körper modifizieren und das einfach offen legen. Dann könnte ich als Zuschauer zumindest sagen. Krass, der hat sich mit diesem Mittel modifiziert, hat diese Leistungssteigerung erfahren und das so geschickt im Wettkampf eingesetzt.
Das könnte man sogar vermarkten. Die Frage für mich wäre allerdings immer noch, wo ist dann die Grenze?

Die Grenzen sind längst erreicht worden und deshalb modifiziert Jeder seinen Körper. Und wer sauber bleibt, wird irgendwann in den Dreck gezogen. Dafür gibt es ebenfalls Beispiele.

MfG

Andreas
 
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