ich fühle keine Trauer

Ruby

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8. Juni 2006
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Deutschland NRW
Hallo,
ich bin neu hier und hoffe, dass ich mit meinen Zeilen nicht ins Fettnäpfchen trete.
Vor 2 Wochen ist mein Onkel gestorben. Er lag monatelang im Krankenhaus, es war eigentlich nicht wirklich überraschend, aber so ganz wollten wir es doch nicht wahr haben. Ich war dabei, als er starb, ich habe es also gesehen und da habe ich auch geweint, ganz schlimm und schrecklich war es. Das Gefühl blieb 3 Tage und war auch 1 Woche später auf der Beerdigung wieder da. So wie ich es schon kannte. Aber jetzt, ist es fast so als fühle ich nichts mehr. Es ist alles so unwirklich. und ich weiss, es ist falsch, es fühlt sich falsch an.
Ich kenne Trauer, habe vor 4 Jahren innerhalb von 8 Monaten 3 ganz wichtige Menschen verloren (und meinen Arbeitsplatz). Es war die schlimmste Zeit in meinem Leben. Damals habe ich mich sehr mit dem Thema Trauer beschäftigt und sie auch bewußt wahr genommen.
Deswegen verstehe ich einfach nicht, was jetzt mit mir passiert.
Kann das auch eine Art Schockzustand sein?
Aber geschockt ist man doch nur, wenn etwas überraschend kommt. Ich bin nicht in der Lage meinen Gefühlszustand zu erkennen. Jetzt beim schreiben dieser Zeilen sind mit die 2 Mal die Tränen gekommen, waren aber direkt wieder weg.
Vielleicht liest das ja jemand, dem es mal ähnlich ergangen ist?
Es hört sich vielleicht blöde an, denn die anderen Beiträge handeln alle von Trauer und wie schwer das zu ertragen, aber bitte glaubt mir, es ist wirklich so und ich habe das Gefühl, dass da bei mir gewaltig was schief läuft...
Weiss jemand, was kann ich machen kann, um das zu ändern?
Gruß Ruby
 
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Hallo Ruby,

Zuerst einmal solltest Du Dich nicht so verrückt machen, weil hier etwas anders ist, als Du es Dir vorstellst. Das ist nicht schlimm, auch wenn Du es noch nciht verstehen kannst. Nimm doch mal an, daß es jetzt im Moment für Dich so ist, wie es ist. Sonst treibst Du Dich unter Umständen immer weiter in einen Konflikt.

Mir fallen im Moment zwei Dinge ein :
1. Es ist zur Zeit alles für Dich zu viel geworden. Du kannst und willst so einiges nicht mehr mit Dir tragen. Dann kommt es schon mal vor, daß alle Gefühle wie abgeschaltet sind, um sich einen kleinen Freiraum zu geben. Es ist wie ein Verschnaufpause. Dabei muß man nur darauf achten, seine Gefühle nicht immer weiter zu verdrängen.

2. Du hast innerlich völlig los gelassen und Abschied genommen. Dann gibt es auch keinen Grund zur Trauer. Es ist ja kein Abschied für immer. Wenn Du das tief verinnerlicht hast und Du froh bist, daß er nicht mehr leiden muss, wäre das auch sehr natürlich.

Was auch immer es ist. Hier läuft bestimmt nichts "gewaltig schief", so wie Du meinst.

In Liebe
Jürgen
 
Ruby schrieb:
Vielleicht liest das ja jemand, dem es mal ähnlich ergangen ist?
Es hört sich vielleicht blöde an, denn die anderen Beiträge handeln alle von Trauer und wie schwer das zu ertragen, aber bitte glaubt mir, es ist wirklich so und ich habe das Gefühl, dass da bei mir gewaltig was schief läuft...
Weiss jemand, was kann ich machen kann, um das zu ändern?
Gruß Ruby

Ich denke, dass jeder seine eigene Art hat zu trauern.

Ich habe vor einigen Jahren meine Mutter beim sterben begleitet. Dieser langsame Sterbeprozess (sie hatte Krebs) hat auch an mir sehr gezehrt. Zum Zeitpunkt des Sterbens und danach konnte ich fast nicht weinen. Dafür hab ich heute oft Tränen in den Augen wenn Tanten meine kleine Tochter lachen sehen und meinen, dass es für meine Mutter schön gewesen wäre, wenn sie die Kleine aufwachsen sehen könnte. Sie hat sich nichts mehr ersehnt, als Großmutter zu sein.

Also wie bereits oben geschrieben, konnte auch ich zumindest nach außen hin nicht wirklich trauern. Bei mir war sogar die Trauerphase am Begräbnis schon vorbei. Ich hatte schon mit Ihrem Tod an ihrem Sterbetag abgeschlossen, nachdem wir am letzten Tag bis zum letzten Atemzug bei ihr gewesen sind. Das Begräbnis war für mich irgendwie nur mehr Formsache.

Wenn Du schreibst, dass es sich vielleicht um eine Art "Schockzustand" handelt, dann kann das sicher auch möglich sein. Vielleicht hat Dir Dein Unterbewustsein die Trauer einfach ausgeblendet, weil sie dich zu sehr angestrengt hätte?

Mal ganz abgesehen von Deinen Empfindungen, wie trauert man richtig? Ich glaube dafür gibts keine "menschlich nachvollziehbare" Richtlinie und wenn es die irgendwo gibt, dann basiert diese Trauer nur auf einem künstlichen Konstrukt einer Zivilisation. In manchen Völkern schreien die Frauen hysterisch neben der Leiche, andere wimmern leise vor sich hin. Wieder andere unterdrücken in Anwesenheit der noch frischen Leiche die Trauer um sie nicht auf ihrem weiteren Weg zurückzuhalten, usw....

Lass Dir Zeit und freu Dich für Deinen Onkel, dass er dieses Leiden (Krankenhaus) hinter sich gebracht hat. Er geht nun seinen Weg weiter.

lg
snowball jackson
 
Hallo Ruby
meine Meinung nach muß eine Trauer nicht immer schmerzhaft sein.
So wie Du erzählst, Du hast davor auch getrauert und dich mit dem Thema Trauer beschäftigt.
Ich denke, daß wenn man wirklich versteht daß der Tod ein natürlicher Prozess ist und daß die Seele trotzdem in eine andere Ebene "nicht materiell" weiter besteht und sich entwickelt, ist das Trauer nicht mehr so ganz schmerzhaft.
Die Gründe, wieso in unsere zivilation die Memschen nur sehr schwer mit dem Thema Tod sich konfrontiert liegt an unsere Kultur.
Früher in der alten Kulturen gab es eine andere Einstellung gegenüber den Tod.

Alles gute und Liebe wünsch dir,
Indian Heart:blume:
 
Ich denk auch, dass das ein Schockzustand ist und wenns so ist, wird es irgendwann mal platzen und dann kommt das vielleicht wieder mal hoch. Ich würde mir jetzt darüber mal nicht soviele sorgen machen und lass dir zeit, die notwendig ist.
 
tja jeder trauert anders, wie meine mutter gestorben ist, ließ es mich ziemlich kalt als kind, erst paar jahre später ist die trauer aufgestiegen und mir gings da richtig schlecht.

bzw. kommt es ja auch drauf an, wie nah dir dein onkel gestanden ist und welche verbindung du zu ihn hattest, vielleicht kommt ja noch trauer, oder du verarbeitest ihn so, dass du die trauer verdrängst
 
Hallo

Es gibt mehrere Gründe. Ich weiß ja nicht, wie nahe Dir Dein Onkel stand. Für meinen Teil habe ich die Erfahrung gemacht, dass Trauer verschiedene Seiten hat und auch viele Dinge wieder ans Licht befördern kann.
Vielleicht verdrängst du es um altes Leiden nicht heraufzuholen, vielleicht ist es für Dich aber auch in Ordnung so, wie es ist.
Vielleicht hast du auch einfach gelernt mit der Trauer als einen Freund an Deiner Seite zu leben und ihm ein Stück Respekt beizumessen.
 
Liebe Ruby,

Ich denke, es ist einfach zuviel. Irgendwann hat man keine Tränen mehr, spürt keine Trauer mehr. Man ist einfach leer und ausgebrannt. Ich habe Ähnliches von Menschen im Krieg gehört, wenn ein Familienmitglied nach dem anderen gefallen ist. Am Anfang war unerträglicher Schmerz - und mit der Zeit Apathie. Aha - noch einer ist tot. Es ist nur mehr unwirklich und grotesk - nicht mehr zu fassen.

Wenn man am Körper Schläge bekommt, wird es mit der Zeit taub. Man spürt nichts mehr. Der Seele geht es ähnlich. Irgendwann KANN sie nicht mehr trauern und fühlen.

Mit Dir scheint alles "in Ordnung" - so weit man das nach sovielen Schicksalsschlägen sagen kann, ohne dass es absurd klingt. Es würde den meisten Menschen in Deiner Situation so gehen. Du bist auch nicht gefühlskalt oder so etwas. Es ist einfach zu viel.

Du brauchst einfach Zeit, VIEL Zeit. Bis Du das alles verdaut hast. (Umso mehr, als bei Dir immer wieder alte Wunden getroffen werden). Ich glaube, da helfen nicht einmal Gespräche viel. Das Wichtigste : dass Du Dir jetzt nicht vorkommst, wie wenn bei Dir etwas falsch wäre.

Al Hilfe fallen mir nur die Notfalltropfen (Bachblüten) ein - so lange und so viel, wie Du brauchst. Bis Du es halbwegs verkraftet hast und wieder zu Deinen Gefühlen findest. Auch eine homöopathische begleitung zur Verarbeitung der Schicksalsschläge wäre gut.

Lass Dir Zeit, viel Zeit ...

Reinhard
 
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hallo ruby,

ich denke auch, dass trauer immer wieder ein individueller prozess ist, da die verbindung zum betrauerten eben auch individuell ist. phasen des "nichtfühlens" sind da auch normal. genau wie irgendwann später die aussöhnung mit dem verstorbenen. dann die freude, dass man diesen menschen in seinem leben hatte, wenn der schmerz nur noch "klein" ist. wenn das schlechte gewissen gegangen ist. wenn die liebe ungetrübt erscheinen kann.

stelle dir doch mal folgendes bild vor. zwischen zwei menschen bestehen verbindungen, so wie leuchtende seile. manche leuchten hell und sitzen an einer schönen stelle, vielleicht am herzen. andere sind dunkel. sitzen gerne da, wo es weh tut. am kopf vieleicht.
mit dem tod gehen diese bindungen teilweise fort. alle nicht.
dieser wechsel der bindungen ist ein langer prozess, von beiden seiten erwirkt.
gehen lassen - festhalten spielt hier zb eine rolle.
da sind wechselbäder der gefühle, zweifel, das gefühl, nichts mehr zu spüren in ordnung, auch wenn es sich nicht so anfühlt.
zum schluss, wenn die letzte verbindung erhalten ist, das leuchtende band zum herzen, dann ist tiefer friede und einssein.

lg : krabat.
 
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