Hier wird wohl etwas verwechselt, denn die Wicca-Bewegung hat eigentlich wenig mit den Hexen gemein. Die Wicca- Bewegung ist erst Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. So richtig in Schwung kam sie erst durch den Engländer Gardener, der diese Naturreligion 1954 aus der Taufe hob. Ein entscheidender Hintergrund waren die feministischen Bewegungen, die in den 20er Jahren damit begannen, sich von den patriarchalen Fesseln zu befreien.
Nach dem Tod Gardener hatten dann die Farrers in den USA, diese Bewegung weiter ausgestaltet, so dass sie auf der Emanzipationswelle in den 70er Jahren dort den Status einer Religion erhielt. Gardener hatte zusammen mit Crowly schon vor dem Ersten Weltkrieg mit den Gedanken eines Neodruidentums beschäftigt.
Die Hexen hingegen verfügen über eine ganz andere Tradition, die weit in die heidnische Zeit der Germanen reicht. In ihrem Weltbild gab es die Geistwesen der Hagazussen, die als Schutzgeister den Hof und das vor Unheil bewahrten. Hagazusse könnte man frei übersetzt, als die auf dem Zaun (Hag) Reitende bezeichnen.
Aus diesem Gedanken heraus wurden dann bei ihnen auch weiße Frauen (Seherinnen) als solche bezeichnet, die sich mit der Wirkung von Heilkräutern, Schutzritualen für Haus und Hof auskannten. Sie waren es zudem, die in den Schwellenzeiten mit der Anderswelt und den Geistern in Verbindung traten. Sie wurden mancherorts als Hollen bezeichnet und hatten einen göttlichen Status. Das Märchen um Frau Holle bezieht sich übrigens auf diese Frauen.
Sie waren auch Hebammen, ein Umstand, der dann die Hebammen im ausgehenden Mittelalter in die gefährliche Nähe der Hexenverfolgung führten. Diese Hagazussen hatten großes Ansehen bei den Germanen, was in den römischen Klassikern an mehreren Stellen konkret beschrieben wird. Wie bei den keltischen Druiden wurde ihr Rat selbst von den Stammesführern sehr ernst genommen (siehe die Schlacht Ariovist gegen die Römer). Ihr göttlicher Status hatte dann zur Folge, dass sie frei und niemandem Magd waren.
Gerade dieses Tun um Hof, aus und deren Bewohner war es dann, der Grund warum man nach der Christianisierung nicht auf sie verzichten wollte. Wie man in den alten Bann- und Zaubersprüchen sehen kann, hatten sie sich da einfach angepasst und die Götter aus der Alten Religion einfach gegen christliche Heilige oder auch Jesus selbst ausgetauscht. Auf diese Weise konnten sie sich dann trotz allem Widerstand und Verfolgung ab dem ausgehenden Mittelalter bis heute erhalten.
Sicherlich klingen die alten Zaubersprüche oft skurril und manche Rituale sind einfach nicht mehr praktikabel, aber hinter diesen Dingen steht oft ein tieferer Sinn. Manches findet man in abgewandelter Form in der Tiefentherapie, wenn es darum geht, die Selbstheilungskräfte oder auch die Zuversicht wieder zu mobilisieren.
Bann- oder Zaubersprüche sind also im Prinzip nichts anderes als suggestive Formeln, mit der Botschaften im Unbewussten verankert werden können. Ein großes Plus für für das Tun dieser Frauen war das Vertrauen, das sie zwischen sich und ihrem Klientel aufbauten, wie das auch heute noch ein in der Tiefentherapie ein wichtiger Bestandteil ist (der Raport). Ich denke deshalb, dass es sich lohnt, diese alten Künste noch einmal unter die Lupe zu nehmen und sie mit einem neuen Kleid zu gestalten.
Jeder kann nun selbst erkennen, dass es da um das Seelenheil und das Wohl der Menschen ging. Es hat also weniger mit Magie zu tun, sondern mit den Zauber- und Hexenkünsten, mit der die Seele eines Menschen berührt, bewegt oder behütet werden soll. Frau muss nun sich aber nicht erst all diese Fertigkeiten aneignen, um sich als Hexe zu verstehen – dazu reicht schon das Wollen und Tun, es zu sein. „Wie werde ich eine Hexe?“, ist also die falsche Formel, sie müsste lauten: „Ich bin eine Hexe!“
Merlin