Eugen Drewermann: Mitmenschlichkeit leben
Märchendeutung Die katholische Kirche entzog Dr. Eugen Drewermann im Jahre 1991 die kirchliche Lehrerlaubnis. Ein Verlust für die Kirche. Ein Gewinn für viele Menschen.
Das Religiöse im Märchen
[..Das zweite Märchen „
Der Schneider im Himmel“ hat ebenfalls mit Mitmenschlichkeit zu tun. Es ist sogar ein Märchen dem eine gewisse Komik, aber auch Tragik innewohnt. Abermals ist die Aufnahme von Fremden und Hilfsbedürftigen Thema. In den ausgewählten Märchen spielen religiöse Figuren („der liebe Gott, „Petrus“ etwa) eine Rolle. Gewiss ist uns das als frühe Leser - oder den vorlesenden Eltern früher als Kinder zuhörend - gar nicht – aufgefallen. Eugen Drewermann animiert uns, diese Märchen vielleicht noch einmal wiederzulesen, sie sozusagen mit anderen Augen zu sehen, um sie neu und Gewinn für unser gegenwärtiges Leben zu entdecken.
Aber wie viel steckt doch in ihnen! Philosophie, Mythologie, Theologie – der Psychologe Drewermann legt immer wieder Märchen – diese scharf sezierend - mit hohem Gewinn für uns Leser tiefenpsychologisch aus. Das ist ein ums andere Mal lehrreich. Es wirkt auf die Leser an keiner Stelle belehrend. Ist aber eingehend. Und es geschieht nicht selten mit Bezug auf das gegenwärtiges Weltgeschehen. ..]
[..Und während des gewinnbringenden Vortrags von Eugen Drewermann beginnt man sich selbst auch an die eignen Nase zu fassen: Wie oft sind wir selbstgerecht, oder erheben uns zu Richtern über andere Mitmenschen. Drewermann erklärte, wie manches dafür seine Ursachen in einer vermeintlichen oder wirklichen Verletzung in frühester Kindheit hat. Manchmal können wir deshalb nicht anders. Und handeln als Erwachsene sogar wie die Kinder. Doch sollten wir es öfters wenigstens versuchen, fremde Schuld – diese zwar nicht gut zu heißen - aber dennoch vergeben. Statt darüber selbstgerecht richtend den Stab zu brechen. Auch das sagte uns Eugen Drewermanns Vortrag in Dortmund: Üben wir uns im ehrlicheren Umgang mit uns selbst, wie auf humorvolle Weise das Märchen vom „Schneider im Himmel“ darlegt.
Wahrer Seelsorger und Querdenker von Format
Dies wie manch anderes verlieren wir zuweilen aus dem Auge. Aber nicht ganz aus dem Sinn. Denn da „wohnt“ es weiter. Neben neu Hinzugekommenen. Entdecken wir es neu. Einer ungeplanten Taxifahrt verdanke ich den erneuten Gang zu Eugen Drewermann. Ich will ihn und seine Schriften nun wieder im Auge behalten. Und ich empfehle es auch den Leserinnen und Lesern. Drewermann ist sich treu geblieben. Nur die gesellschaftlichen Umstände haben sich weiter verschlechtert. Der Mann mit seiner analytischen Begabung und seiner perfekten Wissens- und Erkenntnisvermittlung via freier Rede sowie auch übers gedruckte Wort ist stets auf Neue eine wahre Bereicherung, die begeistert und Kraft auf den weiteren Weg gibt. Eugen Drewermann ist ein erfreulich unprätentiöser Seelsorger, der diesen Begriff wie selten jemand anderer mit Leben erfüllt. Als Theologe, praktizierender Psychotherapeut, als Vortragsredner und Schriftsteller. Und nicht zu vergessen: Als erfreulich tief und über jeden Tellerrand hinaus schürfender Gesellschaftskritiker. Ein Querdenker von Format, von denen unser Land mehr gebrauchen könnte.
11:22 09.09.2012