Demente Mutter

Herzbluat

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wo sich Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen
Irgendwie bin ich gerade emotional leer. Ich wundere mich, kein Ärger, kein Zorn, keine Traurigkeit, nur sprachlos bin ich, mir fehlen die Worte. Meine demente Mutter wohnt in meinem Elternhaus, kann ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen. Kurzum, sie hat eine 24 Stunden Betreuung. Am Donnerstag, Wechsel, nach 4 Wochen, die vertraute Person fährt, die neue kommt. Und schon geht der Terror los, die Neue ist aufmümpfig, bestimmt wann sie ihr Geld bekommen möchte, bezeichnet ihre Vorgängerin als Lügnerin, für mich ziemlich schnell ein klarer Fall, sie wird nicht bleiben. Am Freitag, Samstag und Sonntag Terror von meiner Mutter, im Stundentakt ruft sie an, jammert, sie hält es nicht aus, sie geht fort, sie möchte sterben, sie weint die ganze Nacht, schläft nicht. Wenn sie mich nicht anruft, dann meine Tanten.
Und dann: "Dauernd ist sie im Keller zum Rauchen!" Wie bitte? Sie raucht? Ich habe doch bei der Agentur gesagt, meine Mutter braucht eine Betreuerin die Nichtraucherin ist.
Erinnerungen werden wach, mein Vater war Kettenraucher, ich kann mich noch gut erinnern an die endlosen Diskussionen und Streitereien wenn die Küche vernebelt war und der Geruch sich durch das ganze Haus zog, an die gelb gefärbten Tapeten und den kalten Rauchgeruch der in den Vorhängen hing, die verbrannte Stelle auf dem Küchenboden ist heute noch zu sehen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich als Kind mittendrin in der verrauchten Küche, wo man "die Luft schneiden konnte", wie meine Mutter immer zu sagen pflegte.
Ich wusste, dass es nicht gut gehen wird, wenn eine Raucherin kommt, liegt ja wohl auf der Hand, dass das alte gut verdrängte Thema, schließlich ist meine Mutter seit 14 Jahren Witwe, wieder aufbricht.
Ich rede mit Giorgiana ( Name geändert ), sage ihr, dass sie im Haus nicht rauchen darf. Natürlich ist sie sauer, weil meine Mutter sie verpetzt hat.
Die Agentur ist überrascht, sie haben eine Nichtraucherin geschickt, es stellt sich heraus, Giorgiana hat eine Falschangabe gemacht.
Am Sonntag am Abend kommt die Nachricht, am Montag wird umgewechselt.
Ich tröste meine Mutter, nur mehr einen Tag, dann hast du es geschafft, es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen, eine Stunde später, der selbe Zuspruch.
Heute Nachmittag war es soweit, ich brachte der Betreuerin das Geld für die vier Tage.
Wir besprachen noch einmal, warum es zu diesem spontanen Abbruch kommen musste. Dass sie Raucherin ist war der offizielle Grund, dass sich meine Mutter drei Tage nur über sie beschwerte, dass ich wusste, dass es keine freundlichen Gespräche gab und sie sich um meine Mutter nicht kümmerte, ließ ich in der Luft hängen. Giorgiana fragte: "Und warst du zufrieden Oma? Wir hatten soviel Spaß miteinander:"
Und dann wie aus heiterem Himmel sagte meine Mutter: "Ja du warst super! Wir hatten soviel Spaß."
Giorgiana: "Ja ich rauche, ich habe nicht gewusst, dass ihr Nichtraucherin wollt."
Meine Mutter: "Aber im Haus hast du nicht geraucht, du bist ja immer rausgegangen." Mit diesem singenden Ton mit dem man etwas verharmlosen möchte.
Giorgiana zuckersüß: "Ich habe im Keller geraucht, aber wir hatten viel Spaß."
Meine Mutter: "Ja du warst super, wir hatten viel Spaß."
Hilfe, ich glaube ich bin im falschen Film! Mein Gehirn braucht einen Moment um das Gehörte zu verarbeiten. Drei Tage Terror und jetzt das? Ich komme mir vor wie ein Vollidiot, bloßgestellt von meiner eigenen Mutter. Das einzige was ich machen kann ist zu fahren. Ich habe mich für sie eingesetzt, für sie gekämpft, dass sich alles so schnell wie möglich für sie zum Guten wendet.

Als Einzelkind habe ich die ganze Verantwortung, und manchmal komme ich mir sehr alleine vor, so wie jetzt, möchte jemandem erzählen was passiert ist, alle Freundinnen schlafen schon, schreib ich es eben auf, besser wird es nicht. Enttäuscht bin ich, aber nicht von ihr, sondern von mir. Was habe ich denn geglaubt? Nichts habe ich geglaubt, nur vergessen, dass sie dement ist, dass sie immer sehr egozentrisch war, dass es ihr immer nur um ihr Wohl ging und dass sie um zu erreichen was sie möchte nicht einmal davor zurückschreckt mit dem Weggehen und auch mit dem Tod zu drohen. Ich ärgere mich, aber nicht über sie sondern über mich, weil ich nicht unterscheiden kann ob es ihr Muster ist oder die Demenz. Und dann nagt da noch dieses komische Gefühl, dass sie mich immer nur für ihre Zwecke benutzt hat, immer gerne im Mittelpunkt gestanden ist. Immer eigentlich und uneigentlich auch. Sie braucht immer jemanden der sie glücklich macht, der schaut, dass sie es gut hat, war immer schon so.
Schwierig alles, kräfteraubend und ermüdend.
Apropos ermüdend, gehe schlafen, danke fürs drüberlesen. Das hilft.
 
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Hallo Herzbluat,

ich hab deine Zeilen gelesen und es tut mir leid, dass bis jetzt niemand geantwortet hat.
Ich kann dich gut verstehen, bin ich doch in einer ähnlichen Situation wie du. Meine Mutter ist auch dement, eine Nachbarin schaut unter der Woche nach ihr, aber am Wochenende teile ich mit mit meiner Schwester die Betreuung.
Das Problem ist, dass wir beide, meine Schwester und ich, keine gute Beziehung zu unseren Eltern hatten und nun tun wir uns sehr schwer mit ihr.
Aber das Problem mit "in den Rücken fallen" kenne ich auch, und obwohl ich weiß, dass sie dement ist, schmerzt es. Bei mir ging es um Geld, wir wollten es für sie verwahren, da wir Bedenken hatten, dass jemand das Konto leer räumt, da sie jedem Fremden ihre Kontokarte in die Hand drückt, wenn sie sich beim Bankomaten nimmer auskennt. Außerdem hatte sie damals einen "Freund" und dem hat sie die Karte auch gegeben.
Ich sprach mit ihr, alles war gut. Ein paar Monate später erfahre ich dann durch Dritte, dass sie mich beschuldigt, ihr Geld gestohlen zu haben. DAS tat echt weh, noch dazu da sie es der Nachbarin erzählte, meiner Schwester, aber mir nicht. Ich habe mich damals auch gekränkt und wollte den Kontakt komplett abbrechen. Ich konnte mich aber dann soweit abfinden mit der Situation, dass ich alles neutral betrachte. Sicher passiert es immer wieder, dass ich emotional reagiere, so wie heute, aber im Grund funktioniert das nun gut.
Ich habe zu meiner Mutter keine emotionale Bindung, es ist einfach in meiner Kindheit zu viel vorgefallen. Ich bin zwar kein Einzelkind, aber meine Schwester macht nur das notwendigste, alles andere bleibt an mir hängen, obwohl sie nur 10 Minuten von ihr entfernt wohnt. Wenn ich zu ihr fahre sind drei Stunden Zeit weg.

Als ich deinen Post las, kamen mir wieder Erinnerungen hoch und ich fühle mit dir. Das Problem ist, diese Krankheit wird nicht besser sondern wir müssen uns auf noch mehr Verletzungen und Kränkungen gefasst machen. Ich sende dir viel Stärke und Mut, lasse dich nicht kleinkriegen und betrachte die Situation neutral. Ich weiß, es ist schwer, aber nur so kannst du es aushalten ohne dass du ständig verletzt wirst.

Liebe Grüße
 
Ich hab deine Zeilen gelesen und es tut mir leid, dass bis jetzt niemand geantwortet hat.
Hallo Carmia -

willkommen hier auf dem Forum.:)

Im Aufgeschrieben Unterforum geht es unter Anderem darum, sich etwas ungestört von der Seele zu schreiben - zu können.

Dies ist nicht als Diskussionsforum gedacht - offen für alle - wie die anderen Bereiche hier.

Nur auf ausdrücklichen Wunsch des TE.

Oder nach vorher danach fragen - ob es dem Thread-Ersteller Recht wäre.

Nur mal so als Hinweis von mir - da du hier ja ganz neu gelandet bist.:)
 
@Caramia211, ich habe mich tatsächlich für das Aufgeschrieben UF entschieden, um mir alles von der Seele zu schreiben, habe auch ursprünglich geglaubt ich würde hier jeden Tag eine lange Zusammenfassung des Erlebten schreiben. Werde ich auch, wenn es wieder einmal alles zu viel wird. Für mich passt es aber auch gut, wenn jemand anderer sein Erlebtes zu diesem Thema auch hier "aufschreibt".
Als Austausch, und zu merken, man ist nicht alleine, tut es sogar gut.

Was hier gar nicht reinpassen würde wären Anprangerungen wie man es als Angehörige/r besser machen könne und Ratschläge von Menschen die so eine Situation nicht kennen.

Somit kannst du hier auch gerne dein Erlebtes zum Ausdruck bringen.

Das mit dem Geld habe ich genauso erlebt wie du. Sorgloser Umgang, Vertrauen zu jedem, ......es dauerte einige Zeit, dass ich mich durchringen konnte ihre Erwachsenenvertreterin zu werden. Ich habe es ähnlich erlebt wie du, dass sie mir vorgeworfen hat, dass ich ihr das Geld wegnehme, dass ich mir ihr Geld unter "den Nagel reiße", dass ich sie entmündige und da bräuchte sie ja gar nicht mehr zu leben.
Das war auch so eine Situation, wo ich dachte, WAS hat sie gerade zu mir gesagt? Und mit jedem solchen Moment stirbt etwas, die Hoffnung, dass sie wieder so wird wie früher, und auch ein klein wenig das Gefühl sie zu kennen. Ein Mensch den man in und auswendig kennt verhält sich auf einmal komplett konträr. Ist schwierig, aber es wird auch immer besser nichts zu erwarten, sie sein zu lassen, sie in ihrer Welt zu lassen und gefühlt 100 Mal die gleiche Antwort zu geben.
Da habe ich schon viel gelernt, das eigene Ego hat hier keinen Platz, am einfachsten ist es ihr Recht zu geben und Punkt. Diskussion sinnlos. Gelingt schon besser und dann wieder gar nicht.

Caramia211, danke für deine Worte!
 
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Hallo Herzbluat,

entschuldige, dass ich die "Gepfolgeheiten" hier nicht erkannt habe, ich habe den Post durch die Suchfunktion gefunden und fühlte sofort mit dir. Obwohl es mit Demenz viele ähnliche Fälle gibt, ist doch der, der einen selbst betrifft, der Schlimmste.

Danke Green~ für den Hinweis :)
Dann vertschüsse ich mich mal zum Vorstellungs-Post.

Liebe Grüße
Caramia211
 
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