Bruttonationalglück

Avalonis

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Krise ist kein Thema im Königreich Bhutan. Hier geht es nicht um Jagd nach mehr Effizienz, höherer Produktivität, höherem Profit, sondern darum, eine "Glücksformel" für die Untertanen zu finden. Dazu trägt auch ein deutscher Wissenschaftler bei.

Yeshey Dorji sitzt auf dem Wochenmarkt der Kleinstadt Paro im Westen Bhutans, wie jeden Sonntag. Der 59-Jährige aus dem Dorf Woochu genießt die Sonne, die sich soeben durch die Wolken kämpft und die Kühle des Morgens in diesem Hochlandtal vertreibt. Er trägt die Gho, das bhutanische Nationalgewand: ein knielanges, längs gestreiftes Kleid, das ein wenig an einen Bademantel erinnert und in der Mitte mit einem Gürtel gehalten wird.

Die Bauern der näheren Umgebung verkaufen auf dem Markt die ersten Chili-Schoten des Jahres aus eigener Ernte, die mit Käse zubereitet und mit roten Hochlandreis serviert das Nationalgericht Emadatse ergeben. Die letzte Monate waren nur die wenig beliebten Schoten aus Indien im Angebot, die sind zwar schärfer, haben aber weniger Geschmack. Außerdem gibt es grünen Spargel, Pilze, Tomaten, Kartoffeln, Blumenkohl, wilden Gemüse-Farn und vieles mehr zu kaufen.

Herr Dorji hat Macheten ähnliche Messer im Angebot, die er in akribischer Handarbeit gefertigt hat. Was bedeutet Glück für ihn? Am vergangenen Sonntag, erinnert er sich, war er besonders glücklich, als er neun Messer verkauft hatte, das Stück für umgerechnet zwölf Euro. Heute habe er erst zwei Messer verkauft, sei aber dennoch glücklich, weil die Sonne scheint und er viel Zeit hat, mit seinem Freund Sonam zu plaudern.

Bruttonationalglück als Maxime


800.000 Einwohner verlieren sich in dem Land von der Größe der Schweiz. Die Menschen sind arm, viele sind Selbstversorger und leben von dem, was auf ihren Feldern wächst. Dennoch spricht in Bhutan derzeit niemand von Krise, denn zum einen liegt das Land im toten Winkel der globalen Waren- und Finanzströme. Und zum anderen ist das allgemeine Glück der Untertanen - und das ist weltweit einzigartig - seit über drei Jahrzehnten ganz offiziell höchstes Ziel der königlichen Regentschaft von Bhutan.

Nicht statistischen Größen wie dem Bruttoinlandsprodukt sei man politisch verpflichtet, äußerte Bhutans damaliger König Jigme Singye Wangchuck 1974 in einem Interview mit der "Times" eher beiläufig, sondern dem "Gross National Happiness", zu Deutsch "Bruttonationalglück". Was für europäische Ohren ein wenig nach Pekingoper klingt, nach verordnetem kollektiven Frohsinn, war ursprünglich als buddhistische Anti-These zu der in der westlichen Welt vorherrschenden Jagd nach mehr Effizienz, höherer Produktivität, höherem Profit gedacht.

Im Zentrum der Politik soll das Glück des Einzelnen stehen, das sich nicht materiell definieren lässt. So muss sich jede öffentliche Investition, jede politische Gesetzesänderung daran messen lassen, ob sie tatsächlich dem Allgemeinwohl dient - und nicht einem abstrusen Wachstumsmantra. Und um das herauszufinden berief die Regierung eine Kommission, die am Forschungsinstitut "Centre for Bhutan Studies" in der Hauptstadt Thimphu nach der "Glücksformel" forscht. Unter Führung des heutigen, erst 29-jährigen Königs Jigme Khesar Namgyel Wangchuck wurde die Kommission jüngst sogar in den Stand eines Superministeriums erhoben.

Während Herr Dorji mit dem gleichaltrigen Sonam kichernd die neuesten Gerüchte austauscht, kaut er Doma, die Volksdroge, die seine Zähne blutrot färbt und vor allem aus Betelnuss besteht. Das Kauen der bitteren Palmenfrüchte, die mit einer weißen Kalkpaste bestrichen und einem grünen Blatt, Betelpfeffer genannt, umwickelt werden, ist in Bhutan eine alte Tradition und geht auf Guru Rinpoche zurück. Als er im 8. Jahrhundert dem Land den Buddhismus schenkte, wollte er mit der Verbreitung der Betelnusskauerei die archaische Praxis verdrängen, getötete Feinde zu verspeisen. "Würde wir nicht Betelnüsse kauen, dann wären wir wahrscheinlich heute noch Menschenfresser", sagt Herr Dorji. Er sieht zufrieden aus.
 
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Ja, man muß den Gedanken mit Leben füllen. Wohl wahr.
Daher sollte man ihn diskutieren.
 
Viele fragen sich, was sie eigentlich tun. Und das zurecht.

In der Früh auf, den ganzen Tag arbeiten, viel Zeit auch unentgeltlich, am Abend noch den Haushalt und dann k.o. ins Bett.
Das alles nennen wir Wohlstand.

Wohl-stand! :confused:

Glück - wer kennt das noch in seinem Alltag als normalen Bestandteil?
 
Ich komme mir manchmal vor wie ein drogensüchtiges Konsumschwein.
Wenn die Packungen falsch bebildert wären, hätte ich bestimmt im Discounter schon mal Katzenfutter eingepackt.

Will mich nicht beschweren. Besser als nix auf dem Teller. Aber ist es daß, was wir mal wollten?
 
Mich reißts hier gerade.
Irgendwer bei einer Demo sprach von neuer Feudalstaaterei.
Die haben uns psychisch versklavt. Und wir haben das zugelassen.
Und heute halten wir unseren Kindern das "neue Hamsterrad" hin.
"Man muß sich anpassen. Man kann die Welt nicht ändern"
Ich will einen Indikator, der meßbar Fort- oder Rückschritt anzeigt. In dem diese Komplexität der Themen zusammengeführt werden kann.
Den Willen zur "Zufriedenheit der Bevölkerung".
 
hmm interessanter beitrag ... der vorletzte absatz in dem eingangszitat find ich echt vorbildlich ... so wie es eigentlich sein sollte ... so wie es der gesunde menschenverstand eigentlich machen würde ...

anstatt ständiges wachstum - steigender druck - stress - krankheiten usw.

ja im grunde wissen das die leute eh die sich ein bischen was vorstellen können, dass es auch anders geht und dass glück nicht davon abhängt ob man einen fetten fernseher und das neueste mobiltelefon hat

grüße liebe
daway
 
dass es auch anders geht und dass glück nicht davon abhängt ob man einen fetten fernseher und das neueste mobiltelefon hat

grüße liebe
daway

Fernseher usw. sind Ersatzbefriedigungen.
Wären die Menschen glücklich, wäre das Nebensache.
Was soll kompensiert werden? Wo bleibt dieses auf der Strecke und warum? Was bekommen wir scheinbar dafür, dass wir das zulassen?
 
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Viele fragen sich, was sie eigentlich tun. Und das zurecht.
In der Früh auf, den ganzen Tag arbeiten, viel Zeit auch unentgeltlich, am Abend noch den Haushalt und dann k.o. ins Bett.
Das alles nennen wir Wohlstand.

Wohl-stand! :confused:

Glück - wer kennt das noch in seinem Alltag als normalen Bestandteil?
Wer aufs Leben steht und nicht auf Tretmühle, findet echten Wohlstand kaum, weil dieser heute mit Kontostand verwechselt wird.
 
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