lazpel schrieb:
Eine These zu NTE (Nah-Tod-Erfahrungen) ist:
- Kurz vor dem Tod verliert das Gehirn die körperliche Sensorik
- Dadurch reproduziert (konfabuliert) das Gehirn die physikalische Umgebung
- Dadurch entsteht eine OOBE-ähnliche Erfahrung (OOBEs wurden in aller Tiefe und Breite erforscht, siehe die Arbeiten Dr. Paul Tholeys und Stephen LaBerge, Ph.D.)
- Kurz vor dem Hirntod werden Endorphine ausgestoßen, der Dopamin-Level steigt extrem
- Dies führt zu Gotteserfahrungen jeglicher Art (Besuch von Verstorbenen/Gott/sonstigem, jeweils abhängig von Religion und Kultur)
Schon wieder verwechselst du Synchronizität mit Kausalität, Lazpel. Das eine ist ein innerliches Phänomen (welches subjektiv und individuell erfahren wird), das andere ein äusserliches (welches objektiv und empirisch ermittelt wird). Ausserdem treten die beiden synchron auf, mehr ist überhaupt nicht zu sagen. Zu behaupten, das eine würde das andere kausal hervorbringen ist einmal mehr nichts anderes als unwissenschaftlich (zu gut deutsch: nicht beweisbar), denn keine Erklärung dieser Welt kann das eine aus dem anderen "ableiten", wie du das hier tust.
Oder um es banal und in den Worten von Bijoux auszudrücken: Kein Wissenschaftler dieser Erde kann dir erklären, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein, indem er dir die chemischen und biologischen Reaktionen im Körper aufzeigt. Er kann dir nicht einmal sagen, was du wahrnehmen wirst, wenn du eine LSD-Tablette schluckst - selbst wenn er bis ins letzte Detail weiss, wie die Wirkungsweise der entsprechenden Substanzen auf den Organismus sind.
Die letzte Erfahrung ist phänomenal, der große Fehler der Esoteriker ist, daraus transphänomenale Wahrheiten generieren zu wollen. Das beobachtet man auch insbesondere bei Astralreisen oder anderen Traum- und Tranceerlebnissen.
Ich hoffe oben genügend deutlich erklärt zu haben, dass es in diesem Beispiel gar nicht darum geht, ob die Esoteriker diesen Fehler begehen oder nicht (und ja, Lazpel, das sehe ich auch so, dass die Esoteriker oft diesen Fehler begehen - auch wenn ich nicht geringe Mühe mit deinen Konzepten von "phänomenal" und "transphänomenal" habe; aber lassen wir das mal beiseite).
Ja, es ist richtig, dass beispielsweise nicht wenige aus den Erzählungen anderer mit einer NTE schliessen, es gäbe ein Jenseits. Punkt. Keine weiteren Zweifel mehr vorhanden? Das ist ebenfalls "unwissenschaftlich", ja, ich würde es einfach nur purer Aberglaube nennen. Hier jetzt aber zu behaupten: Weil nachweislich chemische Prozesse stattfanden ist die Erfahrung "nicht existent" oder "illusorisch" (was immer diese Terme dann auch bedeuten mögen), das würde erneut heissen, zu behaupten man hätte Kausalität nachgewiesen, während tatsächlich nur Synchronizität stattfand (unter der Voraussetzung natürlich, die Person mit der NTE hat auch "tatsächlich" die beschriebenen subjektiven Erfahrung gemacht).
Und dagegen wehre ich mich einfach. Die subjektive Erfahrung "Müdigkeit" tritt nicht ein,
weil man eine Schlaftablette schluckt, sondern sie tritt einfach
nur gleichzeitig mit den ablaufenden chemischen Prozessen im Organismus auf. Solcher Terminologie ("weil", "aufgrund") bedienen wir uns nur im Alltag um unsere Welt einfacher verständlich zu machen.
Esoterik ist in meinen Augen absolut keine wissenschaftliche Disziplin, da sich aufgestellte Thesen in keinster Weise beweisen müssen, da sich die Esoterik an den Religionen orientiert.
Glaube muß nicht geprüft werden.
Hier müsste ich weiter ausholen um das zu erklären. Wenn's dich wirklich interessiert, dann verweise ich dich auf Ken Wilber ("Eros, Kosmos, Logos"). Er unterscheidet, vereinfacht gesagt, zwischen einer empirischen Wissenschaft (quasi einer Wissenschaft der "objektiven Phänomene"), die mit Begriffen wie wahr/falsch hantiert. Das gilt v.a. für die Naturwissenschaften wie Physik, Chemie, ev. Biologie.
Auf der andern Seite stehen Wissenschaften, welche mit der Subjektivität zu kämpfen haben. Hier machen die Kategorien von wahr/falsch keinen Sinn, weil eine Aussage eines anderen Individuums nicht "selbst erlebt" werden kann. Jede Aussage des andern muss mittels einer
Interpretation zuerst
gedeutet werden, um danach die Kategorien von
wahrhaftig/nicht-wahrhaftig darauf anwenden zu können. Hier seien vor allem die Geisteswissenschaften wie Psychologie, z.T. Soziologie usw. genannt. Diese unterstellen den Individuen eine ganze Menge von Intentionen usw. (welche ja auch nirgendwo empirisch beobachtbar sind, beobachtbar ist einzig Verhalten, nicht eine Intention), und diese Intentionen müssen dann aber zuerst von einem Wissenschaftler interpretiert werden.
Esoterik war immer schon latent eine "Wissenschaft" der zweiten Form. Sie hat aber nicht wenige Probleme.
Erstens: Sie ist in einem weitaus grösseren Ausmass von Scharlatanerie befallen als die restlichen Wissenschaften.
Zweitens: Sie ist äusserst stark befangen von Dogmen, ebenfalls in sehr viel stärkerem Ausmasse als die restlichen Wissenschaften.
Drittens: Vielfach wurde in der Vergangenheit seitens der Esoteriker jegliche Versuche abgelehnt, echte Wissenschaftlichkeit in ihr Feld zu bringen. Sei es aus Dünkel, sei es aus Unwissen, warum auch immer.
Viertens: In der Esoterik hat jeder das Gefühl, kompetent mitreden zu können. Das gilt beispielsweise nicht für die höhere Mathematik, die Atomphysik, die Neurochirurgie, die Volkswirtschaftslehre, die Theologie, die Psychologie usw. Oft werden dadurch populärwissenschaftliche Pseudo-Argumentationen diskutiert. "Jeder hat einen göttlichen Kern!" Was soll ein derartiges Argument in einer wissenschaftlichen Diskussion? Wissenschaft ist nunmal nicht da, um gegenseitig Streicheleinheiten auszugeben, sondern soll der Wahrheitsfindung dienen.
Fünftens: Esoterik galt lange Zeit an vielen Orten als Geheimlehre. Man ging offenbar davon aus, dass nur wenige sie verstehen konnten (warum auch immer). Dadurch blieb Esoterik einer kleinen "Elite" zugänglich. Heute sind sämtliche Buchläden voll von Esoterikbüchern, womit wir wieder bei Punkt 4 wären.
Sechstens: Esoterik besitzt mehrere Seiten. Als Beispiel: Meditation kann auf zweierlei Arten untersucht werden, wie oben beschrieben, nämlich als äusserliche, empirische Vorgänge im Organismus, wie aber auch als innerlich erfahrbare (und also subjektive) Erfahrungen, die dann nur mittels Sprache übertragbar sind, und durch eine andere Person erst interpretiert werden müssen. Wissenschaftliches Vorgehen ist: Ich sage 30 "Wissenschaftlern", wie sie zu meditieren haben. Diese 30 Testpersonen unterziehen sich einem Langzeitversuch über 3 Jahre Meditation und führen Tagebuch über ihre subjektiven Empfindungen. Am Ende sammle ich die Tagebücher und werte sie aus. Wer macht welche Erfahrungen? Gibt es Regelmässigkeiten? Solcherlei ist heute in der Psychologie Standard (Stichwort: Qualitatives Interview u.ä.).
Esoterik kann also durchaus wissenschaftlich betrieben werden.
Und das wurde in der Vergangenheit auch gemacht. Viele Yogis/Gurus/... besitzen ein unglaublich präzises Wissen bezüglich der geistigen Phänomene von Meditation, Yoga usw. Da gibt es durchaus Gesetzmässigkeiten, aber die sind so gut wie kaum erforscht. Diese Phänomene sind aber subjektiv. Der Yogi kann dir zeigen, welche Schritte du auszuführen hast, und du kannst selbst überprüfen, ob seine Aussagen stimmen werden oder nicht (bzw. eine Gruppe von 30 Testpersonen, die einen Langzeitversuch unternehmen).
(Ein persönliches Beispiel: Mit grossem Interesse habe ich in letzter Zeit die beschriebenen Phänomene des "Lichtkörperprozesses" gelesen. Dort ist in sehr grosser Präzision eine Entwicklungsabfolge beschrieben, die - wie ich glaube, denn Beweise habe ich keine - eine gewisse psychologische, spirituelle Entwicklung darstellt und auch die körperlichen Phänomene aufzählt. Wer genug Verstand hat, kann dort durchaus das eine oder andere Interessante herauslesen, man braucht bloss mal die Krötenmenschen und Engelhorden wegzulassen, die dort ebenfalls beschrieben sind.)
Schade ist es dann um die wenigen Juwelen in der Esoterik, die dann leider auch mit belächelt werden.
Ja, das ist schade. Und ja, es braucht dringend öffentlich einsichtbare Forschung, welche jene als Scharlatane entlarvt, die auf dem Buckel der Allgemeinheit Märchengeschichten erzählen.
Aber ein Esoteriker, der allen Trends hinterherläuft, ist auch kein Esoteriker, sondern ein verkappter Exoteriker.
Auch hier: Zustimmung!