Wenn die Blinden von der Farbe reden...
Es gibt so viele Wege zum Schamanen, als es Menschen gibt, die Schamane oa. genannte Geistheiler ihrer Landestradition geworden sind.
In nativen Kulturen wird ein geburtliches Potential gesehen, doch müssen sich Anwärter erst unter gewissen Prüfungen als würdig erweisen. So nur als Beispiel bei den Inuit (deren trad. Lebensart mehr oder weniger bereits ausgestorben ist) tagelanges Sitzen im Eiswasser. Schamanen können das, normalsterbliche (Inuit) nicht.
Die lebensbedrohlichen Prüfungen gehen für Schamanenanwärter auch nicht immer gut aus...einige finden sich nicht in enger Verbindung zur Geisterwelt wieder, erfahren keine Zerstückelung und werden von den Geistern wieder zusammengesetzt, sondern sie sterben wirklich.
Diese Tatsache verdeutlicht, daß jener Weg keine Hobby-Spaßgesellschaft der Geisterschau im Wohnzimmer, sondern vielmehr eine Zunft darstellt, die das Überleben des eigenen Clans/ der Familie / des Volkes sichert und zwar von je her als Bündnis mit Wesenheiten der Geisterwelt, welches aktiv beiderseits bekräftigt wird und zwar nicht selten über den Tod hinaus.
Von daher sehen einige Schamanenanwärter ihre Gabe eher als Fluch als denn als Segen und meinen man müsste ein Vollidiot sein, wenn man Schamane werden will. Wenn es die Geister so bestimmen, bleibt aber keine andere Wahl, als diesen Weg zu gehen...naja...alternativ könnte man unbedeutend dahinsiechen...das wäre Plan B.
Schamanismus ist keine heilige Kuh. Um das auf anderer Ebene zu verdeutlichen wäre nicht jeder, der gerne Fleisch isst, auch dazu bereit, die Tiere selbst zu schlachten. Unter jenen Umständen würden wohl viele auf den Fleischgenuss verzichten und sich nach Alternativen umsehen.
Was hierzulande betrieben wird, nennt man Neoschamanismus...es sind halt nicht die Geister, die gerade eben neu entdeckt wurden, sondern nur der praktische Umgang mit diesen.
Jener Umgang mag heutzutage unbeholfen wirken, doch dies kann sich in wenigen Generationen ändern.
So gibt es auch ein Programm der FSS, durch das mittels finanzierter Living-Treasures (Schamanen in trad. Überlieferung) Schamanismus wieder dort Verbreitung findet, wo die Kunst praktisch seit mehreren Generationen ausgerottet wurde oder auf anderen Wegen in Vergessenheit geraten ist.
Die Jungen interessieren sich wieder dafür, einige Wenige - und viele eher nur deswegen, weil es Geld einbringt. Schamanismus ist ein gutes Tourismusgeschäft geworden, das hat sich nicht erst seit gestern herumgesprochen. Praktisch jeder Einheimische wird ganz schnell zum Curandero, wenn der Touri nach einem solchen Ausschau hält. Kaum einer von jenen hat sich der ca. 10Jahre langen Ausbildung unterzogen. Man erzählt den Touris einfach, was sie hören wollen, schön verpackt mit Geschichten der Großeltern, die hierzu noch ein bisschen was wussten.
Für Touris reicht das zumeist aber auch völlig aus.
Es ist schliesslich nicht so wichtig, die Geisterwelt tatsächlich zu betreten und zu erfahren...man will doch nur ein paar tolle Geschichten aus dem Urlaub erzählen und Schamanismus macht da schon was her...