Wie Meditation das Hirn verändert

Freddy

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10. Februar 2008
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Stuttgart
Hallo!

Ich habe diesen Artikel hier bei Spiegel-Online gefunden und wüßte gerne, was Ihr davon hällt:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,552185,00.html


Ich konnte da in fast keinem Punkt zustimmen. Zum einen schreibt Ricard :
"Damit Altruismus und Mitgefühl zu dauerhaften Bestandteilen unseres Bewusstseinsstroms werden, müssen wir sie über eine längere Zeit kultivieren. Wir müssen sie uns bewusst machen und sie dann fördern, wir müssen sie wiederholen, bewahren, verstärken, so dass sie unser Denken und Fühlen allmählich dauerhaft ausfüllen."
Das klingt für mich ziemlich mechanisch und befremdlich, denn das wovon Ricard redet sind abstrakte Konzepte und nicht das worauf sie eigentlich zeigen. Ich bezweifle sehr, daß man diese abstrakten Ideen durch "Wiederholung" in sich "kultivieren" kann. Das ist doch oberflächlicher Blödsinn und hat mit Meditation garnichts zu tun, findet ihr nicht? Das worauf die Begriffe Altruismus und Mitgefühl zeigen sind natürlich entstehende Seinszustände, die man sich nicht durch 1000maliges Aufsagen einreden kann.
Singer entgegnet darauf:
"Es müssen bestimmte Ebenen voneinander getrennt werden, es wird ein Agent benötigt, der auf einer anderen Ebene agieren muss als die Prozesse, die verändert werden sollen." Zitatende.
Ist es denn nicht gerade dieser Agent oder dieses intentionale Ich, daß der Veränderung im Weg steht? Kann etwas, daß man Altruismus nennt entstehen, solange es ein ICH gibt, daß sich aus dem ganzen getrennt hat?
Also irgendwie habe ich das Gefühl, daß die beiden vollkommen an sich und an der Sache vorbeireden, Sie sagen Meditation und meinen eigentlich Hypnose, daß mit Meditation rein garnichts zu tun hat. In der Meditation gibt es keine "Auswahl und Bewertung" von bestimmten Inhalten, es ist vielmehr das Beenden von intentionalem Denken.
Ich finds immer erschreckend wenn Wissenschaftler mit ihrem analytischen Mähdrescher durch die Pampa fahren und sich wundern wieso hinter ihnen alles kleingeschnippelt ist und dies umsomehr wenn der eine Wissenschaftler seit 35 Jahren Buddhistischer Mönch ist :confused:

Gruß
Freddy
 
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Hallo!

Ich habe diesen Artikel hier bei Spiegel-Online gefunden und wüßte gerne, was Ihr davon hällt:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,552185,00.html


Ich konnte da in fast keinem Punkt zustimmen. Zum einen schreibt Ricard :
"Damit Altruismus und Mitgefühl zu dauerhaften Bestandteilen unseres Bewusstseinsstroms werden, müssen wir sie über eine längere Zeit kultivieren. Wir müssen sie uns bewusst machen und sie dann fördern, wir müssen sie wiederholen, bewahren, verstärken, so dass sie unser Denken und Fühlen allmählich dauerhaft ausfüllen."
Das klingt für mich ziemlich mechanisch und befremdlich, denn das wovon Ricard redet sind abstrakte Konzepte und nicht das worauf sie eigentlich zeigen. Ich bezweifle sehr, daß man diese abstrakten Ideen durch "Wiederholung" in sich "kultivieren" kann. Das ist doch oberflächlicher Blödsinn und hat mit Meditation garnichts zu tun, findet ihr nicht? Das worauf die Begriffe Altruismus und Mitgefühl zeigen sind natürlich entstehende Seinszustände, die man sich nicht durch 1000maliges Aufsagen einreden kann.
Singer entgegnet darauf:
"Es müssen bestimmte Ebenen voneinander getrennt werden, es wird ein Agent benötigt, der auf einer anderen Ebene agieren muss als die Prozesse, die verändert werden sollen." Zitatende.
Ist es denn nicht gerade dieser Agent oder dieses intentionale Ich, daß der Veränderung im Weg steht? Kann etwas, daß man Altruismus nennt entstehen, solange es ein ICH gibt, daß sich aus dem ganzen getrennt hat?
Also irgendwie habe ich das Gefühl, daß die beiden vollkommen an sich und an der Sache vorbeireden, Sie sagen Meditation und meinen eigentlich Hypnose, daß mit Meditation rein garnichts zu tun hat. In der Meditation gibt es keine "Auswahl und Bewertung" von bestimmten Inhalten, es ist vielmehr das Beenden von intentionalem Denken.
Ich finds immer erschreckend wenn Wissenschaftler mit ihrem analytischen Mähdrescher durch die Pampa fahren und sich wundern wieso hinter ihnen alles kleingeschnippelt ist und dies umsomehr wenn der eine Wissenschaftler seit 35 Jahren Buddhistischer Mönch ist :confused:

Gruß
Freddy

Hallöle,
ich kann Dir bei der Bewertung des Artikels so gar nicht zustimmen.
Altruismus steht im Buddhismus der Wut und dem Haß (besondere Einsicht/ Geistesgifte entgegen). Da der Geist nun so beschaffen ist, daß er sich immer nur einem Phänomen widmen kann (hier Altruismus), so ist es unmöglich gleichzeitig Wut und Altruismus zu empfinden. Die Geistesgifte wie Wut, Haß, Neid und Unwissenheit gilt es zu bekämpfen. Sie verhindern Gelassenheit, geistige Klarheit, Geduld und Weisheit. Es ist also so, daß Altruismus ein Gegenmittel zu den eigenen geistigen Aggregaten ist. Altruismus steht der Ich-Sucht entgegen. Altruismus kann durch analytische Meditation anhand des Austausches von Ich und Anderen erzeugt werden. ZB: Das Leben ist leidvoll. Für mich und alle anderen Wesen. Eigennutz verstärkt dieses Leiden. Für mich und alle anderen.

[...] SH sagt: In Shāntidevas Bodhicaryāvatāra beispielsweise gibt es ein Kapitel über die Sammlung. Darin debattiert man mit seinen eigenen negativen Emotionen wie Selbstsucht usw. In dem inneren Disput tritt die Selbstsucht mit ihren fadenscheinigen Argumenten gegen den Altruismus an, der beweisen will, daß die Selbstsucht ein unangemessenes Verhalten ist. [...]

Hinzu kommt bei dem Gedanken an das Gesetz des Karma in der Meditation die Überzeugung auf, daß Selbstsucht auf den Verursacher Rückwirkungen haben wird.

So wie diese Ich schwindet erzeugt sich Altruismus.

Ganz liebe Grüße
R.R
 
Kann man denn Altruistisch, Weise und Gütig werden indem man innerlich gegen seine Selbstsucht und seinen Hass ankämpft? Ist dieses ankämpfen nicht in sich selbst der Hass und die Selbstsucht?
 
Hallöle,
man kann nicht eigentlich von Kampf in diesem Zusammenhang sprechen. Es ist mehr die Einsicht in die Zusammenhänge des Geistes, die dazu führen immer stärker den Erleuchtungsgeist, Geistige Ruhe usw. zu entwickeln. Die Beschäftigung mit der "normalen Welt" führt allerdings immer wieder dazu, daß die Geistesgifte Oberhand gewinnen.

[...] Da ist gar nichts Substanzielles "hinter" den Erscheinungen unserer Wahrnehmung, keine von ihnen ist es (letztlich) wert, gesehen, gehört oder sonst wie erlebt zu werden, und bei genauem Hinsehen ist nicht einmal ein Sehender im eigentlichen Sinn auszumachen. Was sich unseren Sinnen präsentiert, ist nichts als der sich manifestierende Ausdruck eines latenten Kräftespieles von "Gier", "Hass" und "Verblendung". Wir haben es mit Vorstellungen, mit Begriffen, mit "Zeichen" zu tun, denen wir unsere subjektive Bedeutung beimessen, und nicht mit objektiven Gegebenheiten. [...] Dhamadana

Es ist also mehr der Wunsch das Leiden zu beseitigen, als ein Kampf. Mehr eine Kultivierung der Gegenmittel. Erlöschen die Ursachen, erlischt das Leiden.

SH sagt: "Zuerst müssen wir lernen, die verschiedenen Faktoren unseres Bewußtseins zu identifizieren (Achtsamkeit). Dann müssen wir lernen sie zu unterscheiden (Streben). Allmählich sollte wir immer mehr auf den Rat und den Einfluß der guten Seite bauen (Anschauung). Dadurch wird die gesamte geistige Einstellung verbessert (Absicht).

Ein Übender ist also jemand der nicht gegen äußere Feinde, sondern gegen feindliche Kräfte, die in ihm selbst sind, kämpft. Dies sind Wut, Haß, Begierde und viele andere. Wir müssen die gute Seite in unserem Geist organisieren; ein Kampf mit Weisheit als Geschoß und punktförmiger Meditation als Waffe."

Hass: Hass ist ein Geistesgift. Er verursacht Verwirrung, behindert die Klarsicht, vernebelt den Geist. Ursache für den Hass ist Unwissenheit in bezug auf die Lehre (Dharma). Geistige Ruhe kommt nicht zustande. Somit auch keine Weisheit. Da nun die Phänomene nicht ihnärent existen sind, somit auch nicht der Hass, ist er unbeständig und wechselhaft. Wenn das durch logische, analytische Meditation erkannt wurde, steht es nun frei, diese Wechselhaftigkeit "zu benutzen" und den Hass auf Basis von Einsicht in Geduld und Mitgefühl für das leidende Wesen (gegenüber) zu verwandeln, denn ich/ wir wollen ja nicht leiden.

Ganz liebe Grüße
R.R
 
Ja, so seh ich das auch, daß man in diesem Zusammenhang nicht von Kampf sprechen kann. Es hilft da auch nicht irgendwelche Texte zu zitieren wo dennoch von Kampf und Waffen die Rede ist.
Man muß das Phänomen in sich selbst beobachten und ganz ganz achtsam sein welche Worte man gebraucht.
 
Ja
es ist ein Kampf gegen die inneren, eingfahrenen Denkstrukturen, die aus Unwissenheit in bezug auf die Lehre resultieren. Ein innerer Kampf.

Wörter, Handlungen und auch andere Phänomene sind weder gut noch Schlecht an sich. Im Grund sind sie leer. Einzig die Absicht dieser Wörter, Handlungen oder Phänomene in ihrem Zusammenhang zählt.

Aus dieser Sicht heraus ist es legitim auch mit Wörtern wie Kampf und Waffen zu operieren.

Ganz liebe Grüße
R.R
 
Ich bin mir nicht sicher ob wir das gleiche meinen oder nicht. Deswegen sind Worte nicht unwichtig.
Kampf und Waffen sind ja Instrumente um etwas zu vernichten. Ich will also die Meditation als Mittel zum Zweck gebrauchen um die Selbstsucht und den Haß in mir zu vernichten und an deren Stelle Altruismus zusetzen. Aber Fakt ist doch, daß ich hasse und egoistisch bin, ansonsten würde sich doch die Frage ihrer Aufhebung garnicht stellen. Und ist diese Erkenntnis nicht in sich schon die Aufhebung von Haß und Egoismus? Verstehst du was ich sagen will? Solange ich dagegen ankämpfe bleibt der Haß doch bestehen. Wenn ich das erkannt habe kämpfe ich doch nicht mehr dagegen an!
 
Wenn das durch logische, analytische Meditation erkannt wurde, steht es nun frei, diese Wechselhaftigkeit "zu benutzen" und den Hass auf Basis von Einsicht in Geduld und Mitgefühl für das leidende Wesen (gegenüber) zu verwandeln, denn ich/ wir wollen ja nicht leiden.

Ganz liebe Grüße
R.R

Da möcht ich euch dazu etwas erzählen. Geshe Tashi (lebt und lehrt in London) erklärte uns zu genau dieser Sache bei einem wunderbaren Seminarwochenende in Wien etwas, was ich nun versuche so gut wie möglich wiederzugeben.

Er sagte, Haß und Zorn verwandeln sich niemals, niemals in Liebe und Frieden (er sagte wirklich "they never, never will change into love and peace"). Etwas irritiert fragte ich am Ende der Unterweisung nach, wie das gemeint sei, da doch alles sich verändere. Er freute sich über die Frage und erläuterte, natürlich sind sie veränderbar. Es ist möglich, sie durchsichtig werden zu lassen, sie ganz versiegen zu lassen, zu bewirken, daß sie sich auflösen. Und an dem freigewordenen Platz im Geist (oder wie auch immer man das nennen mag, ich würde gerne "im Herzen" sagen, denn im Buddhismus ist ja der Sitz des Geistes im Herzen) - dort kann nun Liebe und Frieden entstehen. Dieses Bild hat mir sehr gefallen.
 
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Altruismus kann durch analytische Meditation anhand des Austausches von Ich und Anderen erzeugt werden.

Man liest immer wieder von der These, dass man durch selbstloses Handeln, dadurch, dass man anderen Menschen seine Liebe und Aufmerksamkeit schenkt, Altruismus (selbstlose Liebe zum Nächsten) entwickeln kann. Davon bin ich keineswegs überzeugt. Denn im Innern des Menschen herrscht immer noch Egoismus vor. Es mag zwar gelegentlich die Einsicht vorherrschen, dass es ein gutes Werk ist, anderen Menschen zu helfen. Das führt aber nicht dazu, dass sich durch diese Art der Nächstenliebe generell Altruismus einstellt. Man hilft zwar anderen Menschen, aber es geschieht nicht wirklich aus Überzeugung, jedenfalls in den meisten Fällen nicht, denn im Innern besteht immer noch ein ziemlich großer Widerwille gegen diese Art der selbstlosen "Liebe". Man kann sie daher eigentlich nicht wirklich als selbstlose Liebe, als Altruismus, bezeichnen, weil sie gegen den eigenen Willen, gegen die innerste Überzeugung, geschieht. Sie geschieht eigentlich nur, weil man durch diese Art des Altruismus für sich selber etwas erhofft. Es ist also in Wirklichkeit gar kein Altruismus, sondern hinter diesem Altruismus versteckt sich in Wirklichkeit nichts anderes als eine andere Form des Egoismus.

Dieser Altruismus geschieht, besondern bei Karma-Yogis, aber auch bei sozial gesinnten Christen und anderen Menschen, die anderen Menschen helfen wollen, in der Hoffnung, dass sie sich dadurch zu besseren, glücklicheren und zufriedeneren Menschen entwickeln, dass sie durch diese Art der selbstlosen Liebe, spirituelle Fortschritte machen. Ich möchte nicht gegen diese selbstlose Liebe sprechen. Sie ist bestimmt etwas wunderbares. Aber man sollte nicht erwarten, dadurch spirituelle Fortschritte zu machen oder dadurch ein glücklicherer und zufriedenerer Mensch zu werden.

Um ein glücklicher und zufriedener Mensch zu werden, muss man die Physiologie des Menschen verändern, man muss gewissermaßen seine Blockaden auflösen, damit die Energie frei fließen kann. Dazu aber ist der Altruismus nicht in der Lage, weil er nur sehr begrenzt auf die Physiologie einwirkt. Ändert sich dagegen die Physiologie, so kommt der Altruismus aus dem Herzen. Dann ist der Mensch so reich an Liebe, die er seine Liebe gerne mit Freuden an andere Menschen verschenkt. Dann kommt der Altruismus von innen, aus dem Herzen. Diese Form des Altruismus geschieht auch nicht aus irgendeinem Zweck, meinetwegen um selber glücklicher und zufrieden zu werden oder um spirituelle Fortschritte zu machen, sondern aus dem innersten Bedürfnis, andere Menschen mit der eigenen Liebe zu beschenken. Und natürlich auch aus der Bereitschaft und Einsicht, anderen Menschen helfen zu wollen.

Hiermit möchte ich also sagen, dass niemand durch Altruismus zu einem besseren und glücklicherem Menschen wird, oder dass er durch Altruismus irgendwelche spirituellen Fortschritte erwarten sollte, zumal diese Form des Altruismus in Wirklichkeit nicht seiner innersten Überzeugung entspricht. Ändert sich dagegen die Physiologie des Menschen, entfallen also seine innersten Ängste, seine Wut und sein Hass und lösen sich seine Blockaden auf, dann erwacht in ihm die Liebe zu voller Blüte und dann geschieht Nächstenliebe aus innerster Überzeugung und aus dem innersten Bedürfnis, seine Liebe und Hilfe anderen Menschen zu geben, ohne dass irgendein Zweck dahinter steht.

So wie dieses Ich schwindet, erzeugt sich Altruismus.

Da sind wir einer Meinung. Diese Aussage gibt in kurzen Worten eigentlich das wieder, was ich zuvor sagen wollte.
 
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