Der Artikel zeigt so schön die 'blinden Flecken' von Hellinger. [...] Was dann die Katastrophe ins Rollen brachte
Das hat nichts mit Empfindlichkeit zu tun, sondern mit der Frage, ob wir hier einigermaßen sachlich informieren und diskutieren oder aber einfach verbissene Polemiken austauschen wollen.
Zu dem Zeit-Artikel ist von allen Seiten alles gesagt worden, seit er vor vielen, vielen Jahren geschrieben wurde. Er ist halt so journalistisch wie immer im Infotainment ... man verzichtet lieber auf seriöse Leserinnen als auf eine Pointe, und überhaupt fühlen sich sehr viele JournalistInnen berufen, über den Dingen zu stehen und sie jederzeit auf den Altären der Kritik opfern zu dürfen.
Die Äußerung Hellingers mit dem "kalten Herz", wenn sie denn so kaltschnäuzig getroffen wurde wie berichtet, wäre zweifelsohne therapeutisch ein Supergau. Wir kennen allerdings nicht die Kontexte, lesen nur aus zweiter Hand. Was den darauf folgenden Suizid anlangt ... möglich, dass in einer Dynamik, die damit ihr irdisches Ende gefunden hat, die Aufstellung auch (!) eine bedeut(!)same Rolle spielt, wie vieles andere auch. Schlimm genug. Kausale Schuldzuweisung hingegen ist unzulässig. Wittgenstein: "Der Glaube an den Kausalzusammenhang ist DER Aberglaube!"
Solch rüdes Abbrechen von Aufstellungen, von den einen u.a. als potenziell heilsame Provokanz geschätzt, wird von anderen Aufstellern an Hellinger und denen, die ihm darin folgen, durchaus kritisiert, und die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen von Aufstellungen und den damit verbundenen Ausbildungen hat dazu geführt, dass bis heute ein sehr viel breiteres Spektrum am systemischen Aufstellungen entstanden ist, in dem Hellinger nicht mehr die Hauptrolle spielt. Daran, dass dieses effiziente und durchaus auch sozioökonomisch wertvolle Verfahren so rasch und so differenziert weiterentwickelt wurde, hat er erheblichen Anteil ... auch als motivierender Reibepfahl für Andere.
Wenn also hier über Aufstellungsarbeit gesprochen wird und Fragen dazu gestellt werden, ist es wenig hilfreich für die Anfragenden und für die Diskussion, wenn das mit nerviger Penetranz immer wieder auf den Wissensstand von anno dunnemals zurückgezogen wird.
Wobei nicht unter den Tisch zu fallen braucht, dass im Alltag des Aufstellens heute viele Leute unterwegs sind, die in Theorie und Praxis äußerst fragwürdig ausgestattet sind, sagen wir's mal vorsichtig. Darum immer wieder mein Tipp: Trau schau wem. Zum einen, welche Ausbildung hat die/der Aufsteller/in, die ich in Erwägung ziehe, zum anderen: erst mal anschauen, als Repräsentant in Rollen gehen bei anderen ... für Akutfälle, für traumatisch konnotierte überhaupt, sind Aufstellungen in der Regel eh weniger geeignet, dafür gibt es sinnvollere Formen der Begleitung.
Und da zeigt sich ein weiterer Vorteil der Aufstellungsarbeit: Sie ist (wenn nicht diese Lego-Spielchen im Zweier-Setting als Aufstellungsarbeit vermarktet werden) völlig transparent und öffentlich. Ich kann's mir anschauen und mir meine Meinung bilden. Wo wäre das in anderen Formen von Psychotherapie möglich? Wer weiß schon, was da hinter verschlossenen Türen abgeht? Zweifellos sehr viel Gutes ... aber ganz nüchtern gibt es (auch) da eine gewisse Zahl an Suicidfällen im Verlauf einer Therapie, es gibt vor allem eine hohe Dunkelziffer, und da wird auch in der Regel nicht der Zusammenhang konstruiert, dass sich jemand entleibt hätte, weil die Therapie ihn dazu gebracht hätte ...
Ich will hier in keiner Weise, noch einmal ganz deutlich gesagt, eines gegen anderes ausspielen, und die Vertraulichkeit therapeutischer Sitzungen ist selbstverständlich ein hohes Gut. Ebenso wie die transparente Öffentlichkeit systemischer Aufstellungsarbeit eine wertvolle Angelegenheit ist ... man kann sich eine eigene Meinung dazu bilden, ohne auf journalistische Polemik oder bissige Forumsbeiträge angewiesen zu sein.