Eigentlich mag ich die Argumentation wie sie jetzt folgt
im Grunde selber nicht besonders gern, aber trotzdem:
Aus sich selber heraus erkennen? So wie unzählige erwachsene
und reife Menschen aus sich selber heraus erkannt haben, das
die nationalsozialistische Bewegung eine Welle der Vernichtung
nach sich ziehen wird und der nette, kleine Onkel mit dem lustgen
Schnurrbärtchen nicht nur den Kontinent in die Verderbnis stürzen
wird? Indoktrinierte Menschen erkennen primär das was sie als Futter
vorgesetzt bekommen ...
Deine Zuversicht was die Erkenntnisfähigkeit von Kindern betrifft würde ich gerne teilen ...
Okay, ich versuche es noch mal.
Ich schrieb:
"Und das sollte ein Kind irgendwann aus sich selbst heraus erkennen können. (und eigene Schlüsse ziehen)"
Okay, für "Kind" hätte Mensch wohl besser gepasst.
Sollte: steht für "theoretisch möglich"... Nicht für müssen, Zwang. Setzt Interesse des Menschen voraus (in diesem Falle am Thema Religion), Fähigkeit sich kritisch auseinanderzusetzen usw.
Irgendwann: steht für "in naher oder ferner Zukunft". D.h. das Kind selbst wird mit etwas in Berührung kommen, es zunächst vielleicht glauben, vielleicht aber auch gleich beginnen zu hinterfragen. Meist geschieht dies aber eher im Alter ab 14, würde ich meinen (und 14 - 16-jährige sind in meinen Augen durchaus noch Kinder. Kinder, die langsam erwachsen werden). Und dann beginnt man sich mit einer Sache zu beschäftigen, sie zu durchleuchten, sich davon abzuspalten (oder auch nicht), um am Ende dann für sich einen Entschluss zu fassen. (der aber natürlich auch vorüber gehend sein kann. Und der - zugegeben - meist auch erst im Erwachsenenalter gemacht wird. Aber dazu kenne ich die heutigen Jugendlichen nicht gut genug, weiß nicht, wie kritisch sie sind usw.).
Dann ist meine Aussage mit dem was ich hier im Thread geschrieben oder als "gefällt mir" markiert habe verknüpft.
Also:
Wenn Religionsunterricht gut durchgeführt wird, andere Religionen auch erwähnt werden oder zumindest zu Hause die Eltern diesen Part übernehmen (klar, dass christliche Eltern daran kein Interesse haben, warum sollten sie auch? Dennoch...), so hat ein Mensch die Möglichkeit, selbst irgendwann (für sich) zu erkennen, dass es an sich keine der großen Religionen geschafft hat, sowas wie ein friedliches Miteinander zu bewerkstelligen oder ihre Werte ohne Mord und Totschlag durchzusetzen. (was aber natürlich auch ohne Religionsunterricht geschehen kann, nur ist es hilfreich, von Religionen an sich zu wissen, sie kennen zu lernen. Das könnte man also in einem solchen Unterricht lernen. Und ja, natürlich könnte der Unterricht auch "Moral und Ethik" oder "Philosophie und Politik" heißen. Der kann aber ebenso beeinflusst werden, liegt dann wohl am Lehrer.)
Und ja, ich finde, dass sollte (im Sinne von können/dürfen, nicht im Sinne von müssen/Zwang) ein Mensch aus sich selbst heraus schaffen (indem er sich damit beschäftigt, auseinandersetzt, diskutiert - ich meine, heute gibt es so unendlich viele Möglichkeiten sich Wissen zu suchen. Und ja, man kann auch auch auf komische Sachen dabei stoßen, die einen verwirren. Aber die Möglichkeiten hat man heute, sofern das Interesse vorhanden ist), weil es sonst auch nur Wissen von außen ist, etwas was Eltern oder Lehrer sagten z.B. Aber nichts, was man selbst beobachtet, gesehen und erfahren hat. Man kann seine Entscheidung begründen, und muss nicht sagen: Ähm, ja, so denke ich, weil mami und Papi ("der Mann mit dem Bart am Kinn") es gesagt haben und dann muss es wohl stimmen.
Auch ging es hier um das was war und ist, und nicht das, was ggf. entstehen könnte (habe ich jedenfalls nicht so verstanden). Die Religionen sind jetzt da, so wie sie sind. Und jeder kann sehen, welchen Weg sie gegangen sind und ob das mit dem, was sie predigen übereinstimmt. Darum kann ich den Vergleich mit bärtigen Männern die eine Schraube locker haben (um es mal mächtig zu untertreiben), nicht so ganz nachvollziehen (wobei sich hier auch noch die Frage stellt, ob wirklich
alle Erwachsenen mit Freude diesem Menschen gefolgt sind. Das glaube ich nämlich nicht. Da war wohl eher viel mit Angst, Macht, Unsicherheit, Zwang, Dummheit usw. im Spiel. Ja, ähnlich wie einst die Kirchen, mit dem Unterschied, dass man sich heute davon lösen kann, ohne auf dem Scheiterhaufen zu landen. Und heute sehen kann, wohin sie einst führten.).
Was aus etwas werden könnte, ist eine interessante Frage. Und wenn ich Dich richtig verstehe, siehst Du jetzt eine Gefahr durch Religionsunterricht darin, dass eine Gruppe Menschen gezüchtet wird, die dann los zieht, und andere unterdrückt? Bzw. diese Gruppe, die schon existiert, dadurch stärker wird?
Ich weiß nicht, wie alt die Leser hier sind, aber der Religionsunterricht ist an staatlichen Schulen freiwillig, also kann jeder selbst entscheiden (bzw. die Eltern). Dann wird er sich sehr verändert haben, schätze ich. Ich weiß nicht, wie er einst war. Hier habe ich was von auswendig lernen gehört, und von Lehrern, die was erzählten, was das Kind aber noch gar nicht verstehen konnte. Es wurde mit Strafe gedroht und anderen dummen Sprüchen ("ihr kommt alle in die Hölle"). Also ich weiß nicht, ob eine Schule sich heute sowas noch erlauben könnte (was wiederum nicht heißen soll, daß es auf subtile Weise nicht geschieht). Und ich hoffe, die Zeiten der Angst- und Panikmache sind vorbei.
Mein Sohn hat bisher (1. Klasse) im Religionsunterricht eine Kirche besucht, dann ein Bild beklebt, mit "Altar, Kerze, Bibel etc." (also was ist was, und wo befindet sich was - würde ich unter Allgemeinbildung verbuchen. Muss man nicht wissen, schadet aber auch nicht, wenn man es weiß). Sie haben ein Laparello vom Sonnengebet zum Namenstag vom Heiligen Franziskus in eine Streichholzschachtel geklebt. Sie haben sich beim Gottesdienst (der einzige, wo Sohnemann bisher dran teil nahm, mal abgesehen vom Einschulungsgottesdienst) einen Film zum Thema Armut angesehen (aus der Reihe "Willi will's wissen", was eine ganz normale Kindersendung ist), um anschließend über dieses Thema zu sprechen. Es ging in anderen Stunden um Themen: was mag ich, was bedeutet mir etwas...
Er selbst hat zu diesem Fach bisher nur einmal gefragt "Warum glauben die eigentlich an Gott?" Und einmal aufgeregt erzählt, dass sie diesen Film gesehen hätten, mit den vielen armen Menschen. Dass es sowas (Armut) wirklich woanders gibt (hat er uns Eltern bisher scheinbar nicht abgenommen). Finde ich bisher von den Themen her nicht schlecht. Gehirnwäsche kann ich nicht darin erkennen, und sollte ich irgendwann so etwas merken, dann ist er dort eh raus. Damit möchte ich auch nur sagen: im Religionsunterricht (zumindest an seiner Schule), wird nicht die ganze Zeit die Bibel rauf und runter gelesen und gepredigt was das zeug hält, mit Hölle und Fegefeuer gedroht. Wir werden sehen, wie es weiter geht. (und klar, können die Skeptiker nun behaupten, ich werde es gar nicht merken, wenn da was komisches vor sich geht an der Schule).
Ja, an sich braucht es nicht wirklich Religionsunterricht. Andererseits kann es aus meiner Sicht auch nicht schaden, etwas darüber zu erfahren. Ich persönlich sehe da nun keine Gefahr, daß alle, die Religionsunterricht hatten zukünftige "Christuskämpfer" werden (wie viele von den hier Schreibenden hatten Religionsunterricht? Und lehnen die Kirche, oder die Kirche so wie sie ist, für sich dennoch ab? ) Zumal das Fach sich ja ablehnen lässt (an staatlichen Schulen).
(soweit ich es gelesen habe, gibt es auch auf Waldorfschulen diesen Unterricht. Weiß aber nicht, ob das alle Schulen betrifft. Das nur am Rande erwähnt, weil diese Schulform hier im Faden auftauchte, als mögliche Alternative. Wäre jetzt interessant, was dort unterrichtet wird. Im Netz liest man von vielen tollen Dingen bis hin zu haarsträubenden Erlebnissen alles mögliche, über Waldorfschulen. Zu Religion und Waldorfschule habe ich noch nicht gesucht. Vielleicht weiß ja jemand hier etwas, der eine solche Schule besuchte?).
Ich sehe Religionsunterricht als eine Art Grundlage, eine Art der Allgemeinbildung, eine Erklärung zu unserer Kultur, ein Stück Geschichte, ein wenig was zum Thema Glaube und Gott (und später dann, was dies mit einem macht und andere Hinterfragungen). Und wie geschrieben, Hirnwäsche kann ich momentan in diesem Fach keine erkennen.
Das war nun doch wieder mehr, als ich schreiben wollte. Und sicher, kann es auch weiter ausdiskutiert und hinterfragt werden. Vielleicht sehe ich das Thema in zwei Jahren auch anders, weil Sohnemann jeden Tag ein neues Gebet auswendig lernen muss und ihm mit Höllenfeuer gedroht wird. Sicher lässt sich vieles am Religionsunterricht verbessern, der eben seinen bestimmten Fokus hat (wobei ich noch nicht weiß, ob andere Religionen nicht doch irgendwann Thema werden). Vielleicht bin ich ja zu einfach gestrickt, weil ich die Gefahr, die vom Religionsunterricht ausgeht nicht sehen kann. Kann alles sein, aber dies ist meine momentane Meinung/Sicht der Dinge.