Unhöfliche Besucher: Das Kleine Intermezzo

kyolong

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Unhöfliche Besucher.
Kapitel 3: Das Kleine Intermezzo
Es wurde wirklich ein brüllend heißer Tag. Und Dr Spencer lag noch immer auf seinem Bett. Das Fenster war weit geöffnet, der Ventilator rauschte wie ein Hurrikan und die Sommerdecke lag irgendwo vor dem Bettkasten. Und obwohl Dr Spencer lediglich mit seinem Adamskostüm bekleidet war, war es in dieser Hitze kaum auszuhalten und immer wieder erwachte er aus seinem ohnehin sehr leichten Schlaf.

Und wieder war es so ein Moment des Erwachens. Aber diesmal war Etwas anders. Die sonst verschlossene Zugangstüre zu Dr Spencers Gemach stand weit offen und in dem nur schwach ausgeleuchteten Flur dahinter stand eine kleine Gestalt. Dr Spencer erschreckte. Das war ihm jetzt wirklich unangenehm. Einen Dr Spencer im Adamskostüm (und dazu noch in seinem speziell gestalteten Schlafgemach) vorzufinden, ist gewiss kein Anblick dem man gerne einem Kind zumuten würde.
Aber als er die Gestalt ein wenig näher betrachtete erkannte er, dass es sich nicht, wie er ursprünglich vermutete, um seinen Sohn handelte. Die Figur, die da im Flur vor seinem Schlafgemach stand hatte zwar die Statue und Proportionen eines Kindes aber...
...sie trug ein langes weißes Gewand und ihr Blick ging wohl zu Boden. Genau wissen konnte man das nicht, weil ihr Gesicht unter langen zottigen Haaren verborgen war...
„The Ring!“ fiel es ihm ein. Schon wieder so ein speziell Begabter, der sich zu viel und zu lange mit zwielichtigen Filmen beschäftigt hat. „Also das wird ja nun wirklich langsam etwas arg!“ brummte er erbost. Und mit diesem Gedanken griff er nach dem Radiowecker um damit dem unhöflichen Besucher eine ordentliche ferngesteuerte Beule zu verpassen.

„Warte“ hörte er die leise Stimme kyolongs. „Das wäre sehr hässlich!“
„Hässlich?!“ dachte Dr Spencer. „Ist das was der hier abzieht nicht auch ziemlich hässlich?“
kyolongs Gedanken gingen nicht auf diese Frage ein. Statt dessen erwiderten sie:
„Ich kenne ihn. Er ist viel älter und doch erscheint er dir hier wie ein kleines Kind. Und er kleidet sich in einer Art und Hoffnung die dich mit Angst beeindrucken soll.“
„Na also, das hat er hinbekommen!“ erwiderte Dr Spencer gedanklich und griff erneut nach dem nahe stehenden Radiowecker.

„Warte“ hörte Dr Spencer erneut, diesmal mit einer Spur von Ungeduld. „Er ist auf gewisse Weise geistig eingeschränkt und er handelt naiv wie ein Kind. Aber da ist nichts Tückisches in ihm selbst.“
kyolong fuhr fort und Dr Spencer glaubte sogar einen Hauch von Mitgefühl in der Stimme des Drachen zu hören. „Es ist sehr traurig so etwas zu sehen.“
Dr Spencer richtete sich kurz entschlossen auf und griff nach dem Wecker. „Na, dann wollen wir das mal zu seinem entsprechend traurigen Abschluss bringen!“

„Warte...“
Dieses mal war kyolongs Stimme nur das leiseste Flüstern und doch hielt Dr Spencer sofort in seiner Bewegung inne. Denn er fühlte ein Brennen in seinem Nacken. Er kannte diesen Atem.
kyolong fuhr flüsternd fort. „Seine Behinderung ist es nicht die mich traurig macht. Diesen Weg hat er für sich selbst gewählt. Aber das sie ihn instrumentalisieren an statt ihm Freunde, ein Verbund und eine Stütze zu sein... das macht mich wirklich traurig. Geht es dir nicht genauso, mein lieber Dr Spencer?“
Tatsächlich spürte Dr Spencer nun Mitgefühl für diesen Besucher. Er entspannte sich und atmete einmal tief durch während der Besucher sich mittlerweile an das Fußende des Bettes bewegt hatte. „Handele der Situation entsprechend“ flüstere kyolong und Dr Spencer tat was ihm aufgetragen wurde.

Geh bitte wieder weg, denn das ist hier nichts für kleine Kinder“ sprach er mit der sanftesten Stimme zu der er ihm Augenblick fähig war.

Es gab keinen Aufschrei oder sonst irgendeine verbale Äußerung. Doch Dr Spencer spürte was plötzlich in seinem Besucher vor sich ging. Da war ein Erkennen. Und darin eine große Trauer, Verletzung und eine immense Verzweiflung. Wortlos drehte sich der Besucher um und verliess das Haus. Dr Spencer begriff, dass das von ihm gesagte diesen Besucher auf eine Weise verletzt hatte die zugleich befreiend aber auch zutiefst tragisch war. Er hatte ihm eine geliebte Illusion zerstört. Die Illusion von Macht.

„Auch ich spüre es“ sprach kyolong. Und doch hast du Recht getan. Er hat nun eine wahrhaftige Lektion erfahren. Und diese Erfahrung wird ihn ermächtigen sich in Zukunft nicht mehr auf diese Weise manipulieren zu lassen. Friede sei mit ihm." „Friede sei mit ihm“ wiederholte Dr Spencer und legte sich wieder hin um nun vielleicht doch noch ein wenig Schlaf zu finden.


-Ende-​
 
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