DruideMerlin
Sehr aktives Mitglied
Liebe Hatari,Sehr gut darauf habe ich die ganze Zeit gewartet, dass jemand die Essener Rollen erwähnt.
was meinst Du, welche Rolle die Essener in Zusammenhang mit Jesus gespielt haben? Im vergangenen Jahr hatten wir genau über diesen Punkt schon einmal diskutiert. Weil ich jetzt dieses Rad nicht nochmals schmieden möchte, füge ich diesen Beitrag einfach an. Damals wurde das Argument der Taufe als Gemeinsamkeit von Jesus und den Essenern eingebracht:
Woherwig:
„... der Jordan Taufe entsprachen der Essäer - Lehre und sind dadurch auch (halbwegs soll heißen ähnlich) hinterlegt.“
Merlin:
Das ist einfach ein Trugschluss. Das tägliche Tauchbad in der Mikwe der Essener stand im Zusammenhang mit deren ultraorthodoxen Auslegungen des jüdischen Reinheitsgebotes. Die Taufe von Johannes und den Christen ist hingegen ein einmaliger Akt, mit dem ein Bekenntnis zur Umkehr und Erfüllung durch den Geist Gottes verbunden ist. Der Mensch soll also von seinen Sünden reingewaschen werden, um symbolisch als neuer Mensch wiedergeboren zu werden.
Es gibt aber noch mehr Trennendes, das gegen eine Verbindung den Essenern spricht. So bemerkte Flavius Josephus zum Beispiel verwundert, dass sie sogar ihre Exkremente begruben. Aus diesem Verständnis zur Reinheit heraus erklärt sich auch, warum sie weiße Kleider trugen, bei Markus 1[6] steht jedoch:
Johannes war bekleidet mit Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden, und aß Heuschrecken und wilden Honig.
Das jüdische Reinheitsgebot erstreckt sich auch auf die Speisen, deshalb dürften die Heuschrecken vom Speiseplan eines Esseners ausgeschlossen sein. Wenn es zu dieser Sekte eine Verbindung gegeben hätte, wäre das Leben nach diesem strengen Gebot in den Evangelien deutlich in den Mittelpunkt gerückt worden.
Das Gebot der Essener zum gemeinsamen Tischgebet bei Sonnenaufgang, mittags und abends wird in den Evangelien und der Apostelgeschichte mit keiner Silbe erwähnt. Es fehlt in der Gemeinschaft Jesus und Johannes zudem das Noviziat, mit dem die neuen Anhänger bei den Essenern eingeführt wurden. Wie man in den Evangelien lesen kann, hatte Jesus seine engsten Anhänger einfach nur aufgefordert, ihm zu folgen. Selbst in den Urgemeinden und in der gesamten christlichen Lehre ist von einem solchen Noviziat keine Rede. Jesus und seine Jünger trugen im Gegensatz zu den Essenern auch keine weißen Kleider.
Nach Josephus sonderten sich Essener in den großen Städten von der Gemeinschaft ab und blieben unter ihresgleichen. Der Grund lag darin, dass die Essener die gläubigen Juden als unrein bezeichneten und den Umgang mit ihnen mieden. Sie zogen deshalb auch nicht wie Jesus durch das Land, um für ihre Vorstellungen zu missionieren.
Auch das Verhältnis Jesus im Umgang mit Frauen wäre für einen Essener undenkbar gewesen. Die strengen Hierarchie und asketische Lebensweise der Essener steht zudem im krassen Gegensatz zur Lebensweise Jesus. Selbst bei den gläubigen Juden stieß diese Lebensart in den Evangelien auf Ablehnung – wie sollte sich dies dann erst mit den ultraorthodoxen Essenern vereinbaren lassen?
Die Essener hatten drastische Strafen für Regelverstöße, wie zum Beispiel ein übergebührliches Reden eines Novizen mit Essensentzug bestraft wurde. Ja, selbst ein Ausschluss aus der Gemeinschaft war bei anderen Verstößen möglich.
Sicherlich gibt es hier und da in den Lehren der Essener und Jesus ein paar Berührungspunkte, aber die gib es auch zum Buddhismus und anderen Lehren. Zudem ist das auch nicht verwunderlich, denn beide Lehren schöpfen gemeinsam aus dem Brunnen Moses und der Propheten des Alten Testaments. Wie es nun zu dieser Lehre kam, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben – Johannes der Täufer spielt dabei jedoch eine entscheidende Rolle.
Merlin