Trauma nachdem ich meinen Papa tot gefunden habe

molex

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Ich hab's hier in ein paar wenigen Threads schon geschrieben, aber jetzt möchte ich ein eigenes Thema aufmachen, weil hier vielleicht jemand ist, der mir helfen kann. :)

Ich habe Anfang Mai 2012 meinen Papa tot aufgefunden. Er war nicht ans Telefon gegangen und meine Mama, mit der ich telefonierte, meint, er habe sich am Morgen nicht sehr gut angehört.

Da ich um's Ecke wohne, bin ich also rüber und habe meinen Papa auf dem Bett zusammengesackt gefunden. Erst dachte ich, ihm wäre schlecht, also bin ich hin und habe ihn am Arm genommen und gefragt "Papa, was ist los, ist dir schlecht?" Aber noch während ich das sagte, war mir klar: er ist tot.

Er war schon steif; muss also kurz nach dem Telefonat mit Mama umgefallen und gestorben sein. Vermutlich ist er in derselben Sekunde gestorben, als er umgefallen ist. Er lag vor dem Bett, mit dem rechten Arm und der rechten Wange auf dem Bettende, den linken Arm hatte er auf seinem Oberschenkel abgestützt.

Es war insofern furchtbar, weil sowas immer furchtbar ist. Es war nicht grausig oder so, weil er sehr friedlich ausgesehen hat - als würde er schlafen. Mit zugemachten Augen und einem sehr friedlichen Gesichtsausdruck.

Dann kam natürlich das Übliche: Rettung, Amtsarzt und Bestattungsunternehmen. Dazwischen musste ich meine Familie informieren. Mein Bruder war mit mir in der Wohnung, als Amtsarzt und Bestattungsunternehmen kamen (das zog sich insgesamt den ganzen Nachmittag bis 19 Uhr am Abend). Mama wurde einstweilen von unseren Partnern in meiner Wohnung betreut.

Schlimm war es, als die Bestattung ihn abholte. Und natürlich das Begräbnis, all das, eh klar.

Ihr seht, mich beschäftigt das sehr, ich kann mich da auch nicht wirklich kurz fassen.

Aber worauf ich hinaus will: ich habe mich auf diverseste Arten mit seinem Tod, mit ihm und mit meiner Trauer auseinander gesetzt und das geht mittlereile auch so halbwegs. Ich bin nicht mehr wütend, ich bin natürlich noch traurig, aber es wird täglich besser.

Womit ich aber so gar nicht zurecht komme ist das Trauma, dass ich durch das Finden offensichtlich erlitten habe.

Wenn ich jemanden (meine Mama, meinen Bruder, Freunde) nicht gleich erreiche und die auch nicht nach einer gewissen Zeit zurück rufen, werde ich unruhig. Dann werde ich ziemlich bald recht hysterisch, das spüre ich dann auch richtig körperlich (so in die Richtung Panikattacke, vermutlich) und dann gibt's kein Halten mehr: also bin ich schon mal Richtung Mamas Wohnung gefahren, weil ich sie nicht erreicht habe, nur um festzustellen, dass sie einen Termin und das Handy auf lautlos hatte.
Heute habe ich meinen Bruder überfallen, den ich seit gestern nicht erreicht habe. In der Firma hieß es, er sei krank, also bin ich rüber und er lag eh auf der Couch, lebend natürlich.

Mir ist das mittlerweile auch total unangenehm und die Reaktionen sind auch schon recht genervt. Also nicht von Mama oder Bruder, sondern von den anderen, denen ich auf die Nerven gehe, wenn ich mal jemanden wieder nicht erreiche.

Ein Teil von mir weiß ja auch in dem Moment, dass es total gestört ist. Aber der andere Teil denkt sofort an zig böse Szenarien, die eingetreten sein könnten und lässt sich nicht beruhigen.

Habt ihr ähnliches erlebt?

Weiß jemand, wie man mit sowas umgeht? Wie man so etwas wieder los wird?

Hat jemand mit Selbsthilfegruppen Erfahrung gemacht?

Das überlege ich nämlich gerade, weil auch die Gesprächstherapie nicht den erwünschten Fortschritt bringt.
 
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Wenn ich jemanden (meine Mama, meinen Bruder, Freunde) nicht gleich erreiche und die auch nicht nach einer gewissen Zeit zurück rufen, werde ich unruhig. Dann werde ich ziemlich bald recht hysterisch, das spüre ich dann auch richtig körperlich (so in die Richtung Panikattacke, vermutlich) und dann gibt's kein Halten mehr: also bin ich schon mal Richtung Mamas Wohnung gefahren, weil ich sie nicht erreicht habe, nur um festzustellen, dass sie einen Termin und das Handy auf lautlos hatte.
Heute habe ich meinen Bruder überfallen, den ich seit gestern nicht erreicht habe. In der Firma hieß es, er sei krank, also bin ich rüber und er lag eh auf der Couch, lebend natürlich.

Mir ist das mittlerweile auch total unangenehm und die Reaktionen sind auch schon recht genervt. Also nicht von Mama oder Bruder, sondern von den anderen, denen ich auf die Nerven gehe, wenn ich mal jemanden wieder nicht erreiche.

Ein Teil von mir weiß ja auch in dem Moment, dass es total gestört ist. Aber der andere Teil denkt sofort an zig böse Szenarien, die eingetreten sein könnten und lässt sich nicht beruhigen.
Hallo liebe Molex!

Zunächst einmal tut es mir leid für den Verlust deines Papas. Fühle dich an dieser Stelle gedrückt! :trost:
Du hast eine schwere Zeit, aber du bezeichnest es schon sehr klar: Du hast ein Trauma....ja.
Der Grund warum es dich so niederreißt, wenn du niemanden erreichst, liegt eben an dieser "Verlustangst". Du musstest einen Verlust erleben, der dich höllig schmerzte.
Wenn du jetzt irgendwo anrufst, vorbeifährst usw. und niemand ist erreichbar oder es kommt kaum was zurück, aktiviert es in dir direkt Panik oder Atemnot. Ich kenne dieses Gefühl nur zu gut.
Was dich ereilt ist eine Art generalisierter Verlustangsts-Störung, wenn ich es mal so bezeichnen darf.
Du musst lernen damit umzugehen, aber auch einzusehen, dass nicht jede Nicht-Meldung automatisch einen klaren Verlust für dich bedeutet.
Bei dir werden durch dieses Trauma einfach gewisse Trigger aktiviert....und das solltest du den Menschen auch verständlich machen, die dir nahe sind, damit sie deine Art und Weise zu agieren oder zu reagieren auch verstehen.

Wünsche dir alles Liebe!
 
Danke für deine Antwort. Mein primäres Problem ist aber gar nicht die Reaktion der anderen, sondern dass ich überhaupt so (re-)agiere. Mich nervt das selbst, ich krieg's alleine aber wohl nicht in den Griff. Bzw wüsst ich eben gern, ob ich das auch alleine in den Griff bekommen kann und wenn ja, wie.
 
Hallo Molex,

ich kann die leider keinen Rat für dein Problem geben.
Aber mir geht es genauso.
Seit dem Tod meiner Mutter leide ich unter sehr starken Verlustängsten.

Sobald ich meine Brüder, meinen Vater oder meinen Lebenspartner nicht erreiche, flippe ich innerlich aus.

Es nervt ungemein sich selber immer so ne Panik zu machen.
Ich für meinen Teil denke, dass es vielleicht mit der Zeit besser wird.

Mein Beileid für den Verlust deines Vaters.

Liebe Grüße
 
Hallo Surry,

möchte dir auch Beileid für den Verlust deiner Mutter aussprechen.

Vielleicht hast du recht und es wird besser ... meint meine Mama auch immer.

Andererseits habe ich das Gefühl, dass es eigentlich schlechter geworden ist. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich im Sommer so extrem reagiert habe. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass seit einigen Wochen die ganze Nachlassgeschichte vorbei ist (wir hatten im Sommer bis Ende September viel Arbeit mit der Wohnung, dem Verkauf des Autos, etc) und ich jetzt einfach mehr Zeit zum Phantasieren habe.

Danke für deine Antwort auf jeden Fall und dir alles, alles Gute. Ich drück die Daumen, dass es bei dir besser wird. :)
 
Danke für deine Antwort. Mein primäres Problem ist aber gar nicht die Reaktion der anderen, sondern dass ich überhaupt so (re-)agiere. Mich nervt das selbst, ich krieg's alleine aber wohl nicht in den Griff. Bzw wüsst ich eben gern, ob ich das auch alleine in den Griff bekommen kann und wenn ja, wie.
Beschreibe mal genauer, was in dir geschieht. Wie äußert sich dein Agieren und Reagieren?
 
Was ist, wenn Du dies schon mal erlebt hast, aber nicht in diesen Leben sondern in einem früheren und es dort nicht bearbeitet hast und jetzt erlebst Du es doppelt.

Was denkst Du darüber?
 
fühlst du dich denn schuldig, weil du nicht zurecht gekommen bist, um das leben deines vaters zu retten?

woher hättest du wissen sollen?

oder glaubst du im leben etwas versäumt zu haben an ihm?

ich persönlich fange mit dem 'traumabegriff' wenig an.

oder so - nicht aufgelöstes - nicht zur gänze verstandenes lässt nicht los.

nicht das faktische auffinden eines toten an sich -
vielmehr die unaufgelöstheit der beziehung.
 
Beschreibe mal genauer, was in dir geschieht. Wie äußert sich dein Agieren und Reagieren?

Ich male mir alle möglichen schrecklichen Szenarien aus und dann spüre ich diese Panik auch körperlich. Das heißt, ich muss was tun, weil nur herum sitzen geht dann gar nicht. Mir wird schlecht, ich bin zappelig, mein Herz klopft, etc. Also muss ich los und schauen, ob meine Mama/mein Bruder tot sind. Oder ob eh alles in Ordnung ist.

WeißerRabe;3928685 schrieb:
Was ist, wenn Du dies schon mal erlebt hast, aber nicht in diesen Leben sondern in einem früheren und es dort nicht bearbeitet hast und jetzt erlebst Du es doppelt.

Was denkst Du darüber?

Durchaus denkbar für mich. "Witzigerweise" habe ich gerade vorhin eine PM bekommen, die eine ähnliche Aussage wie die deine beinhaltet.

fühlst du dich denn schuldig, weil du nicht zurecht gekommen bist, um das leben deines vaters zu retten?

woher hättest du wissen sollen?

Anfangs war das so. All diese Gedanken, ich hätte früher nach ihm sehen können, etc. Aber das ist mittlerweile kein Problem mehr für mich.

oder glaubst du im leben etwas versäumt zu haben an ihm?

ich persönlich fange mit dem 'traumabegriff' wenig an.

oder so - nicht aufgelöstes - nicht zur gänze verstandenes lässt nicht los.

nicht das faktische auffinden eines toten an sich -
vielmehr die unaufgelöstheit der beziehung.

Wir hatten eine furchtbare Phase im letzten Sommer. Aber gerade in den letzten Monaten vor seinem Tod war es sehr harmonisch. Was ich mir natürlich schon dachte danach, dass ich ein wenig mehr Zeit für ihn hätte aufbringen können. Ich weiß aber, dass es mir deswegen nie böse war. Es gibt sicher auch einiges, das ich gerne noch direkt ausgesprochen hätte. Das ist aber nichts, was er und ich nicht ohnehin so auch wussten.

Ich würde also meinen, nein da ist nichts Unaufgelöstes mehr. Aber das kann natürlich auch ein Irrtum meinerseits sein!
 
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Ich würde also meinen, nein da ist nichts Unaufgelöstes mehr. Aber das kann natürlich auch ein Irrtum meinerseits sein!

panik hat - nach meiner erfahrung - immer etwas mit angst zu tun.

es gilt die ursache der angst zu finden.

generell macht immer unbekanntes angst.
(ebenfalls meine perönliche erfahrung)
auf bekanntes kann man sich einstellen - lernen damit umzugehen....
 
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