Sucht die Seele aus wer sie beim irdischen sterben begleitet? (Lang)

Hannah 1986

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Ich weiß nicht, ob die Überschrift das Thema wirklich darstellt.
Es geht mir bei dem Text darum, eure Meinungen zu hören, ob es sowas gibt wie, dass man auserwählt wird von der Person oder von etwas Höherem um bestimmte Seelen zu begleiten.
Ich erzähle die Geschichte...
Seit Kind an, spüre ich wenn jemand stirbt und konnte instinktiv reagieren.
Meine Ur-Oma war meine liebste Bezugsperson als ich klein war.
Ich hab bei ihr gelernt und gespürt was Liebe ist. Sie war niemals ungerecht zu mir sie war bedingungslos.
Als ich 10 war, starb sie. Sie kam zuvor ins Krankenhaus und irgendwann kam meine Mutter und sagte, wir fahren zu Oma... Im KH angekommen, war sie sehr verwirrt. Ich wurde noch nie mit dem Thema tot konfrontiert und wusste nicht was sterben ist. Ich hatte nichtmal ein Haustier was gestorben war oder so.
Trotzdem spürte ich in dem Moment, ich sehe meine Oma das letzte mal. Ich weiß wie heute, ich stand an ihrem Bett, sie erkannte uns aber dachte sie sei Zuhause. Sie sagte zu meiner Mutter, mach dir nen Kaffee und für die Kleine einen Kakao. Ich sagte nicht "Oma du bist nicht Zuhause" obwohl ich es dachte. Ich sagte "Ich mach mir den Kakao selbst" um meiner Mutter vorzugreifen. Wir blieben nicht sehr lange. Meine Mutter hielt es nicht aus. Ich streichelte meiner Oma die Hand und sagte "Wir sehen uns morgen wieder, ich liebe Dich Oma" ich wusste, ich seh sie nicht mehr...
Jahre später hatten wir das Thema tot im Religionsunterricht bzw Ethik. Der Lehrer sagte damals "Das wichtigste sei einem sterbenden das Gefühl zu geben, ihn gehen lassen zu können, dass wenn man an dem toten zerrt und ihn nicht gehen lassen möchte, der Sterbeprozess verlängert werden kann, man solle beruhigend einwirken um die Angst zu nehmen" ich war stolz, wohl instinktiv als 10 Jährige das richtige getan zu haben. Ich tat als würde ich sie wieder sehen obwohl ich wusste, es war nicht so.
Für mich stand aufgrund meiner Liebe zu meiner Ur-Oma fest, ich möchte in die Altenpflege. Ich fing sofort nach der Schule an in der Pflege als Helferin zu arbeiten. So jung wird man nicht mit Sterbebegleitung beauftragt. Man bekommt vom Thema tot kaum etwas mit.
Mit 21 also 6 Jahre nachdem ich in der Pflege anfing, arbeitete ich in einer Residenz. Eines Tages kam meine Chefin zu mir und teilte mir eine Frau zu. Sie sagte, sie würde bald sterben und sie möchte, dass ich sie bis dahin Begleite/Pflege. In der Residenz wurden einem bestimmte Bewohner zugeteilt wenn es um die Sterbebegleitung ging. Das hieß, dass man bei Veränderung des Zustands auch mal Springer war und nicht unbedingt Dienst nach Plan hatte...
Meine Chefin sagte, ihre Bindung zu Frau X sei so stark, sie würde es nicht aushalten sie zu begleiten ich solle das tun.
Anfangs war sie noch sehr fit (Lungenkrebs Endstadium) ich beschäftigte mich viel mit Frau X. Was waren ihre Ziele im Leben, welche hatte sie erreicht usw. Sie war eine wunderbare Person!! Die es mir sehr einfach machte sie zu begleiten. Sie sagte, sie habe wirklich gelebt. Eine wundervolle Familie gehabt und habe ein Leben voll Liebe gehabt und es wäre für sie ok, das sie jetzt geht, sie freue sich darauf zu ihrem Mann zu gehen.
Diese Frau brachte mich immer wieder an meine Grenze im positiven. Ich saß im Nachtdienst oft bis spät Nachts mit ihr da. Sie zeigte Fotos etc und oft konnte ich mich nicht beherrschen und weinte weil sie einfach so wunderbar war. SIE tröstete mich denn. Verkehrte Welt... Aber es war okay so. Ich war nicht nur Pflegekraft. Da war noch irgendwas anderes. Ich glaube, es sollte genau so sein!!
Eines Tages kam der Anruf, es ging ihr viel schlechter, es wäre soweit. Ob ich kommen kann. Ich fuhr direkt los. Sie lag im sterben. Ganz schwach aber vom Kopf da. Ich ging zu ihr, sie nahm meine Hand und sagte "Danke für alles, sie sind eine tolle Frau" ich musste raus und bin vor dem Zimmer zusammen gebrochen. Es war wirklich krass! Diese tolle Frau war so unglaublich stark wo ich hätte stark sein sollen. Kurz darauf verlor sie das Bewusstsein. Der Sterbeprozess zog sicg ewig hin. Auch am nächsten Tag noch. Wir versuchten alles es angenehmer zu machen. Aber es war wirklich nicht schön. Trotzdem war sie unglaublich ruhig. Sie "jammerte" nicht. Sie war so gut vorbereitet. Die Ärztin hatte ein "überdosiertes" Morphiumpflaster da gelassen und gesagt, wenn wir merken, dass nichts mehr geht, sollen wir das kleben. Es würde ihr alles erleichtern weil das Herz zu schwach sei für die Dosierung.
(Das ist legal!) Noch einen Tag später lag sie immer noch. Ihr Sohn kam zu mir und fragte was man tun könne (in liebe, ganz ruhig, nicht verzweifelt) ich sagte "Wenn sie ihrer Mama helfen möchten, wir haben das Pflaster" er überlegte keine Sekunde und sagte, wir sollen es kleben. Ich tat es. Vier Stunden später, hatte sie es geschafft. Ich war dankbar das ich diese Intensive Zeit erleben durfte.

2015 starb mein Opa.
Er war "erst" 74 ein gestandener Mann der immer noch hart arbeitete.
Er war oft krank aber hat nie darüber gesprochen. Er war immer stark und machte weiter und alles mit sich aus.
Er musste oft für 2-3 Tage ins KH.
Ich machte mir nie groß Sorgen. Opa war ein Fels in der Brandung den nichts umhaute. Wenn es hieß er ist im KH, beunruhigte mich das nicht.
Eines Tages kam ich zu meiner Mutter.
Sie erwähnte Beiläufig im Gespräch "Ach, Opa ist wieder im Krankenhaus, er har Probleme mit dem Magen"
Nix dolles... Trotzdem spürte ich sofort es ist anders. Das Nachfolgende lässt sich nicht erklären. Ich habe es nicht bewusst getan. Es war pure Intuition. Ich griff zum Telefon, rief meinen Opa auf Handy an und sagte "Mach dir keine Sorgen, Mama und ich kümmern uns um Oma, werd gesund"
Meine Mutter und meine Oma redeten seit Jahren nicht miteinander. Als ich auflegte rastete meine Mutter aus. Wie ich sowas sagen kann, wieso ich über sie bestimme, wie ich Opa sowas versprechen kann, dass sie sich um ihre Mutter kümmert " ich sagte nur "Weil Opa stirbt und er wissen muss das Oma versorgt ist um gehen zu können"
Ich weiß nicht wieso ich das sagte/spürte. Es war nichts bewusstes. Ich dachte nicht nach. Ab dem Zeitpunkt funktionierte ich nur noch. Ich war wie fremd gesteuert. Ich kann es nicht erklären.
2 Tage später holten wir Opa aus dem KH. Er wusste die Diagnose, tat aber so als sei alles gut. Ich tat auch so...
Er sagte, er dürfe nur Schonkost essen... Aber wird schon wieder...
(Er hatte Leberzirrhose und Magen und Darm Einblutungen die nicht zu stoppen waren. Er bekam Blut-Transfusionen)
Ich sprach heimlich mit den Ärzten, die es mir sagten. Er sagte er habe einen Magenschleimhautentzündung.
Ich fragte die Ärzte wie lange noch. Sie sagten keine Ahnung... 2 Wochen, 2 Monate, 6 Monate..
Ich fragte ob es irgendwas bringt wenn er Schonkost isst (mein Opa hat gern gut gegessen) sie sagten Nein, sterben wird er sowieso. Er dachte er könne was aufhalten indem er sich "geißelt"
Nach dem Gespräch ging ich in sein Zimmer. Ich sagte nichts weiter als "Opa, die Ärzte haben sich vertan. Du darfst essen und trinken was du möchtest!"
Er wusste nun, das ich es weiß...
Es war eine stille Absprache. So banal und doch so wirkungsvoll. Ich wollte das mein Opa mit Würde geht und seine Zeit genießt und sei es eben nur was unwichtiges wie gutes Essen.
Auf dem Rückweg vom KH legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte "Lass uns an der Bäckerei anhalten ich habe Lust auf Pflaumenkuchen" klingt für Außenstehende so Lari Fari... Aber es war ein Zeichen, er nahm sein Schicksal an und vertraute mir.
Wir haben nie offen darüber gesprochen was passiert. Wir fühlten es. Außer meiner Mutter, meinem Opa und mir wusste niemand wie es aussieht. Die Familie ist riesig. Wir haben es nicht gesagt weil Opa das nie gewollt hätte, dass alle um ihn herum in Trauer und Mitleid zerfließen.
Ich behandelte ihn normal. Ich hab auch während der Zeit nie geweint. Meine Mutter sagte wenn wir allein waren "Du musst nicht stark sein, wein ruhig" ich sagte "Das kann ich wenn er tot ist, jetzt feiern wir das Leben. Es gibt keinen Grund zu weinen"
Der Zustand wurde von Tag zu Tag schlechter und er schwächer. Ich war täglich da. Nach 14 Tagen kam er erneut ins KH zur Bluttransfusion
Das war Donnerstags. Ich war Mittwoch Mittag bei ihm Zuhause. Als ich gehen wollte, nahm er meine Hand und sagte "Ich liebe Dich mein Mädchen" ich wusste, das war es...er verabschiedete sich.
Nächsten Tag kam er ins KH. Freitags rief das Krankenhaus an, der Zustand sei sehr schlecht.
Samstags stand er plötzlich auf, ging duschen und rasierte sich und wir dachten, er schafft es nochmal. Ich gab den Schwestern meine Nummer und bat, wenn was ist, sollten sie anrufen.
Ich rechnete nicht mehr damit, das er wirklich in der Zeit stirbt.
Ich hatte mein Handy aus versehen Nachts auf Lautlos gemacht. Weder Vibration noch Ton. Montags morgens um kurz vor 6 werde ich wach und mein erster Blick zum Handy. Genau in dem Augenblick leuchtete es und das Krankenhaus rief an, er stirbt in den nächsten Stunden. Ich bin Labfschläfer mit festem schlaf. Aber genau indem Moment wurde ich wach!
Ich fuhr sofort hin. Opa war nicht bei Bewusstsein. Er war laut Monitor vom Herz gant ruhig. Ruhiger Puls..
Ich nahm seine Hand und flüsterte "Ich liebe Dich, Danke für Alles! Ich passe auf Oma auf, du darfst jetzt gehen" und der Puls ging noch weiter runter. Ich wusste, er war bereit. Er konnte los lassen. Er wollte nur sicher sein, dass Oma versorgt ist.
Ich erinnerte mich an die Situation mit dem Morphium bei der Dame aus dem Altenheim und ging zu den Ärzten. Ich fragte, ob es möglich sei, Opa welches zu geben, das er soweit ist. Der Arzt war toll!!!! Er sagte, er hat welches bekommen, sind Sie sicher, dass er soweit ist?" Ich sagte "Ja! Ganz sicher" und erklärte ihm, das der Puls ganz ruhig war etc. Er sagte "Dann geben wir ihm noch welches" Ich schaffte es nichtmal nach Hause (30km) als der Anruf kam, er hat es geschafft.
Meine Familie bis auf meine Mutter, haben mich verurteilt dass ich um das Morphium bat. Sie taten als hätte ich ihn umgebracht ^^ Es brach ein riesen Krieg gegen mich aus. Ich hätte das nicht zu bestimmen gehabt...
Ich bin überzeugt, dass es einen Grund gab, das genau Ich da sein sollte. Das ich auch vorher im Pflegeheim Frau X begleiten sollte. Ich bin egal wie, immer dafür, es dem sterbenden so leicht wie möglich zu machen und lieben bedeutet los lassen und nicht klammern wo es nichts zu klammern gibt.
Und ich frage mich, ob es vielleicht eine Art Aufgabe ist, die ich erhalten habe genau in so Momenten die Menschen zu begleiten. Ich spürte es bei meiner Ur-Oma, bei meinem Opa und bei meiner Oma. Auch bei ihr bin ich genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen um mich zu verabschieden.
 
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@petrov darf ich Ihnen, trotz das ich die jüngere von uns bin, das "Du" anbieten?
Finde das im Internet einfacher, weil die meisten bei Du sind und man dann nicht hin und her switchen muss. Es bedeutet keineswegs Respektlosigkeit.

Und dürfte ich erfahren, welche Geschichten Sie erlebt haben?
 
Die Ärztin hatte ein "überdosiertes" Morphiumpflaster da gelassen und gesagt, wenn wir merken, dass nichts mehr geht, sollen wir das kleben. Es würde ihr alles erleichtern weil das Herz zu schwach sei für die Dosierung.
(Das ist legal!) Noch einen Tag später lag sie immer noch. Ihr Sohn kam zu mir und fragte was man tun könne (in liebe, ganz ruhig, nicht verzweifelt) ich sagte "Wenn sie ihrer Mama helfen möchten, wir haben das Pflaster" er überlegte keine Sekunde und sagte, wir sollen es kleben. Ich tat es. Vier Stunden später, hatte sie es geschafft.

Sterbehilfe wird wohl allgemein eingesetzt, aber ob das legal ist. Auch meine Grossmutter (Leberkrebs) wurde auf diese Weise ganz legal und langsam mit Morphium zum Tode geführt, milde ausgedrückt.

Ich bin nicht sicher ob du sterbende begleitest oder hilfst indem du dafür sorgst, dass sie schneller
sterben mit Morphium.
Meine Meinung dazu ist eher geteilt, da ich selber auch nicht leiden möchte, aber auch nicht mit Morphium von Familienangehörigen umgebracht werden möchte, bin ich nicht sicher ob ein Mensch zu so etwas bestimmt sein kann.

eure Meinungen zu hören, ob es sowas gibt wie, dass man auserwählt wird von der Person oder von etwas Höherem um bestimmte Seelen zu begleiten.

in den Tod. Ich finde diese Verantwortung wiegt sehr schwer, ich könnte es nicht.
.
 
Sterbehilfe wird wohl allgemein eingesetzt, aber ob das legal ist. Auch meine Grossmutter (Leberkrebs) wurde auf diese Weise ganz legal und langsam mit Morphium zum Tode geführt, milde ausgedrückt.

Ich bin nicht sicher ob du sterbende begleitest oder hilfst indem du dafür sorgst, dass sie schneller
sterben mit Morphium.
Meine Meinung dazu ist eher geteilt, da ich selber auch nicht leiden möchte, aber auch nicht mit Morphium von Familienangehörigen umgebracht werden möchte, bin ich nicht sicher ob ein Mensch zu so etwas bestimmt sein kann.



in den Tod. Ich finde diese Verantwortung wiegt sehr schwer, ich könnte es nicht.
.


Du bist da auf dem Stand meiner Familie, die auch nur mich in der Szenerie sahen.
Ich bin aber kein Arzt. Ich hab das Morphium nicht in der Tasche gehabt. Ich habe es angesprochen. Wenn es ethisch oder medizinisch nicht vertretbar wäre, hätte der Arzt es nicht getan.
 
Du bist da auf dem Stand meiner Familie, die auch nur mich in der Szenerie sahen.
Ich bin aber kein Arzt. Ich hab das Morphium nicht in der Tasche gehabt. Ich habe es angesprochen. Wenn es ethisch oder medizinisch nicht vertretbar wäre, hätte der Arzt es nicht getan.

ich wollte nur meine Meinung mitteilen und nach dieser hast du hier gefragt, du willst ja sicher nicht, dass dir jeder nur bestätigt was du hören willst, in solchen schweren Fällen würde ich das ganze differenziert sehen und die Möglichkeit einräumen, dass deine Familie etwas sieht was du nicht siehst.
 
ob es sowas gibt wie, dass man auserwählt wird von der Person oder von etwas Höherem um bestimmte Seelen zu begleiten.

das halte ich für möglich, aber nicht indem man Sterbehilfe unterstützt.

Wenn es ethisch oder medizinisch nicht vertretbar wäre, hätte der Arzt es nicht getan.

Ärzte tun auch nicht immer das richtige, oder willst du dich ernsthaft darauf stützen und ihnen die Verantwortung für dein Deken und Handeln, abgeben?

(Das ist legal!) Noch einen Tag später lag sie immer noch. Ihr Sohn kam zu mir und fragte was man tun könne (in liebe, ganz ruhig, nicht verzweifelt) ich sagte "Wenn sie ihrer Mama helfen möchten, wir haben das Pflaster" er überlegte keine Sekunde und sagte, wir sollen es kleben. Ich tat es.
 
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