Stellvertreterwahl

Harry55

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Nähe Graz / Österreich
Hallo,

eine Frage an alle Praktiker :

In einem Büch von Thomas Schäfer (Wenn Dornröschen nicht mehr aufwacht, Knaur, 87104, S.126 ) schreibt der Autor : "Als Therapeut darf man natürlich nicht zulassen, dass ein Mann für sich eine Frau auswählt,weil dies eine problematische Geschlechtsrollennähe noch verstärkt".

Das hab ich nun nicht verstanden.
Da es genausogut passieren kann, dass der Mann einen Mann für sich wählt, der eher -oder ganz- auf der weiblichen Seite steht, halte ich so eine Vorgabe für irrelevant.
Ich hatte schon viele Rollen als Frau,Mann,Kind,Gefühl oder Tatbestand. Dass ich meinen Teil von der Rolle trenen muss, ist die Herausforderung. Ebenso habe ich eine männliche und weibliche Komponente in mir. Eine so geschlechterspezifische Vorgabe kam mir daher bisher nicht in den Sinn.

Was ist eure Erfahrung ? Wie geht ihr vor ?

Danke & LG
Harry
 
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Hallo Harry,

nach Möglichkeit achte ich darauf, dass die Rollen geschlechtsspezifisch besetzt werden. Immerhin ist die gegengeschlechtliche Wahl von Stellvertretern ein wichtiger Hinweis auf eine Identifizierung mit einem Verwandten des anderen Geschlechtes, die wiederum Weiteres und Gravierendes nach sich ziehen kann, das hier zu erläutern zu weit führen würde.

Nur in Fällen wo zu wenig Stellvertreter des jeweiligen Geschlechtes anwesend sind, lasse ich zu, dass ausnahmsweise gegengeschlechtlich aufgestellt wird. dann aber nur mit erfahrenen Stellvertretern/innen.
Ich selbst habe auch in Frauenrollen gestanden und es als Bereicherung erlebt und mir ist aufgegangen, dass mir Wahrnehmungen aufgefallen sind, die einer Frau entgangen wären. Es hat also wirklich zwei Seiten...

Andererseits habe ich schon viel Verwirrung in Aufstellungen einer ansonsten durchaus sehr komptetenten Kollegin erlebt, die keinen Wert auf die Unterscheidung legt.

Ich halte es allein schon wegen der Würdigung des wesentlichen kleinen Unterschiedes mit seinen wesentlichen großen Folgen und der Tatsache, dass Männer und Frauen einander letztlich immer ein Geheimnis bleiben (und damit bieten) für unsinnig, von vorne herein leichtfertig in der Besetzung zu handeln.

Außerdem habeich die erfahrung gemacht, dass wir Männer erst ganz Männer sein können, wenn wir auf das angeblich Weibliche in uns verzichten und es uns von den Frauen schenken lassen (und umgekehrt). Erst dadurch kann wirkliche Beziehung entstehen.

Viele Grüße
Christoph
 
Hallo Christoph

danke für deine Stellungnahme.

Das ist eines der Probleme :

Christoph schrieb:
Nur in Fällen wo zu wenig Stellvertreter des jeweiligen Geschlechtes anwesend sind, lasse ich zu, dass ausnahmsweise gegengeschlechtlich aufgestellt wird. dann aber nur mit erfahrenen Stellvertretern/innen.
Meist gibt es zu wenig Männer, und oft geht es um den nicht vorhandenen Vater/Mann.....
Die Stellvertreter müssen erfahren sein, da stimme ich 100%ig zu.



Christoph schrieb:
Ich selbst habe auch in Frauenrollen gestanden und es als Bereicherung erlebt und mir ist aufgegangen, dass mir Wahrnehmungen aufgefallen sind, die einer Frau entgangen wären. Es hat also wirklich zwei Seiten..
Genau das ist das Spannende an den Stellvertreterrollen, die "andere Welt" mal zu erleben und erspüren, das festigt meiner Meinung nach die eigene Position ebenso wie die (verschiedengeschlechtliche) Beziehungsfähigkeit.
Eine gewisse Gefahr, das andere Geschlecht so schätzen und lieben zu lernen, dass man die Position wechselt scheint mir aber auch gegeben.

LG
Harry
 
Harry55 schrieb:
Christoph schrieb:
Nur in Fällen wo zu wenig Stellvertreter des jeweiligen Geschlechtes anwesend sind, lasse ich zu, dass ausnahmsweise gegengeschlechtlich aufgestellt wird. dann aber nur mit erfahrenen Stellvertretern/innen.
Meist gibt es zu wenig Männer, und oft geht es um den nicht vorhandenen Vater/Mann.....
Die Stellvertreter müssen erfahren sein, da stimme ich 100%ig zu.
Warum müssen die erfahren sein?
Bzw. wie definiert ihr erfahren-sein?
 
Hallo ChrisTina,

unter "erfahren sein" verstehe ich mind. 10 mal die Rolle eines Stellvertreters innegehabt zu haben.
Das Vermögen, eigene Gefühle von der der Rolle zu trennen ist aber sicherlich indivuell verschieden gut veranlagt.

Ich habe schon einige Aufstellungen gebraucht ( als Stellvertreter ), bis ich mir sicher war, was meins ist und was die Rolle. Insbesonders bei Themen, die auch meine eigenen sein könnten..., aber gerade darum ist es ja so interessant, auch Stellvertreterrollen zu übernehmen, oft ist auch für den Stellvertreter eine Erkenntnis dabei.

Sehr oft habe ich erlebt, dass Personen Rollen bekamen, deren Anliegen ähnlich den eigenen -noch nicht verarbeiteten / erkannten Anliegen sind.

LG
Harry
 
hi leute,
ineressante fragestellung..

Als Therapeut darf man natürlich nicht zulassen, dass ein Mann für sich eine Frau auswählt,weil dies eine problematische Geschlechtsrollennähe noch verstärkt".

bin zwar keine therapeutin, arbeite aber im sozialbereich und bin sv und therapie und aufstellungserfahren..

grundsätzlich ist es problematisch, menschen anhand ihres *äußeren geschlechtes* zu benennen. mann/frau ist nicht *mann* *frau* was immer das eben auch sein soll..
ich habe gerade aufstellungen so erlebt, dass die äußeren geschlechterrollen aufgehoben waren.
ich würde eher den therapeuten auffordern sich mit (wahren) geschlechterrollen auseinanderzusetzten.. ich erlebe, dass wir alle viel zu sehr in dieser rollenzuschreibung drinnen hängen, trotz vielen redens - oder vermutlich gerade weil des vielen redens werden unsere jeweiligen rollen verstärkt..
letztlich die ewige bevormundung durch den therapeuten ist doch auch schon längst überholt. partizipation denke ich wäre der bessere zugang - in der gruppe gemeinsame auseinandersetzung über den für die gruppe gemeinsamen geschlechterzugang und dann gemeinsame anwendung.
lg kerima
 
Hallo Kerima,

mir scheint, da ist einiges durcheinander geraten...

kerima schrieb:
grundsätzlich ist es problematisch, menschen anhand ihres *äußeren geschlechtes* zu benennen.

Ganz und gar nicht! Frauen können Kinder gebären, Männer nicht. Und Frauen können u.U. daran sterben. Männer nicht. Aber Frauen brauchen Männer, um Kinder zu zeugen - ohne geht biologisch nicht.

Das ist der wesentliche und tiefgreifende Unterschied. Und der hat eminente Folgen in Systemen. Und alles andere als das Benennen dieses wichtigen Unterschiedes führt in Aufstellungen in die Ver(w)irrung.

kerima schrieb:
mann/frau ist nicht *mann* *frau* was immer das eben auch sein soll..

s.o.

kerima schrieb:
ich habe gerade aufstellungen so erlebt, dass die äußeren geschlechterrollen aufgehoben waren.

Wie das denn?

Aber ich vermute, du meinst die gesellschaftlichen Rollen. Mit denen hat das Mann und Frau Sein auch in Aufstellungen nichts zu tun.

Christoph
 
gesellschaftliche geschlechterrollen werden anhand der äußeren geschlechterrollen zugeschrieben. auch wenn frau kinder bekommen kann, theoretisch, heißt das noch lange nicht, dass sie sich als frau fühlt und selbstdefiniert. um das zu erfahren, muss ich ein gespräch mit ihr führen und mich auf ihre persönlichkeit einlassen. alles andere sind meiner meinung nach nur zuschreibungen.
lg kerima
 
kerima schrieb:
auch wenn frau kinder bekommen kann, theoretisch, heißt das noch lange nicht, dass sie sich als frau fühlt und selbstdefiniert.

Wenn sie sich nicht als Frau fühlt, dann ist das ein sicheres Zeichen für eine gegengeschlechtliche Identifizierung (zumeist verbunden mit homosexueller Orientierung als Folge), Kerima. Das ist übrigens ein häufige systemische Verstrickung, die - ein Anliegen vorausgesetzt- lösbar ist.

um das zu erfahren, muss ich ein gespräch mit ihr führen und mich auf ihre persönlichkeit einlassen.

Meinst du, ein kompetenter Austeller würde sich auf Aufstellende nicht "einlassen"? Das geht - auch ohne lange Gespräche, wenn man entsprechend geschult ist und/oder eine saubere Wahrnehmung hat und sich kalibrieren kann. Aber nur dann.

Gruß
Christoph
 
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kerima schrieb:
auch wenn frau kinder bekommen kann, theoretisch, heißt das noch lange nicht, dass sie sich als frau fühlt und selbstdefiniert.
wenn jemand theoretisch auto fahren kann, heißt das noch lange nicht, dass er sich als auto fühlt ... und doch sagen die meisten "ICH stehe (statt: mein auto steht) unten am parkplatz". und auch soziale grundwerte werden utilitaristisch verzerrt: freie fahrt für freie bürger ... demnächst wohl: grünes licht für alle...

scherz beiseite: wie sich frau fühlt und selbst definiert, ist ihre ureigene sache. dass sie frau ist, hat mit ihrem fühlen und ihren definitionen wenig zu tun - umgekehrt aber schon. ihr fühlen und ihre definitionen haben viel damit zu tun, wie sie sich in ihr frau-sein integriert (für männer gilt das vice versa ganz genauso).

Christoph schrieb:
Außerdem habeich die erfahrung gemacht, dass wir Männer erst ganz Männer sein können, wenn wir auf das angeblich Weibliche in uns verzichten und es uns von den Frauen schenken lassen (und umgekehrt). Erst dadurch kann wirkliche Beziehung entstehen.
@christoph: lese ich das richtig, dass du eine polare psychosexualität - wie sie etwa jung mit animus und anima als archetypen beschreibt - nicht akzeptierst? ich kann deinem argument folgen, wenn du mit dem "angeblich weiblichen" diesen vorrat an ideologischen rollenzuschreibungen des "mannes des 21. jahrhunderts" oder "der 90er jahre" oder ... beliebig einzusetzen ... meinst. das steht mir auch zur disposition, um darauf zu verzichten. kann ich schadlos auf einen persönlichkeitsanteil von mir verzichten (sofern ich den halt als gegeben annehme...)?

wobei mir beim schreiben gerade einfällt: wenn es um systemische verstrickungen geht, hab ich es so in erinnerung, dass die männer eigentlich, so weit nun beispiele vor meinem inneren auge auftauchen, immer mit männern verstrickt waren und frauen mit frauen... darüber muss ich nun erst mal nachdenken... bzw. nachschauen an diesem wochenende, da steh ich eh wieder im feld...

alles liebe, jake
 
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