Irgendwann im Mai 2013 - eigentlich wollte ich nur mal schauen, ob es die Mammutbäume in Österreich wirklich gibt, wie ich gehört hatte ... also packte ich zusammen und fuhr an den Rand des geheimnisvollen Dunkelsteiner Wald in Niederösterreich ... Ein Blick auf die Karte und ... schon hatte ich mich verfahren
aber egal, weil ich schon da war wo ich war und die Gelegenheit sprich die Parkmöglichkeit günstig war, begann ich den Weg einfach von da wo ich grad war, und bummelte gutgelaunt durch einen gut aufgeräumten aber ereignislosen Wirtschaftswald aus ungewohnten Kiefern!
Da stehen sie soldatisch in Linie und stramm, kerzengerade und jugendlich schlank. Wer die Kiefer aus dem Gebirge kennt, und weiß wie sie sich - dem Wetter trotzend - krümmen und biegen kann, ist nur verwundert über diese schlanken Stämme, die unter dem Druck der Konkurrenz dem Licht förmlich entgegenhungernd zum Himmel wachsen. Kraftlose Schößlinge fiel mir dazu ein und eine Art Bedrückung kam auf ....
... aber da waren sie auch schon; echte und richtige Mammutbäume. Gepflanzt von einem Prälaten des Stiftes Göttweig in Niederösterreich im Jahre 1880, und gut haben sie sich entwickelt seit damals. Weit überragen sie auch die großen Laubbäume, und ganz eigen ist ihre Kronenbildung. Sie wirkt locker und duftig - es scheint aber auch klar zu sein, dass damit Gewicht gespart wird, um so die Last für die immens hoch angelegten, schlanken und biegsamen Äste zu verringern ...
Eine prächtige Erscheinung sind diese Mammutbäume allemal. Lang und dünn wie ein übergroßer Bleistift ragt so ein Stamm in die Höhe und verliert sich irgendwo da oben im Grün des Wipfels. Die doch auch schon hohen Buchen wirken daneben wie Gebüsch ... wenn sie mit Boden und Klima auch in weiterer Folge zurechtkommen, stehen ihnen sogar noch mehrere Tausend Jahre bevor, und sie könnten sogar an die 6 - 8 Meter dick werden ...
Die Basis der Mammutbäume wirkt außergewöhnlich kräftig und massiv. Als Flachwurzler brauchen sie eine große Auflagefläche, die mittels langer Wurzelausläufer einen riesigen Teller bildet, der sich in die Umgebung krallt. Bis zu 30 Meter können solche Wurzeln sich seitlich im Boden verankern, wobei sie oft nicht mehr als einen (!) Meter in die Tiefe eindringen!
Aber irgendwie ... sind sie ja doch Fremdkörper in diesem Wald mit ihren gigantischen Ausmaßen. Ich frage mich, ob sie unseren heimischen Tieren in irgend einer Weise nützlich sind, sein können ... daß der Specht an ihnen herumklopft, kann an der weichen Borke liegen, aber ob er da auch was findet? Und so verliere ich bald das Interesse und ..... ziehe meiner Wege abseits ...
Streift man ein wenig durch die nähere Umgebung, erhält man noch andere interessante Einblicke in die Natur dieses Ortes, und findet schließlich diesen Teich. Er fügt sich harmonisch mit Ufersaum und Wasserfläche, Schwimmblattpflanzen und Totholz in den Wald ein, wobei es unerheblich bleibt, ob dieser Teich künstlich angelegt oder natürlich entstanden ist. Schenkt man der Natur einige Zeit der Aufmerksamkeit und des Wartens, hört man plötzlich vom Grund aufsteigende Gasblasen an der Wasseroberfläche zerplatzen, und sieht Wasserläufer kleine Grüppchen in Ufernähe bilden, und schließlich wölbt sich da und dort leise der Wasserlinsenteppich über der Nasenspitze und den Glupschaugen eines heimlich auftauchenden Frosches.
Eher zufällig stolpere ich - schon entfernt von dem Baumgarten der Mammutbäume - über diesen alten Hohlweg, und mir wird klar, dass ich mich im östlichsten Zipfel des Dunkelsteiner Waldes befinde, ein fast 20km durchmessendes Waldgebiet, dessen 625 Meter hoher "Dunkelstein" dem Wald den Namen gibt. Dunkelstein deshalb, weil er die dunkle Tönung vom Amphibolit, ein durch metamorphe Umwandlung von Basalt entstandenes Gestein, erhalten hat.
Besiedelt oder als Rückzugsgebiet genutzt war der Dunkelsteiner Wald wohl schon zur Steinzeit, sicher aber zur Zeit der Kelten und Römer. Nicht verwunderlich also, wenn alte Hohlwege das Gebiet durchziehen. Schon in anderen Bereichen des weiträumigen Waldes bin ich auf solche Spuren gestoßen und habe so von der Funktion des Waldgebietes in alter Zeit erfahren. Die Römer schufen Verbindungen vom Hinterland durch den Wald bis an die Donau heran, um ihren Nachschub zu sichern und die Kastelle leichter zu erreichen im Falle des Vordringens der germanischen Stämme nördlich der Donau.
Wieder zurück bei meinem Fahrzeug fällt mir dieser wunderschön gearbeitete Bildstock auf, den ich beim Fortgang wohl übersehen haben muss! Schnell mache ich ein hastiges Foto zur Dokumentation, es dunkelt schon in den Niederungen und ich habe noch einen weiten Heimweg. Zuhause werde ich bemerken, dass der Bildstock in keiner mir vorliegenden Karte eingezeichnet ist - und erst bei genauer Betrachtung sehe ich die Spitzen eines Stiftes im Hintergrund herablugen. Ein oft typischer Standort eines "Weissen Kreuzes", an einer Kreuzung und in Sichtweite eines kraftvollen religösen Zentrums bzw. eines uralten überbauten Kultplatzes. Die Lösung dieses Rätsels verschiebe ich aber auf später ...
Ich fahre los - aber ein Blick in den Rückspiegel läßt mich bald noch einmal anhalten und einen stillen Platz aufsuchen. Der sanft gerundete Hügel, die Bewaldung, die davor liegende Ebene, die Sichtbarkeit von Weitem, und auch noch überbaut von einer riesigen christlichen Gebetsstätte - alles Attribute, über die auch andere uralte Plätze in unseren Landschaften verfügen, und die wohl mehr als ein gemeinsames Geheimnis haben. Und so verbringe ich doch noch einige Minuten an diesem Ort im Denken und Sinnen, im Fühlen und Horchen ...
Es ist Zeit - die Luft dunkelt sich zum Abend hinüber, es ist Zeit die Kamera wegzupacken, nur mehr noch die Augen zu gebrauchen, und alles noch ein letztes Mal aufzunehmen, was sich den Sinnen darbietet. Die Natur, die leise bewegte Luft, der Wald, die Kühle, der heilige Platz auf dem Hügel, die Geschichte des Ortes ... Menschen reden murmelnd, stammelnd, Pferde stampfen, Leder knarrt, Eisen klirrt, Staub weht übers Land, Wind kommt auf ... die Sonne sinkt, es wird kalt und ich atme tief auf, löse mich aus der Geschichte dieses Ortes ....
... und ich wundere mich, wie schmal der Spalt zwischen dem Jahr 2013 und dem Heute und Jetzt geworden ist, nur durch die Betrachtung der Bilder und der Erinnerung an die damaligen Stunden, den damaligen Weg ... oder war ich JETZT erst wirklich dort?
cerambyx