Soweit mich meine Füße tragen

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23. August 2019
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Hier möchte ich einige Begebenheiten während meiner Wanderungen (damals und heute) mit euch teilen.

:)

Einen Tag und eine Nacht dauerte mein Fussmarsch nach Cartaya. Ich entschloss mich dafür, quer durch einen wundschönen, menschenleeren Pinienwald zu stapfen.

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Der Rosmarin stand in Blüte. Es war Mitte Februar. Es duftete süss und blumig und ich liess es mir nicht nehmen die Rosmarinblüten zu kosten. Wow, würzig süss schmeckten sie. Der Weg war zur linken und zur rechten voll damit. So musste ich mir keine Sorgen machen, dass ich den fleissigen Bienen, die eifrig Nektar sammelten, zuviel wegass.
Der Wald ist durchzogen von künstlich angelegten Wasserkanälen, was der Idylle keinen Abbruch tat. Einmal sah ich ein älteres Paar die am Boden liegendes Holz sammelten und auf die Pritsche ihres Autos legten.
Der Wald neigte sich dem Ende. Ich legte eine Trinkpause ein und eine Gruppe von Menschen mit Walkingstöcken zog vorüber.
Die warmen Temperaturen erheiterten mein Gemüt, ich genoss jede Sekunde.
Als ich so rumsass, schweifte mein Blick etwas abseits von mir gen Boden.
Komisch, dachte ich bei mir, was sind denn das für Steine? Ich stand auf, ging hin und erkannte die vermeintlichen Steine. Es waren Kartoffeln! Viele Kartoffeln. Ich folgte der "Kartoffelspur" und es wurden mehr und noch mehr. Grosse, kleine in sämtlichen Formen die man sich nur vorstellen kann.
Schade, dachte ich, da liegen sie nun und gammeln vor sich hin, da sie wohl nicht für den Verkauf geeignet waren.

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Rucksack auf die Schultern gepackt und weiter. Der Wald war zu Ende. Links und rechts folgte ein riesiges Grundstück dem anderen. Landwirtschaftliche Betriebe. Zitronen, Orangen, Zitronen, Orangen. Mal einige Apfelplantagen sowie andere Obstplantagen. Es war gigantisch. Die Strasse war zum Glück dennoch recht ruhig.
Ich lief auf der linken Strassenseite und plötzlich erblickten meine Augen in einiger Entfernung einen Hund. Kein Mensch weit und breit. Der Hund recht gross. Hmmm, dachte ich, schaun ma mal. Wuffi kam auf mich zu. Ein Schäferhund. Ich, zu mir, cool bleiben. Wuffi blieb sehr cool, schnupperte an mir... Tja und da war es wohl um den Hund geschehen. Er folgte mir, lief voraus, kam zurück, behielt mich im Blick. Hatte ein Halsband um. Ich legte eine Trinkpause ein und fragte den Hund wo er denn herkam. Keine Antwort. Ich wartete und der Hund lief in eine Seitenstrasse und verschwand aus meinem Blickfeld. Super, dachte ich und setzte meinen Weg fort. Immer wieder blickte ich mich um, kein Hund. Perfekt, er ist wieder nach Hause.

2-3 Minuten später lief der Hund wieder neben mir, vor mir, rannte quer über die Strasse, Autos hupten. Oje, dachte ich, der wird noch überfahren. Ich also in einen kleinen Seitenweg rein. Gute Zeit um Siesta zu halten. Hund an meiner Seite. Ich mach es mir bequem, Hund macht es sich bequem. Nach etwa einer Stunde, da Wuffi keine anstalten machte wieder Heim zu gehen, flocht ich aus Schnüren eine behelfsmässige Leine. Und weiter ging es. Leinenführung war kein Problem. Bisschen rumgezerrt, aber im grossen und ganzen angenehm.

Fortsetzung folgt
 
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Mittlerweile hatte ich herausgefunden, dass der Hund eine Sie war.
Wir beiden Hübschen gingen also weiter. Nicht lange und die ersten städtischen Ausuferungen waren zu erkennen. Cartaya!
Autos nahmen zu. Es wurde geschäftiger. Mein schwerer Rucksack drückte und einen etwas planlosen Hund an der Leine. Was tun? Es war schon Nachmittag, die Sonne stand tief.
Was zu Essen wäre gut und mein Wasservorrat gehörte auch aufgefüllt.

Google Maps an. Super, da kam gleich ein Lidl. Beim Lidl den Rucksack abgelegt, den Hund daneben postiert und ihr gesagt: "Bitte warte und pass auf mein Gepäck auf." Sie hat mich wohl nicht gleich verstanden, denn sie wollte mir hinterher. Nach einigen versuchen begriff sie, dass sie bitte warten möge. Gut, hab ihr auch versprochen etwas Futter mitzubringen. Gesagt getan.

Ich kaufte alles für einen leichtes Abendbrot ein, inklusive Hundefutter und ausreichend Wasser. Was nun?
Schlafplatz suchen. In die Stadt rein oder ausserhalb bleiben? Wir entschieden uns ein wenig in die Stadt rein zu gehen. Mal bisschen gucken. Mein Rücken schmerzte und meine Beine wollten auch nicht mehr so recht und die Stadt nahm irgendwie kein Ende. Also zurück, am Lidl und Carrefour vorbei. Aber zuerst fand Madame noch einen Knochen, legte sich hin und zerkaute ihn genüsslich.... Ich hab Zeit, ich kann warten. Alles gut.
Hinter dem Carrefour befand sich eine grosse Brachfläche. Es wurde bereits dunkel. Noch lange rumsuchen hatte ich keine Lust, schon gar nicht mit der Zottelliese an der Hand. Ich lies sie von der Leine.
Ein Mann kam uns entgegen, sie stürmte auf ihn zu, bellte einmal. Der Mann sichtlich erschrocken. Ich nur: "Excuso" oder sowas in die Richtung. Kein Problem, alles gut.
Auf einer sandigen Senke die mit Sträuchern und Bäumen umsäumt war, liess ich mich dann nieder. Schluss für heute!
Madame an meiner Seite. Ich rollte die Isomatte und den Schlafsack aus. Jetzt erstmal Abendbrot für uns beide.

Herrlich. Beide satt, beide k.o. Die Hündin legte sich ganz nah an mich dran, immer Körperkontakt haltend und es wurde Nacht.
Sie tat ihrem Schäferhunddasein alle Ehre. Jeder der vorbei ging wurde angebellt. Verweilte jemand zu lange, rannte sie hin und bellte sie weg, kam zu mir zurück und legte sich wieder hin.
Es war eine lange kurze Nacht.

Als es Dämmerte stand ich auf. Alles voller Schnecken. Was solls.
Wie geht es nun weiter? Was mach ich mit der Hündin? Ich kann und wollte sie nicht mitnehmen. Die Idee. Policia!

Google Maps. Örtliche Polizeistation. Und los! Nach einigen Kilometer, es war ein schöner Morgen, kamen wir zur Polizeistation. Ich rein mit Hund. Ich fragte, ob jemand hier englisch verstehe und erklärte die Situation. Der Hund ist mir zugelaufen und ich suche die Besitzer. Alles klar. Die Polizisten waren sehr freundlich. Einer holte einen Scanner um einen eventuell vorhandenen Chip auszulesen. Scan. Nix. Weiter gescannt. Piep! Hat keine Infos gebracht. Nochmal gescannt. Nach einigen Minuten der Treffer!

Die Polizisten zogen sich zurück, telefonierten. Nach einiger Zeit kamen sie wieder heraus. Freudige Botschaft. Die Besitzer sind informiert und auf dem Weg hierher. Ich total erleichtert, wenn auch ein wenig wehmut dabei war.

20 Minuten später trafen die jungen Besitzer ein.

ELMA!

Elma sprang auf vor Freude.

Die Familie war wieder vereint. Das junge Paar dankte mir mehrmals herzlichst und sie gingen fort mit Elma und der selbstgemachten Leine.

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@Schöpfung
Elma hat dich ausgesucht, damit du ihr hilfst. Weißt du denn, warum sie ohne ihre Besitzer war und wie lange?

Sie gab mir Geleitschutz und ich hab ihr geholfen heim zu finden. Sie war nicht lange weg. Glaub nur einen Tag. Sie wollte wohl mal etwas Abwechslung :)
 
Wäre Elma auch "ausgebüchst", wenn ich nicht vorbei gewandert wäre?
Wäre Elma evtl vom Auto überfahren worden?
Wäre Elma mit anderen Fussgängern mitgegangen?
Warum trifft ausgerechnet ein deutscher Schäferhund auf eine deutsche Wanderin in Spanien?
Wäre meine Nacht so friedlich verlaufen, ohne Elma an meiner Seite?

Ich weiss schon, alles kommt wie es kommen soll. Es hätte nichts anders laufen können. Dennoch find ich es spannend solche Fragen zu stellen :D
 
Wäre Elma auch "ausgebüchst", wenn ich nicht vorbei gewandert wäre?
Wäre Elma evtl vom Auto überfahren worden?
Wäre Elma mit anderen Fussgängern mitgegangen?
Warum trifft ausgerechnet ein deutscher Schäferhund auf eine deutsche Wanderin in Spanien?
Wäre meine Nacht so friedlich verlaufen, ohne Elma an meiner Seite?

Ich weiss schon, alles kommt wie es kommen soll. Es hätte nichts anders laufen können. Dennoch find ich es spannend solche Fragen zu stellen :D

Ja, der Schmetterlingseffekt. Wenn das nicht passiert wäre, hätte es dazu kommen können oder dazu oder... Vielleicht ist es gut so, dass du es nicht weißt. Sei glücklich über diese besondere Begegnung. Nichts geschieht ohne Sinn. Und am Ende gab es für euch Beide ein Happyend.
 
Portugal

Irgendwo hinter Faro westwärts entschied ich mich wieder alleine weiter zu gehen. Mein Wegbegleiter, Zauberer (Name geändert) blieb noch in Faro, wo uns ein Mann, einen Tag zuvor, dazu einlud in seiner Unterkunft zu übernachten. Mit richtigem Bett :D Es war ein altes zerfallenes Industriegelände, wo Menschen verschiedenster Herkunft lebten. Sie richteten sich dort Zimmer ein und einige hatten sogar Türen mit Schloss. Die Menschen dort waren sehr freundlich und hilfsbereit.

Nun, ich ging dann wieder meiner Wege. Rastlos, ruhelos, getrieben. Von was? Ich weiss es nicht.

Ich kam durch ein endlos scheinendes Golfanlagengebiet. Clubs reihten sich an Clubs. Alles umzäunt. Nicht sehr praktisch für einen Wanderer, der auch mal im Busch zum pinkeln verschwinden muss. Bald endeten die Golfanlagen und ich kam durch kleinere Ortschaften. Ein Ort trug den Namen Boliqueime. Irgendwie gefiel mir das und ich schaute mich um für eine Pause.
Am Ortseingang kam ich direkt zum Bahnhof. Schräg gegenüber erblickten meine Augen offene Eingänge zu einem leerstehenden Haus. Ich ging hinein. Die Räume waren sehr vermüllt. Einer der hinteren Räume verbarg unter Steinen und Holz einen alten grossen Ofen. Ich stellte mir vor, wie darin in früheren Zeiten Brot gebacken wurde. Der Dachstuhl sah nicht sonderlich vertrauenswürdig aus, denn an einigen Stellen waren Löcher in der Decke. Bei sowas dachte ich mir immer "Wenn es jetzt noch nicht komplett zusammen gefallen ist, dann wird es auch noch einige Tage länger halten."
Vom hintersten Raum führte eine Tür zu einem kleinen Hinterhof. Perfekt. Frische Luft, schattig und windgeschützt. Dieser Platz sollte mein Nachtlager werden.
Ich legte meinen Rucksack ab, ging wieder hinaus, um nach einer Matratze ausschau zu halten.
Keine 20 Meter weiter standen Müllcontainer und Tadddaaaaa... Natürlich auch eine Matratze. So zerrte ich die Matratze mit. Zuvor kehrte ich den Hinterhof etwas aus, da alles voller zerbrochenem Putz und anderen Steinchen war. Darunter kamen wirklich schöne Fliesen zum vorschein.

Einige Stunden später erreichte mich eine Nachricht vom Zauberer, er sei jetzt auch in Boliqueime und so lotste ich ihn zu meinem Chillplatz. Auch er fand eine Matratze und so verbrachten wir dort eine gemütliche und ruhige Nacht.

Im Verlauf des nächsten Tages besuchte uns ein Einheimischer. Er hatte zwei Tüten dabei, gefüllt mit Orangen, Trinkpacks und Süßigkeiten. Sehr dankbar nahmen wir sie an.

Am Abend saßen wir in unserer Chilllounge und unterhielten uns. Nebenher vernahm ich quieckende, fast jaulende Geräusche. Ich dachte mir wenig dabei. Vielleicht waren es einige freilaufende Hunde, die um Futter stritten. Doch das jaulen hörte nicht auf. Nun wurde Zauberer auch darauf aufmerksam und stutzte. Er entschloss sich dem Geräusch zu folgen.

Neben unserem Gebäude stand eine leere Gewerbeeinheit, mit einer grossen Halle. Im hinteren Raum befanden sich die alten Sanitäreinrichtungen. Im Boden waren zwei tief eingelassene Becken, vielleicht einen Meter breit und zwei Meter lang. Sie waren zur hälfte mit Wasser gefüllt. Zauberer rief mich herbei. Ein Hund!

Ein mittelgrosser Hund der im Wasser um sein Leben kämpfte. Zauberer kam nicht an ihn heran, da das Becken recht tief war. Zauberer sagte, ich solle zum Bahnhof, den Sanitätern Bescheid geben, damit sie helfen können. Gesagt, getan. Zwei der Sanitäter folgten mir unaufgeregt. Zauberer bekam den Hund zu fassen, der kaum noch Geräusche von sich gab. Ich hielt Zauberer an seinen Beinen fest und so gelang es ihm den Hund endlich aus der Wasserfalle zu retten.

Die Sanitäter verliessen ungerührt den Schauplatz. Zauberer nahm den Hund in die Arme und im Lager wickelten wir ihn in Decken. Kaum noch Lebenszeichen des kleinen Kerls. Zauberer nahm ihm das viel zu enge Halsband ab. Eine Weile lag der Hund nur da, röchelte schwer. Es sah nicht gut aus. Zauberer begann ihm immer mal wieder auf die Beine zu stellen. Der Hund lag schwer unter Schock. Nach 20-30 Minuten kramte Zauberer etwas zu Essen hervor, Semmeln und Wurstsalat. Der kleine Hund lag da und beobachtete das Essen. Zauberer gab ihm einen bissen. Dann noch einen und noch einen. Das röcheln des Hund liess nach und er begann erste versuche wieder aufzustehen. Sehr wackelig, wie ein neugeborenes Kalb was seine ersten Gehversuche startete.

Der kleine Kerl gab nicht auf und stand irgendwann wieder auf allen Vieren.
Nach und nach kam der Wuffi wieder zu kräften und plötzlich stand er auf und machte sich von dannen.
Er war gerettet und wir erleichtert.
Ich deckte die Wasserbecken mit Holzplatten ab, damit so ein Unglück nicht wieder passieren konnte.

Im Verlauf des Abends kam der kleine Schwimmer noch einmal kurz vorbei, als wollte er sagen "Danke für eure Rettung." und wart von da an nicht mehr gesehen.

Ende gut, alles gut.

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Der kleine Hinterhof war etwas beengt zu zweit. Daher schauten wir uns im Ort um, nach etwas luftigerem.

Das Glück war uns hold und so zogen wir für einige Tage in dieses leerstehende "Häuschen". :)

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Wir haben erstmal ordentlich sauber gemacht. Im Obergeschoss gab's zwei weitere Zimmer mit Matratze natürlich :D
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Tarifa :love:
Von Tarifa aus konnte man immer rüber nach Marokko schauen.

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Irgendwann ging es auch mit der Fähre rüber nach Marokko. Das war vielleicht ein Abenteuer, von Anfang bis Ende.
Allein schon die Überfahrt mit der Fähre.
Man stelle sich um die 50 chinesische Touristen vor. Beim Boarding alle tiefenentspannt, auffällig ruhig und gesittet. Dann verliessen wir den Hafen. Es herrschte eine kräftige Briese, denn bis zwei Tage zuvor fuhr keine Fähre aufgrund heftigen Sturms.
Also, es war immnoch sehr stürmisch. Die Wellen wurden immer Höher und die asiatischen Touristen wurden freudig aufgeregt, gingen raus zur Reling und machten von den Monsterwellen Fotos. Es war ein Gewusel, das sehr lustig mit anzusehen war. Doch nach 10-15 Minuten wurde es ruhiger. Die Bordcrew holte alle Passagiere rein, denn die Wellen waren sehr hoch und die Fähre schaukelte extrem.
Ich hielt mich mittlerweile an meinem Sitz fest und merkte wie flau mir im Magen wurde. So nach und nach wurde es immer ruhiger und die Bordcrew begann Kotztüten zu verteilen. Ich nahm dankend an.

Und dann ging es los. Erst links von mir *wüüürggg*, dann rechts von mir *wüüüürgg*. Dann ich *würg* und dann alle im Chor *WüÜÜÜÜRGGGG*
Es war so elend und gleichzeitig so lustig, das ich ein Dauergrinsen im Gesicht hatte.

Nach einer Stunde überfahrt, waren wohl alle heilfroh die Fähre verlassen zu dürfen.

Hach, was ein herrliches und amüsantes Erlebnis :D

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