Sägespäne

Die Dreifaltigkeit, Pama, Sila und Arima, befinden sich im paradiesischen Garten und beobachten den alten Mann und den kleinen Michel.

Wo befindet sich der mittlere Mann oder die mittlere Frau? Jene die in vollster Blüte stehen? Zum menschlichen Sein gehört doch auch die vollste Blüte. Für Menschen gab es schon lange keine vollste Blüte mehr. Sie waren mit Sklavenarbeit beschäftigt. Als Kinder hatten sie noch einen Draht zur Anderen Seite und als Alte fanden sie diesen Draht teilweise wieder. In manchen asiatischen Ländern werden Kinder einige Zeit in ein Kloster gesteckt und alte Menschen gehen freiwillig ihre letzten Lebensjahre in ein Kloster. Der Draht muss gefunden werden, wenn auch nur symbolisch.

Pama, das Doppelwesen, bestehend aus Selma und Paolo, jene, welche im Westen nichts Neues fanden sich in den Osten aufmachten, um dort ins gelobte Land gehoben zu werden. Wortwörtlich gehoben. Von geflügelten und nicht geflügelten Wesenheiten. Arima erwartete sie dort. Im gelobten Land. Die Vorstufe zum Paradiesgarten, wo oben am Hügel eine Plane wartet, um gewisse Leute zu verarschen. Das ist nun mal Arimas Humor, der ab und zu ziemlich schwarz sein kann.

„Was habt ihr euch denn erwartet?“ lacht er den beiden Enttäuschten entgegen, die mit gesenkten Köpfen in den Garten zurück kommen. „Dass ihr einfach nur die Treppen zu nehmen braucht und schon befindet ihr euch im Himmel, den es gar nicht gibt?“

„Es wäre zu einfach gewesen und einfach gibt es nicht. Hier nicht. Hier werdet ihr noch mehr gefordert als wir im gelobten Land“, so spricht nur Pama. Hart und präzise. Was Sache ist. Und das ohne Lächeln im schönen Hippiemädchengesicht.

Und schließlich Sila, das Doppelwesen, bestehend aus Manola und Thygyrill oder Bela und Ysil und noch viel mehr. Sie haben viele Leben hinter sich. Manche gemeinsam, manche getrennt. Aber immer irgendwie in der Nähe. Erkennbar. Oder vielmehr wahrnehmbar.

„Jetzt möchte ihr wohl wissen, warum ihr hier seid?“ fragt Sila und ihre grünen Drachenaugen funkeln. Drachenaugen? Warum nicht? Es dürfte gar nicht so übel aussehen, wenn menschliche Gestalten Reptilienaugen haben. Aber meistens sind Silas Augen braun, fast schwarz. Sie tut das nur heute für den kleinen Michel, der zu gerne mal mit einem Drachen geflogen wäre und nie die Gelegenheit dazu hatte.

„Komm, kleiner Michel“, lockt sie in ihrem hautengen Drachenkostüm und nimmt den kleinen Michel an der Hand. Diese eine Berührung genügt und schon weht ein wilder Wind um den Kopf des Kleinen. Erstaunt blickt er nach unten. Die Tiefe. Das paradiesische Tal von oben und das auf einem schwarzen Drachen. Es ist Thygyrills, bzw. Belas Dache, den Sila gewählt hat. Der grüne, bzw. der mit der unbestimmbaren Farbe schläft gerade und träumt, er wäre ein Einhorn.

Sila hält den kleinen Michel ganz fest. Und der kleine Michel strahlt und jauchzt vor Freude, als sie mit Lady Ferryn (so nennt sich Thygyrills Dache, während der Grüne auf den Namen Lord Izmir besteht) durch die paradiesischen Lüfte sausen.

Man sollte nie glauben, dass es für Träume zu spät ist. Es ist nie zu spät. Wirklich nie. Wenn man sie wirklich wahr werden lassen möchte, werden sie das auch. Irgendwann auf jeden Fall. Die Frage ist nur – wann.


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Ein schier unzertrennliches, liebevolles Paar gründet ein magisches Theater und spielt die Hauptrolle. In dieser Hauptrolle geht es darum, dass das schier unzertrennliche, liebevolle Paar Streit hat. Dieser Streit ufert so weit aus, dass alle anderen Schauspieler jeweils Partei für einen der schier unzertrennlichen, liebevollen Partnern ergreifen, bis regelrecht ein Krieg ausbricht. Ein Partner jedoch behält den Durchblick und will auf jeden Fall den Krieg verhindern, indem es den anderen Partner immer wieder versucht zu erinnern, dass sie bloß Theater spielen und dieses Theater als Zeitvertreib von ihnen beiden gegründet wurde. Der andere Partner jedoch hört nicht auf ihn und schließlich verletzt er seinen Partner beim letzten Kampf tödlich. Erst, als der andere Partner den Tod spürt, erkennt er endlich das Spiel und hält seinen sterbenden Freund weinend in den Armen. Zum Glück sind die Kriegswerkzeuge und der Tod nur Requisiten und schließlich liegen sich die beiden weinend und lachend zugleich in den Armen.

Ja, wir sind wieder beim Geschichten erzählen. Auch das ist eine Geschichte Arimas, die er natürlich viel ausführlicher und dramatischer erzählt. Diesmal besteht seine Zuhörerschaft nicht nur aus dem alten Mann und dem kleinen Michel. Auch Pama und Sila lauschen der sanften, eindrucksvollen Stimme, die sich tief in ihrem Inneren anschmiegt und ihren Geist streichelt.

Arima war schon immer für absolute Vereinigung, obwohl er sich für den Individualismus einsetzte und in zwei Kämpfen eine Armee anführte. Es waren keine Kämpfe, in denen jemand oder etwas zuschaden gekommen wäre. Sie waren notwendig, um den Plan der Quelle zu erfüllen. So sagt zumindest Arima.

Wollen wir ihm Glauben schenken? Nein, den Glauben behalten wir für uns. Aber wir wissen, dass es genauso ist, wie Arima sagt. Dazu braucht es keinen Glauben. Da zählt nur Erkenntnis und Wissen, das uns in vielen Leben abhanden gekommen ist.

Aber die Geschichte sagt etwas aus. Es ist nicht nur eine Geschichte. Es geht darum, dass wir uns erinnern sollten und niemals vergessen sollten, dass wir niemals von der Quelle getrennt sind. Wir befinden sich mitten in ihr und sie befindet sich mitten in uns. Sie hält uns in ihren Armen und gleichzeitig davon ab, Krieg gegen uns selbst zu führen. Und einmal werden wir das auch wirklich erkennen.


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Pama hat ein Hippiemädchengesicht, weil sich Sila ständig als Hippiemädchen ausgibt. Sie verschmelzen teilweise ineinander. Manchmal gesellt sich auch Arima zu dieser Verschmelzung hinzu. Es ist irgendwie ein Hauch von Nostalgie. Oder der Geschmack von Gurkensalat mit Kartoffeln, der nach Sommer schmeckt. Oder irgendetwas, das unheimlich viele Glückshormone freisetzt. Oder ein Glückshormon selbst sein.

Sein. Nicht werden und sein. Einfach nur sein. Manchmal tönt so etwas wie eine Stimme von weit herüber. Eine tonlose Stimme ohne Worte, denn wir haben das Menschsein satt, das ständig unterscheidet und urteilt und vor allem teilt. Es ist, als würde diese tonlose Stimme ohne Worte sagen: „Hört endlich mit diesem Versteckspiel auf. Es ist nicht nötig, all das nach zu spielen. Wir sind perfekt. Vollkommen von Anfang an. Es gab doch nie etwas anderes als Vollkommenheit.“

Metatron, die Stimme Gottes. Irgendwo steht geschrieben, er erleichtert den Trennungsschmerz. Es gibt keine Trennung. Es ist alles nur ein unnötiges Spiel. Sogar ein nachgespieltes Spiel. Wie das schier unzertrennliche, liebevolle Paar einst ein magisches Theater gegründet und einer der beiden sich im Theaterstück verloren hat. Genauso haben wir uns verloren. So scheint es zumindest. Manchmal.

Aber manche Wesen sind neugierig. Sie wollen genau wissen, wie etwas passiert ist, auch wenn nichts passiert ist. Nichts ist jemals passiert, sagte schon Papaji (Harivansh Lal Poonja). Einer, der aus den uralten indischen Schriften (lange, lange vor dem Kurs) heraus fand, dass nie etwas passiert und alles nicht einmal ein Traum, ja nicht einmal ein Gedanke ist. Denn Gott ist nicht grausam. Er würde niemals zulassen, dass seine Kinder leiden.

Und doch leiden wir. Wie geht das denn? Klar, wir müssten nicht leiden, wenn wir den Kopf in den Sand stecken und alles schön reden. Wenn wir auf eine Backe geschlagen werden, die andere lächelnd, weil wir unempfindlich sind, hinhalten. Wenn uns alles scheißegal wäre, weil wir uns eh nicht um andere kümmern. Wenn, wenn, wenn...

Liegt es an mir, wenn sich andere die Schädel einschlagen? Liegt es an mir, wenn Krieg und Hunger herrscht? Liegt es an mir, wenn Tiere misshandelt werden? Liegt es an mir? Die große Schuldfrage. Und vielleicht der Gedanke, in irgendeinem Leben einmal sehr, sehr böse gewesen zu sein. Und jetzt kommt die Strafe dafür.

Alles Schwachsinn. Wir sind Teil der Evolution, die sich durch Zufall genauso entwickelt hat, dass wir heute da stehen, wo wir nun mal stehen. Und wenn wir sterben, verrotten wir genauso wie ein Blatt, das vom Baum auf die Erde fällt und dort verrottet. Und nichts von Geist. Nichts von heilig. Da bleibt nichts übrig, wenn man so hoch fällt. Hochmut kommt vor dem Fall. So ist es nun mal, wenn sich das Menschlein wichtig nimmt und meint, irgendein Gott oder irgendeine Quelle würde sich für es interessieren. Mitnichten!

Es gibt nichts, was sich für dich interessiert, wenn du es nicht selbst tust. Genauso ist es mit dem kümmern. Kümmerst du dich nicht um dich selbst, tut es niemand.

„Was erwartet mich da draußen?“ fragte Freund Carlos und als Don Juan sagte: „Etwas vollkommen Unpersönliches!“ lief es ihm vor Schreck eiskalt den Rücken runter.

Ist nun mal so. Wir nehmen alles viel zu persönlich. Sogar die Phantasie und das Bild, wie die Dreifaltigkeit (Pama, Sila und Arima) miteinander verschmelzen.


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Wieder das Ja und das Nein. Die „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“-Nummer. Der gute, alte Goethe, in seinem Faust, wusste also auch schon Bescheid. Wir haben nur eine Seele, wenn überhaupt. Ja, ich will glauben. Nein, ich kann nicht glauben.

Sila ist genauso. Auch in ihr toben zwei Kräfte. Hat Arima mit seiner Armee gerettet oder hat er verdammt? Das ist ihre Kernfrage. Sie traut dieser Frage nicht ganz. Oder traut sie Arima nicht? Nach all dieser Zeit!

In der Zeit herrscht immer Misstrauen. Solange Zeit existiert, sind die beiden Energien nicht vereint, wie sie es sein sollen. Wie sie es eh immer gewesen sind, sind und sein werden. Sagte uns doch die Quelle stimmlos und ohne Worte: „Es gab doch nie etwas anderes als Vollkommenheit!“ Und wir dümpeln in Gefilden herum, die uns nichts angehen. Hier kommen wir nicht weiter. Hier ist immer alles Wiederholung. Wiederholung wie in meinen Schriften. Klar ersichtlich.

In der Ewigkeit ist alles anders. Vollkommen. Rein. Unverwundbar. Ewig und für immer. Ja, auch wenn manches davon an das Phänomen Zeit erinnert. Phänomen! Alles hier sind Phänomene. Auch die zwei Kämpfe sind Phänomene. Alles nicht wirklich und doch ein Teil einer Wirklichkeit, die zur Wahrheit geworden ist. Schwer zu verstehen, wenn man den Verstand nicht endlich ausschaltet. Den zweifelnden Verstand!

Die Verschmelzung tut ihr gut. Ihr, Sila, die schon so oft gelebt hat und doch nie erkannte, dass ihre Leben nur etappenweise auf das Ganze hinweisen. Im Wörterbuch steht für „etappenweise“ durch geringe Geschwindigkeit gekennzeichnet, oder umständlich, schwerfällig, nicht flink oder auch allmählich, nach und nach. „Umständlich“ trifft es gut. Dabei könnten wir, würden wir glauben, von einer Sekunde auf die andere in die ewige Unendlichkeit beamen. Beamen!

„Nein, nicht wir!“ ruft Arima. Und wahrscheinlich auch nicht „beamen“. Scotty hat Urlaub. Wir sind doch nicht das Wahre. Wir nehmen uns wahr. Aber wir sind nicht, weil sich das Seiende nicht verändert. Wir aber verändern uns. Wir werden alt und grau und bäh. Aber wir als das Wahre, das Sein, sind ewig. Sind rein und unveränderlich wie die Quelle. Weil wir nicht nur Teil der Quelle (die sich ja in Wahrheit nicht teilen lässt!), sonder die Quelle sind.

Glaubst du daran, Sila? Du, die du das wahre Hippiemädchen (und wahre Drachenreiterin) bist? Du, die du damals gegen alles rebelliert und die Welt nicht verstanden hast? Du, die du in eine Welt hinein geboren wurdest, die viel zu hart und viel zu grausam für dich war?

Sila nickt. Denn es muss so sein. Wenn es nicht so ist, haben wir umsonst gelebt. Umsonst? Nein, Sila, nichts ist umsonst und doch ist alles umsonst. Genauso wie nichts wichtig ist und doch alles wichtig ist. Steig über die Mauer und blicke nach oben, Sila.


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Wieder das Ja und das Nein. Die „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“-Nummer. Der gute, alte Goethe, in seinem Faust, wusste also auch schon Bescheid. Wir haben nur eine Seele, wenn überhaupt. Ja, ich will glauben. Nein, ich kann nicht glauben.

Sila ist genauso. Auch in ihr toben zwei Kräfte. Hat Arima mit seiner Armee gerettet oder hat er verdammt? Das ist ihre Kernfrage. Sie traut dieser Frage nicht ganz. Oder traut sie Arima nicht? Nach all dieser Zeit!

In der Zeit herrscht immer Misstrauen. Solange Zeit existiert, sind die beiden Energien nicht vereint, wie sie es sein sollen. Wie sie es eh immer gewesen sind, sind und sein werden. Sagte uns doch die Quelle stimmlos und ohne Worte: „Es gab doch nie etwas anderes als Vollkommenheit!“ Und wir dümpeln in Gefilden herum, die uns nichts angehen. Hier kommen wir nicht weiter. Hier ist immer alles Wiederholung. Wiederholung wie in meinen Schriften. Klar ersichtlich.

In der Ewigkeit ist alles anders. Vollkommen. Rein. Unverwundbar. Ewig und für immer. Ja, auch wenn manches davon an das Phänomen Zeit erinnert. Phänomen! Alles hier sind Phänomene. Auch die zwei Kämpfe sind Phänomene. Alles nicht wirklich und doch ein Teil einer Wirklichkeit, die zur Wahrheit geworden ist. Schwer zu verstehen, wenn man den Verstand nicht endlich ausschaltet. Den zweifelnden Verstand!

Die Verschmelzung tut ihr gut. Ihr, Sila, die schon so oft gelebt hat und doch nie erkannte, dass ihre Leben nur etappenweise auf das Ganze hinweisen. Im Wörterbuch steht für „etappenweise“ durch geringe Geschwindigkeit gekennzeichnet, oder umständlich, schwerfällig, nicht flink oder auch allmählich, nach und nach. „Umständlich“ trifft es gut. Dabei könnten wir, würden wir glauben, von einer Sekunde auf die andere in die ewige Unendlichkeit beamen. Beamen!

„Nein, nicht wir!“ ruft Arima. Und wahrscheinlich auch nicht „beamen“. Scotty hat Urlaub. Wir sind doch nicht das Wahre. Wir nehmen uns wahr. Aber wir sind nicht, weil sich das Seiende nicht verändert. Wir aber verändern uns. Wir werden alt und grau und bäh. Aber wir als das Wahre, das Sein, sind ewig. Sind rein und unveränderlich wie die Quelle. Weil wir nicht nur Teil der Quelle (die sich ja in Wahrheit nicht teilen lässt!), sonder die Quelle sind.

Glaubst du daran, Sila? Du, die du das wahre Hippiemädchen (und wahre Drachenreiterin) bist? Du, die du damals gegen alles rebelliert und die Welt nicht verstanden hast? Du, die du in eine Welt hinein geboren wurdest, die viel zu hart und viel zu grausam für dich war?

Sila nickt. Denn es muss so sein. Wenn es nicht so ist, haben wir umsonst gelebt. Umsonst? Nein, Sila, nichts ist umsonst und doch ist alles umsonst. Genauso wie nichts wichtig ist und doch alles wichtig ist. Steig über die Mauer und blicke nach oben, Sila.


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Wie schön, du bist auch ein Freund der unendlichen Weiten :)

 
Die wahren Abenteuer sind im Kopf und sind sie nicht im Kopf, sind sie nirgendwo. Erleben lässt es sich also auch im Inneren. Wie Andre so schön poetisch meint, dieser edle Poet aber auch. Worte können also auch wundervoll sein, bzw. Wundervolles auslösen. Genauso das Denken. Was da alles entstanden ist! Ja, stimmt! Zuerst ist immer die Idee. Und dann?

Sila, blicke weiter nach oben. Ganz nach oben. Siehst du? Da ist nichts. Aber dieses Nichts lässt sich ergründen. Es lässt sich wahrhaftig erkennen. Nicht nur, dass das Nichts alles wäre. Das ist es natürlich nicht, denn im „Himmel“ gibt es keine Polarität. Im „Himmel“ ist alles eins. Eines ohne ein Zweites.

Sagt Advaita Vedanta, wie auch der Kurs auf modernere Art und hat auch gleich ein Rezept parat, wie der „Himmel“ zu erreichen ist. Ist mir das Alte oder das Neue lieber? Das ohne oder das mit Rezept?

Leben für das Jenseits. Ja, wofür denn sonst?! Dieses Leben ist Scheiße, weil einem nichts bleibt. Weil man nichts hat. Nichts. Es geht alles verloren. Man fühlt sich wie der Esel, dem eine Karotte wenige Zentimeter vor die Nase gehalten wird, um ihn zum gehen anzuregen. Der Esel erreicht die Karotte nie. Da kann er marschieren, so lange und so weit er will. Zeit und Raum haben keine Wirkung.

Was bleibt, ist das Jenseits. Und das ist auf keinen Fall eine Karotte. Es ist ich. Es ist die Quelle. Das lassen wir mal so stehen. Ja?


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Nichts. Weniger als nichts. Hat mich schon immer beschäftigt. Das Nichts. Und schon immer ahnte ich, dass es nicht das Gegenteil von „alles“ ist. Es klingt zwar schön, wenn man sagt: Nichts ist alles und alles ist nichts. Aber was bedeutet das schon?

Es ist ja auch nicht so, dass hier die materielle Welt und dort die geistige Welt existiert. Wozu und vor allem wo und wann sollte eine geistige Welt existieren? Sie braucht keinen Ort. Und keine Zeit. Materie braucht Orte und Zeiten. Um sich nieder zu lassen. Um nichts zu werden. Alles wird einmal nichts, auch wenn es alles ist. Aber das stimmt so nicht. Alles war schon immer nichts. Deshalb hat man auch nichts in diesem Leben, in dem einem alles genommen wird, obwohl man nichts besessen hat. Es ist immer das Nichts, das uns bleibt, weil es immer unser war.

Es sind zu viele Wiederholungen in meinem Geschreibe. Aber wie auch schon mehrmals gesagt: Es muss so sein. Immer wieder muss ich mir in meinen morgendlichen oder vormittäglichen 'Gebeten' das vorkauen, was in meinen Geist eingeschlossen werden soll. Und – um es endlich auch anzuwenden. Wie lässt sich das Nichts anwenden? Einfach. Still. Und vor allem im Nicht-tun.

Arima lächelt und gesellt sich zu Sila in den Pavillon, während Pama mit dem alten Mann und dem kleinen Michel zur Mondlandschaft wandert, um Trauben für dem köstlichen Wein zu ernten. Natürlich ernten sie nicht wirklich und machen auch keinen wirklichen Wein. Diese Zeiten haben sie hinter sich. Jetzt stehen andere Zeiten bevor. Zeiten, die sich dehnen wie Gummi. Was sagt uns das, wenn sich Zeiten wie Gummi dehnen? Sie sind instabil. Könnte man auch sagen.

Aber wie bemerkt man, ob die Zeit mal schneller und mal langsamer vergeht? Vom Gefühl her ist alles klar. Wartet man auf etwas sehr dringend, vergeht die Zeit immens langsam. Hat man Spaß, vergeht sie, wie man so sagt, wie im Flug. Aber ich meine, wie bemerkt man, ob sie wirklich mal langsamer oder schneller vergeht? Der Blick auf die Uhr kann es nicht sein. Denn Uhren gehen immer so, wie sie eingestellt werden. Der Blick auf die Sonne? Eben stand sie noch hoch am Himmel und einen Augenblick später ist sie untergegangen. Aber wer denkt schon daran, wie schnell die Zeit wirklich vergeht und was es bedeutet? Und vor allem, was sie ist, die Zeit und ob sie überhaupt wirklich ist?

Arima schüttelt den Kopf und meint, dass man auch mit sehr schwachsinnigen Gedanken seine Zeit verplempern kann. Ja, kann man, Arima! Und es macht sogar Spaß!


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Wunschdenken. Sie wünschen zu denken? Oder ist es anders gemeint? Manchmal wünschen wir uns etwas, das nicht zutreffen kann. Das trifft eher zu. Oder?

Auf jeden Fall erzählt Sila etwas, woran sie sich plötzlich erinnert. Ein Wunschdenken, oder tatsächlich ein ganz reales (?) Erlebnis?

Kann man den Tod erleben, Arima? Meine Erinnerung sagt „ja“. Ich weiß nicht mehr, woran ich damals starb. Damals, an dieses Damals, an das ich mich hier und jetzt erinnere. Es ist so weit weg, Arima. So weit weg.

Sila liebt es ein wenig theatralisch. Man sollte sich vorstellen, wie sie in einem langen, weiten Seidenkleid, dessen Untergrund grün ist und auf dem bunte Vögel und Schmetterlinge abgebildet sind, auf einer Sonnenliege im Pavillon liegt. Es ist ein langes Kleid mit schmalen Trägen an den schmalen Schultern. Ihr Haar ist lang, etwa bis zu den kleinen Brüsten, die sich nur schemenhaft unter dem Seidenstoff abheben. Die Farbe? Das ist bei Sila kaum feststellbar. Ähnlich ihrem Drachen. Unbestimmbar und ein Hauch von Grün. Meistens ist es rot, rötlich, mit gelben Strähnen. Und diesmal? Es wechselt wie eine Ampel an einer Kreuzung.

Darum geht es gar nicht. Es geht um das Theatralische. Um ihre Bewegungen, wenn sie spricht, ohne etwas zu sagen. Ohne Worte. Ohne Schweigen. Die graziösen Gesten ihrer Hände, oder wenn sie den Kopf hebt und zu Arima, der an ihrer Seite ebenfalls auf einer Liege Platz genommen hat, mit einem sehr eindrucksvollen Augenaufschlag, blickt. Falsche Wimpern. Eindeutig. Aber es passt ihr. Auch die grell rot geschminkten Lippen, die durch die Farbe etwas schmäler wirken. Diesmal sind Silas Augen dunkelbraun. Bei den Worten: „Es ist so weit weg, Arima. So weit weg“, bewegen sich ihre Arme und Hände wie zwei Schlangen und ihr Kopf hebt sich langsam, als würde er zur dritten Schlange werden.

Verstehst du, was ich meine, Arima? Was haben wir nur getan? Wieder getan! Wo wir doch so nah dran waren, endlich einen Strich unter allem zu ziehen. Abzurechnen. Ein für alle mal. Aber ich denke, du hast dich geweigert. Du warst dieser eine Gedanke, der die Quelle zum Umdenken brachte. Durch dich war es uns allen erlaubt, zu erfahren, wie sich alles vollzogen hat. Wie die Quelle vollkommen wurde, obwohl sie es schon längst war.

Ach, es war nichts? Ist es das, was du sagen willst, Arima. Natürlich war es nichts. Aber warum immer wieder diese Sorgen? Dieses Qualen? Dieses Leid? Und vor allem, warum immer wieder diese Angst?

Arima liegt mit geschlossenen Augen auf der Liege. Die prächtigen Arme vor der schönen, nackten Brust verschränkt und die langen, wohl geformten Beine (jede Frau wäre neidisch!) lässig übereinander gelegt und in Jeans gekleidet. Es scheint, als würde er leicht lächeln. Leicht? Sagen wir: ein Hauch von Lächeln umspielt sein überirdisch schönes Gesicht.

Warum sagst du nichts, Arima? Warum offenbarst du nicht endlich dein großes Geheimnis? Weil es sich erst am Ende offenbaren wird? Welches Ende, wenn es doch keinen Anfang gibt?

Sila lehnt sich wieder zurück und liegt nun entspannt auf der Liege. Sie erinnert sich wieder an einen der unzähligen Tode ihrer unzähligen Leben.

Wie gesagt, ich weiß nicht mehr, woran ich damals starb. Es war aber in einem der wärmeren Ländern. Und auf der Erde. Ja, ich war menschlich. Wahrscheinlich war ich immer menschlich. Immerhin hängen wir an einem menschlichen Energiestrang. An einer menschlichen Emanation der Quelle. Ich kann sie fühlen. Ich konnte sie fühlen. Sie, die Quelle. So nah wie damals war sie mir noch nie. Das sagen alle, die ein ähnliches Erlebnis hatten. Arima, hörst du? Alles sagen das. Es wäre nicht einmal eine Handbreit gewesen. Wir hätten bloß zupacken müssen. Aber haben wir? Nein, haben wir nicht.

Zuerst war alles dunkel. Irgendwie wie das, was man sich als Nichts vorstellt. Es war nichts. So könnte man es ausdrücken. Man kann es mit dem Tiefschlaf vergleichen. So als wäre man lange, lange Zeit im Tiefschlaf gelegen. Dann plötzlich ein Licht. Aber nicht das am Ende des Tunnels, auch wenn viele diesen Eindruck hatten oder haben. Es war vielmehr rund herum Licht. Ich befand mich mitten in einem warmen, sanft umhüllenden Licht. Noch fühlte ich es außerhalb, bis ich erkannte, dass das Licht in mir ist und ich ein Teil dieses Lichts bin.

Es ist schwer zu erklären. Deshalb kommt die Erinnerung auch nur selten zurück. Und wenn sie da ist, dann ist sie nur ein vagen, schier unerklärbares Gefühl, das so schnell wieder weg ist, als wäre es nie da gewesen. Es kann auch nicht da gewesen sein, weil es hier nicht her gehört. Hier ist nicht wirklich. Hier ist bedeutungslose Projektion.

Arima, im Licht gab es alles. Im Licht, da waren wir alle. Alle und alles, was ich kannte und noch viel mehr. Und ich erkannte. Wahrnehmung hatte keine Wirkung mehr. Es gab nichts Warmes, auch wenn ich mich warm fühlte. Nichts Kaltes. Nichts Gegenteiliges. Es war alles wunschlos. Wunschlos glücklich, weil alles da war.

Und weißt du an was ich mich noch erinnere, Arima? Ich hatte im Moment meines Todes Sorge um die Menschen, die ich zurück ließ. Das war unnötig, denn sie waren bei mir. Ich erkannte sie genauso wie ich mich erkannte. Wenn ich jetzt sage, dass sie mich auslachten, weil ich mich um diese bedeutungslose Projektion sorgte, klingt das lächerlich. Aber so war es. Wenn wir sterben, lassen wir nichts zurück, weil da nichts ist.

Und jetzt sag mir, mein lieber Arima, warum machen wir diese unnötige, bedeutungslose Projektion durch? Ist das der freie Wille? Das kann weder frei noch Wille sein. Sag es mir, Arima? Ich weiß, dass du es weißt.

Arima öffnet die Augen. Sein Blick ist traurig, als wollte er sagen: „Warum überschätzt du mich immer wieder? Ich bin wie du. Ich weiß genau so viel und genau so wenig wie du. Das habe ich dir immer gesagt, auch wenn ich einmal sagte, dass ich mich mitten in der Quelle der Kraft befinde. Das war keine Lüge, denn wir sind immer mitten in der Quelle. Es kommt nur darauf an, ob wir es erkennen oder nicht.“

Und worauf kommt es an, dass wir es erkennen, Arima? Worauf?


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Es sind die Zwischenräume. Die Leerzeichen. Das, was zwischen den Worten lautlos ertönt.

Pama zeigt dem alten Mann und dem kleinen Michel die Grenzen auf. Grenzen, wo keine sind und nie welche waren. Pama kennt sich mit Abgründen aus. Sie erinnert sich an die Schlucht, die zu überwinden war, bevor sie in das gelobte Land kam. Damals war sie noch zwei. Jetzt ist sie eins und dennoch getrennt. Getrennt von allem.

Wie innen so außen. Das ist eine große Lüge, denn so ist es noch lange nicht. Es darf kein Innen mehr gehen. Es darf kein Außen mehr geben. Erst dann ist alles wie es sein soll und wie es ist.

Ich hätte es besser beschreiben können, wie es war, als Selma und Paolo (das Doppelwesen Pama) in den tiefen, schier bodenlosen Abgrund kletterten, bis sie an eine Stelle kamen, wo der Zwischenraum so schmal war, um auf die andere Seite zu springen und auf der anderen Seite wieder nach oben zu klettern. Unten brodelte das Feuer der Erde. Ein Absturz wäre tödlich gewesen. Es lag nicht nur an der unergründlichen Tiefe. Es lag auch an dem, was in der Tiefe auf sie gewartet hätte. Das Fegefeuer. Die Hölle. Im wahrsten Sinne der Worte. Wahrscheinlich hätten sie nichts gespürt. Zuerst der lange Sturz. Ohnmacht. Kein Bewusstsein mehr. Dann das Feuer. Verbrannt bis zur Unkenntlichkeit. Kein Innen mehr. Kein Außen mehr. So hätten sie vielleicht nach Hause gefunden und nicht nur ins gelobte Land. Aber der Tod ist keine Lösung. Man muss fallen. Sich selbst fallen lassen.

Der lange Fall. Wenn Engel fallen, fallen sie sehr tief. Tiefer als Menschen in ihrem Hochmut. Schon einige Engel haben die Schlucht nicht überwunden und sind hinab gestürzt. Aber das musste sein, - klärt Pama den alten Mann und den kleinen Michel auf. Das waren dann die Beschützer der Erde. Die Göttin braucht Beschützer. Alleine hätte sie sich nicht gegen die Übermacht wehren können. Niemand wusste, wie sich das alles noch entwickeln wird.

Man hätte ruhig sein können. Einfach nur da sitzen. Still sein. Alle anderen machen lassen, bis auch sie erkannt hätten, dass es besser wäre, einfach nur still und tatenlos da zu sitzen. Irgendwann hätten sie alle erkannt. Niemand wäre über den anderen drübergefahren, wie man so leicht und locker sagt.

Man darf die Menschen nicht einfach machen lassen. Sie machen doch nur Unsinn. Ruinieren alles.

Aber das ist die Evolution, - klärt Pama die beiden wiederum auf. Die eine Spezies hat ihre Schuldigkeit getan und geht, die andere kommt und muss sie erst sühnen. Schuld und Sühne. Anders gibt es keine Erlösung. Auch wenn es unsinnig erscheint, aber ich verzeihe euch.


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