Mein Menschenbildgeht aus von einem göttlichen Wesen, das sich auf eigenen Wunsch hin auf Erden inkarniert hat. Das geht schon aus den Worten von Jesus in Joh.10.34 hervor 'Ihr seid Götter'
Lieber Eli,
so freigestellt könnte man das sicherlich als Worte Jesus verstehen. Es ist nur so, dass sich damit Jesus in Joh. 10[34] gegen die Anklage der Gotteslästerung mit einem Zitat aus dem Psalm 82[6] rechtfertigen wollte. In diesem Psalm hatte der Levit und Chorleiter Asaphs über die jüdische Gemeinde Sela geschrieben, dass sie sich auf ihre Herkunft besinnen und sich nicht von den gottlosen Edomitern vereinnahmen lassen sollten. Am Ende des Psalmes wird dann der eigentliche Sinn dieses Liedes deutlich:
Psalm 82[6] Ich (Asahps) habe wohl gesagt: „Ihr seit Götter und allzumal Kinder des Höchsten“; [7] aber ihr werdet sterben wie Menschen und wie ein Tyrann zugrunde gehen [8] Gott macht dich auf und richte den Erdboden; denn du bist der Erbherr über alle Heiden.
Es soll da also zum Ausdruck kommen, dass die jüdische Gemeine zum auserwählten Volk Gottes gehört. Auf die gleiche Weise argumentierte dann Jesus, dass er keine Gotteslästerung begangen haben kann, da im Grunde ja alle Juden als Kinder Gottes verstanden werden können.
Joh. 10[34] steht nicht geschrieben in eurem Gesetz: „Ich habe gesagt: Ihr seit Götter?“
In den folgenden Versen argumentiert dann Jesus, warum er sich in diesem Sinne als einen Sohn Gottes versteht.
Natürlich kannst Du einem anderen Menschenbild folgen, das hat aber nach meinem Verständnis mit den Vorstellungen Jesus wenig gemein. Was Du so schreibst, erinnert mich sehr an Origenes, Augustinus oder Arius, bei denen die griechische Denkschule unverkennbar ist.
Das muss ja nicht verkehrt sein, aber das ist nicht die blumige Sprache Jesus, mit der er die Seelen der Menschen berührte und bewegte. Gute Beispiele dafür sind die Gleichnisse, die nicht zu sehr vom Intellekt geprägt sind, sondern vor Ort am See Gennesaret erlebt wurden. Da ist von Fischern die Rede, die ihre Netze auswarfen oder von der Ernte, damit wird das Wort in den Alltag dieser Menschen gestellte und nicht in eine imaginäre Welt entrückt.
So wurde für die Menschen auch das Herbeikommen und die Erfüllung des Himmelreiches, nicht zu einem Ereignis in unbestimmter Zeit, sondern zu einem greifbaren Geschehen im Hier und Jetzt. Man spürt dann auch die Begeisterung der Menschen, die alles beiseitelegten, um an diesem Ereignis teilhaben zu können. So pilgern auch die junge Menschen nach Taizé, um eine solche bessere Welt selbst zu erfahren. Die Menschen träumen zwar gerne, aber ihres Seelenheils wegen, müssen hin und wieder auch Träume zur Wirklichkeit werden.
Merlin