Quer durch Irland - damals zu Beginn der Unruhen

Das hatte sich verändert:

Die Innenstadt von Belfast war hermetisch abgeriegelt durch einen Metallgitterzaun.

Mal etwas off topic: So liest man es doch immer, dass die Polizei irgendetwas "hermetisch" abgeriegelt habe. Kein Mensch weiß, was "hermetisch" eigentlich ist - aber jedenfalls riegelt man halt mal so ab, nicht wahr?!

Dieser Metallgitterzaun erschien mir wie die Wieder-Erfindung einer mittelalterlichen Stadtmauer - nur war er nicht so dekorativ.

Auch "Stadttore" gab es wieder.

Dort wurde jeder kontrolliert, so etwa wie man kurz nach dem 11. September beim Besteigen der Flugzeuge kontolliert wurde.

Es gab zwei getrennte Menschenschlangen vor jedem dieser Stadttore, denn Männer und Frauen wurden getrennt untersucht und durchsucht.

Guten Gewissens konnte ich mich untersuchen lassen, denn ich führte ja weder Waffen noch Munition mit mir, nur eine Camera - und die Waffen des Geistes, wie ich bei meiner DDR-Reise schon mal anmerkte.

Mit der Untersuchung am Stadttor aber ware es nicht getan.

Bei jedem Betreten eines Geschäftes oder Kaufhauses wurde man wieder neu untersucht .... ob man vielleicht eine Bombe in seiner Einkaufstasche hatte ... oder so ....

Es erinnerte mich etwas an die kleinen Hinweisschilder am deutschen Metzgereien, die da sagen, dass Hunde draußen bleiben sollen. Vor meinem geistigen Auge entsteht gerade ein freundliches Schild, auf dem man zwei Bewaffnete sieht - mit der freundlichen Unterzeile: "Wir müssen leider draußen bleiben!"
 
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Alle öffentlichen Gebäude und alle Kneipen waren durch Drahtgitternetze geschützt, die in etwa einem Meter Abstand zur Fassade aufgespannt waren.

Als Schutz gegen Bombenwerfer wohl.

Vor öffentlichen Gebäuden gab es zusätzlich noch ein absolutes Halteverbot der besonderern Art. Parkende Autos wurden dort nicht einfach nur abgeschleppt, sondern kurzerhand in die Luft gesprengt, wie ein eigenes Verkehrszeichen verkündete.

Da überlegt man es sich dann schon, ob man nicht doch lieber 100 m weiter einen Parkplatz sucht!
 
Was ich nun noch erzählen werde, das ist mein "Spaziergang" von der katholischen Falls Road in die protestantische Shankhill Road.

Von der einen Welt in eine andere.

Mit einem Niemandsland dazwischen.
 
In der Falls Road war klar erkennbar, dass ich im katholischen Viertel war:
Die Hauswände waren voller Grafitti mit Slogans, die die IRA feierten, und überall war die grün-weiß-orange Farbe der Irischen Republik zu sehen.

Vor den Gasthäusern überall die gleichen Drahtverhaue wie vor Behörden, zum Schutz vor Bombenwerfern.

Ich machte mich also auf den Weg in Richtung Shankhill Road und Protestanten.

Bald merkte ich, dass die Straßen leerer wurden, und schließlich war ich ganz allein.

Kein Mensch war mehr auf der Straße.

Die Häuser waren unbewohnt, zum Teil sogar mit zugemauerten Fenstern.

Dann war da auf einmal Leben:

Ich kam an einer Polizeistation der RUC (Royal Ulster Constabulary) vorbei.

Sie wirkte wie eine mittelalterliche Festung, von einem unsichtbaren Feind belagert.

Ein gepanzertes Fahrzeug war gerade dabei, durch das Tor zu fahren. Dazu musste ein schweres Metalltor zur Seite geschoben werden.

Polizisten der RUC in ihren schwarzen Uniformen und mit Maschinenpistolen bewaffnet standen als Wache dabei.

Sie wirkten merkwürdig dick in ihren schuss-sicheren Westen, und sie schauten etwas unsicher in die Gegend. Für ein paar Augenblicke waren sie ja nun lebende Zielscheiben.

Ich ging weiter durch die völlig verlassene Gegend.

Es erinnerte mich etwas an einen Gang von einem Teil Berlins in den anderen - nur dass die Mauer unsichtbar war, die hier die Stadtviertel trennte.


Und dann begegnete ich einer Streife der Britischen Armee.
 
Das war so:

In dieser gottverlassenen und menschenleeren Gegend erschienen plötzlich wie aus dem Nichts einige britische Soldaten zwischen zwei Häusern und überquerten direkt vor mir die Straße.

Ihre Maschinenpistolen hatten sie dabei schussbereit nach allen Seiten gerichtet - etwa so wie ein Igel seine Stacheln.

Sie gingen nicht in gerader Linie, sondern in einer Art unregelmäßigem Zick-Zack, mit merkwürdig tänzelnden Schritten.

Mir war klar: Sie wollten den Heckenschützen kein leichtes Ziel bieten.

Mich beachteten sie nicht. Nur ihre Maschinenpistolen zeigten immer mal wieder gegen meinen Bauch - so wie nebenbei.

Kein angenehmes Gefühl.

Ich dachte daran, sie zu fotografieren.

Doch zwei Gedanken hielten mich davon ab.

Erstens erschien es mir etwas unpassend und sensationslustig.

Und dann: Vielleicht wäre mein schneller Griff zur Hüfte, wo meine Kamera hing, vielleicht missverstanden worden? Wer weiß? Und in solchen Fällen wird oft gerne zuerst mal geschossen und unnötige Fragen werden dann erst später gestellt.

Aber ich hatte ohnehin nicht viel Zeit zum Überlegen.

Nachdem die Armee-Streife die Straße überquert hatte, verschwand sie wieder zwischen zwei Häusern - und der Spuk war vorbei.

Keine große Sache eigentlich. Nichts war passiert.

Und dennoch hat mich diese Szene sehr beeindruckt.

Denn: Das waren nun keine Soldaten in Ausgehuniform gewesen, oder auf einer Parade oder im Kasernenhofdienst.

Zum ersten und bisher einzigen Mal im Leben war ich in einem Kriegsgebiet einer kämpfenden Truppe in ihrem Einsatz begegnet.

Möge es dabei bleiben!
 
Nun erzähle ich weiter:

Bald nach dieser Begegnung der seltsamen Art mit der Britisch Armee ging mein Spaziergang von einer Welt in die andere auch zu Ende.

Nach einer Weile sah ich von weitem durch leichten Nebel und Nieselregen wieder Flaggen an den Häusern. Nicht die irische Trikolore, sondern den blau-weiß-roten Union Jack Britanniens.

Es waren auch wieder da und dort Leute auf den Straßen zu sehen.

Und die Slogans an den Mauern lauteten nicht mehr "FREE IRELAND!", sondern "F-U-C-K THE POPE!"

Ich war in der Shankill Road angekommen, bei den Protestanten ...
 
Bevor ich nun vom dritten Besuch erzähle, mal eine Zwischenfrage:
Wer von euch hat auch Erfahrungen mit Irland, speziell mit Nordirland?
Oder sonstwie Interesse an Irland?
 
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